Disziplinäre Zugänge. E-BOOK
E-Book, Deutsch, 380 Seiten, Format (B × H): 158 mm x 240 mm
ISBN: 978-3-86234-070-5
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Dr. Ingrid Baumgärtner ist Professorin für Geschichte des Mittelalters im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel und Research Associate an der Villa I Tatti, The Harvard University Center for Italian Renaissance Studies, in Florenz.Dr. Ingrid Baumgärtner, Ingrid Baumgärtner, Professor of Medieval History, Department of Social Sciences, University of Kassel, Germany. Research Associate at Villa I Tatti, The Harvard University Center for Italian Renaissance Studies, Florence, Italy.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Literaturwissenschaft Rezeption, literarische Einflüsse und Beziehungen
- Sozialwissenschaften Ethnologie | Volkskunde Ethnologie Kultur- und Sozialethnologie: Allgemeines
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Kultur- und Ideengeschichte
- Interdisziplinäres Wissenschaften Wissenschaft und Gesellschaft | Kulturwissenschaften Kulturwissenschaften
- Geowissenschaften Geographie | Raumplanung Humangeographie
- Sozialwissenschaften Soziologie | Soziale Arbeit Soziale Gruppen/Soziale Themen Soziale Gruppen & Klassen
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Christentum/Christliche Theologie Allgemein Christliche Kunst und Kultur
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;7
2;Vorwort;9
3;Raumkonzepte. Zielsetzung, Forschungstendenzen und Ergebnisse;11
4;1. Raumbegriffe und Fachkulturen;29
4.1;SchriftRäume. Inszenierungen und Deutungen der Buchstaben (1500 – 1800);31
4.2;Heilige Handlungsräume? Eine theologisch-raumtheoretische Betrachtung zur performativen Kraft von Kirchenräumen;53
4.3;Räume und Regionen der Geographie;73
4.4;Hans Jantzens Analyse ottonischer Kunst. Der Bildraum als Symbol historischen Anfangs und ontologischen Ursprungs;97
5;2. Kartieren und Erzählen;127
5.1;Das Raumverständnis in der Markuspassion;129
5.2;Die Welt als Erzählraum im späten Mittelalter;147
5.3;Piraten, Karten und Welt-Literatur. Carlos de Sigüenza y Güngoras ›Infortunios de Alonso Ramirez‹;181
5.4;Erzählte Karten, Erzählkarten. Morus, Novalis, Goethe, Robbe-Grillet, Gracq;201
5.5;Erinnerung, Raum und Karte in Jacques Roubauds ›Le grand incendie de Londres‹;235
6;3. Neue Räume und Wissenstransfer;257
6.1;Die Klimazonenkarte des Petrus Alfonsi. Rezeption und Transformation islamisch-arabischen Wissens im mittelalterlichen Europa;259
6.2;Alexander der Große in der Fürstenbibliothek Arolsen. Formen des Transfers und der Transformation von Räumen und Kulturen in Wort und Bild;281
6.3;Das Rätseln über Tiwanaku. Der Sonderweg der altamerikanischen Archäologie am Beispiel einer Heterotopie;305
6.4;»Neu-Deutschland« im Paradies? Zur Konstruktion des deutschen Brasilianers zwischen 1820 und 1874;323
7;Über die Autorinnen und Autoren des Bandes;341
8;Register;345
8.1;A. Namens-, Sachwort- und Ortsregister;345
8.2;B. Autoren und Autorinnen moderner Forschungsliteratur;374
"3. Neue Räume und Wissenstransfer (S. 255-258)
Stefan Schröder
Die Klimazonenkarte des Petrus Alfonsi. Rezeption und Transformation islamisch-arabischen Wissens im mittelalterlichen Europa
Mittelalterliche Karten sind derzeit in der deutschsprachigen und internationalen Medivistik eine intensiv untersuchte Quellengattung.1 Dies zeigt sich nicht nur an der Vielzahl neuerer Veröffentlichungen, sondern auch am vernderten Stellenwert, der den Karten in Einführungswerken zur mittelalterlichen Geschichte beigemessen wird. Während Hans-Werner Goetz sie lediglich unter den Realien aufführt, Martina Hartmann sie überhaupt nicht nennt und Peter Hilsch sie nur kurz thematisiert, rücken sie in Harald Müllers jüngst publiziertem Studienbuch an prominente Stelle. Gleich im ersten Kapitel, noch vor den Weltchroniken, führt Müller am Beispiel der auf dem TO-Prinzip basierenden großformatigen EbstorferWeltkarte in das mittelalterlicheWeltbild ein.
Diese Verschiebungen bilden in gewisser Weise den sich verndernden Forschungsblick ab. Karten werden nicht mehr nur als Ausdruck des zeitgenössischen Wissens über eine physische Wirklichkeit gesehen, sondern als ein Medium, dem eine wichtige Rolle für die Implementierung kollektiver Weltbilder zukam. ?ber das Kartenprogramm, die Auswahl an visuellen und sprachlichen Zeichen sowie über die gestalterische Umsetzung wurden geographische und kulturelle Räume hergestellt sowie Wert- und Normvorstellungen festgeschrieben.
Vor allem die TO- oder §kumenekarten weisen solche didaktischen Funktionen auf. Zum einen geben sie Vorstellungen über die Gestalt der Welt in teils sehr schematischer Form wieder, denn sie bilden nicht die gesamte Erdkugel, sondern nur Asien, Afrika und Europa ab. Wie eine typische, in die Abschrift eines antiken Sallusttextes eingebettete TO-Karte aus dem 13. Jahrhundert zeigt, stellten das in Form des Buchstabens Teingezeichnete Mittelmeer mit Don und Nil die Grenzverlufe zwischen den drei bekannten Kontinenten dar, die vom O des Ozeans umgeben sind.
Diese natürlichen Trennlinien, einzelne Toponyme und gelegentlich ergnzte graphische Zeichen erlaubten es, schnell zu memorierende Informationen zu visualisieren.5 Zum anderen enthalten die zumeist geosteten TO-Karten eine rumliche wie eine zeitliche Dimension. ?ber die Paradiesdarstellungen am oberen Kartenrand und die Endzeitvölker Gog und Magog bis hin zur Andeutung des himmlischen Jerusalems führten sie dem Betrachter die Einheit von Mikro- und Makrokosmos, die Allmacht Gottes und Vielfalt seiner Schöpfung vor Augen. Am weitesten ausgeformt ist dies in den großformatigen Weltkarten von Hereford oder Ebstorf aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert,6 die in zahlreichen graphischen Zeichen und Textlegenden kosmologisches, geographisches und biblisches Wissen miteinander vereinen."