Bartsch | Wer Avocado sagt, muss auch Bionade sagen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: Edition MundWerk

Bartsch Wer Avocado sagt, muss auch Bionade sagen

Eine Gentrifiction
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-95996-109-7
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Eine Gentrifiction

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: Edition MundWerk

ISBN: 978-3-95996-109-7
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Christoph kann dem fortschreitenden Ausverkauf und der Uncoolwerdung der Hauptstadt nicht tatenlos zusehen. Er und seine Freunde schmieden einen Plan. Leider keinen besonders guten ... Patriotische Urbane gegen die Gentrifizierung der Stadt! Schreiend komisch. Vollkommen absurd. Und ganz nah dran.

Felix Bartsch lebt, schreibt und pennt in Koblenz. Neben seiner Arbeit als Texter und Journalist ist er seit 2011 auf Poetry Slams unterwegs. Vom Honorar seines Romans 'Wer Avocado sagt, muss auch Bionade sagen' will er sich einen Wolpertinger zulegen. www.felixbartsch.com

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Zwei
„Oh, du glaubst, Alkohol ist dein Verbündeter. Für dich ist Alkohol eine Waffe. Ich wurde in ihm geboren, in ihm geformt, ich habe die Nüchternheit erst erblickt, als ich ein Mann war, damals hat es mich nur ... gelangweilt“, grölte Malte durch das Wohnzimmer. Dann verharrte er kurz mit erhobenem linken Arm und geöffneter Hand, als wollte er gönnerhaft den Zuschauer einen letzten Blick erhaschen lassen. Schließlich setzte er seine Bane-Maske wieder ab und offenbarte ein verschmitztes Oscar-Gewinner-Lächeln. Auf Amphetamin wurde Malte immer zu Bösewichten aus den Batman-Filmen. Christoph hatte sich immer gefragt, wie Malte überhaupt die gesamte Zeit und das Geld zur Verfügung hatte, um diese Nummern einzustudieren sowie die Kostüme zu beschaffen. Bemerkenswert fand er es auf jeden Fall, schließlich brachte Malte jedes Mal den Text trotz seines erhöhten Pegels fehlerfrei über die Lippen. Es war so etwas wie seine Superkraft, eine Superkraft, die niemandem half. Es sei denn natürlich, jemand sähe einen Nutzen darin, diesem Bären von einem Mann dabei zuzusehen, wie er als Pinguin verkleidet durch die Gegend torkelte. Eine Freakshow zum Beispiel oder ein sehr gelangweilter Milliardär. Wenn Christoph Milliardär wäre, dann würde er dafür wohl bezahlen, beschloss er für sich. Und er würde gut zahlen, schließlich wäre er gelangweilt, denn zu viel Geld zu besitzen langweilte grundsätzlich immer. Wenigstens war Malte dieses Mal nicht Scarecrow. Seine überzeugende Darstellung des psychisch gestörten Therapeuten aus Batman Begins samt Vogelscheuchenmaske und Koffer voller Halluzinogene hatte Christoph einmal derart in Panik versetzt, dass er es vier Tage lang nicht aus der Embryonalhaltung schaffte. Das war auch der Grund, weshalb er das erste Semester wiederholen musste, denn die Aktion fiel ausgerechnet in die Klausurphase. In dieser Zeit hatte er sich oft zurück in seine Mutter gewünscht. Auch wenn es da mittlerweile sicherlich nicht mehr sonderlich geräumig und das W-Lan nicht gut war. Aber immerhin gab es dort keine Vogelscheuchen und Psychotherapeuten. „Weißt du, warum ich immer noch keinen Oscar gewonnen habe?“, fragte Malte. „Weil du ein verdammt mieser Schauspieler bist?“, lachte Christoph. Ein sanft fragender Ausdruck huschte über Maltes Gesicht. Dann setzte er wieder eine ernste Miene auf. „Quatsch, das System ist einfach scheiße. Da sitzen so eine Handvoll elitärer Volldeppen und entscheiden, wer ein guter Schauspieler ist und wer nicht. Aber wer zur Hölle hat denen überhaupt die Legitimation dazu erteilt? Richtig! Eine weitere Bande elitärer Volldeppen. Und wenn wir das alles konsequent zu Ende führen und die Deppen-Konstante beibehalten, dann kommen wir zu dem Ergebnis, dass ich als erfahrener Konsument sicherlich mehr Ahnung von Filmen habe als diese ganzen Pappnasen. Deshalb steht mir der Oscar zu. Würde den aber sowieso nicht annehmen. Da haben mir die Illuminati zu stark die Finger mit drin!“, führte er aus. Christoph sagte nichts. Er wusste, dass Malte nun in dem Stadium angekommen war, in welchem er wüste Monologe über Verschwörungstheorien und Weltanschauungen zum Besten gab. Die einzige Möglichkeit, diese Phase zu überstehen, hieß Ruhe bewahren. So begann Christoph, mit seiner Mensakarte gelangweilt das weiße Pulver auf dem abgeschliffenen und weiß gestrichenen Couchtisch hin und her zu schieben. Es war still im Raum, lediglich das leise Kratzen der Karte auf altem Holz und das gelegentliche Herausbrechen von kleinen Splittern war zu vernehmen. Christoph versuchte, flacher zu atmen, in der Hoffnung, Malte würde schlicht vergessen, dass er immer noch im selben Raum war. Das Unterfangen war aber zum Scheitern verurteilt, besaß Malte doch die geschärften Sinne eines Rehkitzes. Eines einen Meter neunzig großen Rehkitzes mit Tattoos und Amphetamin in der Blutbahn. „Weißt du“, brach Malte die Stille, „Manchmal fühlt sich mein Leben an wie Star Wars Episode 7.“ „Weil es nichts als ein riesiges Déjà-vu ist?“, ließ sich Christoph zu einer Antwort hinreißen. „Haha. Sehr witzig, Christopherus. Nein, sondern weil Geld und finanzieller Druck alles behäbig werden lassen. Erfolgsdruck hängt wie Bleigewichte an deinem Körper und zieht dich nach unten. Und so ist auch mein Leben“, sprach Malte. „Wann hast du denn jemals Druck gehabt oder Erfolg angestrebt?“, fragte Christoph. Maltes Augen begannen, bedrohlich zu funkeln. „Ja, genau das ist es ja. Ich habe verstanden, wie der Hase läuft. Ich lasse mir keine Gewichte an meine Eier binden, da bin ich mir zu fein für. Freiheit, das ist das Zauberwort, mein junger Padawan. Du musst sie atmen, sie fühlen, sie schmecken. Deshalb damals überhaupt hergezogen ich bin.“ Christoph nickte. Er wusste nicht, ob er es tat, weil er Malte zustimmte, oder ob er schlicht seine Ruhe haben wollte. Er nickte wiederholt, ließ sich gar zu einem gebrummten „Hmm“ hinreißen und hielt dann inne, um weiter mit der weißen Plastikkarte über den Holztisch zu schaben. Sein Vater hatte auch immer so genickt, wenn ihm eigentlich etwas nicht passte, er es aber nicht zugeben wollte. Dasselbe gebrummte „Hmm“ hatte er damals von sich gegeben, als Christoph ihm von seinen Umzugs- und Studienplänen erzählt hatte. Christoph sah es vor sich, als wäre es gestern gewesen: Im grünen Strickpullover, die Beine in beiger Hose übergeschlagen und den Oberkörper im Sessel zurückgelehnt, fuhrwerkte sein Vater mit der rechten Hand im eigenen Gesicht herum und wog gleichzeitig die Fernsehzeitschrift in der linken. Im Hintergrund nur das Knistern des Kaminfeuers und das leise, monotone Dröhnen des Nachrichtensprechers, der wegen der schlechten Qualität des alten Röhrenfernsehers ein wenig wie Goebbels klang. Dann unterbrach dieses Brummen das Goebbels-Stimmdouble, gefolgt von wiederholtem Nicken. Das war es. Mehr hatte sein Vater dazu nie gesagt. Christoph lief bei diesem Gedanken ein kalter Schauer über den Rücken. Er ließ die Karte ruhen, rollte ein Papierröllchen aus einem Foto von Marlene Mortler, die es aus unerfindlichen Gründen immer noch geschafft hatte, sich im Amt als Drogenbeauftragte zu halten, und zog sich eine weitere Line in die Nase. Prickelnd. Als Kinder hatten sie manchmal Brausepulver durch die Nase gezogen und geschaut, bei wem mehr weißer Schaum aus der Nase schoss und wer es länger durchhielt. Der Gewinner bekam dann Ruhm, Ehre und Frauen – jedenfalls hatten sie sich das damals so vorgestellt. Mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten am Brausepulver konnte Christoph damals immerhin die kluge Meike von sich überzeugen und das war schon eine Leistung, konnte Meike doch lesen wie eine Fünfklässlerin. Die Beziehung fand ein jähes Ende, als Christoph das Taschengeld für Brausepulver ausging und Meike sich lieber den reichen Jungen der Klasse zuwendete. Seitdem war Christoph klar, dass er Materialismus und Eigentum ablehnte. Jedenfalls konnte er das heute so formulieren, damals dachte er einfach, dass Meike doof sei. Sie wusste nicht, was ihr alles entging. Heute konnte sich Christoph schließlich so viel Prickelpulver leisten, wie er wollte – also solange das Bafög-Amt weiter überwies. Und selbst wenn die irgendwann kein Geld mehr lockermachten, könnte er noch eine seiner Nieren verkaufen. Er hatte da von einem Aktionskünstler gehört, der aus menschlichen Organen Skulpturen baute. Ein teurer Spaß, aber künstlerisch äußerst wertvoll, was Christoph wieder zu den gelangweilten Milliardären zurückführte. Dem könnte man jedenfalls mal so nebenbei eine der eigenen Nieren andrehen und zack – Finanzkrise gelöst. „Du hast recht. Ich bin doch auch hier hergekommen, um dem sanften Würgegriff von Vattern zu entfliehen. Was erwartet uns schon zu Hause? Der Reihenhausalptraum in Sepia-Till-Schweiger-Filter. Fehlt nur noch, dass Dieter Hallervorden mein Großvater wird“, sagte Christoph. „Hast du eigentlich Keinohrhasen gesehen?“, fragte Malte. „Nein, ist das jetzt das einzige Detail, das dir an meiner Aussage auffällt?“ „Ja. Nein. Jein. Du weißt ja, es ist 1996, deutsche Schauspieler sind whack und bräunen sich in Sepia. Die legen sich damit ja fast schon ein. Aber worauf ich hinaus wollte: Ich finde den Titel eigentlich gar nicht so schlecht. Ein Tier wird seines phänotypischen Merkmals beraubt. Passender wäre bei dem Vollidioten aber vielleicht Keinrüsselelefant oder Schwanzloser Schweiger gewesen“, schmunzelte Malte. Christoph lachte. Ein Lachen, das kompromissloser denn je durch das Wohnzimmer schallte und doch letztlich in heiseres Gebell mündete. Er lachte, weil diese Beobachtung Maltes den Zustand der letzten Tage so präzise auf den Punkt brachte. Man hatte sie ihrer Merkmale beraubt. „Wenn ich der Hase wäre, dann hätte ich mir ein ordentliches Paar Löffel implantieren lassen. Kostet ja sicherlich nicht viel bei so einem dubiosen Hasendoktor in Bangkok oder irgendwo in Osteuropa“, fuhr Malte unaufgefordert fort. „Und, wenn wir schon dabei sind, ein Duckface dazu, was?“, scherzte Christoph. „Ieh, nein, auf keinen Fall. Mir ist schon das Schnabeltier bizarr genug. Pfui Teufel, du solltest dich schämen. Gib mir mal lieber das Gras.“ Mit geübten Fingern rollte er das wohlduftende Grün in ein Longpape ein und entzündete es mit einem Streichholz. Mit dem ersten Ausatmen begann ein süßlicher Geruch, den Raum zu füllen. Malte lehnte sich in seinem Sessel zurück und wechselte an seinem Handy die Playlist. Christophs Fuß begann...


Bartsch, Felix
Felix Bartsch lebt, schreibt und pennt in Koblenz. Neben seiner Arbeit als Texter und Journalist ist er seit 2011 auf Poetry Slams unterwegs. Vom Honorar seines Romans „Wer Avocado sagt, muss auch Bionade sagen“ will er sich einen Wolpertinger zulegen.
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