Beil / Biltgen / Noelke | Tortillas, Tapas und Toxine | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Reihe: Kulinarische Krimi-Anthologie

Beil / Biltgen / Noelke Tortillas, Tapas und Toxine

Eine kulinarische Krimi-Anthologie
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95602-046-9
Verlag: CONTE-VERLAG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine kulinarische Krimi-Anthologie

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Reihe: Kulinarische Krimi-Anthologie

ISBN: 978-3-95602-046-9
Verlag: CONTE-VERLAG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Die Ordnung, die wir hüten, Don Ortwin, ist sehr brüchig. Meist sind wir froh, wenn die Leute sich nicht den Schädel einschlagen.« Stierkampf, Sangria und Sandstrand - Spanien ist Sehnsuchtsland und Urlaubsziel. Aber auch unter der heißen Sonne der iberischen Halbinsel ist es nicht sicher. Zwischen Murcia und Santander, Barcelona und Santiago und selbst auf den Kanaren werden üble Pläne geschmiedet und unliebsame Zeitgenossen beseitigt. Gut, dass die landestypischen Rezepte die zittrigen Nerven beruhigen können. Nach dem großen Erfolg von »Muscheln, Mousse und Messer« und »Porridge, Pies and Pistols« folgt nun die dritte kulinarische Kurzkrimisammlung unter der Federführung der Herausgeberin Ingrid Schmitz. Erneut hat sie 16 namhafte AutorInnen und Newcomer um einen Krimi mit Rezept gebeten, diesmal rund um das schöne Spanien und seine lukullischen Genüsse.

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Weitere Infos & Material


1. Lilo Beil - Die Pilgerreise
2. Raoul Biltgen - Rompeculos
3. Astrid della Giustina - Tamborrada
4. Marcus Imbsweiler - Die Aale der Albufera
5. Tatjana Kruse - »Sardine Krebatten« heute leider aus
6. Jens Luckwaldt - Der Raub des El Dorado
7. Henrike Madest - Der Ziegenbaron
8. Heidi Moor-Blank - Pinchos de Pollo
9. Renate Müller-Piper - Besuch von Bubo
10. Heinrich-Stefan Noelke - iPan iVino
11. Irene Rodrian - Die Knochenhand
12. Niklaus Schmid - Das Formentera-Schwein
13. Ingrid Schmitz - All inclusive
14. Gesine Schulz - Spanien sehen - und sterben?
15. Inge Stender - Eiszeit
16. Klaus Stickelbroeck - Malheur auf Mallorca


Lilo Beil
Die Pilgerreise Stella schaute hinaus auf das Touristengewimmel in der Rúa do Vilar. Sie schloss die Augen und zog genüsslich den Duft des köstlichen Kaffees ein, ließ den Geschmack der Mandeltorte langsam auf der Zunge zergehen. Nirgends schmeckt die Tarta de Santiago besser als im Café Casino, hatte ihr eine Mitreisende im Hotel gesagt, und obwohl sie keine Vergleichsmöglichkeit hatte, da dies ihr erstes und einziges Stück Mandeltorte war, das sie seit ihrer Ankunft in der galizischen Hauptstadt zu sich nahm, konnte sie sich eine bessere Version dieser spanischen Spezialität nicht vorstellen. Stella musterte eingehend den Raum, der eine teils mondäne, teils nostalgische Atmosphäre besaß, mit einem Hauch jener Morbidität, die ihr immer schon angenehme Schauer über den Rücken gejagt hatte: in den Wiener Kaffeehäusern, den Prager Cafés, den Pariser Bistros. Eigentlich wollte Stella dankend ablehnen, als ihr Tante Agnes plötzlich und unerwartet anbot, ihr diese Reise zu schenken. »Eine Pilgerreise«, hatte die Tante mysteriös lächelnd gesagt. Ausgerechnet eine Pilgerreise für sie, die Lieblingsnichte, die alles andere als fromm war und die sich schon mehr als einmal mokiert hatte über diesen Fimmel vieler Zeitgenossen, den Schrein des Heiligen Jakob zu besuchen und sich dadurch spirituelle Erbauung oder vielleicht ein Plätzchen im Himmel zu ergattern. Ausgerechnet nach Spanien sollte sie reisen, in das Land der Machos und der Tierfeinde, welche das bestialische Abschlachten von Stieren ritualisierten und dieses wüste Treiben gar als »Weltkulturerbe« absegnen lassen wollten. Ausgerechnet nach Spanien, in das ach so christliche Land, wo streunende, elende Katzen und Hunde das Straßenbild prägten, wollte die Tante sie schicken, die selbst extrem tierliebend war. Unmissverständlich hatte sie vor einiger Zeit ihrer Nichte eröffnet, dass ihr nicht unbeträchtliches Vermögen zur Hälfte an Tierschutzorganisationen wie Pro Animale, Peta, das Heidelberger Tierheim und den Straßenkatzenverein gehen würde und die andere Hälfte an sie, die Lieblingsnichte. »Für dich bleibt noch ein ganzer Batzen übrig«, hatte Tante Agnes gelächelt. »Es ist genug da für dich und für die armen Tiere. Du hast ja deine Pension und musst nicht am Hungertuch nagen.« Wenn schon eine Pilgerreise, warum dann nicht nach Italien, am liebsten nach Assisi zu dem Heiligen Franziskus, der alle Tiere liebte und sie nicht ausschloss aus der Schöpfung wie offensichtlich viele, die sich Christen nannten. Assisi, das übrigens die Partnerstadt von Santiago de Compostela war, hätte sie gerne kennengelernt. Aber nein, Tante Agnes musste ihr groteskerweise diese Spanienreise schenken. Der wundervolle Geschmack von Mandeln auf Stellas Zunge verlor sich. Sie stach sich ein weiteres Stück von der köstlichen Torte ab und diesmal erwischte sie einen Teil des Jakobskreuzes, das als Emblem, mit Puderzucker bestäubt, die Tarta de Compostela zierte. Genau genommen war es die Spitze des Jakobskreuzes. Sie schmeckte das Bittermandelöl und den Puderzucker heraus, nahm einen kräftigen Schluck Kaffee dazu. Über ihren Träumereien war der Kaffee etwas abgekühlt. »Genieße deine Reise, Kind«, hatte Tante Agnes gesagt. »Für eine uralte Frau wie mich ist das Herumreisen in der Weltgeschichte eh tabu. Alles viel zu anstrengend und außerdem: Ich war immer schon der Ansicht, dass alte Schachteln besser zuhause bleiben sollten als die Gegend unsicher zu machen.« Und sie hatte ihr ganz spezielles Tante-Agnes-Lachen angestimmt, tief und herzlich. Es hatte gar keinen Zweck, der resoluten Tante zu widersprechen, und so ergab sich Stella, die selbst kein Frühlingsküken mehr war, in ihr Schicksal. Sie reiste nach Santiago de Compostela, der Tante zuliebe. »Weißt du eigentlich, dass du deinen Namen mir verdankst? Stella: So hab ich dich als deine Taufpatin damals genannt, weil der Name Stern bedeutet und in dem Ortsnamen Santiago de Compostela vorkommt. Compostela, das kommt vom Lateinischen campus stellae, also Sternenfeld. Und ich habe als junges Mädchen immer davon geträumt, mal nach Santiago de Compostela zu reisen. Und meine Tochter wollte ich Stella nennen. Nun ja, es ist weder zu der Reise noch zu der Tochter gekommen.« Letzteres sagte Tante Agnes mit einem wehmütigen Seufzer. Ob es ein Geheimnis um Tante Agnes gab? Eine Romanze mit einem Spanier, einem leidenschaftlichen Galizier? Eine unglückliche Liebe? »Und vergiss mir nicht, eine Tarta de Santiago zu essen, wenn du angekommen bist«, hatte die Tante noch hinzugefügt. »Diese Torte, einfach himmlisch, habe ich als ganz junges Mädchen einmal vorgesetzt bekommen.« War der Unbekannte im Vorleben der Tante etwa ein feuriger Konditor aus Santiago gewesen? Stella musste unwillkürlich lachen bei dem Gedanken, dass ein leidenschaftlicher Spanier, eine Mandeltorte balancierend, vor Tante Agnes kniete und so das stolze Mädchen zu erobern trachtete. Die dicke Frau am Nebentisch schaute tadelnd zu der einsamen Frau hinüber, die träumerisch in ihrer Kaffeetasse rührte und laut lachte. Hör auf zu träumen, sagte sich Stella. Guck dich doch lieber ein bisschen um. Du bist hier immerhin in einem der berühmtesten Cafés auf der ganzen iberischen Halbinsel. Und morgen wirst du abreisen und höchstwahrscheinlich wirst du nie mehr im Leben hier an diesen Ort kommen, eine Tarta de Santiago vor dir, um dich herum viele Menschen aus der ganzen Welt. Es schwirrte in vielen Sprachen. Der Geräuschpegel war nicht gerade niedrig. Oje, dachte Stella leicht verärgert. Natürlich hört man von allen Sprachen das Deutsche am lautesten heraus. Seinen Landsleuten kann man wohl nirgends auf der Welt entgehen. Eine Männerstimme, unüberhörbar, lachte laut schallend. Das Lachen wurde von einem klatschenden Geräusch begleitet, als ob sich jemand auf die Schenkel klopfen würde. Die Stimme sprach den breiten südpfälzischen Dialekt ihrer Kindheit, der normalerweise nostalgische, heimelige Gefühle in ihr weckte, da sie in der Südpfalz aufgewachsen war und liebe Menschen ihn gesprochen hatten. Es war früher auch ihr eigener Dialekt gewesen, der sich später aber verlor in ihrer rechtsrheinischen Wahlheimat Heidelberg. Diese Männerstimme aber im Café Casino löste keine angenehme Wehmutsstimmung in ihr aus. Im Gegenteil: Stella schauderte und bekam unwillkürlich eine Gänsehaut beim Klang dieser Männerstimme, die aufdringlich alle andern Stimmen im Café übertönte. Stella reckte etwas den Hals, um den Verursacher der lauten Töne auszumachen. Der Mann saß, hinter der dicken Frau am Nachbartisch verborgen, am übernächsten Tisch. Stella erstarrte, als sie das Profil des Mannes sah. Menschengesichter hatten sich ihrem Gedächtnis schon immer eingeprägt, unauslöschlich, und auch nach vielen Jahren erkannte sie, die pensionierte Lehrerin, auf offener Straße oder im Supermarkt ehemalige Schülerinnen und Schüler, obgleich aus den damaligen Teenagern mittlerweile Erwachsene geworden waren. Wenn dann eine schicke Mutti mit Kleinkind, ein behäbiger Geschäftsmann oder eine dynamische Bankkauffrau in Nadelstreifen sie ansprachen, weil sie in ihnen das einstige Pummelchen, den gertenschlanken Abiturienten oder das schüchterne Mädchen aus dem Englisch-Leistungskurs wiedererkannte, hieß es meist erstaunt: »Was, Sie kennen mich noch nach all den vielen Jahren?« Stella löste sich aus ihrer Erstarrung. Ob sie sich täuschte? Nein, dieser Mann dort drüben war unverkennbar Wolfram Proksch. Doch dies war kein ehemaliger Schüler. Der prahlerische Mann, zwei Tische von ihr entfernt, war ein ehemaliger Kommilitone. Wolfram Proksch, ja, es gab keinen Zweifel. Einige nannten ihn hinter vorgehaltener Hand Wolfram Protz. Nomen est Omen. Wie wenig sich Menschen doch verändern in ihrem Verhalten, in ihrer Ausstrahlung, sei sie positiv oder negativ, dachte Stella. Fülliger war er geworden, der laute Mann dort drüben, das damals dichte Haar war gelichtet, ergraut. Sie neigen doch alle zum Embonpoint, diese selbsternannten Latin Lover-Typen, ging es ihr durch den Kopf. Als Latin Lover hatte er sich damals selbst bezeichnet, mit dem Kamm eitel das schwarze, gelockte Haar striegelnd. Ein Tick von mehreren. Die Szenerie des Café Casino verschwand hinter jener anderen Kulisse aus dem Jahr 1969. Summer of sixty-nine. Stella war 22 Jahre alt, eine hübsche, introvertierte Anglistikstudentin, und sie hatte dem Drängen einer Kommilitonin, Gabriele Klein, nachgegeben und war in den Semesterferien mit einer Studentengruppe nach Spanien gefahren. »Da ist jemand ausgefallen und so billig wie mit dem Asta kommst du nie mehr an die Costa Brava. Komm doch mit«, drängelte Gabriele. Viel lieber wäre Stella nach England gefahren, vorzugsweise nach Dorset, um da vor Ort ihre Arbeit über Thomas Hardy fürs Herbstsemester vorzubereiten. Stonehenge hätte sie gerne besucht, wo der Schluss von Tess of the D’Urbervilles spielte, ihrem Lieblingsroman. Oder sie wäre gerne nach Paris und zum Grab von Oscar Wilde auf dem Père Lachaise gepilgert. Stattdessen gab sie dann endlich Gabrieles Drängen nach und meldete sich für die Reise nach Playa de Aro an. Geistesabwesend, wie in Trance, nahm Stella den letzten Schluck ihres inzwischen erkalteten Kaffees, aß ein Stück von der Tarta de Santiago. Die Reisegruppe bestand aus etwa...



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