E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Bedszent / Czycholl / Uhlschütz Schwerer Verlauf
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-85371-906-0
Verlag: Promedia
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Corona als Krisensymptom
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
ISBN: 978-3-85371-906-0
Verlag: Promedia
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Drei Jahre sind seit Beginn des Corona-Ausnahmezustandes im März 2020 vergangen. Zeit für eine Rückschau und kritische Aufarbeitung – insbesondere im Hinblick auf die Ursachen und Folgen der als "Corona-Krise" bezeichneten gesellschaftlichen Katastrophe. Diese wurde weniger durch ein außerordentliches Krankheits- und Sterbegeschehen verursacht als durch eine fatale Überreaktion auf ein für weite Teile der Bevölkerung eher mäßig gefährliches Atemwegsvirus und ein unverhältnismäßiges, in hohem Maße (auch gesundheits)schädliches "Pandemiemanagement".
Im Zentrum des Bandes steht die These, dass die destruktive "Seuchenbekämpfungspolitik" und ihr gesellschaftlicher Fallout im Kontext einer sich schon länger abzeichnenden und dynamisch fortschreitenden Kapitalismuskrise sowie daraus resultierender Verfalls- und Erosionsprozesse gesehen werden muss.
Corona trifft nicht nur auf eine Gesellschaft in der Krise, sondern dabei auch auf psychisch weitgehend destabilisierte und zu irrationalen Reaktionen neigende Subjekte. Dies drückt sich z.B. in zunehmenden Abstiegs- und Zukunftsängsten vor allem in den Mittelschichten aus, verbunden mit einem rasch voranschreitenden "Extremismus der Mitte", der sich u.a. in rassistischen, antisemitischen und verschwörungsideologischen Haltungen (teilweise auch unter "Maßnahmengegnern"), einer unverhüllt zu Tage tretenden Lust an der Disziplinierung von realen oder imaginierten Unterschichten und in einem um sich greifenden Konformismus Ausdruck verschafft.
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Corona als Krisensymptom: eine Einleitung
»Die schlimmste Manipulation besteht darin, dort Sinn stiften zu wollen, wo objektiv keiner ist.« Jörg Ulrich1 Die sogenannte Corona-Krise hat seit 2020 zu einer unübersehbaren Verschärfung zahlreicher, schon vorher bestehender Krisentendenzen des kapitalistischen Weltsystems geführt. Insbesondere die zur Pandemiebekämpfung ergriffenen Maßnahmen haben massive Schäden auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen verursacht, deren kritische Aufarbeitung großteils noch aussteht und die – wie inzwischen selbst in Mainstreammedien nachgelesen werden kann2 – den behaupteten Nutzen der Maßnahmen weit übersteigen. Beispielsweise haben die Corona-Lockdowns zu einem dramatischen Anstieg der Zahl der Hungernden weltweit geführt, die Kinder- und Müttersterblichkeit ist vor allem im globalen Süden stark angestiegen, Todesfälle durch andere Krankheiten haben aufgrund medizinischer Unterversorgung zugenommen (z. B. Herzinfarkte, Schlaganfälle, Krebs), nicht zu vergessen die schwerwiegenden Folgen des Maßnahmenregimes für Kinder, etwa in psychischer Hinsicht oder mit Blick auf die »Kollateralschäden« im Bildungsbereich.3 Hinzu kommt, dass sich die ergriffenen Maßnahmen gerade für den Schutz »vulnerabler Gruppen« (vor allem alte Menschen mit Vorerkrankungen) als wenig effektiv erwiesen – abzulesen etwa am hohen Anteil von PflegeheimbewohnerInnen an den Corona-Toten, der in den meisten westlichen Ländern während der »ersten Welle« zwischen 30 und 60 Prozent lag.4 Die durch massive mediale und politische Propaganda systematisch geschürte »Corona-Angst« wurde zur Durchsetzung immer noch restriktiverer Verordnungen, zur Suspendierung von Grund- und Freiheitsrechten und zur Etablierung von Zensurmaßnahmen instrumentalisiert. Das Narrativ vom »Killervirus« kulminierte schließlich in einer Impfkampagne auf der Grundlage neuartiger genetischer Vakzine, die in historisch beispielloser Geschwindigkeit entwickelt und auf den Markt geworfen wurden. Je mehr sich deren bescheidene Wirksamkeit und schwerwiegende Nebenwirkungen herausstellten, desto starrsinniger wurde am Framing als »wirksam und sicher« festgehalten. Die Impfkampagne ging in vielen Ländern einher mit der forcierten Spaltung der Bevölkerung durch Drangsalierung der »Ungeimpften« und deren Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben mittels digitaler Zertifikatssysteme. Das alles geschah und geschieht nota bene »im Krieg« gegen ein für bestimmte Bevölkerungsgruppen zwar durchaus nicht ungefährliches, epidemiologisch und mit Blick auf die gesamte Bevölkerung jedoch mäßig bedrohliches Virus, dessen Pathogenität zu keiner Zeit signifikant über der einer Influenza lag.5 Wie konnte es dazu kommen? Nicht zu Unrecht wurde während der Corona-Krise bisweilen darauf hingewiesen, dass die Pandemie »wie ein Brennglas«6 schon lange bestehende politische Versäumnisse und strukturelle gesellschaftliche Missstände ans Tageslicht gebracht hat. Der vorliegende Sammelband vertritt die These, dass die gesellschaftliche Reaktion auf das Coronavirus im Kontext einer dynamisch fortschreitenden Krise des Kapitalismus sowie daraus resultierender gesellschaftlicher Erosionsprozesse besser verstanden werden kann. Diese Krisentendenzen haben nicht nur ökonomische (Wirtschafts- und Finanzkrisen, Massenarbeitslosigkeit, Prekarisierung, kapitalistische Überakkumulation etc.) und ökologische (Klimawandel, Umweltzerstörung, Artensterben etc.), sondern auch sozialpsychologische Dimensionen. Sie durchdringen unsere historisch gewachsenen Lebens- und Denkformen. Die Krise betrifft also nicht nur ein abstraktes Gesellschaftsmodell oder »die Ökonomie«, sondern die moderne, bürgerliche Subjektform schlechthin. Es ist daher davon auszugehen, dass die Corona-Krise zwar nicht nur, aber maßgeblich auch sozialpsychologisch erklärt werden muss. Eine Rolle dürften hier nicht zuletzt fortgeschrittene Prozesse der »Postmodernisierung« spielen, die mit ihrer Tendenz zur »Virtualisierung« im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zu einer enormen Verflachung des Denkens und einer Beschädigung des Realitätsbezuges geführt haben. Ebenso zeitigen gesellschaftliche Krisen auch Prozesse sozialer Verrohung, wie sie nicht nur im seit vielen Jahren zu beobachtenden Vordringen von Rassismus oder Sexismus, sondern gerade auch an den sich im Corona-Kontext abspielenden Spaltungstendenzen beobachtet werden konnten: etwa in der Diffamierung und Unterdrückung jeglicher Kritik am Maßnahmenregime oder in der Aggression gegen »Ungeimpfte«. Bemerkenswert dabei ist, dass ein großer Teil dieser gesellschaftlichen Aggression gegen KritikerInnen und Andersdenkende von linksliberalen Milieus7 ausging, die bislang mit Blick auf die sich abzeichnenden (im sozialwissenschaftlichen Diskurs z. B. unter dem Stichwort »Extremismus der Mitte«8 verhandelten) sozialen Verrohungstendenzen wenig im Fokus der Aufmerksamkeit standen. Der »schwere Verlauf« der Corona-Krise – so die hier vertretene These – kann also nur vor dem Hintergrund der umfassenden Krisentendenz des Spätkapitalismus hinreichend verstanden werden. Diese unterscheidet sich von den zahlreichen zyklischen Krisen, die der Kapitalismus im Laufe seiner Durchsetzungs- und Entwicklungsgeschichte durchlief, grundlegend dadurch, dass sie eine fundamentale Krise der kapitalistischen Produktionsweise als solche anzeigt, deren Entwicklungspotenziale durch ihre inneren, eskalierenden Widersprüche an ihr Ende kommen. Ein Grundwiderspruch des Kapitalismus, auf den bereits Karl Marx im 19. Jahrhundert hingewiesen hat, besteht darin, dass das Kapital von der produktiven Ausbeutung und Vernutzung menschlicher Arbeitskraft lebt, infolge der universalen Konkurrenz auf dem Markt und dadurch motivierter Produktivitätssteigerungen aber dazu tendiert, Arbeit überflüssig zu machen und aus dem Produktionsprozess »wegzurationalisieren« – insbesondere durch Mechanisierung bzw. Automatisierung der Produktion. Marx nannte dies einen »prozessierenden Widerspruch«, der irgendwann dazu führen müsse, dass »die auf dem Tauschwert ruhende Produktion zusammen[bricht]«,9 da das Kapital mit der Produktivkraftsteigerung seine eigene »Substanz«,10 die Arbeit, buchstäblich vernichtet. Zwar steigert das Kapital damit stets »den Grad der Ausbeutung, aber es unterminiert damit Grundlage und Gegenstand der Ausbeutung«,11 nämlich die kapitalistische Wertschöpfung als solche. Dieser Widerspruch scheint mittlerweile ins Stadium der Reife eingetreten zu sein. Dies zeigt sich nicht erst an den Effekten der aktuellen, durch Corona nochmals stark beschleunigten Digitalisierungsprozesse (Stichwort Industrie 4.0), durch die sich der längst absehbare Trend zur Massenarbeitslosigkeit noch zuspitzen wird.12 Mit dem Philosophen Robert Kurz (1943-2012), der die Marx’sche Krisentheorie bedeutend weiterentwickelte und seit den 1980er Jahren zum prominentesten deutschsprachigen Theoretiker des sich abzeichnenden »Kollaps der Modernisierung«13 avancierte, können vier Dimensionen bzw. Prozesse differenziert werden, die für die fundamentale Krise bestimmend und charakteristisch sind: Rationalisierung, Globalisierung, Tertiarisierung und Fiktionalisierung.14 Rationalisierung bezieht sich auf die bereits angesprochene Tendenz des Kapitals, durch innovative Fertigungstechnologien die Produktivität zu erhöhen, um einen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt zu erringen. Historisch (z. B. bei früheren »industriellen Revolutionen« wie etwa durch die Dampfmaschine oder die Fließbandproduktion) konnte die damit einhergehende Tendenz zum Wegrationalisieren von Arbeit dadurch kompensiert werden, dass durch Produktinnovationen und neue Geschäftsfelder ein hinreichendes Maß an (anderswo überflüssig gewordener) Arbeit in den Verwertungsprozess absorbiert wurde. Seit der dritten industriellen Revolution der Mikroelektronik ab den 1970er Jahren (Computer, Robotik etc.) wird nun allerdings diese Reabsorption quantitativ und qualitativ mehr und mehr durch die steigende Produktivität und die damit einhergehende Ersetzung menschlicher Arbeitskraft überholt. Die Produktivität des Systems ist durch die neuen Technologien inzwischen so hoch, dass die Arbeitsintensität immer weiter abnimmt, im Produktionsprozess also immer weniger menschliche Arbeitskraft benötigt wird.15 Eine wesentliche Folge davon ist ein seit vielen Jahren wachsender Sockel nicht mehr nur konjunktureller, sondern struktureller Arbeitslosigkeit, der auf einen weiteren Grundwiderspruch des Kapitalismus auf dem mittlerweile erreichten Produktivitätsniveau verweist: Wer soll die in immer größerer Quantität produzierten Waren kaufen, wenn den Menschen durch Massenarbeitslosigkeit die Kaufkraft entzogen ist? Überdeckt wurde dieser Widerspruch in den letzten Jahren nicht zuletzt durch Konsum auf Pump, was sich vor allem in einer enormen, quasi parallel zur Staatsverschuldung steigenden Privatverschuldung niederschlägt. In den USA sind mittlerweile rund 80 Prozent der Bevölkerung prekär beschäftigt und/oder verschuldet.16 Globalisierung meint vor allem die in den letzten Jahrzehnten rasch...