E-Book, Deutsch, 352 Seiten
Baron Atemlos
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-446-27352-8
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Auf der Jagd nach dem Phönix-Medaillon
E-Book, Deutsch, 352 Seiten
ISBN: 978-3-446-27352-8
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Alle sind hinter Mr. Fluffy her! Als Jessica in Südengland einen schmuddeligen Teddy aus dem Wasser fischt, weiß sie nicht, dass Cym in London den Bären schmerzlich vermisst, seit er ihm in den Fluss gefallen ist. Doch sie sind nicht die Einzigen, denen das flauschige Kuscheltier etwas bedeutet: Noch bevor sie sich zum ersten Mal treffen, werden sie gemeinsam in ein Abenteuer verwickelt, in dem es um Einbrüche, wertvolle Ausstellungsstücke und ein kriminelles Geschwisterpaar geht, das alles daransetzt, den Teddy zu finden. Jessicas und Cyms Leben werden gehörig durcheinandergebracht. Als sich ihre Wege endlich kreuzen, versuchen sie zusammen, dem Geheimnis um Mr. Fluffy auf den Grund zu gehen.
Adam Baron war Schauspieler, Komiker, Journalist und Pressesprecher bei Channel 4, bevor er mit dem Schreiben begann. Heute leitet der promovierte Literaturwissenschaftler den angesehenen Creative Writing-Studiengang an der Kingston University in London. Nach fünf hochgelobten Romanen für Erwachsene erschien mit Freischwimmen 2020 sein Kinderbuchdebüt. 2021 folgte mit Auftauchen der zweite Band, 2022 mit Atemlos der dritte Band rund um Cymbeline Iglu und seine Freunde. Baron lebt mit seiner Frau und drei Kindern in London.
Weitere Infos & Material
8
Jessica
»Da rein?«
Ich schaute auf die Mülltonne und dann in Mums Gesicht. Blinzelnd wartete ich, dass ihre Züge weicher würden wie IMMER, hoffte, die echte Mum wieder zu sehen, aber sie ließ es nicht zu. Wenn überhaupt, verhärteten sich ihre Gesichtszüge noch.
»Ihr habt schon wieder einen Grund gefunden zu streiten«, sagte sie. »Und der wird jetzt entsorgt.«
»Aber …«
»SOFORT«, beharrte sie.
Ich konnte nichts tun. Also zog ich den Teddy SEHR l-a-n-g-s-a-m hinter meinem Rücken hervor, aber während ich das tat, stellte ich mir diese Fragen: Hatte sie wirklich recht? War der Teddy für uns nur ein Vorwand zu streiten? Wäre es dasselbe gewesen, wenn es um einen Spielzeuglaster gegangen wäre? Ich weiß es nicht. Inzwischen hielt ich den Teddy am ausgestreckten Arm über die Mülltonne. Müllgestank waberte zu mir herüber (oder war das Milly?). Und dann geschah etwas Peinliches. Ich konnte es nicht verhindern: Tränen stiegen mir in die Augen und rannen über mein Gesicht. Mum sah mich an, und ihr Mund wollte sich gerade öffnen, als hinter mir eine Stimme ertönte.
»Kath, Liebes«, rief Dad, während er Benji aus dem Auto hob.
Mum drehte sich um, und ich erwartete, dass Dad weiterreden würde, aber das machte er nicht. Er schaute Mum einfach an, mit geschlossenem Mund, als ob er sie an etwas erinnern wollte, an etwas, worüber sie vielleicht vorher schon einmal gesprochen hatten. Etwas Wichtiges. Mum zögerte, schien aber zu verstehen. Sie atmete stockend ein, stemmte die Hände in die Hüften und ließ den Blick von uns weg in die Ferne schweifen.
»Okay«, sagte sie. Und schlug den Tonnendeckel zu.
Ich war erleichtert. Aber was würde sie jetzt tun? Sie würde die Sache nicht einfach vergessen. Das sah ich. Würde sie uns wie König Salomo zwingen, den Teddy in zwei Hälften zu zerteilen?
Nein.
»Macht ihn sauber«, sagte sie.
Hatte ich richtig gehört? »Ihn sauber machen?«
»Ja. Dann sehen wir weiter. Und macht es SOFORT. Okay?«
»Ähm, okay«, sagte ich.
Und ich zögerte KEINE Sekunde.
Milly ebenfalls nicht
Ich sah mich um, weil ich unbedingt anfangen wollte, bevor Mum es sich anders überlegte. Einerseits war ich total erleichtert, dass sie sich wieder eingekriegt hatte, andererseits grübelte ich immer noch, warum sie überhaupt so ausgerastet war. Aber jetzt hatte ich keine Zeit, darüber nachzudenken. Milly rannte schon am Haus entlang. Ich folgte ihr. Sie schnappte sich einen Eimer, und ich legte den Teddy hinein. Abwechselnd spritzten wir ihn mit dem Schlauch ab (und wurden dabei selbst nass), aber das half nicht viel. Der Teddy war wirklich total verdreckt.
»In die Küche?«, schlug ich vor.
Wir nahmen den Teddy mit ins Haus, und Milly legte ihn in die Spüle. Ich zog die Spülhandschuhe (richtig stabile) an und drehte das heiße Wasser auf. Erst als das Wasser DAMPFTE, verstöpselte ich das Becken und drückte die Spülmittelflasche in der Mitte zusammen.
Dann schrubbte ich.
Und SCHRUBBTE.
Und es war total MERKWÜRDIG.
Als ich den Teddy entdeckt hatte, hatte ich einen Augenblick gebraucht, um zu erkennen, was er eigentlich war. SO verdreckt war er gewesen. Aber jetzt tauchte er Stück für Stück unter der Dreckschicht auf.
Zuerst schrubbte ich seinen Bauch. Dann schrubbte ich seine Arme und Beine, dann seinen Rücken und seine Ohren, bevor ich mich auf sein Gesicht konzentrierte, obwohl ich es wegen der vielen Schaumblasen immer noch nicht richtig erkennen konnte.
»Das reicht«, sagte Milly. »Bestimmt.«
»Okay«, sagte ich. Und ich hörte auf zu schrubben und hielt den Teddy unter den Wasserhahn. Der Schaum rann an ihm hinunter ins Spülbecken, während wir zusahen.
Zwei durchnässte Arme boten uns eine Umarmung an.
Zwei orangefarbene Augen blitzten uns an.
Das nasse Fell des Teddys war jetzt goldfarben und roch frisch. Er sah so neu aus wie ein echtes Baby (allerdings war Milly niemals so niedlich gewesen). Kaum zu glauben, dass er sich erst vor wenigen Stunden in einem Fluss befunden hatte — obwohl die Verwandlung noch nicht ganz vollendet war.
»Hol den Föhn«, flüsterte ich, und EINMAL in ihrem Leben diskutierte Milly nicht, sondern rannte los. Ich legte den Teddy derweil auf die Abtropffläche. Wieder zurück reichte Milly mir den Föhn und ich knipste ihn an. Die Ohren des Teddys schlackerten hin und her, und sein Fell wurde mal in die eine, mal in die andere Richtung geblasen, während Milly Mums Friseurin nachahmte.
»Liegt an meiner Blase«, sagte sie und klang GENAU wie Elaine. »Ich habe zu viele Kinder. Einen Beckenboden wie Treibsand. Wenn ich länger als zwanzig Minuten jogge, mach ich mir ins Höschen und muss den ganzen Heimweg die Beine zusammenpressen!«
Ich lachte, aber nicht so, wie ich sonst über Millys Vorstellungen lache, weil ich mich auf den Teddy konzentrierte. Dann schaltete ich den Föhn aus. Das Fell wurde nicht mehr von dem warmen Luftstrom zerzaust, und auch die Ohren standen unbeweglich vom Kopf ab. Und ich kann euch sagen: Steiff? Unsinn! Sigikid? Kein Interesse. Denn Milly und ich hatten den
SÜSSESTEN
FLAUSCHIGSTEN
KUSCHELIGSTEN
TOLLSTEN
und SCHMUSELIGSTEN Teddybären der GANZEN WELT vor uns. Und wenn ihr meint, SCHMUSELIG wäre kein Wort — jetzt ist es eines.
Und er war nicht nur besser als andere Teddys.
Habt ihr auf YouTube schon mal kleine Kätzchen gesehen, die mit Wolle spielen?
Oder Hundewelpen, die im Supermarkt durch die Gänge schlittern?
Vergesst sie. Ihr könnt sogar Benji vergessen, als er noch klein war und in seiner Wiege schlief oder im Bad mit den Beinchen strampelte. Denn wir hatten einfach noch gar nie etwas so Süßes gesehen. Ich fragte mich noch einmal, was geschehen wäre, wenn wir einen Spielzeuglaster gefunden hätten. Wahrscheinlich hätten wir tatsächlich um ihn gestritten, aber nachdem wir ihn sauber gemacht hätten, hätten wir uns bestimmt nicht so gefühlt wie jetzt.
Ich seufzte. »Wir haben uns wirklich ziemlich schrecklich benommen«, sagte ich und sah Milly an. »Oder? Und es war echt nett von Mum, dass sie es sich mit dem Müll anders überlegt hat, nicht wahr?«
Ich dachte, ich müsste Milly überzeugen, aber sie hatte wohl auch ein schlechtes Gewissen gehabt, denn sie seufzte ebenfalls und nickte. Dann standen wir einfach da und dachten daran, wie der Tag begonnen hatte. Mum war SO fröhlich gewesen. Sie hatte SO viel gearbeitet. Und es war ihr erster komplett freier Tag seit ewigen Zeiten. Sie hatte Brote geschmiert und Kekse gebacken. Beim Autoeinladen hatte sie blöde Lieder gesungen und auf der Fahrt eine Geschichte von einem ungezogenen Einhorn namens Dave erfunden, das nicht widerstehen konnte und die anderen dauernd in den Hintern piken musste. Auch Dad war sehr fröhlich gewesen, und ich erinnerte mich wieder daran, wie wir spaziert waren, die Enten gefüttert und Stöckchen-Rennen gespielt hatten (in der EXTREMEN Kacke-Version). Es war total SUPER gewesen, bis Milly und ich in Streit geraten waren.
Warum eigentlich?
Zu dem Zeitpunkt schien es total logisch zu sein, aber jetzt konnte ich mich an keinen einzigen mehr erinnern. Ich konnte nur denken, dass es TOTAL blöd gewesen war. Als ob das zwei ganz andere Mädchen gewesen wären, nicht wir beide.
»Mum arbeitet sehr viel«, sagte Milly.
Ich nickte. »Vor allem zurzeit. Sie verdient eine Pause. Und Dad auch.«
Milly kaute auf ihrer Lippe. Dann hob sie den Teddy hoch, und ihre Finger verschwanden fast in seinem Fell.
»Du hast ihn zuerst gesehen«, sagte sie und hielt ihn mir hin, aber ich schüttelte den Kopf.
»Aber du hast sie gerettet. Und wenn du das nicht getan hättest, wäre sie vielleicht weggespült worden.«
»Dann …?«
»Dann gehört sie uns....