Bean | Chocolate, please! | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Bean Chocolate, please!

Roman
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7519-3873-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-7519-3873-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In Chocolate, please! erzählt Gerda Bean autobiografisch angelehnt von der kleinen Thea. Thea lebt mit Vater, einem Fagottisten im Kurorchester, ihrer Mutter und ihrem Bruder in Süddeutschland, und hat bisher (es ist 1944) vom Krieg noch nicht wirklich viel mitbekommen. Klar ist es ärgerlich, als ihr geliebtes Radio von einem Soldaten abgeholt wird und später auch irgendwann das einzige Fahrrad der Familie, aber viel belastender findet Thea das Getuschel der Nachbarinnen, die im Lebensmittelgeschäft tratschen, warum Theas Vater noch immer zu Hause ist, während ihre Männer und Söhne schon lange eingezogen wurden. Der Leser begleitet Thea durch die letzten Kriegsmonate, die sie bei der Großmutter in Thüringen erlebt, die zweite Hälfte spielt dann wieder im inzwischen von Frankreich besetzten Baden-Baden. Bean zeichnet die Jahre aus dem Blickwinkel eines Kindes, das im Kleinen erlebt, was im Großen angerichtet wurde. Da ist einerseits eine Unbekümmertheit, aber auch der ständig nagende Hunger, die Offenheit, mit der sich Kinder begegnen und die Vorurteile der Erwachsenen, die Freundschaften zwischen Deutschen und Franzosen zunichte machen.

Gerda Bean, geboren 1938 in Baden-Baden, war unter anderem für die Boston University und das deutsche Fernsehen in Washington, D.C., tätig. Seit 1978 arbeitet sie hauptsächlich als Übersetzerin von Belletristik sowie von Kinder- und Jugendbüchern. Sie lebt mit ihrem Mann in England. Chocolate, please! ist ihr erster Kinderroman.
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2


Ein Zug fährt ab


I nzwischen war es Herbst geworden, aber die Sonne schien noch warm. Wenn Papa nicht im Kurpark musizierte, ging er mit mir zum Spielplatz oder wir machten zusammen einen Spaziergang. Peter, der Fleißige, saß entweder am Esstisch und erledigte seine Schulaufgaben oder besuchte einen Freund, und Mama hatte wie immer viel im Haus zu tun.

Wenn Papa und ich durch die Straßen spazierten, sahen uns manche Leute unfreundlich an. Es kam sogar vor, dass Papa zu einer Nachbarin guten Tag sagte und sie nicht zurückgrüßte, was sehr unhöflich war. Mama sagte doch immer, wenn man gegrüßt wird, grüßt man auch zurück. Und Papa war so ein freundlicher Mann. Seine Stimme war leise und sanft. Es tat mir richtig weh, wenn Nachbarinnen ihn so behandelten.

Wenn ich allein oder mit anderen Kindern auf der Straße spielte, wurde ich oft von Leuten aus der Nachbarschaft angesprochen und gefragt, warum mein Vater immer noch zu Hause war. „Was macht er denn noch hier? Weshalb kämpft er nicht wie die anderen?“

Was sollte ich sagen? Dass er „unabkömmlich“ war, wie Mama es mir erklärt hatte? Dass er mit seinen Kollegen in der großen Muschel im Kurpark weiter Musik machen musste, um die Leute aufzuheitern? Ich schaute den Frauen, die mich angeblafft hatten, ins Gesicht. Auch das hatte Mama Peter und mir beigebracht. „Wenn ein Erwachsener mit euch spricht, seht ihr ihn an“, hatte sie gesagt. Die Frauen waren blass und ihre Augen funkelten. Sie machten mir Angst. Da hielt ich lieber den Mund.

Aber es stimmte. In unserer Straße gab es wirklich nicht mehr viele Männer. Die meisten waren eingezogen worden, was bedeutete, dass sie als Soldaten in den Krieg ziehen mussten. Die Väter meiner Spielkameraden waren alle fort. Manchmal bekamen sie ein paar Tage Urlaub und gingen dann mit ihren Kindern spazieren. Sie hielten sie an den Händen, und die Kinder schauten stolz zu ihren Vätern hoch, die graue Uniformen trugen.

„Warum sind die Frauen auf der Straße immer so böse?“, fragte ich Mama einmal.

„Sie sind nicht böse, Thea. Sie sind verbittert. In unserer Straße gibt es kaum eine Familie, die nicht einen Vater, Bruder oder Sohn verloren hat. Sie sind neidisch, weil wir unseren Papa noch haben. Das verstehst du doch, nicht wahr?“

„Hmm“, sagte ich. Ich verstand es nicht.

Der Spielplatz war ganz in der Nähe. Wenn Papa nicht mit mir hingehen konnte, machte ich mich allein auf den Weg und traf mich mit meinem Freund Achim. Er war ein Jahr jünger als ich und immer mit allem einverstanden, was ich vorschlug. Am liebsten buddelten wir beide im Sandkasten. Einmal waren wir so in unsere Arbeit vertieft, dass wir nicht merkten, wie still es um uns herum geworden war. Die anderen Kinder waren alle nach Hause gegangen. Nur Achim und ich drehten unermüdlich unsere Förmchen um und verzierten den Rand des Sandkastens.

Im Haus gegenüber klopfte jemand gegen das Fenster, was uns nicht weiter kümmerte. Schließlich riss eine Frau das Fenster auf. „Lauft schnell nach Hause, Kinder!“, rief sie uns aufgeregt zu. „Es hat Fliegeralarm gegeben. Habt ihr denn die Sirene nicht gehört?“

„Nein!“, brüllten wir beide zurück. Wir sahen uns an und wussten nicht, ob wir weiterbacken oder lieber heimgehen sollten, wie die Frau es uns geraten hatte. Das Buddeln machte doch so viel Spaß. Der Rand des Sandkastens war fast schon voll mit kleinen Kuchen. Es fehlten höchstens noch drei Stück. Und wovor sollten wir überhaupt Angst haben? Es war bisher noch nie etwas passiert.

Aber da kam Mama schon um die Ecke gerannt. Sie packte mich an der Hand und lief schnell mit mir nach Hause. Achim brauchte nur über die Straße zu gehen.

Jetzt bekam ich doch noch einen Schreck.

„Wenn die Sirene heult, musst du immer sofort losrennen – !“, sagte Mama streng und zog mich weiter.

Im Keller unseres Hauses saßen schon die anderen Bewohner auf Bänken. Die alte Frau Neuhäuser, die in der Wohnung über uns wohnte, strickte. Sie lächelte mir wie immer freundlich zu und schien keine Angst zu haben.

Auch unser Vermieter, Herr Becker, und seine Frau waren da. Herr Becker war in einem anderen Krieg Soldat gewesen, dem Ersten Weltkrieg, wie Mama mir mal gesagt hatte. Er hatte gegen die Franzosen gekämpft und war schwer verwundet heimgekehrt. Sein rotes Gesicht sah ganz zerknautscht aus – wie ein Stück Papier, das jemand zusammengeknüllt hatte. Und am Ende seines linken Arms war ein Haken statt einer Hand. Wenn Herr Becker Peter oder mich kommen sah, drehte er sich immer um und tat, als wären wir Luft.

Frau Becker schien mit ihren Gedanken meistens weit weg zu sein, auch wenn sie direkt vor uns stand. Peter und ich durften nie durch unsere Wohnung rennen, weil sie schwache Nerven hatte und keinen Lärm vertrug.

Selbst der unfreundliche schwarze Kater der Beckers war mit im Keller. Moritz mochte keine Kinder und machte immer einen Buckel und fauchte, sobald Peter und ich auftauchten. Ich hätte ihn gerne gestreichelt, aber er ließ mich nicht an sich heran.

Frau Neuhäuser sah mich an und sagte: „Es wird schon nicht rumsen. Es ist ja noch nie was passiert.“

Peter war noch in der Schule und saß dort bestimmt mit den anderen Schülern und Lehrern im Keller. Papa suchte wahrscheinlich im Kurhaus Schutz.

Es dauerte nicht lange und die Sirene gab Entwarnung – ein langer Heulton ohne Auf und Ab. Wir konnten alle wieder nach oben in unsere Wohnungen gehen. dachte ich

Am nächsten Tag schickte Mama mich die Straße hinunter zum Lebensmittelladen.

„Thea, gehst du bitte zu den Bohns und holst mir einen Rotkohl? Der Papa isst doch so gerne Rotkraut mit Klößen.“

Sie fand, dass ich jetzt groß genug war, um alleine einzukaufen.

Hmm, Rotkraut mit Klößen aß nicht nur Papa gern.

Der Laden war voller Menschen, obwohl die Regale ziemlich leer aussahen. Die Nachbarinnen kauften, was immer es gab – ein paar verschrumpelte Äpfel, grau aussehende Möhren, Kohlköpfe und Kartoffeln.

Ich stellte mich hinten an und es dauerte bestimmt hundert Stunden, bis ich endlich an die Reihe kam. Sobald die Schlange ein Stück vorwärts rückte, ging die Tür auf und eine neue Kundin betrat den Laden. Es wurde immer voller und ich stand eingekeilt zwischen Frauen mit riesigen Einkaufstaschen und spitzen Ellbogen. Hinter mir bohrte jemand seine Knie in meinen Rücken.

„Warum ist ihr Vater eigentlich immer noch zu Hause?“, zischelte eine der Frauen.

„Sind die vielleicht was Besseres als wir?“, sagte eine andere.

„Jeden Tag läuft der mit seinem Kasten die Straße runter und mein armer Karl hat seine Beine verloren … zerschossen.“

„Die sollten überhaupt nichts zu essen kriegen! Das verdienen die nicht!“

Mein Herz fing an zu hämmern und mein Kopf wurde ganz heiß. Ich wusste gar nicht, wo ich hinschauen sollte und guckte auf meine Schuhspitzen. Am liebsten wäre ich unsichtbar gewesen.

Als ich schließlich vor dem Tresen stand, bekam ich kaum ein Wort heraus. Meine Wangen brannten und ich traute mich nicht, hochzusehen. Schüchtern streckte ich der Verkäuferin das Geld hin, nahm den Kohlkopf und schob mich durch die Wartenden zur Tür. Draußen holte ich erst einmal tief Luft, dann rannte ich nach Hause.

Ich erzählte Mama nicht, was ich gehört hatte. Sie hatte mir ja schon erklärt, warum manche Leute so unfreundlich waren. Und wenn ich sie immer wieder mit den gleichen Geschichten plagte, wurde sie ungeduldig.

Der Rotkohl mit den Klößen schmeckte dann aber ganz wunderbar. Mama war eben die beste Köchin auf der Welt. Aber als ich am Abend im Bett lag, gingen mir schreckliche Gedanken durch den Kopf:

Und dann schlief ich ein.

Ein paar Tage später erhielt Papa einen Brief. Er drehte ihn unschlüssig in der Hand. „Hilft ja nichts“, sagte er und öffnete den Umschlag. Er zog ein Blatt Papier heraus, auf dem viele gedruckte Wörter und ein Stempel mit einem großen Vogel zu sehen waren, der die Flügel ausbreitete. Der Vogel war der Reichsadler, ein ganz wichtiger Vogel, wie Peter, der Alleswisser, mir mal klargemacht hatte. Und unter seinen Krallen war das Hakenkreuz abgebildet. Das sah man überall. An Litfaßsäulen, auf Schildern, an Hausmauern, auf Briefmarken – einfach überall.

Papa las den Brief und wurde sehr traurig. „Jetzt ist es so weit“, sagte er zu Mama.

Sie schüttelte den Kopf und schwieg. Ihr Gesicht verzog sich, und es sah aus, als ob sie gleich weinen würde. Aber Mama weinte nicht. Dann sagte sie: „Mach dir keine Sorgen, der Krieg ist bald vorbei.“

„Ich werde Soldat“, sagte Papa zu Peter und mir.

„Bist du...



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