E-Book, Deutsch, Band 1557, 160 Seiten
Reihe: Bianca
Barrett Ich kämpfe um unsere Liebe
1. Auflage 2006
ISBN: 978-3-86295-875-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1557, 160 Seiten
Reihe: Bianca
ISBN: 978-3-86295-875-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
IDie junge Lehrerin Erin ist glücklich wie lange nicht mehr Ð Garth Winslow ist zurückgekehrt. Es ist ihr vollkommen egal, dass die Leute noch immer schlecht über ihn reden. Diesmal soll nichts ihrer Liebe im Wege stehen! Doch als sie in aller Öffentlichkeit mit ihrem Traummann Hand in Hand durch Millstown bummelt, bekommt sie postwendend die Quittung dafür. Der Schuldirektor entlässt sie auf der Stelle: Erin ist verzweifelt Ð ohne ihr Gehalt kann sie das alte Herrenhaus ihrer Familie nicht behalten! Sie steht vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens: Liebe oder Besitz!
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1. KAPITEL
Als Garth Winslow seine Harley beschleunigte und damit die Hauptstraße von Millstown im Bundesstaat Maryland entlangraste, hatte er nur einen Wunsch: Er wollte dieses verdammte Nest so schnell wie möglich wieder verlassen. Millstown. Seine ach-so-wunderbare Heimatstadt, für deren Bewohner er bestimmt immer noch der letzte Dreck war –egal, wie viele Jahre vergangen waren, seit er sich zuletzt hier hatte blicken lassen. Hier hielt sich ein schlechter Ruf länger als die alten Häuser, deren Fassaden die engen Straßen dominierten.
Er kämpfte gegen den Drang an, noch einen Zahn zuzulegen und die Stadt einfach hinter sich zu lassen. Es ging hier ja schließlich um Norm. Garth musste unbedingt zu ihm. Das war sein einziger Gedanke gewesen, als er Miami zwei Tage zuvor verlassen hatte – als er die Nachricht erhielt, dass der Krebs sich noch weiter in Norms Körper ausgebreitet hatte und es keine Hoffnung mehr gab. Der Mann, der Garth als Teenager bei sich aufgenommen hatte, lag nun im Sterben. Warum mussten die Leute, die er zu lieben gelernt hatte, alle sterben?
Garth wurde immer unbehaglicher zumute, als er die Geschwindigkeit auf der Höhe des Stone Mill Cafés drosselte, in die enge Gasse neben dem verlassenen Theater einbog und anschließend eine Abkürzung durch die Einbahnstraße nahm, die er in die falsche Richtung entlangfuhr.
Früher hatte Norm außerhalb der Stadt auf einer Farm am Rande der Appalachen gewohnt. Doch nach dem Tod seiner Frau Rose und nachdem Garth den Ort verlassen hatte, war Norm in eine Doppelhaushälfte in Millstown gezogen. Dort hatte die Kettenraucherei schließlich ihren Tribut gefordert.
Garth parkte seine Maschine neben einer Reihe von Autos, die bereits in der Auffahrt standen, hängte den Helm über die Rückenlehne und streckte seine schmerzenden Glieder. Dann fuhr er sich durchs Haar und schob sich das T-Shirt, das er unter der Lederjacke trug, in den Hosenbund. Auch wenn Norm schwer krank war und vielleicht nicht mehr viel mitbekam, so erwartete und verdiente er es doch, dass Garth ihm ordentlich gegenübertrat.
Seine Nerven waren angespannt, als er zur Tür ging und von dort aus direkt in eine kleine Küche kam, in der sich die Nachbarn drängten und es nach Kaffee roch: Garth erblickte Jack Fleagle, der das Theater geleitet hatte, bevor es geschlossen worden war, und Mrs. Cline, die am Postamt gearbeitet hatte und letztes Jahr in Rente gegangen war. Ja, und dann war da noch „Battle-Ax Bester“ – Mrs. Bester, die Streitaxt –, eine stämmige Frau, die ihre toupierte Hochsteckfrisur offenbar mit einer ganzen Dose Haarspray fixierte. Die hat mir gerade noch gefehlt, dachte Garth.
Als Mrs. Bester ihn erblickte, verzog sie die stark geschminkten Lippen. „Na, Sie haben ja Nerven, sich hier blicken zu lassen.“
Herrje. Mittlerweile war es zwölf Jahre her, dass Garth die High School verlassen hatte, und diese Frau tat immer noch so, als wäre er ein potenzieller Mörder, der irgendwann im Gefängnis enden würde – wie sein Vater. Garth hasste diese Kleinstadt wie die Pest.
„Garth, schön, dass du noch rechtzeitig gekommen bist.“ In diesem Moment trat Norms jüngerer Bruder Max, der inzwischen über fünfzig sein musste, hinter Mrs. Bester hervor und reichte ihm die Hand.
Garth schüttelte sie und bemerkte dabei sofort, wie angespannt Max war. „Norm ist also noch nicht …“
„Nein.“ Max legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Geh ruhig gleich durch zu ihm. Die Krankenschwester ist zwar gerade da, aber er wartet schon sehnsüchtig auf dich.“
Garth war nicht ganz wohl zumute, als er sich seinen Weg durch die vielen Menschen bahnte und anschließend den Flur hinunter zu Norms Schlafzimmer ging. Er klopfte an die Tür und öffnete sie. „Norm?“
Eine ihm unbekannte Frau wandte sich zu ihm um. „Tut mir leid, aber Mr. Decker muss jetzt …“
„Garth“, keuchte Norm. „Du bist da …“
Garth blieb fast das Herz stehen, als die Schwester beiseite trat und den Blick auf das Bett freigab. Du liebe Güte! War das etwa Norm? Der Mann, der dort lag, starrte ihn mit glasigen Augen an. Sein Gesicht wirkte blutleer, die faltige Haut hing schlaff von den Wangenknochen.
Was war bloß geschehen? Im letzten Frühjahr, als Garth auf seinem Weg nach Montana einen Zwischenstopp in Millstown eingelegt hatte, hatte Norm doch noch ziemlich gesund ausgesehen.
„Sie können aber nur ganz kurz bleiben“, mahnte die Krankenschwester. „Er hat nämlich gerade seine Medikamente genommen. Wenn Sie noch etwas brauchen – ich bin in der Küche.“ Die Frau verließ das Zimmer.
„Hab dein Motorrad gehört …“, brachte Norm hervor. „Wusste, dass du kommst …“
Das ist ja auch verdammt noch mal selbstverständlich, dachte Garth. Er war sofort losgefahren und hatte nur für ein paar Stunden an der Grenze zu North Carolina Halt gemacht, um ein wenig zu schlafen. „Ich komme gerade aus Florida. Einen tollen Strand hab ich da entdeckt, perfekt zum Entspannen. Vielleicht ziehe ich mich demnächst auch mal für eine Woche auf die Bahamas zurück.“ Nicht zuletzt, um sein kaputtes Knie auszukurieren, damit er weiter seinen Job als Feuerspringer ausüben konnte. Bei dieser Spezialeinheit sprangen die Feuerwehrleute wie Fallschirmjäger aus Flugzeugen über Brandgebieten ab, um dort mit einfachsten Mitteln Brände zu löschen.
Garth setzte sich und streckte das schmerzende Bein aus.
„Bist du verletzt?“, erkundigte sich Norm sofort.
Garth verzog das Gesicht. Der Krebs mochte zwar den Körper des Mannes zerstört haben, sein Verstand jedoch funktionierte nach wie vor einwandfrei. „Ja, ich habe mir das Knie verstaucht, beim letzten Absprung stand der Wind ungünstig, da bin ich unsanft gelandet. Ist aber nichts Schlimmes, muss mich jetzt bloß etwas schonen.“
Norm schloss die Augen. „Zum Ausruhen ist Millstown perfekt. Bleib doch hier …“ Er zuckte zusammen, dann keuchte er wieder.
Garth erschrak. „Was ist los? Soll ich die Schwester rufen?“
„Nein.“ Norm öffnete die glasigen Augen. „Verfluchtes Morphium …“
Garths Blick fiel zunächst auf die Morphiumpumpe, die mit dem Tropf verbunden war. Dann betrachtete er die Beatmungsmaschine neben dem Bett und den Rollstuhl in der Zimmerecke. Alles Hilfsmittel, die Norm den Weg in den Tod erleichtern sollten. Garth wollte etwas sagen, fand aber keine Worte. Er schluckte.
Norm bewegte erneut die Lippen, und Garth beugte sich zu ihm, um alles mitzubekommen.
„Bleib hier …“, flüsterte der Mann. „Versprich es mir. Ich brauche dich für …“
„Wofür, Norm? Wofür brauchst du mich?“, hakte Garth nach.
„Nicht hier. Garth, versprich mir …“
Bitte nicht!, dachte Garth. Bitte, lass mich Norm jetzt nicht verlieren. Nicht auch noch Norm.
„Garth …“
Auf Norms Stirn bildeten sich Schweißperlen. Nein, das durfte einfach nicht sein! Er durfte nicht sterben! Und er, Garth, konnte unmöglich hier in Millstown bleiben. Andererseits konnte er jetzt unmöglich abreisen und Norm im Stich lassen. „Ja, ich bleibe hier.“ So lange, wie Norm ihn brauchen würde.
„Nicht hier“, wiederholte der nun.
„Wie meinst du das, nicht hier?“
„Nimm dir … ein Zimmer.“
Garth runzelte die Stirn. Was sollte das denn heißen? „Ich lasse dich jetzt aber nicht wieder allein, Norm.“ Schon bei dem Gedanken zog sich ihm das Herz zusammen. „Ich schlafe einfach auf der Couch, wie immer.“
„Nein.“ Auf einmal klang die Stimme des todkranken Mannes ganz fest. „Die Schwester ist hier. Und Max. Du musst … nach Mills Ferry.“
Mills Ferry? Er sollte also in dem alten Herrenhaus am Stadtrand wohnen? Warum ausgerechnet dort, so weit weg von Norm? Garth versteifte sich. „Willst du mich nicht hier bei dir im Haus haben? Bin ich hier nicht willkom…?“
„Nein, Garth.“ Norm streckte die Hand unter der Bettdecke hervor und umschloss Garths Handgelenk. Die Finger des Mannes waren zittrig und kalt. „Mein Sohn. Du bist mein Sohn. Hilf mir … bitte.“ Seine Stimme versagte.
Panik erfasste Garth. „Aber …“
„Versprich es mir. Bitte …“ Dann glitten Norms Finger von seinem Handgelenk.
Garth erschauerte. Für diesen Mann würde er alles tun, egal, wie ungewöhnlich seine Bitte war. „In Ordnung, dann wohne ich eben dort.“
„Gut.“ Norm sank in das Kissen zurück und schloss die Augen.
„Norm? Norm?“
„Sir?“ Hinter sich hörte Garth die Stimme der Schwester. „Mr. Decker braucht jetzt Ruhe.“
Erleichtert atmete Garth auf. Norm war nicht gestorben, sondern bloß eingeschlafen. Gott sei Dank. Aber wie lange würde das noch so weitergehen?
Garth erhob sich, seine Beine fühlten sich an wie Pudding. Früher hatte er immer den Eindruck gehabt, nichts und niemand könne Norm etwas anhaben, diesem großen, kräftigen Mann mit den muskulösen Armen und den schwieligen Händen. Er war ein geduldiger Ziehvater gewesen, der ihm beigebracht hatte, wie man Tierspuren las und Wild schoss. Wie man den Transporter reparierte, mit dem Garth sich auf die Seite gelegt hatte, als er die Kurve zu schnell nahm. Und wie man sich zu verhalten hatte, wenn ein Mädchen Interesse bekundete.
Und jetzt lag dieser starke Mann im Sterben.
„Sir?“
Ein quälender Schmerz erfüllte Garths Brust, als die Krankenschwester Norm das Beatmungsgerät anlegte und ihm die Kissen zurechtrückte.
Auf einmal konnte er es nicht mehr aushalten. Er brauchte...