E-Book, Deutsch, 448 Seiten
Bartz Perfect Woman – Was weißt du wirklich über sie? -
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-641-27729-1
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thriller
E-Book, Deutsch, 448 Seiten
ISBN: 978-3-641-27729-1
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die New Yorkerinnen reißen sich um eine Mitgliedschaft bei The Herd, dem exklusiven Co-Working-Space für Frauen. Alle wollen sie so sein wie Eleanor Walsh, die schillernde Gründerin des Unternehmens. Damit ist Eleanor das perfekte Thema für das neue Buchprojekt von Autorin Katie Bradley. Zum Glück gehört Katies Schwester Hana zum engsten Kreis von Eleanor. Doch dann verschwindet Eleanor eines Abends während einer Party. Könnte jemand ihr etwas angetan haben? Die Liste der Verdächtigen ist lang und Hana und Katie müssen bald feststellen, dass Eleanor nicht die Einzige war, die ein dunkles Geheimnis hütete.
Andrea Bartz arbeitet als Journalistin und lebt in Brooklyn. Sie ist Co-Autorin des erfolgreichen Blogs Stuff Hipsters Hate und schreibt für das Wall Street Journal, Marie Claire, Vogue, Cosmopolitan und viele andere namhafte Magazine. Seit ihrer Kindheit liest sie am liebsten Thriller.
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Kapitel 1
KATIE
MONTAG, 9. DEZEMBER, 10:48 Uhr
Mein Körper verkrampfte bereits, bevor ich die rot-blauen Blinklichter überhaupt bewusst wahrnahm. Jenes universelle Signal für einen Notfall. Ich blieb stehen und spähte zu dem Streifenwagen auf der anderen Straßenseite hinüber, dessen Blinklichter ohne eingeschaltete Sirene noch unheimlicher wirkten. Ich holte tief Luft und befahl meinem Brustkorb, sich zu entspannen. Seit zwei Wochen war ich zurück in New York, und trotz all der Warnungen machten mir die Geräusche, Gerüche, Menschenmassen und emporragenden Wände aus Glas und Stahl nichts aus, sodass ich mich nicht erst wieder daran gewöhnen musste. Aber als ich jetzt zum ersten Mal die hektisch blinkenden Lichter eines Polizeiautos sah, spannte sich wie bei einem pawlowschen Reflex jeder meiner Muskeln an.
Während ich die Straße überquerte, stellte ich fest, dass die beiden Cops, die gelangweilt auf der Fahrbahn standen und mir den Weg versperrten, sich vor The Herd mit einer zierlichen Frau unterhielten, die einen todschicken Anorak trug. Ich beugte mich zu ihnen vor und setzte mein breitestes Lächeln auf.
»Entschuldigen Sie die Störung.« Die anderen drehten die Köpfe genervt in meine Richtung. »Ist es okay, wenn ich reingehe?« Ich deutete auf die Tür hinter ihnen.
»Bist du Mitglied?«, fragte die Frau.
»Ich habe einen Termin mit Eleanor.«
Sie runzelte die Stirn und seufzte.
»Ich bin Hanas Schwester.«
Die Frau trat einen halben Schritt zurück. »Ach so, geh ruhig rauf. Der Gleam Room ist geschlossen, aber sonst ist, äh, alles wie immer.«
Ich bedankte mich bei ihr und eilte aus der Kälte ins Gebäude, wo ich auf den einzigen Aufzug wartete. Der Gleam Room? Was zum Henker war der Gleam Room?
Im neunten Stock öffneten sich die Türen, und ich trat in den sonnenbeschienenen Eingangsbereich. Überwältigt blieb ich einen Moment stehen. Kurz nachdem Eleanor die Etage angemietet hatte, war ich schon einmal hier gewesen. Unmittelbar vor meiner Abreise aus der Stadt hatte ich – ausgerüstet mit Schutzhelm und festen Schuhen – eine Führung bekommen. Aber das Durcheinander aus Staub, Gipskarton und schwitzenden Bauarbeitern hatte mit dem Raum vor mir kaum noch etwas gemeinsam. Er verströmte den weiblichen Schick einer Zeitschriftenreaktion, nur ohne den ganzen Plunder und die geschäftige Betriebsamkeit – hier herrschte Stille. Durch die Fenster fiel Tageslicht; es war warm, aber nicht stickig, und in der Luft hing der zarte Blütenduft von Frangipani. Im Empfang saß eine Frau mit glänzenden Zöpfen und einer schicken Brille, die mich freundlich anlächelte. An der Wand hinter dem Marmortresen prangte das inzwischen berühmte Logo: THE HERD, das H-E-R in Pflaumenblau, die anderen Buchstaben in Grau.
Die Rezeptionistin notierte meinen Namen, worauf ich mit dem Finger auf ein iPad meine krakelige Unterschrift kritzelte, und sie deutete auf den nächstgelegenen Aufenthaltsraum. »Eleanor wird benachrichtigt, dass du hier bist«, sagte sie gut gelaunt, und ich jubilierte innerlich. »Nimm doch Platz.«
Ich bedankte mich bei ihr und betrat den von dunkelgrünen Sitznischen gesäumten Raum, in dessen Mitte mehrere Sofas und Sessel standen. Dort streifte ich meine Jacke ab und schickte eine SMS: »Bist du da?«
Ich konnte Hana bereits hören, bevor ich sie sah, als ihre Stöckelschuhe über das Parkett klapperten. Sie betrat jedes Zimmer wie Lily Tomlin in einer Bürokomödie aus den Achtzigern. »Katie!«, rief sie mit ausgebreiteten Armen.
»Ich nehme alles zurück, was ich gesagt habe«, murmelte ich, gegen ihre Schulter gepresst. »Dieser Ort ist nicht von dieser Welt. Ich habe das Gefühl, als wäre ich im Bürohimmel.«
Mit einem lauten Lachen ließ sie von mir ab, trat einen Schritt zurück und musterte mich. »Das ist die Katie, die ich kenne«, sagte sie und klopfte mir auf die Schulter. »Du warst in den letzten zwei Wochen etwas neben der Spur. Ich hatte schon Angst, der Aufenthalt in Kalamazoo hätte dir endgültig den Sinn für Humor geraubt.«
Es war ja klar, dass Hana sofort wieder an mir herumnörgeln würde. »Gib nicht Michigan die Schuld daran. Ich musste mich erst wieder ein wenig zurechtfinden.« Ich warf einen Blick hinter sie. »Ist Mikki da? Ach ja, und weißt du, was bei euch los ist? Vor der Tür stehen die Cops.«
Sie machte ein finsteres Gesicht. »Gestern Nacht wurde eingebrochen, und man hat den Gleam Room mit irgendwelchen Obszönitäten vollgesprüht.«
Ich hob den Zeigefinger in die Höhe. »Ist das ein extravaganter Ausdruck für die Toilette? Denn ich werde ihn sicher nicht benutzen.«
Sie lachte. »Das ist ein Schminkzimmer mit Spiegeln. Man kann sich dort gegen Bezahlung frisieren oder schminken lassen oder auch einfach nur die Produkte verwenden, wenn man ein Meeting, ein Vorsprechen oder ein Date hat.«
Inzwischen waren ein paar der Mitglieder an uns vorbeigeschwebt, allesamt modisch frisiert und schick gekleidet. »Gut so, denn die Leute hier sehen echt beschissen aus«, erwiderte ich.
Eine Frau mit einem Dutt in der Größe und Form eines Bagels blieb hinter Hana stehen und beugte sich fragend zu uns vor. Als Hana sie bemerkte, zuckte sie zusammen.
»Katie, das hier ist Aurelia«, sagte sie. »Sie ist unsere Mitgliederbetreuerin.«
Sie war jünger als ich, Anfang zwanzig, und gab in ihrem maßgeschneiderten Overall eine todschicke Figur ab. Sie hatte ein strahlendes Lächeln, und ihre Zähne funkelten wie Perlen. »Du bist also Hanas Schwester!«
Plötzlich wurde mir klar, dass sie die Frau war, die ich vor dem Gebäude gesehen hatte. Ich schüttelte ihr eifrig die Hand, und im Gegensatz zu den meisten Leuten, die die lästige Angewohnheit hatten, zweimal hinzuschauen, wenn sie erfuhren, dass wir Schwestern waren, verzichtete sie darauf, ihren Blick zwischen uns hin und her wandern zu lassen, zwischen Hana mit ihrem dichten schwarzen Haar, den goldbraunen Augen und der dunklen Haut und meinem nichtssagenden Äußeren.
»Eleanor hat erwähnt, dass du vorbeikommst«, sagte sie. »Du bist gerade erst wieder hergezogen, oder?«
»Sie hat in Michigan für ein Buch recherchiert«, warf Hana ein. »Sie ist Journalistin.«
»Wow! Worum geht es in dem Buch?«
Auf der U-Bahn-Fahrt hierher hatte ich mir meine Antwort auf diese Frage genau zurechtgelegt: »Es gibt da dieses kleine Technologieunternehmen, das mehr oder weniger zufällig in das lukrative Geschäft mit der Manipulation der Realität eingestiegen ist: Fake News, glaubwürdige Bots, solche Sachen eben. Ich habe für Wired einen Artikel über die Firma geschrieben und mache jetzt ein Buch daraus.«
»Das ist echt interessant.« Irgendetwas an ihrem Blick beunruhigte mich, ein heftiges Funkeln. »Ich habe mich vorhin mit Eleanor über die Verlogenheit des Internets unterhalten und darüber, dass sich alle nach echter Kommunikation sehnen. Sie meinte …«
»Tut mir leid, aber sie hat ein Vorstellungsgespräch!« Mit einem strahlenden Lächeln schickte Hana Aurelia fort und zuckte mit den Achseln. »Sie ist ja wirklich reizend, aber sie kaut dir ein Ohr ab. Ich möchte, dass du vor deinem großen Bewerbungsgespräch durch nichts abgelenkt wirst.«
»Hoffentlich ist Eleanor nicht zu streng mit mir.« Ich ließ meinen Blick umherschweifen. »Ich glaube, man starrt uns an. Mikki und du, seid ihr beide so etwas wie Berühmtheiten?«
Hana verdrehte die Augen, aber ich spürte, dass sie stolz darauf war. Sie hatte bei The Herd eine Teilzeitstelle als Presseagentin, und Mikki, eine weitere ihrer Freundinnen aus Harvard, arbeitete hier als freiberufliche Grafikdesignerin. Doch vor allem waren die beiden Eleanors engste Vertraute. Inzwischen taten alle im Raum so, als würden sie uns nicht beachten; statt Hana direkt anzustarren, senkten sie ihre hohlwangigen Gesichter und tippten zügig auf ihren Tastaturen.
»Also, mach es dir bequem. Ich werde mal nach Mikki Ausschau halten.« Mit klappernden Absätzen eilte sie davon.
Ich marschierte hinter ihr her und spähte in das nächste Zimmer, in dem sie soeben verschwunden war. Darin erstreckten sich von einer Ecke zur anderen weiße Regale, in denen Bücher nach Farben sortiert waren. Sie waren so akkurat aufgereiht, dass ich am liebsten eines davon schräg herausgezogen und einige auf den Boden geworfen hätte, nur um zu sehen, was passieren würde. Weiter hinten befanden sich ein geräumiger, sonnendurchfluteter Raum und auf einer Seite ein kurzer Flur mit einer schicken Tapete, deren Muster aus grinsenden Mündern bestand, die die Zunge herausstreckten. Der Flur war mit Klebeband abgesperrt, und auf einem Post-it in der Mitte stand: VORÜBERGEHEND GESCHLOSSEN! Das war also der Gleam Room. Ich fragte mich, was man dort an die Wände geschmiert hatte – was den Streifenwagen vor dem Gebäude rechtfertigen könnte.
In diesem Moment kamen Hana und Mikki aus dem sonnenbeschienenen Zimmer zu der Tür herübermarschiert, neben der ich stand. Als Mikki mich umarmte, roch sie genau so, wie ich es in Erinnerung hatte – süßlich und ein wenig nach Moschus. Obwohl es Winter war, trug sie ein gehäkeltes schulterfreies Oberteil und eine weite Hose mit Elefantenmuster, und ihre lange Haarmähne im Seventies Style fiel in krausen Locken an ihrem ungeschminkten Gesicht herunter.
»Verdammt noch mal,...