E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Reihe: E-Book-Edition ITALIEN
Benni Von allen Reichtümern
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8031-4147-7
Verlag: Verlag Klaus Wagenbach
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Reihe: E-Book-Edition ITALIEN
ISBN: 978-3-8031-4147-7
Verlag: Verlag Klaus Wagenbach
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lebensweisheit und Witz, zarteste Poesie und giftender Sarkasmus, Klugheit und überbordende Erzählfreude: Der italienische Literaturstar Stefano Benni in Höchstform!
Martin, ein älterer Literaturprofessor und Dichter, lebt außerhalb des Dorfes, in einem Haus am Waldrand. Er hat sich gut eingerichtet mit seiner Einsamkeit, schreibt ein Buch, spricht mit seinem Hund und wartet auf E-mails von seinem Sohn, der als Musiker in Amerika lebt. Als in das Haus gegenüber ein junges Paar einzieht, wird sein Gleichgewicht empfindlich gestört: stadtmüde Künstler, die sogleich die Nähe des Älteren suchen. In ihm, einem Maler und Galeristen, sieht Martin sich selbst als jungen Mann. Sie, Tänzerin und Schauspielerin, weckt seine Erinnerung an eine große Liebe. Mit ihr wird er spazierengehen, am blauen See, um den eine dunkle Legende gewoben ist über ein Mädchen, das einst darin verschwand.
Märchen, Geheimnisse der Vergangenheit und gegenwärtiges Erleben verschwimmen im virtuosen Spiel des Dichters.
Dann wieder poltern sehr prosaische Ereignisse und alltägliche Zumutungen in das Leben des Professors, die Welt zerrt an ihm und will dies und das. Dabei ist Martin vollauf beschäftigt mit diesem neuen alten Gefühl der Liebe.
Und Benni wäre nicht Benni, wenn er den melancholischen Wendungen nicht immer wieder seinen Witz, seine (Selbst-)Ironie und Sprachmächtigkeit entgegensetzen würde. Das Leben im italienischen Dorf schildert er so anschaulich, dass man glaubt, selbst dort zu sein.
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2.
Können wir so tun, als bedauerten wir nichts? Wir können sagen, alles ist getan Und das Verlangen, das uns verließ Wir wollten es so. Wir können Neid und Ehrgeiz vergessen Und die Geringschätzung nicht nur des Gemeinen Sondern auch des Großen und Edlen Die unsere Beschränktheit verrät. Mehr kriegst du nicht, sagt die Stimme im Dunkel Eine Frau, die wir liebten, wies uns zurück Ein Buch begann und ward sofort Asche Wir verrieten einen Freund und ein Feind hatte mehr Glück Es gibt ein Bild in einem versteckten Raum Ein übersehenes Tier im Wald Der schönste Falter flog hinter unsrem Rücken Eine Pforte wartete vergeblich auf uns Und in unsren schönsten Erinnerungen Wie auf den frühen Kindheitsfotos Verhüllt ein Schatten unser Lächeln. Ein Schatten Verdunkelt die Gewissheit des Weisen Die Wildheit des Kriegers, die Sehnsucht des Satyrs Das, was wir nicht hatten, das, was noch fehlt In irgendeiner versteckten Abstellkammer des Herzens Ein Spielzeug auf dem Dachboden, ein Gesicht in der Menge Und der Tropfen, der von der Dachrinne perlt Erinnert an das weite Meer. Dann regnet es Und stillt für einen Moment jeden durstigen Traum. In der Nacht bin ich plötzlich erwacht Auf dem feuchten Gras höre ich nun Den Fragen der Grillen und des Käuzchens zu Warum bloß gehört euch die Welt? Warum fürchtet ihr das Dunkel, das die Hälfte des Lebens darstellt? Ich, geboren im Lampenschein Habe nicht vergessen jenes Licht Ich verstehe den Schrecken nicht, der den Städter Peinigt, wenn die glühende Maschinerie erlischt Die seine Laster erleuchtet. Maudit l’amour/ die Jugend altern lassend Gerechte und Ungerechte mit Erinnerungen quälend Verflucht das Alter und seine geringe Weisheit Der Fuchs färbt seine Schnauze weiß Und kümmert sich nicht drum. Einen Tag nur lebt der Nachtfalter Und bringt sich in der Flamme um. Lange leben Schildkröten und Papageien, ganz ohne Kalender Lange leben die besten Bücher Andere sind zu Recht vergessen Andere fallen und erstehen wieder auf Zweihundertmal las ich die ersten Zeilen April ist der grausamste Monat Doch auch der Oktober scherzt nicht, sagte der Freund Der nicht mehr in meiner Nähe weilt. Ich beobachte das Leben der andren. Meines hingegen nicht mehr Die Schnauze des Professors wird weiß So weiß wie die Schminke des Clowns Jede seiner Grimassen ist traurig, jede seiner Possen fällt Zu Boden wie ein benutztes Taschentuch Auf, hofft er. Es wird kommen ein tanzender Tag Eine Hoffnung an deiner Tür Auf dem Schneeschlitten wirst du noch Geheime Liebesworte deiner Liebsten zuflüstern Wie in der geliebten Erzählung. Drei Tage sind vergangen. Das Geschäft ist eingetütet. Schon seit zwei Tagen verkehren kraftvolle eingeborene Reinigungskräfte mit Besen und Lappen bewaffnet in dem blauen Haus. Heute Morgen ist das leise Gebet meiner Espressomaschine von Motorengeräusch übertönt worden. Der schwarze Geländewagen ist zurückgekehrt, gefolgt von einem großen Lastwagen. Sie und Er und andere haben mit einer gewissen Hektik angefangen, Kisten und Koffer auszuladen. Obwohl mein Wunsch, sie auszuspionieren, so groß war, dass ich fast platzte, bin ich in den Ort gegangen, um Besorgungen zu machen. (Ja, so ist es, wir Dichter leiden angesichts des Bösen in der Welt, aber auch angesichts eines leeren Kühlschranks.) Normalerweise bin ich mit meiner alten Dyane unterwegs, aber gerade ist sie in der Werkstatt wegen einer Arthrose am Treibriemen. Der Mechaniker, der legendäre Divano, hat mir ein kleines rotes Auto namens Flexus oder Nexus oder Sexus oder ähnliche Lateinereien geliehen. Als ich von der Schotterstraße auf die asphaltierte gekommen bin, habe ich zuerst den Zementpilz der Disko Bully auftauchen sehen, ein mitten in der Landschaft gelandetes Ufo mit traurigem Ruf: jeden Monat wegen Drogen geschlossen und jedesmal auf geheimnisvolle Weise wiedereröffnet. Dann die Bar Marlon mit dem großen Schild, das vom neonistischen Meister Scheggia geschaffen wurde. In dieser Bar pflegen sich die Marlons zu treffen, Zentauren, die Harley Davidsons reiten. Ihr Chef ist der bereits erwähnte Mechaniker Divano, der so genannt wird, weil er groß, dick und ganz mit schwarzem Leder bezogen ist. Ich habe diese Wunderwerke hinter mir gelassen und an einem kleinen, nach Putzmittel riechenden Supermarkt gehalten, wo ich wenig für mich und viel für Ombra gekauft habe. Ich kann es gar nicht abwarten, nach Hause zurückzufahren, um zu schnüffeln. Die Geschäftigkeit meiner neuen Nachbarn war unermüdlich. Vom Haus aus habe ich sie in Ruhe beobachtet. Zwischen ihnen und mir ist eine Lichtung mit Quecken und Lavendelsträuchern, die von der Schotterstraße in der Hälfte geteilt wird. Mein Haus steht auf einer kleinen Terrasse, dem höchsten Punkt dieses Teils der Talebene, man gelangt über sieben große Steinstufen hinein. Unsere Behausungen sind symmetrisch, von meiner Küche aus kann ich ihr Fenster in der Nähe des Eingangs sehen, vom Schlafzimmer aus das daneben. Ich darf es mit meiner Neugier nicht übertreiben, auch wenn die Versuchung groß ist, das Fernglas zu benutzen. Er war im T-Shirt und schien nervös. Sie hatte die Haare im Nacken zusammengebunden. Sie haben noch über eine Stunde weitergemacht, dann sind sie ruhiger geworden und ich habe ihre Köpfe abwechselnd an den Fenstern auftauchen sehen. Ich habe mir alle Tätigkeiten vorgestellt, die man in solchen Fällen verrichtet, den Möbelhaufen und die schmerzhafte Entdeckung des Staubs und entsetzlicher Spinnen. Ombra hat mich mit fragender Miene angesehen, dann ist er abgezogen, aber nicht in Richtung des blauen Hauses, er ist auf den Wald zugesteuert, wo er mit zwei üppigen jungen Hündinnen aus dem Dorf tobt. Etwas widerwillig habe ich mich an den Computer gesetzt. Ich konnte mir aussuchen, ob ich ein Gedicht des Catena kommentiere, das er in seinem letzten Lebensjahr im Irrenhaus geschrieben hat. Ich schlafe nicht in Kristall oder in Federn Sondern in brennender Lava und Ungestüm Maudit l’amour, ausgesperrt aus diesen Zimmern Von draußen nach mir rufend weiterhin Wie ein törichter Freund /der nicht weiß, dass ich tot bin. Oder ob ich noch an meinem Büchlein über komische Lyrik arbeite. Brown lebte auf so luftiger Farm, Dass jeder meilenweit und frei Sein Licht sah, wenn die Hausarbeit Er tat im Winter nach halb drei. An diesem Morgen wollte das Schicksal jedoch, dass ich nicht zum Arbeiten kam. Ich erhielt zwei Besuche. Der erste war ein Skorpion, der auf dem Fußboden erschien und den ich mit einem präzisen Pantoffelschlag tötete. Der zweite war Vudstok, ein leicht verwelktes Blumenkind. Virgilio, genannt Vudstok, lebt in einem von Graffiti leuchtenden Haus anderthalb Kilometer von hier. Für ihn ist die Zeit in der Epoche von Paläo-Rock und von Woodstock stehen geblieben. Er ist in meinem Alter, aber er trägt bebilderte Schlaghosen, eine Lederweste, einen langen weißlichen Pferdeschwanz und als letzten Schliff ein Bandana in der Stirn. Er denkt, dass er Keith Richards von den Rolling Stones ähnelt, mich erinnert er eher an meine Urgroßmutter, die ich runzelig und im Sterben liegend sah, mit einem feuchten Taschentuch auf dem Kopf. Er lebt mit einer spindeldürren Gefährtin zusammen, die mit Außerirdischen in Kontakt steht und...