Annäherungen an eine gekonnte Lebensführung
E-Book, Deutsch, 472 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-92533-2
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Man muss keinen normativen Glücksvorstellungen anhängen, kann aber auf manche erheblichen Defizite im gegenwärtigen Glücks-Diskurs hinweisen. Die in diesem Band wieder abgedruckten, weil aktuell gebliebenen Beiträge sind deshalb informativ und beachtenswert. Eine irgendwie geartete umfassende Theorie des Glücks wird selbstverständlich nicht erwogen.
Dr. Alfred Bellebaum ist Professor für Soziologie (em.) an der Universität Koblenz-Landau und Honorarprofessor an der Universität Bonn.
Dr. Dr. Robert Hettlage ist Professor (em.) am Institut für Soziologie der Universität Regensburg.
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;4
2;Grundlegung;7
2.1;Das Prinzip "Glück";8
2.1.1;1. Glück als Prinzip?;9
2.1.2;2. Glück und Lebensführung;14
2.1.2.1;2.1 Anthropologische Konstanten?;14
2.1.2.2;2.2 Lebensführung;15
2.1.2.3;2.3 Lebensführung und Lebensglück;17
2.1.3;3. Sinnprovinzen der Glücksforschung;19
2.1.4;Literatur;24
3;Glücksforschung;25
3.1;Glück. Erscheinungsvielfalt und Bedeutungsreichtum;26
3.1.1;1. Zum Auftakt;26
3.1.2;2. Eine Forschungsinitiative – Erste Erfahrungen;27
3.1.3;3. Wiederentdeckung des Glücks;29
3.1.4;4. Anthropologie des Glücks;32
3.1.4.1;a) Theorie der Unruhe;32
3.1.4.2;b) Vergänglichkeit und Überdruss;34
3.1.4.3;c) Physisch-psychische Aspekte;35
3.1.5;5. Glücksvorstellungen;36
3.1.5.1;a) Objektivierung und Subjektivierung;37
3.1.5.2;b) Glücksmodelle;39
3.1.6;6. Glücksangebote;40
3.1.6.1;a) Himmlisches und irdisches Jerusalem;40
3.1.6.2;b) Verratenes Glück;41
3.1.6.3;c) Sozialpolitik;42
3.1.6.4;d) Glücksindustrie;43
3.1.6.5;e) Glücksspiele;44
3.1.7;7. Glückserlebnisse;46
3.1.7.1;a) Berichte aus dem alltäglichen Leben – Zwei Beispiele müssen genügen;46
3.1.7.2;b) Erkenntniswert;47
3.1.8;8. Wege zum Glück;48
3.1.8.1;a) Träumerei;49
3.1.8.2;b) Genügsamkeit;49
3.1.8.3;c) Aktionismus;50
3.1.8.4;d) Stetigkeit;51
3.2;Die Glücksforschung kommt voran1;52
3.2.1;a) Philosophie-Ethik/Moral-Erziehung;52
3.2.2;b)Theologie/Religion;55
3.2.3;c) Empirische Glücksforschung: drei Anwendungsbereiche;56
3.2.4;c) Empirische Glücksforschung: Initiativen und Einrichtungen;58
3.2.5;d) Glücksberatung als Lebensberatung;61
3.2.6;e) Glück: Pro und Contra;63
3.2.7;Literatur (Auswahl 2000-20 I0);64
4;Kulturen und Traditionen;67
4.1;Philosophie als Lehre vom glücklichen Leben Antiker und neuzeitlicher Glücksbegriff;68
4.1.1;II;75
4.1.2;III;79
4.2;Die Angst vor dem Glück Anthropologische Motive*;86
4.2.1;1. Der Mensch – kein Glückswesen: Die Philosophische Anthropologie;86
4.2.2;2. Max Scheler: Glück als Seinshöhe;88
4.2.3;3. Helmuth Plessner: Distanz als Glückschance;93
4.2.4;4. Arnold Gehlen: Riskiertes Glück und der Masseneudaimonismus;94
4.2.5;5. Schopenhauer und Nietzsche als Vorläufer;100
4.3;Contemplativus in actione Glücksvorstellungen im Kulturvergleich1;106
4.3.1;1. Glück als transkulturelle Universalie;107
4.3.2;2. Glücksvorstellungen: Eine Auswahl;108
4.3.3;3. ,ln Schönheit wandeln': Glück durch Mitarbeit am ,Welthaus';112
4.3.4;4. Gelungene Beziehungen;115
4.3.5;Literatur;117
5;Haltungen und Maßstäbe;118
5.1;Der ideale Körper1 Gesundheit, Jugendlichkeit, Schlankheit und kulturelle Werte;119
5.1.1;Introitus;119
5.1.2;A;120
5.1.2.1;1. Gesundheit als gesellschaftlicher Hyperkonsens;120
5.1.2.2;2. Exkurs: Rückgriffe in die Geschichte;121
5.1.2.2.1;a) Stoische Gelassenheit;121
5.1.2.2.2;b) Diätetik;122
5.1.2.3;3. Umfelder von Gesundheit;123
5.1.2.3.1;a) Essen und Trinken;123
5.1.2.3.2;b) Medizinische Möglichkeiten;124
5.1.2.3.3;c) Schönes Leben;124
5.1.2.3.4;d) Schmerz;125
5.1.2.4;4. Sehnsucht nach Schlankheit;125
5.1.2.4.1;a) Definitionen;126
5.1.2.4.2;b) Schlank/dünn/dürr;126
5.1.2.5;5. Jugendkult und Alterssorgen;127
5.1.2.6;6. Sehnsucht nach Schönheit;129
5.1.2.6.1;a) Schönheitsvorstellungen;129
5.1.2.6.2;b) Wirtschaft;129
5.1.2.6.3;c) Schönheitswettbewerbe;129
5.1.2.6.4;d) Mode;129
5.1.2.6.5;e) Schönheitschirurgie;130
5.1.2.6.6;f) Religion;130
5.1.3;B;132
5.1.3.1;7. Aktualität des Körperthemas;133
5.1.3.1.1;a) Jugendlichkeit;133
5.1.3.1.2;b) Anatomie;133
5.1.3.1.3;c) Individualisierung;133
5.1.3.2;8. Dimensionen des Körperthemas;134
5.1.3.2.1;a) Körperdesign;134
5.1.3.2.2;b) Körperarbeit;135
5.1.3.2.3;c) Körper: Äußeres und Inneres;135
5.1.3.3;9. KörperNormen – KörperFormen;136
5.1.3.3.1;a) Sich schön machen;136
5.1.3.4;10. Ästhetik;138
5.1.4;Literaturauswahl;139
5.1.5;Literaturhinweise zu Presse und Zeitschriften;142
5.2;Generalisierter oder konkreter Anderer?;144
5.2.1;1. Die Goldene Regel – Grundprinzip einer Minimalmoral;144
5.2.2;2. Der konkrete Andere – Grundprinzip einer umfassenden Moralkonzeption;147
5.2.3;3. Kritik an der Moral des konkreten Anderen;149
5.2.3.1;3.1 Kontextbezug;149
5.2.3.2;3.2 Fürsorge vs. Pflicht;154
5.2.3.3;3.3 Freundschaft – eine Institution des moralischen oder des persönlichen Bereichs?;156
5.2.4;4. Plädoyer für eine Minimalmoral;160
5.2.5;Literatur;162
5.3;Selbstdisziplin: Begründungen, Normen und Praktiken asketischer Lebensweisen;164
5.3.1;1. Die individuelle Disziplinierung als Einübung der Weisheit;165
5.3.1.1;1.1 Die östliche Lehre von der Seelenruhe als Ende des Leidens;165
5.3.1.2;1.2 Die antike Lebenskunst und das glückliche Leben;167
5.3.1.2.1;a) Das sokratische Orientierungswissen und der Aufstieg der Seele zu Gott;168
5.3.1.2.2;b) Tüchtigkeit, Besonnenheit und inneres Gleichgewicht;170
5.3.1.3;1.3 Die "hedonistische" Therapie der Lebensangst;171
5.3.1.4;1.4 Die "stoische " Unangreifbarkeit als "gutes" Leben;172
5.3.2;2. Das Christentum und der mühselige Aufstieg des Menschen zu Gott;176
5.3.2.1;2.1 Augustinus und der Gegensatz von weltlichen und außerweltlichen Gütern;176
5.3.2.2;2.2 Das christliche Mönchsleben;178
5.3.3;3. Von der Virtuosen- zur Massenethik;180
5.3.3.1;3.1 Die höfische Verhaltenssteuerung;180
5.3.3.2;3.2 Max Weber und die berufsbürgerlich-industrielle Verhaltenskontrolle;182
5.3.3.2.1;a) Die langsame Verweltlichung des mönchischen Lebensideals;183
5.3.3.2.2;b) Die Welt der Sachlichkeit und des Eigeninteresses;185
5.3.3.2.3;c) Die Erfindung des Konsumenten;187
5.3.3.2.4;d) Das Steigerungsspiel;188
5.3.3.3;3.3 Kulturelle Spannungen in der modernen Welt und ihre Folgen;189
5.3.3.3.1;a) Das moderne, kulturelle "double bind";189
5.3.3.3.2;b) Welche Chancen haben gesellschaftliche Suffizienzstrategien?;190
5.3.4;Literatur;192
5.4;Maßhalten – Pädagogische Ansichten über eine traditionsreiche Tugend;194
5.4.1;1. Rückblick: Maßlosigkeit und Vermessenheit;194
5.4.2;2. Antike: die Konstitution einer Ethik des Maßes;196
5.4.2.1;2.1 Platon: das chorische Maß;196
5.4.2.2;2.2 Aristoteles: Besonnenheit und Beherrschtheit als unterschiedliche Maße;198
5.4.3;3. Übergang Mittelalter / Neuzeit: Konstruktivität und Fiktionalität des Maßes;207
5.4.4;4. Castiglione: das Maß der liebenswürdigen Selbstinszenierung;207
5.4.5;5. Erasmus: die bürgerliche Mäßigung;216
5.4.6;6. Rousseau: kosmisches und individuelles Maß;221
5.4.7;7. Herbart: ästhetisch-ethische Vernunft als Maß;224
5.4.8;8. Schiller: das Maß des Spiels als Heilung der Zerrissenheit;227
5.4.9;9. Ausblick: das Maß des Entsagens;230
6;Lebensgrundlagen und Erwartungen;233
6.1;Historische Lehren für eine ökologische Glücksökonomie1;234
6.1.1;Ausgangslage;234
6.1.2;Chancen zum Umdenken und Umsteuern – Ansatzpunkte für eine moderne Ökonomie;239
6.1.3;Historische Glücksbilanzen;245
6.1.4;Wirtschaftsgeschichte und Anthropologie;249
6.1.5;Philosophiegeschichte des Glücks;251
6.1.6;Empirische Glücksforschung – Psychologie des Glücks;255
6.1.7;Bausteine für eine ökologische Glücksökonomie – neue Wege zu neuen Zielen;258
6.2;Ein glückliches Leben statt immer mehr materiellen Wohlstand Konsequenzen der Glücksforschung für die Ökonomie;264
6.2.1;1. Glück und ökonomischen Theorie;264
6.2.2;2. Was ist Glück und wie kann man es messen?;266
6.2.3;3. Glück und Einkommen: Ergebnisse empirischer Untersuchungen;269
6.2.3.1;3.1 Sind die Menschen in reichen Ländern glücklicher als in armen Ländern?;269
6.2.3.2;3.2 Sind die Menschen mit dem Wirtschaftswachstum glücklicher geworden?;271
6.2.3.3;3.3 Sind reiche Menschen glücklicher als arme Menschen?;273
6.2.4;4. Die Tretmühlen des Glücks20;276
6.2.5;5. Ökonomische Schlussfolgerungen;278
6.2.6;Literatur;280
6.3;Das wohlfahrtsstaatliche Weltbild in der Postmoderne;282
6.3.1;1. Klassische Kategorien – auf dem Weg in die moderne Welt;285
6.3.1.1;1.1 Rationalisierung – kollektive Wohlfahrtsansprüche im eisernen Gehäuse einer unwirtlichen Moderne;285
6.3.1.2;1.2 Säkularisierung – die substitutive Funktion des Staates bei der Schaffung neuer Geborgenheit;287
6.3.1.3;1.3 Fortschritt – die Dynamisierung der Ansprüche in einer gestaltbaren Welt;289
6.3.1.4;1.4 individualisierung – der Verlust traditioneller Bindungen und das Erfordernis neuer Wohlfahrtssysteme;292
6.3.2;2. Moderne Kategorien – Rundblick in der Moderne;295
6.3.2.1;2.1 Die Wohlstandsgesellschaft – der Reichtum an Wohlfahrtsressourcen und der Verlust solidarischer Gefühle;295
6.3.2.2;2.2 Die technokratische Gesellschaft – Wirklichkeitsferne. Erfahrungsverlust und Expertenherrschaft im Wohlfahrtsstaat;297
6.3.2.3;2.3 Die hedonistische Gesellschaft – die Spielplätze der Wirtschaftsgesellschaft und der wohlfahrtsfordernde Egozentrismus;299
6.3.2.4;2.4 Globalisierung– die Gefährdung des Wohlfahrtsstaates durch die Weltgesellschaft;301
6.3.3;3. Kategorien der Krise – die Gefährdung des Wohlfahrtsstaates;303
6.3.3.1;3.1 Paternalisierung – die Einlullung des liberalen Bewusstseins im autoritären Welfarismus;303
6.3.3.2;3.2 Dekommodifizierung – Prozesse der Entstigmatisierung und Entmeritokratisierung;305
6.3.3.3;3.3 Rent-seeking – der Wettlauf zu den staatlichen Kassen;308
6.3.3.4;3.4 Bürokratisierung – rechtliche Verankerung, bürokratische Zuständigkeit und individuelle Entsolidarisierung;310
6.3.4;4. Kategorien der Lebensqualität – Glück im Wohlfahrtsstaat;312
6.3.4.1;4.1 Zufriedenheit – eine politikverdrossene Stimmung der politischen Wertschätzung;312
6.3.4.2;4.2 Legitimität – Fiskalillusion als Grund solidarischer Stimmungslagen;313
6.3.4.3;4.3 Gemütsruhe – die vollbrachte Sicherungsleistung des Wohlfahrtsstaates;314
6.3.4.4;4.4 Glück – auf staatliche Garantie;314
6.3.5;Literatur;315
7;Verheißungen und Visionen;321
7.1;Das Glück und die Schatten der Vergänglichkeit Religiös-philosophische Konzeptualisierungen von Glück im alten Indien;322
7.1.1;Das Glück und die Vergänglichkeit;324
7.1.2;Die Tradition der Asketen und Mönche;326
7.1.3;Gründe für die WeItabwendung;331
7.1.4;Weltbejahende Traditionen;332
7.2;Heilsverkündigung und Heilserwartungen im Neuen Testament;340
7.2.1;1. Die Heilsverkündigung Jesu;341
7.2.1.1;1.1 Gegenwärtige Heilserfahrungen und zukünftiges Heil;343
7.2.1.2;1.2 Die Botschaft der Gleichnisse;344
7.2.1.3;1.3 Die "Fülle des Lebens" als Inbegriff des Heils;346
7.2.1.4;1.4 Das Realsymbol des Mahles;347
7.2.1.5;1.5 Bilder der Heilsvollendung;349
7.2.2;2. Ausblick auf urchristliche Heilserwartungen;350
7.2.2.1;2.1 Konturen urchristlicher Heilsverkündigung;350
7.2.2.2;2.2 Konturen urchristlicher Erwartungen vollendeten Heils;351
7.2.3;3. Gottes Heil, das wahre Glück des Menschen;353
7.2.4;Literatur;355
7.3;Die Erleuchteten sind unter uns Spiritualität als moderner Weg zum Glück?;358
7.3.1;Eingrenzung des Gegenstands: Neue Spiritualität;358
7.3.2;Charakterisierung des Gegenstands "Neue Spiritualität";360
7.3.3;Sozialformen;362
7.3.4;Wurzeln und Wertungen;364
7.3.5;Untersuchungen zur Neuen Spiritualität und eine Entscheidung;365
7.3.6;Verwandte Ansätze: Mystik, Magie und Postmoderne;367
7.3.7;Und das Glück?;370
7.3.8;Literatur;372
8;Erlebnisse und Gefühle;373
8.1;Lesen als Überlebensmittel;374
8.1.1;1. Lesen als Vorschule des Lebens in Mary Shelleys Frankenstein;378
8.1.2;2. Emanzipation per Post: Alice Walkers Color Purple;380
8.1.3;3. Bildungsroman und Identitätsroman;385
8.1.4;4. Klassiker im KZ;386
8.2;Das Glück des Gourmets;391
8.2.1;1. Gratifikationsverfall;391
8.2.2;2. Soziologie der Mahlzeit und der Prozess der Zivilisation;392
8.2.3;3. "Plaisir de la table" versus "Plaisir de manger";394
8.2.4;4. Gastronomische Diskurse;396
8.2.4.1;Kleiner Exkurs zur Problematik der Tischgespräche;397
8.2.5;5. Gibt es ein gastronomisches Subsystem?;400
8.2.6;6. Klassen;401
8.2.7;7. Genussfeindlichkeit oder das Glück der kulinarischen Selbstkontrolle;402
8.2.8;8. Der Gourmet als Hungerkünstler und die virtuelle Unendlichkeit der geschmacklichen Reize;403
8.2.9;9. Rausch, seliger Augenblick und Dauer;405
8.2.10;10. Der Gourmet und sein Distinktionsvermögen;408
8.3;Vermittelte Unmittelbarkeit* Das Glück der ästhetischen Erfahrung**;411
8.3.1;1. Endliches Gelingen;411
8.3.2;2. Utopischer Standort;413
8.3.3;3. Konjunktivischer Stil;419
8.3.4;4. Der Augenblick;424
8.3.5;Literatur;429
9;Forschungsmethoden;431
9.1;Empirische Glücksforschung Ein schwieriges Unterfangen;432
9.1.1;1. "Glücksforschung" als gesellschaftliches Phänomen;432
9.1.2;2. Institutionelle Aspekte der empirischen Glücksforschung;435
9.1.3;3. Glücksvorstellungen als Forschungsgegenstand;437
9.1.4;4. Forschungspraxis;438
9.1.5;5. Kritische Einwände;440
9.1.6;6. Realistische Perspektiven;443
9.1.7;7. Ein Vorschlag zur Güte;444
10;Autorenverzeichnis;446
Grundlegung.- Das Prinzip „Glück“.- Glücksforschung.- Glück. Erscheinungsvielfalt und Bedeutungsreichtum.- Die Glücksforschung kommt voran.- Kulturen und Traditionen.- Philosophie als Lehre vom glücklichen Leben.- Die Angst vor dem Glück.- Contemplativus in actione.- Haltungen und Maßstäbe.- Der ideale Körper.- Generalisierter oder konkreter Anderer?.- Selbstdisziplin: Begründungen, Normen und Praktiken asketischer Lebensweisen.- Maßhalten – Pädagogische Ansichten über eine traditionsreiche Tugend.- Lebensgrundlagen und Erwartungen.- Historische Lehren für eine ökologische Glücksökonomie.- Ein glückliches Leben statt immer mehr materiellen Wohlstand.- Das wohlfahrtsstaatliche Weltbild in der Postmoderne.- Verheißungen und Visionen.- Das Glück und die Schatten der Vergänglichkeit.- Heilsverkündigung und Heilserwartungen im Neuen Testament.- Die Erleuchteten sind unter uns.- Erlebnisse und Gefühle.- Lesen als Überlebensmittel.- Das Glück des Gourmets.- Vermittelte Unmittelbarkeit.- Forschungsmethoden.- Empirische Glücksforschung.
Lesen als Überlebensmittel (S. 389-390)
Aleida Assmann
Leseglück wird in der Regel als wunderbare Entdeckung einer fremden Welt beschrieben. Die unscheinbaren schwarzen Buchstaben auf weißem Grund haben etwas, was man ihnen nicht unmittelbar ansieht, nämlich die magische Kraft eines fliegenden Teppichs, der den Leser und die Leserin in ein anderes Reich entführt. In der Wirkungsgeschichte dieses Topos bedeutet Leseglück Fremderfahrung, Transzendenzerlebnis, Aussteigen aus den Beschränkungen der Alltagswelt. Beispiele für solches Leseglück sind reich belegt in autobiographischen Rückblicken.
Leseglück wird dort gern als erstes oder frühes Leseglück beschrieben. Eine der wenigen Frauen, die im England des 17. Jahrhunderts ihre Autobiographie geschrieben haben, ist Lady Lucy Hutchinson. Ihre Zugehörigigkeit zum Adel und die Unterstützung ihres Vaters haben ihr den Zugang zu Bildungsprivilegien ermöglicht, die damals in der Regel noch außer weiblicher Reichweite waren. Sie schreibt 1670 in ihrem Lebensrückblick:
Als ich etwa sieben Jahre als war, hatte ich gleichzeitig acht Hauslehrer, die mich nebeneinander in Sprachen, Musik, Tanzen, Schreiben und Nähen unterrichteten. Meine Neigung aber galt ganz allein meinem Buch, und das mit solcher Heftigkeit, daß meine Mutter, die für meine Gesundheit fürchtete, mich zur Mäßigung zwang. Das wiederum entfachte die Leidenschaft eher, als daß es sie zügelte. Jeden Augenblick, den ich mich vom Spielen wegstehlen konnte, verbrachte ich mit einem Buch, das ich irgendwo auftreiben konnte, da mir meines weggeschlossen war. Nach Mittag- und Abendessen hatte ich eine freie Stunde zum Spielen, die ich dazu nutzte, mich in irgendeinem Versteck zu verkriechen um dort ungestört zu lesen.
Stellen wir dem kindlich weiblichen Leseglück aus dem 17. Jahrhundert ein kindlich männliches aus dem 19. gegenüber, ebenfalls bezeugt aus autobiographischer Perspektive. Es handelt sich um Heinrich Heine, der vom seinem ersten Lektüreerlebnis erzählt. Es fand statt zu einer Zeit, nachdem er schon in ein verständiges Kindesalter getreten und des Buchstabenwesens einigennaßen kundig war. Ich erinnere mich ganz genau jener kleinen Zeit, wo ich mich eines frühen Morgens von Hause wegstahl und nach dem Hofgarten eilte, um dort ungestört den Don Quichote zu lesen. (00)
Ich setzte mich auf eine alte moosige Steinbank in der sogenannten Seufzerallee, unfern des Wasserfalls, und ergötzte mein kleines Herz an den großen Abenteuern des kühnen Ritters. In meiner kindischen Ehrlichkeit nahm ich alles fiir baaren Ernst. (00) Da ich, noch ungeübt im Lesen, jedes Wort laut aussprach, so konnten Vögel und Bäume, Bach und Blume Alles mit anhören, und da solche unschuldige Naturwesen, eben so wie die Kinder, von der WeItironie nichts wissen, so hielten sie gleichfalls Alles fiir baaren Ernst und weinten mit mir über die Leiden des annen Ritters?