Bauer Unschuldsengel
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-95552-008-3
Verlag: Jaron
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kappes neunter Fall. Kriminalroman (Es geschah in Berlin 1926)
E-Book, Deutsch, Band 9, 208 Seiten
Reihe: Es geschah in Berlin...
ISBN: 978-3-95552-008-3
Verlag: Jaron
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Berlin 1926: Mina, eine junge, lebensbejahende Frau voll hochfliegender Träume und Hoffnungen, verlässt ihre Heimat in der Niederlausitz und kommt nach Berlin, um hier ihr Glück zu versuchen. Tatsächlich findet sie schon nach kurzer Zeit eine Anstellung in einem Fabrikantenhaushalt, in dem sie sich mit der Tochter ihrer Herrschaften anfreundet. Ihr Glück scheint vollkommen, als sie wenig später einen charmanten, gutaussehenden Mann kennenlernt, der sie regelrecht ihrer Sinne beraubt. Doch eines Tages ist die junge Frau wie vom Erdboden verschluckt. Wurde sie das Opfer des mörderischen Triebtäters, der seit geraumer Zeit in Berlin sein Unwesen treibt? Hermann Kappe nimmt sich des Falles an.
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ACHT
OBERKOMMISSAR KAPPE betrachtete finsteren Blickes die Akte Adelmann, die sich nach monatelanger erfolgloser Ermittlungsarbeit in drei Ordnern auf seinem Schreibtisch türmte. Keine Spur dabei, nicht einmal eine eiskalte. Er hatte keine besondere Lust, die Ordner aufzuschlagen, und überlegte, was er davon noch auswendig wusste. Alfons Adelmann war der zehntausendste Besucher der ersten Grünen Woche Berlin gewesen. Man hatte ihm am Eingang einen Präsentkorb überreicht, was ungeschickt war, denn er hätte diesen während seines gesamten Messebesuches mit sich herumtragen müssen. Aber Adelmann wollte glücklicherweise ohnehin seinen alten Kumpel Paule Krumbiegel besuchen. Trotz seines blaublütig anmutenden Namens war Adelmann nämlich Bauer in Königs Wusterhausen. Er hatte Paul Krumbiegel einst auf der Hochzeit seiner Schwester Annemarie kennengelernt, die einen Bauern in Lübars geheiratet hatte. Ganz Lübars war bei der Hochzeit anwesend gewesen und wohl noch ein paar Dörfer mehr im Umkreis. Jedenfalls hatte sich die Schwiegerfamilie seiner Schwester nicht lumpen lassen und eine richtig große Bauernhochzeit veranstaltet. Nach dem fünften Bier hatte Adelmann mit Paule Brüderschaft getrunken, und seither standen die beiden in unregelmäßigem Kontakt. Dies alles hatte Kappe von Paul Krumbiegel selbst erfahren. Alfons Adelmann war mit dem Präsentkorb bei Krumbiegel aufgetaucht, der seine prämierten Schweine auf der Messe präsentierte, und selbstredend hatte Krumbiegel nichts dagegen gehabt, dass Adelmann seinen Präsentkorb bei ihm am Stand unterstellte. «Ick hab noch jesacht: ‹Klar, wenn de mir dafür die Flasche Wein als Miete abjibst, kannste dein Körbchen da hinstellen, Rotkäppchen. ›» Kappe erinnerte sich daran, wie traurig Krumbiegel dabei ausgesehen hatte. Bei der damaligen Vernehmung hatte er noch unter Schock gestanden. Immerhin hatte er kurz zuvor seinen Kumpel Alfons erstochen in dem Verschlag entdeckt, in dem sich zuvor der Präsentkorb befunden hatte. Krumbiegel gab an, zur Toilette gegangen zu sein. Sein Stallbursche Franz habe sich vor dem Schweinegehege mit potentiellen Interessenten unterhalten und behauptete, weder Adelmann noch sonst irgend jemanden in der Nähe des Verschlages gesehen zu haben. Und gehört hatte offenbar auch niemand etwas. Und daran hatte sich seit Monaten nichts geändert. Kappe stieß die Luft heftig durch die Nasenlöcher aus und fragte sich, an wen er diesen Fall wohl delegieren könnte. Vielleicht konnte er von Grienerick fragen. Der Mord hatte damals ziemlichen Presserummel verursacht. Gleich auf der ersten Landwirtschaftsmesse ein Mord! Und dann noch am zehntausendsten Besucher! Die Zeitungen hatten am nächsten Tag zwei Bilder von Adelmann abgedruckt: einmal Adelmann lächelnd mit Präsentkorb und dann als Leiche, allerdings mit einem Tuch abgedeckt. Wie überhaupt ein Photograph dieses zweite Photo hatte schießen können, war Kappe mindestens genauso rätselhaft wie die Tatsache, dass dieser Mord inmitten des Messerummels offensichtlich unbemerkt geschehen war. Der Mörder hatte ja danach auch noch den Mut gehabt, mit dem auffälligen Präsentkorb durch die Hallen zu laufen. Und wieso konnte sich niemand an das Gesicht des Korbträgers erinnern? Zumindest hatte sich die Tat nicht als geschäftsschädigend entpuppt, denn es waren insgesamt tatsächlich noch über fünfzigtausend Besucher zur Grünen Woche gekommen, und es wurden noch vier weitere Präsentkörbe gebraucht. Je länger Kappe darüber nachdachte, umso eher hielt er von Grienerick für den richtigen Mann. Sein Kollege hatte sich einmal in Frauenkleider gehüllt und zusammen mit ihm im Wald ein verliebtes Pärchen gemimt, um dem sogenannten «Liebespaarmörder» eine Falle zu stellen. Er scheute sicher auch die Photographen nicht, die unweigerlich auftauchen würden, wenn er den Grüne-Woche Mord aufklärte. Kappe würde sich zwar selbst auch gerne mit einem gelösten Fall in der Presse sehen, aber er wollte dann doch lieber den wahnsinnigen Mädchenmörder zur Strecke bringen. Die Aufklärung des Bauernopfers im Schweinestall überließ er bereitwillig anderen. Kappe schmunzelte über seinen eigenen Gedankenwitz. Eigentlich erstaunlich, dass Galgenberg nicht sofort auf «Bauernopfer» gekommen war, als der Beruf von Alfons Adelmann bekannt wurde. Kappe stapelte die Ordner auf dem Tisch. Er würde sie nachher zu von Grienerick hinübertragen. Soweit er wusste, trug der Kollege bislang auch alle möglichen Anhaltspunkte in der Mädchenmörder-Sache zusammen, doch die meisten Hinweise aus der Bevölkerung liefen ins Leere. Er hatte sicher Zeit, sich noch einmal intensiver um den toten Bauern zu kümmern. Er selbst musste die Mädchenmörder-Ermittlungen jetzt vorantreiben, bevor dem Monster noch ein weiterer unschuldiger Mensch zum Opfer fiel. Kappe rutschte auf seinem Stuhl herum. Ihm tat schon wieder das Hinterteil weh, aber dabei kam ihm ein Einfall. Er nahm einen der Notizzettel, die er sich immer aus falsch ausgefüllten Formularen und veralteten Dienstanweisungen zurecht schnitt, und schrieb schwungvoll Klara – Kissen darauf. Das würde ihn daran erinnern, dass er Klara heute endlich darum bat, ihm ein Sitzkissen für diesen unbequemen Stuhl zu nähen. Und während sie nähte, würde er ihr erzählen, was die Polizei indem Fall bereits herausgefunden hatte, soweit er das verraten durfte. Klara hatte sich bestimmt so ihre Gedanken gemacht. Und Unbeteiligte hatten möglicherweise ganz andere Ideen als alle, die an dem Fall arbeiteten. Man wurde ja bei den Ermittlungen so leicht betriebsblind. Da war es gar nicht so schlecht, einmal die Ansichten eines Außenstehenden zu hören. Also würde er sie zu ihrer Auffassung zum Fall um den Mädchenmörder befragen. Vielleicht brachte ja allein schon dies seine grauen Zellen auf Touren. Und wenn nicht, würde er ihr einige Fakten darlegen. Kappes Laune besserte sich schlagartig. Er stand vom Stuhl auf und wackelte ein bisschen mit dem Po, um das taube Gefühl zu vertreiben, das sich nach langem Sitzen auf diesem Holzmöbel unweigerlich einstellte. Er fuhr herum, als er das Lachen von Grienericks vernahm. «Kollege, du siehst aus wie eine Ente, die ihren Bürzel schüttelt. Ist dir deine Butterstulle nicht bekommen?» Kappe war peinlich berührt. Wieso hatte er den Kollegen nicht kommen hören? Ausgerechnet von Grienerick, mit dem er so eng umschlungen im Tegeler Forst auf einer Lichtung gelegen hatte und der in der Tarnung seiner Frauenkleider wie eine echte Dame ausgesehen hatte, so dass Kappe von heftigsten Gefühlen buchstäblich übermannt wurde. Es schien, als wäre alles, was Kappe mit von Grienerick in Verbindung brachte, irgendwie peinlich für ihn selbst, und das ärgerte ihn maßlos, aber er versuchte, es zu überspielen. «Ich hab die Stulle heute noch gar nicht ausgepackt. Und wenn dein Stuhl so hart wäre wie meiner, würdest du auch erst einmal dein Hinterteil schütteln, wenn du aufstehst.» «Über deinen Stuhlgang wollte ich eigentlich gar nicht so genau informiert werden, Kappe», feixte von Grienerick, und Kappe kam sich schon wieder wie ein Depp vor. Es wurde Zeit, dass er einmal klarmachte, wer hier der Oberkommissar war. Bislang hatte er es nicht für nötig befunden, auf diesen Status ernstlich hinzuweisen, aber nun war es genug. «Kollege von Grienerick, du wirkst auf mich ein wenig unter beschäftigt.» Kappe wies auf den Aktenstapel auf seinem Schreibtisch. «Bitte nimm die Akte Adelmann mit in dein Bureau! Arbeite sie durch, und versuche, neue Erkenntnisse zu gewinnen, was den Schweinestall Mord anbelangt!» «Oh, so humorlos heute? Ich habe aber etwas für dich, das deine Laune bessern dürfte.» Von Grienerick schlenderte zu Kappes Schreibtisch hinüber und ließ sich Zeit mit dem Weiter reden. «Die Kollegen haben heute Nacht ein Bordsteinschwälbchen eingefangen. Sie haben die Dame vollkommen betrunken aus dem Straßengraben gefischt und erst einmal zur Ausnüchterung mitgenommen.» Von Grienerick setzte sich auf die Schreibtischkante. «Ja, und? Bisher hat sich meine Laune nicht wesentlich gebessert.» Kappe spazierte wie desinteressiert zum Fenster und sah hinaus. «Das Vögelchen hat gesungen, als es wieder halbwegs geradeaus schauen konnte. Ihr Lude hört auf den klangvollen Namen Brause.» «Aha. Und der Vorname?» Kappe versuchte, so desinteressiert zu klingen wie irgend möglich, obwohl er natürlich gespannt war, ob sich der Name des Phantoms schließlich doch als echt herausstellen würde. «Den kennt sie angeblich nicht. Er sei in der ganzen Branche nur als ‹der Große Brause› bekannt.» «Ist er denn so groß?» «Angeblich vergleichsweise unauffällig. Eher wie du.» Kappe tat so, als hätte er die Bemerkung nicht gehört. «Er soll aber ganz groß im Geschäft sein. Mädchen, Opium, was eben so an fällt im Kiez.» «Und konnte sie auch sagen, wo sich der Große Brause jetzt befindet?», fragte Kappe. «Er taucht wohl immer mal wieder völlig ab. Und offenbar ist es gerade wieder so weit.» Kappe seufzte. «Ich hätte mich auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre. Sonst wäre unsere Arbeit ja auch viel zu einfach.» «Du siehst wirklich nicht besser gelaunt aus, Kappe.» «Meine Stimmung wird sich in dem Moment heben, in dem du mich von diesen drei Ordnern befreist und dich um Alfons Adelmanns Ableben kümmerst, damit der Fall endlich aufgeklärt...