Bender / Kanitscheider / Ruso | Generationentransfer | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 232 Seiten

Bender / Kanitscheider / Ruso Generationentransfer

Weitergabe von Dingen und Informationen in Natur und Kultur
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7504-6387-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Weitergabe von Dingen und Informationen in Natur und Kultur

E-Book, Deutsch, 232 Seiten

ISBN: 978-3-7504-6387-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Generationentransfer ist eine Weitergabe materieller oder immaterieller Objekte - beispielsweise Gene, Verhaltensweisen, Erfahrungen, Wissen, Kultur, Güter, Vermögen und vieles mehr -, die formalisiert, informell oder gar unbewusst ablaufen kann. Der Begriff "Generation" wird in der Genealogie, der Biologie und der Soziologie verwendet und unterschiedlich definiert. Andere Verwendungen beziehen sich meist auf diese Definitionen. Geber und Empfänger dieses Transfers können dabei sehr unterschiedlich sein: Eltern-Kinder, andere Personen innerhalb einer Familie oder einer beliebigen anderen Organisation, Lehrer-Schüler, oder auch soziale Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Bedeutsam ist lediglich, dass Geber und Empfänger in einer Beziehung als Vorgänger-Nachfolger zueinanderstehen. In diesem Band werden insgesamt 15 Beiträge zum Generationentransfer mit verschiedensten theologischen, kultur-, sozial- und informationswissenschaftlichen, ökologischen sowie geographischen Bezügen, oft auch interdisziplinär, unter dem Aspekt der Kulturethologie zusammengeführt und diskutiert.

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Helga Bleckwenn Die literarische Form der Weitergabe von Wissen und Erkenntnis. Die Großmuttergestalt bei Božena Nemcová und Johanna Spyri
Zusammenfassung Božena Nemcová und Johanna Spyri haben in ihren Hauptwerken Babicka und Heidi in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Großmuttergestalt jeweils eine prägende literarische Gestalt verliehen. Die Großmütter geben neue Lebenswelten und gelebte Frömmigkeit an die Enkelgeneration weiter, und diese nimmt es von ihnen auf. Die Enkel lernen Neues kennen und damit umgehen. Wichtig sind der spontane Kontakt von Großmutter und Enkeln und das ansprechende sonntägliche Aussehen der Großmütter. 1 Božena Nemcová In den meisten meiner Matreier Beiträge bringe ich meinen Hausschriftsteller Adalbert Stifter an, und so könnte ich auch hier zitierend beginnen, wie er seine Kenntnisse von der Märchen- und Sagenwelt des südlichen Böhmerwaldes durch seine Großmutter Ursula Kary vermittelt bekam und später in seinen Werken verarbeitete. Das soll hier nur angedeutet werden, denn ich habe eine berühmte literarische Großmuttergestalt bei Božena Nemcová gefunden, die im Zentrum dieses Beitrags stehen wird. Wir neigen dazu, dieses international berühmte Werk der tschechischen Literatur im deutschen Sprachraum nicht zur Kenntnis zu nehmen. Durch zahlreiche Neuauflagen sowie durch Verfilmungen gewann Nemcová allerdings in der ehemaligen DDR Popularität. So gehörte der Film ‚Drei Nüsse für Aschenbrödel‘ (1973) traditionell zum Weihnachtsprogramm des Fernsehens. Der Erzählfaden ist einfach. Aus familiären Gründen, weil ihre ältere Tochter von Wien wegen der Stellung ihres Mannes für den größten Teil des Jahres ins südliche Riesengebirge gezogen ist, zieht die Großmutter von dessen nördlichstem Rand, wo sie ihr Leben verbracht hat, dorthin. Sie lernt die Enkel kennen, wird durch ihre umgängliche Art schnell gesellschaftlich integriert und nimmt an den gemeinsamen Festen teil, die den Jahreslauf bestimmen. Mit der sozial eingestellten Fürstin vermag sie Gutes zu arrangieren und stirbt, wie abschließend gesagt wird, als ‚eine glückliche Frau‘. Schon einleitend wurde hervorgehoben, dass sie in ihrem Heimatort eine liebenswerte und beliebte Person war: „Alle Einwohner des Dorfes waren ihre Brüder und Schwestern, und sie war ihnen Mutter und Ratgeberin zugleich. Keine Taufe, keine Hochzeit und kein Begräbnis fand ohne sie statt.“ (Nemcová 1978, 9) Wie die Enkel sie erleben, wird in den ersten Kapiteln eindrucksvoll deutlich. „Eine solche Großmutter war ihnen ihr Lebtag noch nicht zu Gesicht gekommen. Sie konnten die Augen gar nicht von ihr lassen. Wohin sie auch ging, immer waren die Kinder um sie herum und betrachteten sie von Kopf bis Fuß.“ (ebd., 10) Wichtig ist im Zusammenhang: Großmutter und Enkel (die Proschek-Kinder) mögen sich sofort. Auch mit dem Schwiegersohn, dem Vater der Proschek-Kinder, versteht sie sich sogleich. „Nur eins störte sie an ihm, nämlich dass er die tschechische Sprache nicht beherrschte. Sie aber hatte das bisschen Deutsch, das sie einmal konnte, längst vergessen. Und sie hätte sich so gerne mit Johann unterhalten! Johann tröstete sie aber damit, dass er Tschechisch verstehe. Die Großmutter hörte gleich, dass die Unterhaltung im Hause in zwei Sprachen geführt wurde: Kinder und Mägde redeten Herrn Proschek tschechisch an, der antwortete ihnen deutsch, was sie bereits verstanden. Die Großmutter hoffte, sich mit der Zeit auch verständigen zu können. Einstweilen behalf sie sich, so gut es eben ging.“ (ebd., 32) Das Sprachthema zieht sich durch das ganze Buch und erinnert uns an seine Bedeutung für die tschechische Literatur. Deutsch ist die Sprache des Hofes und der gehobenen Öffentlichkeit und soll durch die tschechische Umgangssprache ersetzt werden. Die geschilderte Zweisprachigkeit ist hier also nicht moderne Pädagogik, sondern ein Schritt sprachlicher Erziehung. Zurück zur Erscheinung der Großmutter. „Sie [die Enkel] bewunderten die dunkle Felljacke, mit den langen Rückenfalten, den weiten, grünen Mesolanrock, der mit einem breiten Band eingesäumt war; ihnen gefiel das rote, geblümte Tüchlein, das die Großmutter im Nacken gebunden hatte und unter dem weißen Kopftuch trug; dann hockten sie sich auf die Erde, um den roten Zwickel an den weißen Strümpfen und die schwarzen Pantoffeln besser betrachten zu können.“ (ebd., 10) Der wichtige Besitz der Großmutter befindet sich in einer buntbemalten Holztruhe. „Was den Kindern in Großmutters Stübchen am besten gefiel, war die bemalte Truhe. Gern betrachteten sie die auf rotem Grund gemalten blauen und grünen Rosen mit den braunen Blättern, die blauen Lilien und die rotgelben Vögel dazwischen. Doch noch größer war ihre Freude, wenn die Großmutter die Truhe öffnete. Da gab es aber auch etwas zu sehen! Die Innenseite des Deckels war ganz mit Andachtsbildern und Gebettexten beklebt, lauter Wallfahrtsandenken. In der Truhe befand sich noch ein Einsatz; was gab es dort erst für Sachen! Familienurkunden; Briefe von den Töchtern aus Wien, ein kleines Leinensäckchen voll Silbermünzen, die die Großmutter von ihren Kindern als Geschenk erhalten, aber nie verwendet hatte, sondern bloß zu ihrer Freude aufhob – und eine hölzerne Schatulle, darin fünf Granatschnüre, an denen eine Silbermünze mit den Bildnissen vom Kaiser Josef und Maria Theresia hing. Sooft sie diese Schatulle öffnete – und sie tat es immer, wenn sie die Kinder darum baten –, sagte sie: ‚Seht ihr, liebe Kinder, diese Granaten hat mir euer seliger Großvater zur Hochzeit geschenkt, und den Taler hat mir Kaiser Josef eigenhändig gegeben. Das war ein braver Herr, Gott gebe ihm die ewige Herrlichkeit. Nun, wenn ich einmal sterbe, gehört das alles euch‘, fügte sie stets hinzu wenn sie die Schatulle schloss.“ (ebd., 15) Der vom König übergebene Silbertaler an einer Granathalskette fungiert als Vorausdeutung und späterer Erzählanlass. Gewohnte Arbeit der Großmutter, die sie sofort wieder übernimmt, ist spinnen an ihrem Spinnrad und den Haushalt führen. Auch dabei ist vieles neu für die Enkelkinder. „Noch am selben Tag stieg sie auf den Boden, um nachzusehen, wie es mit dem Flachs stünde, und am nächsten Tag sahen die Kinder zum ersten Mal in ihrem Leben, wie mit der Spindel gesponnen wird.“ (ebd., 13) Auch erscheint selbstverständlich die Frömmigkeit der Großmutter. Jeder Sonntag wird begangen. „Am Sonntag erschien ihnen die Großmutter immer etwas verändert, ihr Gesicht heller und gütiger. Sie war auch schöner als sonst gekleidet: an ihren Füßen neue schwarze Halbschuhe, auf dem Kopf eine weiße Haube mit einem ‚Täubchen‘, einer breiten Schleife aus gestärkten Bändern. Wie ein richtiges Täubchen saß sie ihr im Nacken. Die Kinder sagten oft, die Großmutter sei am Sonntag immer ‚schrecklich schön‘.“ (ebd., 31) Besonders auffällig ist ihre Wertschätzung des Brotes. „Das erste, was die Großmutter in der Wirtschaft völlig übernahm, war das Brotbacken. Sie konnte es nicht ertragen, dass die Magd mit der Gottesgabe so ganz ohne jede Ehrfurcht umging und sie nicht segnete, wenn der Teig in den Backtrog kam und wenn er herausgenommen wurde, wenn die Laibe in den Backofen wanderten und wenn sie das fertige Brot herausholte – genauso, als hätte sie es mit Ziegelsteinen zu tun. Bevor die Großmutter den Teig einmachte, segnete sie den Backtrog mit dem Knetscheit, und diese Segnung wiederholte sich, sooft der Teig in die Hand genommen wurde, bis das Brot auf den Tisch kam. Wenn die Großmutter Brot buk, war das für die Enkel stets ein Fest. Jedes Mal bekamen sie dann einen Napfkuchen und je ein kleines, mit Pflaumen und Äpfeln gefülltes Brot, was es früher nie gegeben hatte.“ (ebd., 13) Auch kennt sie sich mit Heilkräutern aus und erfüllt ärztliche Funktionen. „War jemand krank, hatte die Großmutter gleich ein Heilkraut zur Hand: Bitterklee für die Verdauung, Odermennig bei Halsschmerzen und so weiter. Einen Arzt brauchte sie ihr Lebtag nicht.“ (ebd., 19) Außerdem brachte eine alte Frau aus dem Riesengebirge immer Heilkräuter ins Haus; auf diese Kräuter hielt die Großmutter besonders große Stücke und kaufte jedes Mal eine ganze Menge davon. „Das Kräuterweiblein brachte jedes Jahr die gleichen Geschichten mit, den Kindern aber erschienen sie stets neu, und sie freuten sich immer auf das Kommen der alten Frau.“ (ebd., 19f.) So wird also Wissen der Großmutter weitergegeben und von den Enkeln gern aufgenommen, weil durch die Distanz der Generationen fremde Einstellungen und neugieriges...



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