E-Book, Deutsch, Band 17, 303 Seiten
Reihe: Schottland-Krimis
Beaton Hamish Macbeth gerät ins Schwitzen
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7517-6128-4
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman. Ein spannender Cosy-Krimi aus den schottischen Highlands
E-Book, Deutsch, Band 17, 303 Seiten
Reihe: Schottland-Krimis
ISBN: 978-3-7517-6128-4
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wenn Reality-TV ein bisschen zu real wird ...
Das Dörfchen Lochdubh kennt kaum jemand im Rest des Landes. Jedenfalls, bis die bekannte Fernsehreporterin Crystal French in ihrem schicken Wagen ins Dorf rast. Hamish Macbeth drückt ihr prompt einen Strafzettel aufs Auge. Empört macht Crystal dem Police Constable mit einem Fernsehbericht über die Polizeiarbeit in den Highlands das Leben zur Hölle. Als sie auch noch alte Skandale für ihre neue und sehr erfolgreiche Show aufrollt, steht für Hamish fest: Die Frau muss man aufhalten! Dann tut es jemand. Und Crystal ist mausetot. Um herauszufinden, wer die neugierige Reporterin auf dem Gewissen hat, muss der lakonische Polizist Wege beschreiten, die er sich nie hätte vorstellen können ...
M. C. Beaton ist ein Pseudonym der schottischen Autorin Marion Chesney. Nachdem sie lange als Theaterkritikerin und Journalistin für verschiedene britische Zeitungen tätig war, widmete sie sich ganz der Schriftstellerei. Mit ihren Krimi-Reihen um die englische Detektivin Agatha Raisin und den schottischen Dorfpolizisten Hamish Macbeth feierte sie große Erfolge in über 17 Ländern. Sie verstarb im Dezember 2019 im Alter von 83 Jahren.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus,
Durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge.
WILLIAM SHAKESPEARE
Hamish Macbeth mochte keine Veränderung, so ungern er es sich auch eingestand. Immerhin hielt er sich gern für einen fortschrittlichen, modernen Mann.
Doch die Zeitschleife, in der sich das Dorf Lochdubh im Nordwesten von Schottland befand, war ihm sehr recht. Als Dorfpolizist kannte er jeden Bewohner. Er genoss es, durch den Ort zu schlendern oder in den heidebewachsenen Hügeln und Bergen herumzufahren und hier und da auf eine Tasse Tee und ein wenig Plaudern anzuhalten.
Man gelangte nur über eine gewundene Landstraße nach Lochdubh, das am Fuße zweier riesiger Berge an einem langen Meeresarm lag und dank der Atlantikwinde launenhaften Wetterumschwüngen ausgesetzt war. Abgesehen von wenigen Touristen während der Sommermonate waren Auswärtige hier rar.
Die Tage verliefen ungefähr so wie seit hundert Jahren, auch wenn die Schafpreise wie Steine gefallen waren, was die Kleinbauern schmerzlich zu spüren bekamen. Aus dem fernen Glasgow und Edinburgh schlugen autoritäre Stimmen vor, dass die Leute zusätzlich auf andere Erzeugnisse setzen sollten, nur war der Boden hier hart und steinig und kaum für etwas anderes als Schafzucht geeignet.
Deshalb empfand Hamish das Eindringen einer Zeitungsredaktion in seine Welt als beunruhigend. Der Besitzer und Herausgeber Sam Wills hatte eine alte viktorianische Pension am Wasser übernommen und mithilfe von Subventionen der Highlands and Islands Commission eine Wochenzeitung namens Highland Times ins Leben gerufen.
Die hatte schlagartig Erfolg gehabt und war auf eine Auflage von annähernd tausend Exemplaren gewachsen – was in den sehr dünn besiedelten Highlands unbedingt als Erfolg zu werten war. Diesen hatte die Zeitung nicht ihren Nachrichtenbeiträgen zu verdanken, sondern den Klatschkolumnen, den Rezepten und ganz besonders den Horoskopen.
Die wurden von Elspeth Grant verfasst und waren verblüffend detailliert. Erschrockene Highlander lasen dort beispielsweise, dass sie um genau acht Uhr am Montagmorgen unter Rückenschmerzen leiden würden; und da Rückenschmerzen allenthalben der Lieblingsvorwand waren, nicht zur Arbeit zu gehen, sagten die Leute, dass die Vorhersagen ungemein verlässlich seien.
Hamishs anfänglicher Widerwille verblasste dennoch, obgleich er Astrologie für einen riesengroßen Humbug hielt. Die Redaktion, die irgendwie wöchentlich sechs Seiten im Tabloidformat zustande brachte, bestand aus lediglich drei Personen: Sam, Elspeth und einem alten, dauerbetrunkenen Reporter.
Allerdings ahnte Hamish nicht, dass bald die größere Medienwelt in seine ruhige Welt einbrechen sollte.
Drüben in Strathbane steckte der Fernsehsender Strathbane Television in Schwierigkeiten. Er hatte sich halbwegs über Wasser gehalten, indem er hauptsächlich Wiederholungen alter amerikanischer Sitcoms zeigte und wenige billig produzierte Lokalserien. Ihnen war kürzlich angedroht worden, die Lizenz zu verlieren, sollten sie nicht innovativer werden.
Entsprechend angespannt war die Atmosphäre im Besprechungsraum. Trotz der Rauchen-verboten-Schilder stand die Luft vor Zigarettenqualm.
»Was wir brauchen«, sagte der Feature-Chef Rory MacBain, »ist ein Programm, das richtig zur Sache geht.« Hinter und etwas oberhalb von ihm lief auf einem Bildschirm eine Wiederholung von Mr. Ed. »Leute kommen in die Highlands, aber sie bleiben nicht. Warum?«
»Ganz einfach«, antwortete der Geschäftsführer Callum Bissett. »Das Wetter ist mies, und es ist verdammt hart, sich hier seinen Unterhalt zu verdienen.«
Während mehrere Stimmen anhoben, um sich zu beklagen und zu erklären, lehnte Rory sich auf seinem Stuhl zurück und erinnerte sich an einen interessanten Abend mit einer Produktionsassistentin der BBC in Edinburgh. Er hatte sie bei der jährlichen Fernsehpreisverleihung auf dem Edinburgh-Festival kennengelernt, und ihn hatte fasziniert, dass eine so zukunftsorientierte und noch dazu umwerfende Frau nur Produktionsassistentin war. Noch erstaunlicher war, dass sie sogar mit ihm geschlafen hatte. Er hatte ihr versprochen, an sie zu denken, sollte sich mal eine große Chance auftun.
Jetzt lehnte er sich vor und übertönte das Stimmgewirr: »Ich habe eine Idee!«
Alle sahen ihn hoffnungsvoll an.
»Unser größter Reinfall ist Countryside«, sagte er in ruhigem Ton.
Felicity Pearson, die diese Sendung produzierte, stieß ein empörtes Quieken aus.
»Die Einschaltquoten sind lausig, Felicity«, fuhr Rory brutal fort. »Erstens ist das auf Gälisch. Zweitens hast du da eine Menge schräge alte Käuze, die predigend an einem Schreibtisch hocken. Wir sollten eine neue Serie starten – nennen wir sie … sagen wir, Highland Life – und sie von jemand Modernes und Glamouröses moderieren lassen. Fangen wir damit an, dem Mythos vom armen Kleinbauern den Garaus zu machen.«
»Die sind aber arm«, widersprach Felicity. »Die Schafpreise sind im Keller!«
Rory fuhr fort, als hätte sie nichts gesagt: »Auch wenn die Leute ungern in den Highlands leben, mögen sie Sendungen über die Gegend. Mit einer schillernden Moderation und saftigen, witzigen Texten können wir die Zuschauer ködern.« Je mehr Rory sich an die bezaubernde blonde Produktionsassistentin erinnerte – wie hieß sie noch gleich? Crystal French, das war es! –, desto überzeugender wurde er.
Hinterher zog er sich in sein Büro zurück und durchsuchte seine Unterlagen, bis er Crystals Edinburgher Telefonnummer fand.
Nach dem Telefonat legte Crystal auf. Ihr Herz klopfte wie verrückt. Dies war ihre große Chance, und sie würde das Beste aus ihr machen. Noch dazu wäre sie froh, weg aus Edinburgh zu kommen und mehr zu sein als eine kleine Produktionsassistentin. In ihrem gegenwärtigen Job arbeitete sie absurd viel und musste sich trotzdem den Launen eines jeden Moderators beugen.
Wer hätte gedacht, dass sich ein One-Night-Stand mit dem fetten kleinen Mann derart auszahlen würde? Und da hatte sie eben angenommen, dass eine Frau sich doch nicht nach oben schlafen konnte! Ihr war nicht bewusst gewesen, dass sie bisher nicht vorangekommen war, weil sie in dem Ruf stand, ebendas zu versuchen. Heutzutage saßen eine Menge Frauen in den oberen Etagen der Fernsehsender, die es mit viel Arbeit und Verstand nach oben geschafft hatten und wenig gnädig auf ihre Geschlechtsgenossinnen herabsahen, die es immer noch mit den alten Methoden versuchten. Wenn also ihr Name bei Beförderungsbesprechungen aufkam, gab es immer eine Frau, die dafür sorgte, dass sie nicht in Betracht kam.
Als Rory sie am Bahnhof von Strathbane abholte, war er aufs Neue hingerissen von ihrem Aussehen. Ihr langes blondes Haar umfloss Crystals Schultern, und sie trug ein Kostüm mit einem kurzen Rock, der ihre fantastischen Beine zur Geltung brachte. Ihre Augen waren groß und grün, beinahe hypnotisch.
Crystal küsste ihn innig. Sie hatte nicht vor, wieder mit ihm ins Bett zu gehen. Er hatte seinen Zweck erfüllt und war nur Feature-Leiter. Falls nötig, würde sie einen seiner Vorgesetzten verführen.
Hamish Macbeth sah nicht viel fern. Aber er las Zeitung – und merkte auf, als er erfuhr, dass eine neue Serie namens Highland Life auf Sendung gehen und mit einer Folge über Dorfläden in den Highlands starten wollte. Er beschloss, sie sich anzusehen, denn er stellte sich vor, dass es dort nette Interviews gäbe.
Die erste Folge sollte um zweiundzwanzig Uhr gesendet werden. Hamish aß zu Abend, fütterte seinen Hund Lugs und machte es sich vor dem Fernseher gemütlich, als an die Küchentür geklopft wurde. Er öffnete und fand sich zu seinem Unglück den Currie-Schwestern gegenüber. Es regnete, und die beiden Schwestern, die Zwillinge waren, standen mit identischen Plastikhauben über den Haaren, identischen Brillen und identischen Regenmänteln vor der Tür.
»Unser Fernseher funktioniert nicht«, sagte Nessie und drängte sich an ihm vorbei. Jessie folgte ihr, nahm ihre Regenhaube ab und schüttelte sie in der Küche aus, sodass einiges Wasser auf den Boden tropfte.
»Ich wollte gerade ins Bett«, flunkerte Hamish, doch die beiden hängten unbeirrt ihre Mäntel auf und trotteten in sein Wohnzimmer.
Seufzend folgte Hamish ihnen. Die Currie-Schwestern waren unverheiratete Damen mittleren Alters, die faktisch in dieser Gemeinde regierten.
»Wir sind hier, um die neue Sendung zu sehen. Die neue Sendung zu sehen«, erklärte Jessie. Sie hatte die verwirrende Angewohnheit, alles doppelt zu sagen. »Haben Sie keine Fernbedienung? Keine Fernbedienung?«
»Nein, denn ich brauche Bewegung«, antwortete Hamish verärgert.
»Eine Tasse Tee wäre prima«, bemerkte Nessie.
»Ich hole in der Werbepause Tee«, konterte Hamish.
»Psst!«, schalt Nessie. »Es fängt an.«
Die Moderatorin ging eine Dorfstraße entlang.
»Das ist Braikie«, zischte Nessie, die das nahe gelegene Dorf als Erste erkannte.
Crystal Frenchs wohltönende Stimme war zu hören: »Alle bejammern das Aussterben der Dorfläden. Was sich aber jeder fragen muss, ist, würden Sie in solch einem Laden einkaufen? Oder fahren Sie auch in den nächstgrößeren Ort oder zum Supermarkt? Falls ja, was versäumen Sie?«
»Das ist der Laden von der alten Mrs. Maggie Harrison, in den sie da geht, in den sie da geht«, kommentierte Jessie. »Oh, guck dir Mrs. Harrisons Gesicht an! Das kann nicht eingeübt sein, nicht eingeübt...