- Neu
Beivers / Krämer / Timm Handbuch Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtung und Level-1i-Krankenhaus
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98800-146-7
Verlag: medhochzwei Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Konzepte, Ideen, Anwendungen
E-Book, Deutsch, 371 Seiten
Reihe: Gesundheitswesen in der Praxis
ISBN: 978-3-98800-146-7
Verlag: medhochzwei Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Seit 1. Januar 2025 revolutioniert das KHVVG die Krankenhauslandschaft zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen. Das Buch, verfasst von ausgewählten Experten des deutschen Gesundheitswesens, gibt Krankenhäusern konkrete Handlungsratschläge, um die Krankenhausreform zu überleben und frühzeitig gegenzusteuern.
Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) sieht eine Bündelung von Leistungen mit der Tendenz für große Krankenhausstandorte im Sinne von Qualitätszentren vor. Doch auch die Versorgung in der Fläche muss gewährleistet werden, sodass Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen bzw. Level-1i-Krankenhäuser Niederschlag in den Überlegungen der Regierungskommission gefunden haben.
Landräte, Bürgermeister, politische Vertreter und natürlich auch die Krankenhausbetreiber sollten gut und rechtzeitig vorbereitet sein, wenn die Umwandlung ihres Krankenhauses in eine Sektorübergreifende Versorgungseinrichtung als bessere Option bewertet werden muss und schon jetzt die einzige Alternative darstellt. Die politischen Rahmenbedingungen geben hierzu nunmehr die übergeordnete Orientierung. Für diesen Transformationsprozess werden auch kleine Krankenhäuser eine auskömmliche Finanzierung benötigen, und diese ist im KHVVG auch vorgesehen. Im Zuge dessen wird aber ebenfalls das Leistungsangebot angepasst werden müssen und vermutlich die Tendenz zur Ambulantisierung oder hybriden Leistungserbringung eintreten.
Die Umwandlung eines Krankenhauses bedeutet für die Bevölkerung emotionale Reaktionen, die mit einer gut durchdachten Kommunikationsstrategie gedämpft werden können. Aufgrund einer Veränderung des Leistungsportfolios zeigen sich veränderte Strategien in der Vorhaltung digitaler Anwendungen. Schnittstellen zu großen Kliniken müssten etabliert werden und ein besseres Überleitungsmanagement erarbeitet werden. Natürlich gibt es bereits in einzelnen Regionen entsprechende Praxisprojekte, die als „Best-Practice-Ansatz“ zum Vorbild werden können. Wie bei jedem Pionierprojekt geht es darum, aus gemachten Fehlern zu lernen und diese zur Fehlervermeidung zu teilen.
Dieses Buch beinhaltet mehrere praxisorientierte Konzepte, Ideen und Anwendungen, um frühzeitig eine Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtung bzw. ein Level-1i-Krankenhaus erfolgreich und nachhaltig zu etablieren.
Mit u. a. diesen Beiträgen:
- Die Level-1i-Klinik als fester Bestandteil einer Gesundheitsregion – die politisch gewollten Rahmenbedingungen
- Krankenhausplanerische Eckpunkte bei der Umwandlung in eine Level-1i-Klinik
- Der Business-Case einer Level-1i-Klinik – wirklich eine auskömmliche Finanzierung?
- Schließungsszenarien, Privatisierung oder eine Level-1i-Klinik in ländlichen Regionen – was ist der bessere Weg?
- Fallbeispiel: Das Regionale Versorgungszentrum als Musterbeispiel für ein nachhaltiges Versorgungskonzept
Zielgruppe
Entscheidungsträger im Krankenhaus, Geschäftsführer, Krankenhausdirektoren, Klinikmanager, Praxismanager, Landräte, Bürgermeister sowie alle im Gesundheitsbereich tätigen Mitarbeiter, Hochschulen, Gesundheitspolitik, Verbände
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Teil I Politische Reform
1 Wie die Versorgung in der Fläche mit Level-1i-Kliniken und Telemedizin gesichert werden kann!
Manuel Heurich/Irina Cichon
2.1 Telemedizinische Infrastruktur in Level-1i-Kliniken
2.2 Quantifizierung des telemedizinischen Level-1i-Potenzials
Abstract:
Der vorliegende Beitrag untersucht die Rolle telemedizinisch unterstützter Level-1i-Kliniken bei der Schließung von Versorgungslücken im Kontext der im November 2024 verabschiedeten Krankenhausreform. Basierend auf einer Machbarkeitsstudie in Baden-Württemberg werden Potenziale sektorenübergreifender Versorgungseinrichtungen quantifiziert, insbesondere hinsichtlich der zentralen Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie. Die Ergebnisse zeigen, dass durch telemedizinische Vernetzung signifikante Verbesserungen der Erreichbarkeit und Versorgungsqualität erzielt werden können, wodurch Fahrtzeiten für Hunderttausende reduziert werden. Darüber hinaus wird die ökonomische Effizienz durch eine ressourcenschonende Umsetzung hervorgehoben. Der Beitrag unterstreicht die Bedeutung telemedizinisch ausgestatteter Level-1i-Kliniken als zukunftsweisendes Instrument zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und flächendeckenden Gesundheitsversorgung.
1 Einführung und Hintergrund
1
Die Gesundheitsversorgung in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Die im November 2024 im Bundestag und Bundesrat verabschiedete Krankenhausreform wird die Versorgungslandschaft nachhaltig verändern. Ziel ist eine stärkere Zentralisierung von Leistungsgruppen und die Einführung von Qualitätskriterien. Gleichzeitig ergeben sich durch den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel Versorgungsdefizite, besonders in ländlichen Regionen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Kann die Versorgung in der Fläche weiterhin sichergestellt werden? Ein Lösungsansatz kann in telemedizinisch unterstützen sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen (Level-1i-Kliniken) liegen, die trotz begrenzter Kapazitäten wichtige Grundversorgungsleistungen bereitstellen.
2
Level-1i-Kliniken sollen ein zentraler Bestandteil der neuen Versorgungsstruktur in Deutschland werden. Sie sollen für die Verzahnung von ambulanten und stationären Leistungen dienen und hierdurch einen wichtigen Beitrag zur Grundversorgung leisten.
3
Die Telemedizin eröffnet diesen Kliniken die Möglichkeit, durch Kooperationen mit größeren Krankenhäusern die Qualitätsvorgaben des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) trotz geringerer Ressourcenvorhaltung einzuhalten. Dadurch eignet sich das Konstrukt optimal, um die besonders relevanten Leistungsgruppen der Grundversorgung „Allgemeine Innere Medizin“ und „Allgemeine Chirurgie“, die zusammen mehr als 35 % der stationären Fälle abdecken, auch in der Fläche anzubieten.
2 Methodik
4
In einer Untersuchung zu den telemedizinischen Potenzialen in Baden-Württemberg konnte nachgewiesen werden, dass die flächendeckende Versorgung durch die Integration von telemedizinischer Infrastruktur in Level-1i-Kliniken massiv verbessert werden kann (Heurich et al. 2024).
2.1 Telemedizinische Infrastruktur in Level-1i-Kliniken
5
Unter Telemedizin werden in diesem Kontext jene telemedizinischen Leistungen verstanden, die von medizinischen, pflegerischen oder technischen Fachkräften für andere Fachkräfte aus diesen Bereichen bereitgestellt werden, mit dem Ziel, diese in die Lage zu versetzen, Patienten zu behandeln.
6
Telemedizin ermöglicht hierdurch Fachkräften vor Ort den Zugang zu Expertenwissen für die Bereitstellung einer hochwertigen Diagnostik und fundierten Therapieentscheidungen. Beispiele sind:
- Telekonsile: Fachärzte unterstützen Diagnosen per Video.
- Teleintensivmedizin: Monitoring und Beratung der Pflege und Ärzte für intensivmedizinische Betreuung von Patienten.
- Teleradiologie: Remote-Befundung von Bilddaten.
7
Die technologische Anbindung von Level-1i-Kliniken an spezialisierte Zentren schafft ein Netzwerk, wodurch auch ländliche Regionen mit hoher medizinischer Expertise versorgt werden können.
2.2 Quantifizierung des telemedizinischen Level-1i-Potenzials
8
In der telemedizinischen Machbarkeitsstudie in Baden-Württemberg (Heurich et al. 2024) wurden drei Analyseschritte durchgeführt, um die Potenziale für die Bevölkerung, die von telemedizinisch unterstützten Krankenhäusern – insbesondere Level-1i-Einrichtungen – ausgehen, zu quantifizieren:
- 1. Analyse der stationären Versorgungssituation: Hier wird die Situation vor und nach der Krankenhausreform betrachtet, basierend auf Qualitäts-, Leistungs- und Strukturdaten von Krankenhäusern in Baden-Württemberg. Ziel ist es, die Auswirkungen der Reform auf die Erreichbarkeit von stationären Grundversorgungsleistungen (Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie) zu verstehen.
- 2. Analyse der Machbarkeit von Telemedizin: Diese Phase beleuchtet, wie telemedizinische Dienste dazu beitragen können, Versorgungslücken zu schließen. Ein besonderer Fokus liegt auf der Unterstützung von Level-1i-Kliniken durch telemedizinische Strukturen.
- 3. Modellierung der zukünftigen Versorgungslandschaft: In diesem Teil werden die Ergebnisse der ersten beiden Analysen verwendet, um zukünftige Versorgungsszenarien mit und ohne telemedizinische Unterstützung zu modellieren. Durch die Modellierung kann quantifiziert werden, wie sich die Versorgung der Bevölkerung (Fahrtzeiten) durch die telemedizinische Aufrüstung von Level-1i-Krankenhäusern verändert.
Abb. 1:
Analyseschritte Quantifizierung telemedizinisches Potenzial
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Heurich M. et al., 2024
3 Ergebnisse der Analyse
9
Die Studie zeigt, dass Level-1i-Kliniken, wenn sie telemedizinisch unterstützt werden, die Versorgungssituation deutlich verbessern können. In den zwei größten Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie, die insbesondere für die Grundversorgung relevant sind und aktuell mehr als 35 % aller stationären Leistungen ausmachen, sehen die Ergebnisse wie folgt aus.
Allgemeine Innere Medizin
10
Durch die telemedizinische Unterstützung konnten elf sektorenübergreifende Versorger und fünf rein stationäre Kliniken die Leistungsgruppe erbringen, die sie zuvor aufgrund von Qualitätsdefiziten nicht erbringen konnten. Hierdurch können 364.092 Personen kürzere Fahrtzeiten zu einem adäquaten Versorgungsort erleben, was einer Verbesserung für 3,28 % der gesamten Bevölkerung in Baden-Württemberg entspricht.
11
Besonders in ländlichen Regionen wie dem Süd-, Mittel- und Nordschwarzwald, den Gebieten des Hochrheins an der Schweizer Grenze, dem Kaiserstuhl, Oberschwaben, der Schwäbischen Alb und dem Neckar-Odenwald-Kreis konnte die Telemedizin maßgeblich zur Verbesserung der medizinischen Versorgung beitragen.
Abb. 2:
Kompensation der Erreichbarkeitsdefizite durch telemedizinisch unterstützte Level-1i-Krankenhäuser
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Heurich M. et al. 2024
Allgemeine Chirurgie
12
In der Leistungsgruppe Allgemeine Chirurgie kann durch die telemedizinische Aufrüstung von neun sektorenübergreifenden Versorgern und neun klassischen Klinikstandorten die Fahrtzeit für 420.071 Personen verbessert werden, was 3,78 % der Bevölkerung entspricht.
13
Auch in dieser Leistungsgruppe zeigt sich die Verbesserung der medizinischen Versorgung vor allem in ländlichen Regionen, in denen bisher Versorgungslücken bestanden. Besonders profitieren dabei die Gebiete des Süd-, Mittel- und Nordschwarzwalds sowie die Regionen entlang des Hochrheins an der Grenze zur Schweiz. Weitere positive Effekte lassen sich im Kaiserstuhl, in Oberschwaben, auf der Ostalb sowie in den nördlichen Landesteilen Baden-Württembergs beobachten.
Abb. 3:
Kompensation der Erreichbarkeitsdefizite durch telemedizinisch unterstützte Level-1i-Krankenhäuser
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Heurich M. et al. 2024
Andere Leistungsgruppen
14
In anderen Leistungsgruppen wie zum Beispiel der Endokrinologie und Diabetologie, der Nephrologie oder der Pneumologie, könnten die Verbesserungen für die Versorgung der Bevölkerung durch telemedizinisch unterstützte Level-1i-Krankenhäuser noch ausgeprägter sein. Dies ist der ohnehin sehr geringen flächendeckenden Verfügbarkeit dieser nicht so hoch frequentierten Leistungsgruppen geschuldet. Neben grundversorgenden Leistungsgruppen wie der Allgemeinen Inneren Medizin und der Allgemeinen Chirurgie, könnten auch andere Leistungsgruppen insbesondere in der Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten in sektorenübergreifenden Einrichtungen...