E-Book, Deutsch, 300 Seiten
Barrie Peter Pan
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96917-335-0
Verlag: mehrbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 300 Seiten
ISBN: 978-3-96917-335-0
Verlag: mehrbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In seinem Klassiker Peter Pan lässt J.M. Barrie wahrlich die Grenze zwischen Kindheit und Erwachsensein verschmelzen. Barrie nimmt dich mit auf die Reise dreier Londoner Geschwister, die mit Peter Pan, dem Jungen, der nie erwachsen wird, viele Abenteuer erleben. Schnell wird jedoch deutlich, dass das Leben des Jungen und das der Verlorenen Jungs im Niemalsland von Verlust und Tod geprägt ist.'Peter Pan zählt zu den bekanntesten Kinder- und Jugendbüchern des 20. Jahrhunderts.'
Sir James Matthew J. M. Barrie war ein schottischer Schriftsteller und Dramatiker. Peter Pan ist seine bekannteste literarische Figur.
Autoren/Hrsg.
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»Mann?« »Nein!« Das klang verächtlich. »Junge?« »Ja.« »Bist du in England?« »Nein.« »Bist du hier?« »Ja.« Hook war völlig durcheinander. »Fragt ihr ihn was«, sagte er zu den anderen und wischte sich die nasse Stirn. Smee überlegte. »Mir fällt nichts ein«, sagte er be-dauernd. »Ihr kommt nicht drauf, ihr kommt nicht drauf«, krähte Peter, »gebt ihr auf?« Natürlich trieb sein Stolz das Spiel zu weit, und die Schufte witterten ihre Chance. »Ja, ja«, antworteten sie eifrig. »Na schön«, rief er, »ich bin Peter Pan.« Pan! Gleich war Hook wieder er selbst, und Smee und Starkey waren seine treuen Anhänger. »Jetzt haben wir ihn«, jauchzte Hook. »Ins Wasser, Smee! Starkey, bleib beim Boot! Wir kriegen ihn, tot oder lebendig.« Er sprang schon, während er noch sprach, und gleichzeitig hörte man Peters fröhliche Stimme: »Seid ihr bereit, Jungs?« »Ay, ay«, hallte es von der Lagune. »Nichts wie los, auf die Piraten!« Der Kampf war hart und kurz. John vergoß das erste Blut, tapfer war er ins Boot geklettert und hatte Starkey gepackt. Es gab ein heftiges Gerangel, bei dem der Pirat sein Entermesser verlor. Mit einer Drehung sprang er über Bord, und John sprang hinterher. Der Kahn driftete ab. Hier und da tauchte ein Kopf im Wasser auf, eine Stahlklinge blitzte, dann ein Schrei oder ein Aufheulen. Smees Korkenzieher erwischte Tootles an der vierten Rippe, aber dafür wurde Smee von Curly durchbohrt.
Starkey bedrängte die Zwillinge und Slightly. Und wo war Peter die ganze Zeit? Er suchte den großen Kampf. Alle Jungen waren tapfer, und man darf sie nicht tadeln, wenn sie vor dem Piratenkapitän zurückwichen. Seine eiserne Klaue umgab ihn mit einem Todeskreis, und davor flohen sie wie die aufgescheuchten Fische. Aber es gab einen, der sich nicht fürchtete. Es gab einen, der bereit war, den Kreis zu durchbrechen. Seltsamerweise trafen sie sich nicht im Wasser. Hook stieg auf den Felsen, um zu verschnaufen, und zur selben Zeit kletterte Peter von der anderen Seite hoch. Der Felsen war glatt wie ein Ball, daß sie mehr rutschten als kletterten. Keiner wußte, daß der andere sich näherte, und als sie Halt suchten, erwischten sie den Arm des anderen. Überrascht hoben sie die Köpfe, ihre Gesichter berührten sich fast. So also trafen sie sich. Wir wissen von den größten Helden, daß sie un-mittelbar vor dem Kampf ein Gefühl der Schwäche verspüren. Wenn das in diesem Augenblick bei Peter so gewesen wäre – ich würde es euch erzählen. Schließlich war Hook der einzige Mann, vor dem John Silver sich gefürchtet hatte. Aber Peter wurde nicht schwach, er kannte nur ein Gefühl: Glück. Und er knirschte vor Freude mit seinen prächtigen Zähnen. Blitzschnell riß er ein Messer aus Hooks Gürtel, und gerade wollte er es ihm in den Leib jagen, als er sah, daß er höher auf dem Felsen stand als sein Gegner. Das wäre kein fairer Kampf gewesen. Er reichte dem Piraten die Hand und wollte ihm hochhelfen. Da hat ihn Hook gebissen. Nicht der Schmerz, sondern die Gemeinheit betäubte Peter. Das war unfair, und das machte ihn ganz hilflos. Er konnte nur entsetzt gucken. Das geht jedem Kind so, wenn es zum erstenmal ungerecht behandelt wird. Wenn es zu dir kommt und sich dir anvertraut, glaubt es fest, daß es gerecht behandelt wird. Wenn du es dann ungerecht behandelst, wird es dich zwar wieder lieben, aber es wird nie mehr ganz dasselbe Kind sein. Niemand verwindet die erste Ungerechtigkeit – niemand außer Peter. Ungerechtigkeiten waren ihm oft begegnet, aber er vergaß sie immer. Ich vermute, das ist der entscheidende Unterschied zwischen ihm und allen anderen. Also traf ihn diese Ungerechtigkeit, als wäre es das erste Mal, und er konnte nur hilflos gucken. Zweimal schlug die eiserne Hand zu. Wenige Minuten später sahen die anderen Jungen, wie Hook sich wild durchs Wasser auf das Schiff zu bewegte. Kein Triumph auf seiner scheußlichen Visage, nur die nackte Angst, denn das Krokodil war ihm dicht auf den Fersen. Normalerweise wären die Jungen mit großem Hal o hinterhergeschwommen, aber jetzt fühlten sie sich unbehaglich, denn sie hatten Peter und Wendy verloren. Sie suchten die Lagune nach ihnen ab und riefen ihre Namen, aber sie fanden nur den Piratenkahn und fuhren damit heim. Auf der Fahrt riefen sie »Peter!«und »Wendy!«, doch sie bekamen keine Antwort – nur ein spöttisches Gelächter von den Nixen. »Sie schwimmen wohl zurück, oder sie fliegen«, sagten die Jungen schließlich. Sie waren nicht sehr beunruhigt, sie hatten so viel Vertrauen zu Peter. Sie kicherten und freuten sich, daß sie zu spät ins Bett kämen, und das war ganz allein die Schuld von ihrer Mutter Wendy. Als ihre Stimmen verklangen, breitete sich ein eisiges Schweigen über der Lagune aus. Und dann ein schwacher Schrei: »Hilfe, Hilfe!« Zwei kleine Gestalten schlugen gegen den Felsen. Das Mädchen war ohnmächtig geworden, und der Junge trug es auf den Armen. Mit einer letzten Anstrengung zog Peter das Mädchen auf den Felsen und legte es neben sich. Er war selber der Ohnmacht nahe, als er sah, wie das Wasser stieg. Er wußte, daß sie bald ertrinken würden, aber er konnte nichts mehr tun. Wie sie so nebeneinander lagen, packte eine Nixe Wendy bei den Füßen und zog sie sachte ins Wasser. Peter merkte, daß sie wegrutschte, und war sofort hellwach, gerade noch rechtzeitig, um sie wieder hinaufzuziehen. Er mußte ihr die Wahrheit sagen. »Wir sind auf dem Felsen, Wendy«, sagte er, »aber er wird immer kleiner. Bald steht er unter Wasser.« Sie verstand nicht. »Wir müssen fort«, sagte sie fast strahlend. »Ja«, antwortete er schwach. »Schwimmen oder fliegen?« Er mußte es ihr sagen.
»Glaubst du, Wendy, du könntest es ohne meine Hilfe schaffen?« Sie mußte zugeben, daß sie zu müde war. Er seufzte. »Was ist?« fragte sie besorgt. »Ich kann dir nicht helfen, Wendy. Hook hat mich ver-wundet. Ich kann weder fliegen noch schwimmen.« »Soll das heißen, daß wir ertrinken müssen?« »Schau, wie das Wasser steigt.« Sie legten ihre Hände über die Augen, um nichts mehr zu sehen, und sie dachten, daß sie bald nicht mehr wären. Wie sie so dasaßen, spürte Peter etwas – es streifte ihn und war so leicht wie ein Kuß, und es ging nicht weg und schien zaghaft zu fragen: »Kann ich dir irgendwie behilflich sein?« Es war der Schwanz eines Drachens, den Michael vor ein paar Tagen gebaut hatte. Der hatte sich losgerissen und war fortgetrieben. »Michaels Drachen«, sagte Peter ohne Interesse, aber im nächsten Augenblick hatte er den Schwanz gepackt und zog den Drachen zu sich heran. »Michael ist mit ihm geflogen«, rief er, »warum nicht auch du?« »Wir beide!« »Zwei sind zu schwer, Michael und Curly haben es versucht.« »Wir wollen losen«, sagte Wendy tapfer. »Niemals – du bist eine Dame.« Schon hatte Peter den Schwanz um sie gebunden. Sie klammerte sich an ihn, sie weigerte sich, ohne ihn aufzubrechen, aber mit einem »Leb wohl, Wendy«, stieß er sie vom Felsen, und nach wenigen Minuten konnte er sie nicht mehr sehen. Peter war allein auf der Lagune. Der Felsen war jetzt sehr klein, bald würde er verschwunden sein. Blasse Lichtstrahlen huschten über das Wasser, und nach und nach waren Klänge zu hören, die zugleich höchst musikalisch und höchst melancholisch waren: Die Nixen riefen den Mond an. Peter war nicht wie die anderen Jungen, aber schließ- lich hatte er doch Angst. Ein Schauder überkam ihn, so wie der Wind das Meer erschaudern läßt. Aber das Meer wird von immer neuen Windstößen erfaßt, Peter jedoch spürte nur dies eine Schaudern. Im nächsten Augenblick stand er wieder aufrecht mit diesem Lächeln auf dem Gesicht, und in ihm dröhnte eine Trommel, die sagte: »Sterben ist bestimmt ein großes Abenteuer.« Der Niemalsvogel
DIE letzten Geräusche, die Peter hörte, bevor er ganz allein war, kamen von den Nixen, die sich eine nach der anderen in ihre Schlafzimmer unter dem Meer zurück-zogen. Er war zu weit entfernt, um das Türenschlagen zu hören; aber an jeder Tür in den Korallengrotten, wo sie wohnen, läutet eine winzige Glocke, wenn die Tür sich öffnet oder schließt, und diese Glocken konnte er hören. Das Wasser stieg immer höher – es spülte schon um seine Füße –, und um sich die Zeit zu vertreiben, bis es ihn ganz verschluckte, beobachtete er den einzigen Gegenstand, der sich auf der Lagune bewegte. Er glaubte, es sei ein dahintreibendes Stück Papier, vielleicht ein Stück vom Drachen, und er fragte sich, wie lange es wohl dauerte, bis es ans Ufer gespült würde. Jetzt merkte er, und das war sehr eigenartig, daß dieses Etwas zweifellos mit einer bestimmten Absicht auf der Lagune schwamm, denn es kämpfte gegen die Flut und manchmal mit Erfolg. Und wenn es die Wel-len bezwang, mußte Peter, der immer auf der Seite der Schwächeren war, einfach Beifall klatschen – es war so ein tapferes Stück Papier. Es war kein Stück Papier. Es war der Niemalsvogel in seinem Nest, der verzweifelt versuchte, Peter zu erreichen. Er konnte sein seltsames Schiff bis zu einem gewissen Grad lenken, indem er nämlich mit den Flügeln ruderte, wie er es gelernt hatte, seit das Nest ins Wasser gefallen war, aber als Peter ihn erkannte, war er schon sehr erschöpft. Er war gekommen, um den Jungen zu retten und...