Buch, Deutsch, 230 Seiten, Format (B × H): 145 mm x 210 mm, Gewicht: 270 g
Reihe: Janus Wissenschaft
Gedenkschrift für Ulrich Wienbruch
Buch, Deutsch, 230 Seiten, Format (B × H): 145 mm x 210 mm, Gewicht: 270 g
Reihe: Janus Wissenschaft
ISBN: 978-3-938076-44-6
Verlag: Janus Projekte
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Inhalt
Einleitung der Herausgeber 9
Dietmar David Hartwich 15
Nachruf auf Ulrich Wienbruch als Katholik
Manuel Schneider 51
Den Engeln gleich. Anmerkungen zur Metaphysik der Medien
und ein Postskriptum zur Ökologie am Leitfaden des Leibes
Henning Tegtmeyer 89
Transzendentale Argumente als philosophische Beweisform
Peter Heuer 127
„… wie dich selbst.“ Überlegungen zu Selbst- und Eigenliebe
Norbert Meder 171
Immanenz in der Transzendenz. Oder: Die Korrelation von
Immanenz und Transzendenz
Ulrich Wienbruch 209
Philosophische Überlegungen zum Begriff des Absoluten.
Mit einem Anhang über Gott als Trinität
Biographie von Ulrich Wienbruch 219
Bibliographie von Ulrich Wienbruch 222
Angaben zu den Autoren 227
Kathi Beier, Falk Hamann, Norbert Meder
Einleitung
I.
Dieser erste Teil der Einleitung beruht auf Erinnerungen an die letzten
zwei/drei Jahre im Leben von Ulrich Wienbruch, die ich, Norbert
Meder, habe. Seinen 80. Geburtstag feierte Ulrich noch in vollem Lebensgenuss
und in großer Gesellschaft seiner Familie, d. h. der Familie
seines schon verstorbenen Zwillingsbruders, und seiner engsten
Freunde, die zumeist auch Schüler von ihm waren. Die Familie seines
Bruders war auch seine Familie, und er pflegte den Kontakt. Unter seinen
Freunden war Klaus Diener sein ältester Freund, den er schon aus
Schulzeiten kannte. Nachdem Ulrich von Köln nach Arnsberg ins
Altersheim der Caritas übersiedelte, war es Klaus Diener, der in Arnsberg
wohnte und Ulrich oft mehrmals wöchentlich besuchte. Er hat
Ulrich in seinen letzten drei Jahren in seinen Tod begleitet. Dafür sei
ihm hier Dank gesagt. Ich selbst habe ihn etwa einmal im Quartal besucht.
Ulrich hat noch lange nach seiner Emeritierung weiter Vorlesungen
gegeben. Seine letzte Vorlesung – irgendwann vor seinem 80. Geburtstag
– artikulierte das Resultat seines lebenslangen Philosophierens. Ich,
der ich wusste, dass es seine letzte Vorlesung sein würde, besuchte sie,
wann immer ich konnte. Am Ende drängte ich ihn, daraus sein letztes
Buch zu machen: Subjektivität und Wirklichkeit. Er wollte es eigentlich
nicht. Er gab mir vielleicht nur deshalb nach, weil ich sein Freund war
und vor allem sein Schüler, der sein Denken – wenn auch kritisch –
tradieren konnte.
Vorüberlegungen zu der philosophischen Problematik, die ich in
dieser Gedenkschrift zu einem gewissen Abschluss gebracht habe, habe
ich ihm 2016 vorgelegt – also drei Jahre vor seinem Tod.1 Mir war klar,
dass ich in diesem Aufsatz sein Denken angegriffen habe. Das machte
nichts – wir haben immer gestritten. Das war die Basis unserer Freundschaft.
Als ich ihm das Buch 2016 übergab und ihn bat, meinen Text kritisch
zu lesen, wusste ich schon, dass er für sich das Philosophieren beendet
hatte. Er las trotzdem meinen Text. Als ich ihn dann ein Quartal später
wieder besuchte und nach seinem Urteil fragte, sagte er nur, der Text
sei gut. Auf eine inhaltliche Auseinandersetzung wollte er sich nicht
mehr einlassen. Er hatte mit der Philosophie abgeschlossen. Was er mir
aber noch freundschaftlich zurückmelden wollte, war dies, dass handwerklich
an meinem Text nichts auszusetzen war – typisch Ulrich.
Das war unser letzter wissenschaftlicher Austausch. Danach gab es
nur noch Alltagsgespräche. Oft fuhr ich ihn im Rollstuhl durch die
Gegend, was er genoss. Aber dann zog er sich zunehmend in sich selbst
zurück, kommunizierte nicht mehr und ließ sich – wie ich meine – sterben.
Wenn ich ihn in dieser Zeit besuchte, war unser einziger Kontakt,
dass ich ihn an der Hand fasste und den Eindruck hatte, dass er mir
über seine Hand erwidert. Aber sicher bin ich nicht.
Ulrichs Tod kam nicht überraschend, aber er hat mich dennoch extrem
getroffen. Zum einen, weil Ulrich ein Mensch war, der mir das
Philosophieren ‚beigebracht‘ hat. Und zum anderen, weil er darüber
hinaus ein Freund war, der mir viel gegeben hat, was ich ihm nicht zurückgeben
konnte, da er ein konstitutiv tragisches Leben führen musste.
1 Meder, Norbert: Philosophische Aspekte von Bildung als einem komplexen Relationengefüge.
In: Dan Verständig/Jens Holtze/Ralf Biermann (Hrsg.): Von der
Bildung zur Medienbildung. Wiesbaden: Springer VS 2016, S. 179-210.
II.
Die Beitragenden zu dieser Gedenkschrift haben Ulrich Wienbruch
alle persönlich gekannt. Norbert Meder und Manuel Schneider gehörten
zu seinen Studenten und Schülern. Dietmar David Hartwich,
CSJ, ist ein Schüler von Norbert Meder; neben Ulrich Wienbruch waren
beide regelmäßig Vortragende auf den von der Communauté Saint
Jean (CSJ) ins Leben gerufenen monastisch-universitären Kolloquien,
die bis 2012 jährlich abwechselnd in Frankreich und in Deutschland
stattfanden. Seit 2007 nahmen daran auch Henning Tegtmeyer und
Peter Heuer teil. Vor allem aber setzen sich alle in ihren Beiträgen mit
Themen auseinander, die Ulrich Wienbruch bis zuletzt interessiert haben:
mit dem Katholizismus, der Engellehre, der Retorsion, dem Begriff
der Liebe und dem Verhältnis von Immanenz und Transzendenz.
Dietmar David Hartwich (Paris) denkt in Form eines Nachrufes
über Ulrich Wienbruch als Katholik nach. Das gibt ihm Gelegenheit,
auf grundsätzliche Glaubensfragen und die jüngste Geschichte der
Katholischen Kirche einzugehen. Aber im Fokus steht für ihn der
Mensch Ulrich Wienbruch, den man hier wieder lebendig vor Augen
hat: seinen Humor und seine Art zu lachen, seine Lust an der philosophischen
Auseinandersetzung, sein methodisch rigoroses Denken wie
auch seine gelassene Haltung dem (kirchlichen) Leben gegenüber.
Manuel Schneider (München) geht einer Ähnlichkeit zwischen zwei
sonst eher selten miteinander in Verbindung gebrachten Themen nach.
Er vergleicht die Angelologie des Heiligen Thomas von Aquin mit der
Computer-Technologie der Gegenwart. In beiden virtuellen Welten
tummeln sich reine Geister. Die „entmaterialisierte Wirklichkeit“ der
neuen Medien stellt seiner Meinung nach allerdings ein Problem dar,
denn sie entferne uns nicht nur von der Natur außerhalb von uns, unserer
Umwelt, sondern auch von der Natur in uns, unserem Leib.
Henning Tegtmeyer (Leuven) setzt sich mit einer bestimmten Form
philosophischer Beweisführung auseinander, der so genannten Retorsion.
Sie besteht darin, dass man einer Person, die einer Annahme widerspricht,
nachweist, dass sie diese Annahme selbst notwendig zugrunde
legen muss. Tegtmeyer stellt vier Beispiele für solche transzendentalen
Argumentationen vor, die er bei Aristoteles, Descartes, Kant und P. F.
Strawson findet. Zugleich diskutiert er die systematische Reichweite
und die Grenzen dieser Retorsionen.
Peter Heuer (Leipzig) behandelt den Begriff der Selbst- bzw. Eigenliebe
und untersucht, inwiefern die Qualität dieses Selbstbezugs von
anderen Formen der Liebe abhängt, nämlich der Liebe zu Gott und der
Liebe zu unseren Mitmenschen. Illustrativ greift er dafür auf Figuren
wie Julius aus Friedrich Schlegels Lucinde oder Narziss zurück, bei denen
die zuletzt genannten Liebesformen auf die eine oder andere Weise
gestört sind. Der Beitrag endet mit Überlegungen zur Bedeutung
der Selbstliebe für ein gutes und gelingendes menschliches Leben.
Norbert Meder (Köln) setzt sich mit der von Ulrich Wienbruch vertretenen
These auseinander, dass es Transzendenz allein in der Immanenz
des Bewusstseins gebe. Mit Richard Hönigswald argumentiert
Meder, dass es sich genau umgekehrt verhalte: Jeder inhaltlich bestimmte
Gedanke weise strukturell über sich hinaus auf etwas Transzendentes.
Das erläutert er in Hinblick sowohl auf den Vollzugscharakter
des Denkens als auch auf die Existenz des Gegenstandes, der
uns im Denken stets auf eine bestimmte Weise gegeben ist. Die doppelte
Transzendenz, die dem endlichen Denken innewohne, zeige, dass
dieses Denken als Vollzug eines Organismus zu begreifen ist.
Der letzte Beitrag dieses Bandes ist ein unveröffentlichter Text von
Ulrich Wienbruch selbst. Es ist der von ihm gehaltene Vortrag auf dem
zehnten und bisher letzten Kolloquium mit der CSJ in Köln im Jahr
2012. Darin bekräftigt und begründet Wienbruch seine in der Traditi-
on Kants stehende Überzeugung, dass der Begriff des Absoluten für
das menschliche Denken nur eine regulative Funktion haben könne.
Es gehe in der Philosophie nicht um die Erkenntnis des Absoluten,
sondern vielmehr um „das ‚absolute‘ Erfassen von etwas.“
III.
Wir sind uns absolut sicher, dass wir mit Ulrich Wienbruch über
alle hier versammelten Argumente und Thesen trefflich hätten streiten
können. Das ist nun leider nicht mehr möglich.
Die Trauerkarte zu seiner Beisetzung enthält ein Zitat von Immanuel
Kant. Wir wissen nicht, ob Ulrich es noch selbst ausgesucht hat.
Gut möglich. Es stammt aus Kants Vorlesungen über Psychologie.2 Wir
wollen es gerne ans Ende dieser Einleitung setzen. Es lautet:
„Also ist der Tod nicht die absolute Aufhebung des Lebens, sondern
eine Befreiung der Hindernisse eines vollständigen Lebens.“
Köln, Juli 2022
2 Vgl. Immanuel Kants Vorlesungen über Psychologie. Mit einer Einleitung: Kants
mystische Weltanschauung, hrsg. von Dr. Carl du Prel, Leipzig: Ernst Günthers Verlag
1889, S. 80.