E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Reihe: Pippi Langstrumpf
Bayart Als Pippi Langstrumpf nach Deutschland kam
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-96052-428-1
Verlag: Verlag Friedrich Oetinger GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Buch voller Krummeluspillen, Spunk und Plutimikation
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Reihe: Pippi Langstrumpf
ISBN: 978-3-96052-428-1
Verlag: Verlag Friedrich Oetinger GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Micke Bayart, geboren 1967, ist Deutsch-Schwede und in Deutschland aufgewachsen, lebt heute aber in Stockholm. 2022 erschien sein Buch 'ABBA in Deutschland'.
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Vorwort
Wenn heute zu ihrem Geburtstag einladen würde, ginge es in der Villa Kunterbunt bestimmt genauso rund wie im ersten Band von : mit heißer Schokolade und reichlich Kuchen, lustigen Spielen und einer Gespensterjagd. Zudem würden ihre Gäste das Fest mit Geschenken verlassen! Und vielleicht wäre Astrid Lindgren, die literarische Mutter von , genauso von der anhaltenden Beliebtheit ihrer Heldin, die sie 1945 zum Leben erweckt hat, überrascht wie selbst. Die zählte sich nämlich bereits vor ihrem zehnten Geburtstag zum alten Eisen: »Ja, die Zeit vergeht, und man fängt an, alt zu werden. Im Herbst werde ich zehn Jahre alt, und dann hat man wohl seine besten Tage hinter sich.«[1]
Beide, die Autorin und ihre Figur, sind durch Stärke, Fantasie, Mut, Verspieltheit und Selbstständigkeit unsterblich geworden, Astrid Lindgren war wie ihre junge Heldin eine Meisterin des Wortes, wobei sie sich gerne sinngemäß auf ein Zitat des deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer bezog: Man gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge.[2] Mit Zivilcourage, Liebe und Humor hat sie stets deutliche Worte für die Dinge gefunden, die ihr am Herzen lagen. Sie setzte sich nicht nur für die Rechte von Kindern und Tieren ein, sondern war insgesamt eine überzeugte Humanistin. Vor allem aber ist sie schwedische Schriftstellerin. Sie hat uns Kinderbücher geschenkt, die die Welt besser machen und die Leserinnen und Leser an die Zukunft glauben lassen. Mit ihrer Erzählkunst setzte sie neue Maßstäbe, stellte wie gängige Meinungen infrage und Regeln auf den Kopf. 1945 erschien mit ihr Debüt, 1981 endete mit ihrem letzten Buch ihr Schaffen. Zwischen diesen beiden starken Mädchen liegen eine Reihe von Geschichten wie , oder , mit denen sie den Weg für den internationalen Erfolg schwedischer Kinderliteratur ebnete. In der heimischen Kinderbuchszene unterstützte sie neue Talente, so zum Beispiel Barbro Lindgren. Die jüngere Namensvetterin äußerte sich wie folgt über ihre Förderin:
»Astrid Lindgren ist die Art von Person, die es eigentlich in dieser Zeit nicht gibt. Sie hat immer an die Kleinen und Unterdrückten gedacht und lebt so einfach wie immer, obwohl sie Millionärin ist (…). Ich würde gerne den Mann in ihrer Position sehen, der sich keine protzige Luxusvilla gekauft hätte und stattdessen in der Dalagata 46 im ersten Stock wohnt. Sie hat sich noch nicht einmal ein Luxusauto gekauft und auch nicht die kleinste Jacht. Das ist auf jeden Fall wunderbar und ungewöhnlich!«[3]
In war am 26. April 1956 unter der Überschrift über Astrid Lindgrens Kinderbücher Folgendes zu lesen:
»Heutzutage gibt es so gut wie keine literarischen Wunder. Die Schwedin Astrid Lindgren aber ist eins. Ihre Kinderbücher sind so voll reiner, bezaubernder Poesie, wie man sie in den zeitgenössischen Romanen und Erzählungen nur schwerlich findet. Das Kapitel Kinderbuch gehört zu den weniger glänzenden in der modernen Literaturgeschichte, falls es dort überhaupt behandelt wird. Abgesehen von ein paar Beispielen, präsentiert sich in Deutschland unter dem Namen Kinderbuch eine Gattung von Schrifttum, die sich teils in gefühlsarmer und phantasieloser Abschilderung irgendeines, vielfach noch historischen Abenteuers erschöpft, teils in einem altklugen und verniedlichten Aufguß der Non-fiction-Literatur besteht. Von einer Nachfolge der Brüder Grimm, die mit ihren Märchen in aller Welt Unsterblichkeit erlangten, ist in ihrer Heimat kaum etwas zu merken (…). Wenn behauptet wird, ihre Werke hätten eine literarische Revolution ausgelöst, so wurde damit gewiß nicht der Mund zu voll genommen; wenn ihrer Pippi Langstrumpf therapeutische Wirkung in der Kindererziehung zugeschrieben und diese kleine Trilogie als Hilfsmittel bei komplexbehafteten Kindern angewandt wird, so erscheint das durchaus nicht ungewöhnlich.«
Dem Verfasser Günther Specovius kann lediglich in einer Sache widersprochen werden: Astrid Lindgrens Bücher sind nicht nur für kleine Leser und Leserinnen bestens geeignet. Auch Erwachsene sollten sie lesen, um sich auf das Kind in sich zu besinnen und für kommende Generationen zu einer friedlicheren, sichereren Welt beizutragen. Das wäre sicherlich auch im Sinne von Astrid Lindgren, selbst wenn sie 1958 bei der Überreichung des Hans-Christian-Andersen-Preises klar aussprach, wer ihre Leserschaft ist: »Ich will für einen Kreis schreiben, der Wunder bewirken kann. Nur Kinder können beim Lesen Wunder bewirken.«[4] Astrid Lindgren glaubte an Kinder und ihre Fähigkeiten, genau wie Vater, der stets vorbehaltlos an seine Tochter glaubte und überzeugt war: »Ein besserer Seemann als meine Tochter ist niemals auf den sieben Meeren gesegelt.«[5]
Geschrieben hatte Astrid Lindgren ursprünglich für ihre Tochter. Karin würdigte ihre Mutter und ihre literarische Heldin mit folgenden Worten: »So viele Mädchen meiner Generation haben durch anders auf sich selbst geschaut. Nicht nur die Jungen haben Macht, auch die Mädchen! Sie verstanden plötzlich, dass sie nicht nur süß, nett und gehorsam sein mussten, sondern Dinge tun und entscheiden konnten.«[6] Außerdem verdeutlicht Lindgren mit , wie man Erwachsenen selbstbewusst gegenübertreten kann und dass man nicht zu hassen braucht oder böse sein muss, sondern dass man negativen Dingen mit einer positiven Kraft begegnen kann!
Die Entstehungsgeschichte von ist darüber hinaus ein Zeugnis von starken Frauen im »echten« Leben, die es in einer von konservativen Werten geprägten Zeit wagten, eigene Entscheidungen zu treffen und für ihre Ideen und Ansichten einzustehen: Die deutsche Übersetzerin Cäcilie Heinig, Heidi Oetinger, Ehefrau von Verleger Friedrich Oetinger, und Louise Hartung, die in eine Demokratiehilfe für die deutsche Nachkriegsjugend sah, trugen eindrucksvoll und engagiert zum Erfolg in Deutschland bei. Sie waren ebenso wie Astrid Lindgren und selbst »Powerfrauen«, lange bevor dieser Begriff überhaupt existierte.
Astrid Lindgren 1946 bei einer Pippi-Lesung in der Stockholmer Buchhandlung »Kungsbokhandeln«
Schon Geburtsstunde ist bedeutsam, denn sie wurde während der düsteren Kriegsjahre des Zweiten Weltkriegs als Lichtgestalt erschaffen, und es gelang ihr, Kindern Zuversicht, Freude und neue Perspektiven zu schenken. Ihnen und den nachfolgenden Generationen vermittelte ein grundlegendes Verständnis für den richtigen Umgang mit Macht, für Demokratie, Fairness und Selbstbewusstsein. Astrid Lindgren wurde beim Schreiben möglicherweise von einem Helden inspiriert, der 1938 die Bühne betreten hatte: Superman. Eine Skizze von ihm findet sich nämlich in jenem Stenogrammblock wieder, auf dem sie ihre erste Version von die , entwarf. Und in einem Interview mit der schwedischen Tageszeitung vom 24. Dezember 1967 sagte sie, ihre Figur sei von Anfang an ein »kleiner Superman«[7] gewesen.
Astrid Lindgren war eine Meisterin des Wortes, die mit ihren Geschichten die Menschen berührt, weil sie mitten ins Herz treffen. Sie beherrschte die leisen Töne, wie in , aber ebenso die lauten, wie in . Natürlich sah sie sich auch Kritik ausgesetzt, die sicherlich nicht immer spurlos an ihr vorüberging. So wurde ihr vorgeworfen, mit Kinder zum Ungehorsam anzustacheln. Doch sie stand auf einem soliden Wertefundament, wusste instinktiv, was richtig und falsch war, und verfolgte konsequent ihren eigenen Weg. Der Kritik von Erwachsenen konnte sie nicht viel abgewinnen, weil diese nicht ihre Zielgruppe darstellten. Sie schrieb für Kinder, wie sie selbst einmal eins gewesen war. In einem Interview vom 16. März 1976 mit dem sagte sie:
»(…) ich habe mich von Anfang an bis jetzt für Kinder interessiert … Kinder kommen mich besuchen. Kinder rufen mich an oder schreiben mir: Du kennst mich nicht und schreibst trotzdem genau, wie es mir geht! Es gibt viele Kinder, die unglücklich sind und die es im Leben schlecht haben. Dann suchen sie jemanden, der etwas für sie tut.«
Astrid Lindgren, die 1999 von den Leserinnen und Lesern der schwedischen Tageszeitung zur Schwedin des Jahrhunderts gewählt wurde, war und ist Schwedens gute Seele, die sich bis ins hohe Alter immer wieder aktiv in die öffentliche Debatte einbrachte. Dabei behielt sie stets die Zukunft der Kinder im Fokus, wenn sie bei Themen wie Atomkraft, Tierhaltung und geflüchtete Menschen ihren Standpunkt vertrat und »das Beste und Menschlichste in Schweden«[8] verkörperte. Wie eben. Ihr Tod 2002 stürzte eine ganze Nation in tiefe Trauer, hunderttausend Menschen erwiesen ihrer Nationalheldin auf dem Weg zur , der Domkirche in der Stockholmer Altstadt, die letzte Ehre. Dort nahmen ihre Familie, das schwedische...