Barry | Dunkle Stadt Bohane | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Barry Dunkle Stadt Bohane

Roman
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-608-10764-7
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-608-10764-7
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Bohane ist ein heimtückischer, mörderischer, intriganter Ort - und verdammt sexy. Eine Stadt voll brutaler Killer und Ganoven. Das Buch erzählt von einem Bandenführer, dessen Herrschaft zu Ende geht, und ist anders als alles, was Sie zuvor gelesen haben. Ein Buch für alle, die eine grellbunte, vergnügte Zeit verbringen wollen. Die einst bedeutende Stadt Bohane an der irischen Westküste liegt darnieder. Es herrschen Gewalt und Chaos, die Clans sind gespalten. Auch wenn noch ein wenig vom alten Glanz geblieben ist, findet das eigentliche Leben in den Slums und verwahrlosten Wohnblocks von Smoketown statt. Scheinbar seit Ewigkeiten steht alles unter der Kontrolle von Logan Hartnett, dem adretten Paten der Hartnett-Fancy-Gang. Aber es liegt Ärger in der Luft. Gerüchte gehen um, dass Logans Erzfeind Gant Broderick nach fünfundzwanzig Jahren zurück in der Stadt ist, und seine Schergen entwickeln auf einmal ihren ganz eigenen Ehrgeiz. Logans bessere Hälfte drängt ihn, alles aufzugeben und sich zurückzuziehen. Doch da kennt die Missus ihren Langen Lulatsch schlecht.

Kevin Barry, geboren 1969 in Limerick, wurde 2013 für seinen ersten Roman »Dunkle Stadt Bohane« mit dem hochdotierten International IMPAC Dublin Literary Award ausgezeichnet. Er lebt in Dublin.
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Was auch mit uns nicht stimmt, es kommt vom Fluss. Keine Widerrede: Der Ruch des Bösen in der Luft unserer Stadt ist der Geruch von diesem Fluss. Gemeint ist der Bohane. Ein Schwarzwasserstrom, heimtückisch, tost heran aus der Großen Nichtsöde, und die Stadt ward durch ihn gezeugt und ward nach ihm benannt– die Stadt Bohane.

Hartnett passierte die Docks und atmete vom Fluss die böse Süße. Nach Mitternacht auf Bohanes Uferpromenade. Seine Schritte schlugen einen gleichmäßigen Takt, einen langsamen, steten Rhythmus, Leder auf Stein; die Docklaternen brannten nächtens in grünem Glanz, Lichter eines traurigen Traums. Das Tosen des Wassers war für Hartnett wie das Brausen des eigenen Blutes, und auf dem Weg vorbei an den Händlerhöfen schnürte sich das Gebell der Wachhunde die Promenade entlang. Sehe sich einer diese Köter an: gesträubtes Fell, die gelben Augen wutentbrannt. An ihrem Geheul merkten wir, wenn er kam.

Polypen beobachteten ihn nur von weitem– in Smoketown drüben tränkten zwei Klepperbullen ihre Schecken an einer Kreuzung. Kamen schnurstracks von einer Stecherei.

»Linste den da?«, fragte der eine. »Den scheiß Albino.«

»Kannste die Uhr nach stellen«, sagte der andere.

Albino nannten ihn die einen, andere nur Bino, den Langen Lulatsch oder schlicht Mr Aitsch, ihn, den Boss der Hartnett Fancy.

Er kehrte den Docks den Rücken, wandte sich der Back Trace zu, der berüchtigten Bohane Trace, einem echt üblen Labyrinth, einem undurchdringlichen Gassengewirr. Er hatte diesen gewissen Back-Trace-Flair: ein flotter Pfau in feschem Crombie und blassgrauer Mafiosokluft aus Mohair, der Mantel lässig über die Schulter geworfen. Eine Gusche mit Beißern wie geschändete Grabsteine, aber was soll’s, wir tragen alle unser Kreuz. Ein Paar handgemachte portugiesische Stiefel schlappte übers Pflaster und tönte mit Nachdruck von Zaster.

Hart erkämpfter Reichtum– hach, was man sich in Bohane doch für Geschichten über Logan Hartnett erzählte.

Wie Stoßseufzer öffneten sich in der Trace unversehens kleine, klamme Plätze, die Logan querte. Tief in ihrem Innern lungerten zu dieser frühen Morgenstunde seltsame Vögel. Sie senkten den Blick, wenn er vorüberging, stierten auf ihre Zehen oder die braun vertütete Vinobuddel– wenn irgend möglich mied man, den Langen anzusehen. Schon seltsam, wir hatten Schiss vor ihm, bildeten uns aber auch was auf ihn ein. Er machte eine gute Figur, wie man bei uns in Bohane sagt; elegant und kerzengerade, sah weder links noch rechts, nur geradeaus, die Schultern stocksteif wie ein General. So flanierte er ins arabische Gewirr von Gasse und Gosse, und durch die Seitenstraßen der Trace hörte man es Schlappen und Knarren, Schlappen und Knarren, portugiesisches Leder auf zwielichtigem Stein.

Tja, Logan war in seinem Element, wie er sich da seinen Weg durch den städtischen Irrgarten suchte. Er fürchtete keine Schatten, kannte die Gegend aus dem Effeff, kannte den kleinsten Winkel und das letzte Loch.

Auf dem 98er Platz unterm Maibaum wartete Jenni Ching.

Er näherte sich der jungen Frau, und sein Schritt genügte: Sie musste nicht aufblicken, brauchte nichts zu checken. Trotzdem lächelte er, ein bitteres, leidgeprüftes Lächeln– als wollte er sagen: Schon wieder, Jenni?–, setzte sich neben sie auf die Bank und legte seine Hand auf ihre, die winzig war, zart, mörderisch.

In die Bank geritzt die Namen verflossener Liebschaften.

»Na, Kleine?«

»Der aufgeschlitzte Arsch in Smoketown warn Cusack aussen Blocks.«

»Hatte er es denn verdient, Jen?«

»Ham sies nich immer, die Cusacks?«

Zustimmung dünnte Logans Lippen.

»Die Cusacks sind seit eh und je korrupt, Kleine.«

Jenni war gerade siebzehn geworden, für ihre Jahre aber ganz plietsch. Auf der Hut, das war sie auch, und ein scharfes kleines Luder mit Arschhängerhose, Keilabsätzen und ihrem zum Springbrunnen hochgeturbanten Streifenhaar. Sie fischte einen Zigarrenstumpen aus der Tittentasche ihres weißen Vinylhoodies, steckte ihn an.

»Auffer annern Seite der Brücke ist die Kacke am Dampfen, Mr Aitsch.«

»Weiß ich doch.«

»Wennse mich fragen, plustern sich die Cusacks aus Rache grad richtig in Rage, okay? Und das Letzte, was Smoketown brauch, issn Haufen dieser Loser, die von ihren Hochblocks zu uns runterbullern.«

»Bislang haben die Cusacks immer viel von einem guten Pow-Wow gehalten, Jenni.«

»Is nichs Pow-Wow, vor was ich Schiss hab, Mr Aitsch. Heißt, in letzter Zeit hätten sie vonnen Blocks drei Wohnsilos allein für sich untern Nagel gerissen, und das sind drei Hütten voll Wichser, die scharf auf Trouble sind, checkste?«

»Nur zu gut, Jenni.«

In Bohane ist es altehrwürdige Tradition, dass sich Familien aus den Mietskasernen der Northside mit Familien der Back Trace in die Haare kriegen. Logan war Boss der Trace, war ihr Fleisch und Blut, und in diesem Jahr die taffste Macht der Stadt. Allerdings sammelten auch die Cusacks in den Blocks Mumm und Männer.

»Was steuern wir also fürn Kurs, Logan?«

Jenni war gewieft, steckte ihr im Blut– die Chings gehörten zu Smoketowns ältesten Familien. Und Smoketown, das waren Bordsteinschwalben, Kifferkraut und Fetischspelunken, Schnapsbutiken, Fixergassen, Traumsalons und Chinarestaurants. Von Back Trace aus lag Smoketown auf der anderen Seite der Brücke, am anderen Ufer des Bohane, und die Hartnett Fancy hatte auch in Smoketown das Sagen– aber die Cusacks wetzten die Messer.

»Ich würd sagen, wir zögern keine Sekunde, Jenni-Sweetie.«

»Weilse sowieso kommen, nich?«

»Stimmt genau, Kleines. Die kommen und machen Randale. Warum sie also nicht gleich aus der Deckung locken?«

Jenni bedachte seine Taktik.

»Damit se gar nicht erst voll aufdrehn unn uns abmurksen? Sie beim Stolz packen. Was kläfft die Fancy so? Aug um Aug, Cusarsch, sonst hasse kein Mumm inne Knochen nich.«

Logan lächelte.

»Jenni Ching, du bist wirklich eine ganz besondere Nummer.«

Das Kompliment ließ sie zusammenzucken.

»Nett geraspelt, Mr Aitsch. Nur darfs mit den Cusacks gar nicht erst dazu kommen, dasse uns Trouble machen, checki-check? Plustern sich viel zu fett auf fürn Schwarm Hochhausdödel. Schicken Späher inne Stadt! Nur wie gehts, dass die mitem Mal ne dicke Lippe riskieren, das sollten wir uns fragen.«

»Und was willst du damit sagen, Jenni?«

»Will sagen, die wittern Schwäche, klaro? Die denken, Se ham grad keinen Kopp für was abläuft inne Fancy.«

»Und was sollte ich wohl anderes im Kopf haben?«

Sie lenkte ihren kühlen Blick auf ihn, sah ihm in die Augen.

»Iss nich an mir, das zu sagen, Mr Hartnett, Sir.«

Lächelnd erhob er sich von der Bank. So lange hatte seine Hand auf ihrer gelegen, doch nicht das kleinste bisschen Wärme abgegeben.

»Sie wolln mehr Cusacks dran glauben lassen, stimmt’s?«

Er sah sie an, aber nur kurz– der Blick sprach Bände.

»Sinnse sich sicher, Aitsch? Noch’n blutiger Winter in Bohane?«

Ein Lächeln, das graueste Lächeln, das er zustande brachte.

»Da vergehen die langen kalten Nächte doch wie im Flug.«

Logan Hartnett durfte nicht vergessen, das Ching-Mädchen im Auge zu behalten. In einer so selbstmörderischen Kleinstadt war es besser, sich stets nach allen Seiten abzusichern. Er zog weiter durch die finstere Back Trace. Alte Häusergassen, schmal, steil, funzelig, und die umliegenden Klippen weckten ein Gefühl klammer Enge. Unsere Stadt wurde entlang der Klippen gebaut, die den Bohane umufern und einschluchten. Hier schlängeln sich alle Wege zum Fluss hinab, und am Ende fast jeder Straße dieser schwarze, wirbelnde Strom, schwarz wie die Moorwasser, die ihn speisen; einige Meilen flussab rundet der Strom dann die letzte Klippe, um im murmelnden Meer zu münden. Von der Stadt aus kann man das Meer nicht sehen, doch bemerkt man überall das Ozongerücht seiner Nähe, spürt ein rauhes Kratzen in der Luft wie Heiserkeit. All das so trostlos, wie es nur der Westen Irlands sein kann.

Der Fancy-Boss bog in eine gewisse Twiete ein, schoss einen schnellen Blick über die Schulter– so diskret– und schlüpfte in einen bestimmten Eingang. Dreimal drückte er auf die Messingklingel, hielt inne, dann noch zweimal. Ihm fiel eine Spinne auf, diesich vom Türsturz abseilte, und ihn freute ihr bedächtiges Zu-Boden-Schweben, auch wenn er fand, dass es schon ziemlich spät im Jahr war für die Kleine, jetzt, im Oktober, die Stadt bereits auf herbstbraun getrimmt. Drinnen ein Gehusche, dann glitt der Spiondeckel beiseite und füllte sich mit einer Pupillenperle, ihrem kurzen Zusammenzucken, gleich darauf klickte und klackte das Schloss, und die rote Eisentür fuhr knarrend– knaaaaarz!– auf ihren Rollen beiseite. Müssten mal geölt werden, dachte Logan, während Tommie der Wirt ins Blickfeld rückte: ein fipsiges, brustbehaartes Rübchen von einem Mann. Er verbeugte sich knapp und flüsterte seinen Gruß.

»Dachte mir schon, dass Sie’s sind, Mr Hartnett. Ist so Ihre Zeit.«

»Routine, sagt man, lebt mit dem Wahnsinn Tür an Tür, Tommie.«

»Ach, es wird so viel geredet, Mr Hartnett.«

Er setzte für den Wirt sein fahles Lächeln auf, trat ein und schob– knaaaarz!– mit festem Griff die Tür zurück auf ihren Rollen ins Schloss. Die Männer folgten dem engen Gang; leuchtendrote...


Barry, Kevin
Kevin Barry, geboren 1969 in Limerick, wurde 2013 für seinen ersten Roman 'Dunkle Stadt Bohane' mit dem hochdotierten International IMPAC Dublin Literary Award ausgezeichnet. Er lebt in Dublin.

Kevin Barry, geboren 1969 in Limerick, wurde 2013 für seinen ersten Roman 'Dunkle Stadt Bohane' mit dem hochdotierten International IMPAC Dublin Literary Award ausgezeichnet. Er lebt in Dublin.

Kevin Barry, geboren 1969 in Limerick, wurde 2013 für seinen ersten Roman »Dunkle Stadt Bohane« mit dem hochdotierten International IMPAC Dublin Literary Award ausgezeichnet. Er lebt in Dublin.



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