Beck | Ein zufriedener Mann. Erzählungen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 130 Seiten

Beck Ein zufriedener Mann. Erzählungen


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-944818-36-8
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 130 Seiten

ISBN: 978-3-944818-36-8
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Über das Buch Zoë Beck beschreibt Menschen in Ausnahmesituationen: Da ist Gil Peters, die Angstpatientin, die mit der Außenwelt ausschließlich über das Internet kommuniziert und sich damit ganz gut arrangiert hat - bis ihre Therapeutin in Urlaub fährt und die Lage eskaliert. Da ist eine Gruppe Jugendlicher, die langsam das Erwachsenwerden entdeckt, als die Mutter einer Mitschülerin tot aufgefunden wird. Da ist der Journalist, den eine unerwiderte Liebe zum Stalker macht, bis sein Leben vollkommen entgleist. Da ist die namenlose Endzwanzigerin, die vor zwei Jahren im Krankenhaus aufwachte, ohne Erinnerung an ihr bisheriges Leben und seitdem schlaflos durch die Obdachlosenszene Hamburgs geistert - bis sie schließlich eine Frau entdeckt, die ihr bekannt vorkommt und sie langsam ihre eigene, unglaubliche Geschichte entdeckt ... Das alles ist scharf beobachtet, psychologisch dicht erzählt und spannend: Die zehn Geschichten ihres ersten Erzählungsbandes entwickeln einen Sog, dem sich der Leser nicht entziehen kann. Mit einem genauen Blick für Lebenssituationen und psychologische Abläufe betrachtet Zoë Beck Menschen, die in Situationen geraten, die sie nicht mehr kontrollieren können. Neben ihren Thrillern ist Zoë Becks eine souveräne Meisterin der Kurzgeschichte. Sie verdichtet eine Reihe unterschiedlicher zwischenmenschlicher Konstellationen zu kleinen Prosajuwelen. Ihre Figuren leben im Hier und Heute, ihre Konflikte sind an die Realitäten unserer Zeit gebunden. Ihre jeweilige Einzigartigkeit wird in Becks kühler, klarer, unsentimentaler und präziser Sprache sichtbar. Über die Autorin Zoë Beck, geboren 1975, studierte englische, amerikanische und deutsche Literatur in Gießen, Bonn und Durham. Anschließend arbeitete sie bei Theater, Film und Fernsehen. Heute ist sie tätig als Autorin, TV-Synchronredakteurin, Kolumnistin und Übersetzerin und Mitarbeiterin des Online-Feuilletons CULTurMAG. Zoë Beck betreibt mit Jan Karsten den eVerlag CulturBooks - elektrische Bücher.

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Freundin
Maria lernte die Tochter der Familie Landauer erst kennen, als sie schon drei Monate dort in Anstellung war. Sie hatte sich zu der Zeit immer noch nicht recht an ihre neue Umgebung gewöhnt. Nicht die Arbeit machte ihr zu schaffen. Auf dem Hof ihrer Eltern hatte sie auch viel arbeiten müssen. Es war die Stadt. In München gab es zu viel Lärm und Dreck, riesige Häuserklötze, die aussahen, als wären sie zusammengeschoben worden, um Platz für noch mehr Häuser zu machen. In den Straßen drängten sich zu viele Menschen, und sie gingen ohne einen Blick, ohne einen Gruß aneinander vorbei, während Automobile stinkend über die Straßen ratterten. Nicht einmal nachts war die Stadt still. Als Maria bei den Landauers angefangen hatte, war die Tochter noch im Haus gewesen. Allerdings sah Maria sie damals nicht. Sie hörte sie nur in jener Nacht, als sie schrie und stöhnte und polterte. Maria war aus dem Bett gesprungen, um aus der Kammer zu laufen und nachzusehen, doch eines der anderen Dienstmädchen hielt sie zurück. Das Fräulein Franziska sei sehr krank und habe gerade einen ihrer Anfälle. »Wahrscheinlich bringt man sie morgen gleich in der Früh wieder fort«, sagte das Mädchen. So kam es auch. Maria war insgeheim froh darüber, dass sie fort war. Die Schreie hatten ihr Angst gemacht. Nun war Franziska Landauer wieder zurück. Es gefiel Maria nicht, als man sie anwies, dem Fräulein das Frühstück ans Bett zu bringen. Wie gelähmt vor Angst stand sie vor ihr, hielt das Tablett fest umklammert und starrte die junge Frau an. Franziska lehnte im Nachthemd am Fenster, bürstete sich die langen Haare und starrte zurück. Sie sah ganz anders aus, als Maria erwartet hatte: kupferblond mit grünen Augen und weißer Haut, dazu sehr schlank und groß. Sie ähnelte weder ihrem Vater noch ihrer Mutter, auch nicht ihren sehr viel jüngeren Geschwistern. Frau Landauer war nämlich die zweite Frau Landauer, wie Maria erfuhr; die erste war nach Franziskas Geburt verstorben. Maria ließ das Tablett vor Schreck fast fallen, als Franziska zu ihr sagte: »Ich hab dich noch nie gesehen. Wie lange bist du schon hier?« Unfähig, ein Wort herauszubringen, stellte Maria das Tablett auf dem Nachttisch ab und beeilte sich, aus dem Zimmer zu kommen. Von nun an musste sie Franziska jeden Morgen das Frühstück bringen, und jedes Mal richtete die junge Frau das Wort an sie, stellte ihr Fragen, wollte ihren Namen wissen, woher sie käme, wie ihr München gefiele, ob sie schon mehr gesehen hätte als den Josephsplatz, an dem die Landauers wohnten, ob sie schon einmal unten in der Apotheke des Vaters gewesen sei. Hatte sie viele Geschwister, und wie lebte es sich auf dem Land? Anfangs wagte Maria kaum zu antworten. Franziska stellte weiter ihre Fragen. Erzählte. Plauderte über Nachbarn, über Leute, die sie vom Fenster aus über die Straße gehen sah, über Dinge, die sie in der Zeitung gelesen hatte. Maria taute langsam auf, und schließlich freute sie sich auf die kleinen, irgendwie freundschaftlichen Gespräche. Franziska sagte einmal zu ihr: »Du solltest dich malen lassen. Du hast so ein gutes Gesicht.« Maria hatte noch nie ein Kompliment bekommen. Den anderen Mädchen erzählte sie von diesen Gesprächen nichts. Maria wollte dieses Geheimnis hüten. Den Sommer über lernte sie Franziska immer besser kennen. Die junge Frau war meist ruhig, ernsthaft, aber gut gestimmt. An manchen Tagen strahlte sie, wollte die Welt umarmen, liebte das Leben. Über diese Tage freute sich Maria am meisten. Die heimliche Freundin so glücklich zu sehen, tat ihr in der Seele wohl. Mit dem Herbst aber mehrten sich die Tage, an denen Franziska grüblerisch und gereizt war. Sie schlief dann tagsüber sehr viel, aß wenig, kam in der Nacht nicht zur Ruhe. Das Sprechen strengte sie an, und manchmal schien es Maria, als hätte die junge Frau starke Schmerzen. Dann wand sie sich und stöhnte, verkroch sich weinend unter der Bettdecke. Maria konnte es kaum ertragen und forderte sie auf, ihr zu sagen, was sie für sie tun konnte. Eine Wärmflasche, einen Tee, Medikamente aus der Apotheke, was immer sie verlangte, Maria würde sich darum kümmern. »Es ist die Angst«, sagte Franziska eines Tages. »Dass ich zurück in die Klinik muss. Die Angst kann mir keiner nehmen.« »Ist es ... Hysterie?«, fragte Maria. Das hatten ihr die anderen Mädchen erzählt. »Sie behandeln mich so. Sie verordnen mir Ruhe und Hypnosen und Spaziergänge und Massagen. Sie haben einen Apparat, mit dem sie mich zwischen den Beinen massieren. Ich weiß nicht, wie ich das finden soll. Sie sagen auch, es hört auf, wenn ich erst einmal verheiratet bin.« »Aber das ist gut!«, rief Maria. »Dann wird also eines Tages alles gut!« »Ich werde nicht heiraten«, sagte Franziska. »Ich will es nicht. Willst denn du heiraten?« »Eine jede heiratet doch.« »Ich will lieber frei sein«, sagte Franziska, und Maria verstand nicht, was sie meinte. Da Franziskas Zustand sich nicht besserte, musste Maria von nun an vor ihrer Tür schlafen. Oft schreckte die junge Frau schweißnass vom Schlaf auf, war orientierungslos und redete wirr, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Zu Maria sagte sie eines Nachts: »Es hört nicht mehr auf. Ich will nicht damit leben müssen.« »Sagen Sie mir, wie ich Ihnen helfen kann«, bat Maria. Bald kam eine Nacht, in der Franziska anfing zu schreien. Es waren dieselben Schreie, die Maria in ihrer ersten Nacht im Hause der Landauers gehört hatte. Vielleicht schlief Franziska noch halb, vielleicht halluzinierte sie. Sie schien etwas in ihrem Zimmer zu sehen, wovor sie sich fürchtete. Maria konnte sie nur mit Mühe beruhigen. »Es tut so weh«, sagte Franziska erschöpft. »Was? Der Magen? Das Herz?« »Alles in mir. Als müsste ich zerspringen. Es tut einfach nur weh, und ich will, dass es für immer aufhört.« »Brauchen Sie etwas zu trinken?« Maria lief in die Küche und kam mit einem Krug Wasser zurück. Sie war froh, dass alle fest schliefen und niemand etwas gehört hatte. Sie wollte nicht, dass Franziska wieder weggebracht wurde. Nicht nur wegen der Dinge, die sie ihr über die Anstalt erzählt hatte, in der sie drei Monate gewesen war. Maria hatte Angst, ihre heimliche Freundin zu verlieren. »Gibt es denn gar nichts, das hilft? Ihr Vater ist doch Apotheker. Gibt es denn kein Medikament?« »Doch«, sagte Franziska. »Aber er will es mir nicht geben.« »Warum denn nicht?« »Er denkt, dass alles gut wird, wenn ich heirate. Er glaubt, ich simuliere. Glaubst du das auch?« »Nein!«, rief Maria. »Das Medikament ... Haben Sie es schon genommen?« »Ich weiß alles darüber. Ich weiß genau, wie es wirkt.« »Können Sie es sich nicht selbst ... kaufen?« »Ich kann nicht aufstehen und das Haus verlassen. Ich fühle mich viel zu schwach.« »Ich besorge es Ihnen«, sagte Maria. »Ich werde oft geschickt, um einzukaufen. Ich kann Ihnen doch etwas holen.« Franziska schloss die Augen. »Es ist ja genug davon in Vaters Apotheke.« »Ich hole es sofort für Sie.« Franziska sagte ihr, wo sie das Fläschchen finden würde. Wo die Schlüssel, mit denen sie in die Apotheke gelangte. Und wo die anderen Schlüssel, um das Schränkchen zu öffnen, in dem das Fläschchen aufbewahrt wurde. Sie sagte ihr, was auf dem Etikett stand. »Ich habe schon von Morphium gehört«, sagte Maria. »Jemand in unserem Dorf hat es bekommen. Er hatte sehr große Schmerzen.« »Siehst du? Aber du musst mir versprechen, niemals mit irgendjemandem darüber zu reden. Hörst du?« »Ich verspreche es Ihnen!« »Egal, was auch geschieht.« »Ich sage es niemandem!« »Und noch etwas, wenn die Flasche einmal leer ist, dann wirf sie heimlich weg. Wirst du das tun?« Maria versprach auch das. Dann suchte sie sich leise die Schlüssel für die Apotheke zusammen. Sie musste dazu ins Schlafzimmer des Herrn Landauer, aber er wurde nicht wach, auch nicht, als sie die Schlüssel zurücklegte. Sie brachte Franziska das Fläschchen, die ihr glücklich dankte. »Brauchen Sie noch etwas?« Franziska schüttelte den Kopf. »Lass mich jetzt alleine. Du hast mir sehr geholfen.« Sie lächelte, und Maria wurde ganz warm ums Herz. »Das ist unser großes Geheimnis. Freundinnen haben Geheimnisse, die sonst niemand auf der Welt erfahren wird. Du musst immer an dein Versprechen denken.« Maria nickte. Sie legte sich wieder vor Franziskas Tür und schlief, bis die anderen Mädchen sie kurz vor dem Morgengrauen weckten. Franziska hatte darum gebeten, dass man sie lange schlafen ließ. Als jedoch das Mittagessen bereitet war und noch immer kein Laut aus ihrem Zimmer drang, schickte man Maria zu ihr. Sie klopfte an die Tür und trat ein. Es war dunkel, wie dieser Tage immer, weil Franziska das Licht scheute. Sie schien noch zu schlafen. Auf ihrem Gesicht lag ein freundlicher, ja heiterer Ausdruck. Sie hatte sich noch in der Nacht die Haare ordentlich geflochten und ein frisches Nachthemd angezogen. Maria öffnete die Fenster, um zu lüften, und erwartete, dass Franziska aufwachte und sagte: »Ich friere, und es ist viel zu hell.« Aber sie sagte nichts. Unruhig ging Maria zu ihr und beugte sich über sie. Noch immer lag sie still, die Augen geschlossen. Maria berührte ihr kaltes Gesicht, schüttelte sie an der Schulter, kniff ihr in die Hand. Ihr Blick fiel auf die Flasche, die sie in der Nacht aus der Apotheke geholt hatte. Sie war leer. Zuerst wollte Maria um Hilfe rufen. Sie dachte daran, dass Franziska sich...



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