Barns | Eisblumenwinter | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Reihe: HarperCollins

Barns Eisblumenwinter


1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-95967-578-9
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Reihe: HarperCollins

ISBN: 978-3-95967-578-9
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Winterliebe zwischen Nord- und Ostsee
Mit ihrer Karamellwerkstatt auf Rügen lebt Pia erfolgreich ihren Traum. Und doch ist sie nicht glücklich. Denn Paul, der Mann, den sie liebt, lebt gut fünfhundert Kilometer entfernt auf der Insel Juist. Als ihre Großmutter sie bittet, sie auf eine Reise zu den Orten ihrer Kindheit zu begleiten, sagt Pia zu. Eine Auszeit mit ihrer Oma ist genau das, was sie jetzt braucht. Gemeinsam begeben sie sich auf Spurensuche in die Vergangenheit. Dabei entdecken sie eine Liebesgeschichte, die Zeit und Grenzen überdauert hat - und bis heute nachwirkt.
»Ein Muss für jede Belletristikabteilung. Gern empfohlen.«
(ekz.bibliotheksservice, 46/2020)



Anne Barns ist ein Pseudonym der Autorin Andrea Russo. Sie hat vor einigen Jahren ihren Beruf als Lehrerin aufgegeben, um sich ganz auf ihre Bücher konzentrieren zu können. Sie liebt Lesen, Kuchen und das Meer. Zum Schreiben zieht sie sich am liebsten auf eine Insel zurück, wenn möglich in die Nähe einer guten Bäckerei.

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1. Kapitel


Ich würde die Ostsee vermissen, denke ich, und ziehe mir die Wollmütze etwas tiefer ins Gesicht. Heute ist das Thermometer unter fünf Grad minus gefallen, aber die Temperatur fühlt sich wesentlich kühler an. Der eisige Wind sucht sich nicht nur seinen Weg durch die Kleidungsstücke, er peitscht auch das Wasser gegen die Küste.

Zum Rauschen des Meeres gesellt sich das Klackern der Kiesel und Feuersteine, die von den Wellen an Land gespült werden. Mit viel Glück kann man sich heute über ganz besondere Fundstücke freuen. Die stürmischen Herbst- und Wintermonate sind die beste Zeit, um Bernstein, Hühnergötter, Donnerkeile und schöne Treibholzstücke zu sammeln. Mein Rucksack ist bereits voller Kostbarkeiten, obwohl ich gerade mal zwanzig Minuten unterwegs bin. Aber meine Augen wandern automatisch immer wieder nach unten und suchen den Boden ab.

Ich bücke mich und hebe einen besonders schönen Kieselstein auf, der mich an die Form eines Herzens erinnert. Er fühlt sich glatt an – und kalt. Wie mein Herz, denke ich, und lasse ihn schnell in meiner Jackentasche verschwinden.

Rügen hat viele schöne Strände, aber diesen naturbelassenen Steinstrand unterhalb des Buchenhains mag ich immer noch am liebsten. Das Ufer ist um diese Jahreszeit menschenleer. Ende November verschlägt es nicht viele Touristen zu uns auf die Insel, und wenn, sind sie in der Regel an den feinsandigen Strandabschnitten unterwegs.

Ich richte den Blick nach oben. Unzählige kleine Wolken haben sich wie ein dichter Schleier über den Himmel gelegt. Nun wird es nicht mehr lange dauern, bis die ersten Schneeflocken fallen. Es ist zwar sehr kalt, aber die Luft ist dennoch feucht. Vielleicht noch ein, zwei Tage, dann wird eine dicke Schneeschicht die Strände bedecken. Ich liebe die Stille und die Muße, die der Winter mit sich bringt. Aber auch die anderen Jahreszeiten haben für mich ihre Reize. Im Frühling und im Sommer leuchtet die Insel in satten Grüntönen. Das Weiß der Kreidefelsen und die Blätter der Buchen spiegeln sich dann im Wasser und lassen es in einem leuchtenden Türkis erstrahlen. Im Spätsommer und Herbst tauscht die Natur die Farben, und Gelb-, Rot- und Brauntöne hüllen die Insel in warmes Licht.

Die farbigen Monate sind jedoch vorbei, die Bäume haben längst ihr Laub abgeworfen. Ich schaue zum Hügel, auf dem die kahlen Äste der Buchen im Wind gegeneinander krachen, und atme tief die salzhaltige Luft ein. Eine Bö bläst eisigen Wind in mein Gesicht und treibt mir die Tränen in die Augen. Es wird Zeit, hoch zum Haus zu gehen.

Da reißt plötzlich der Himmel auf, die Sonne bahnt sich ihren Weg durch das milchige Weiß der Wolken und lässt das trübe Wasser der Ostsee silbern glitzern. Der Anblick ist unbeschreiblich schön. Einen Moment noch gebe ich mich ganz dem gewaltigen Naturschauspiel hin, das sich direkt vor meinen Augen entfaltet. Und mir wird wieder einmal bewusst, wie verbunden ich mich mit dem Meer, Rügen, aber auch mit den Menschen hier fühle.

»Es geht nicht«, sage ich leise zu mir selbst. »Ich kann hier unmöglich weg.« Halt suchend schiebe ich meine Hände in die Jackentaschen und umschließe den immer noch kalten Herzkiesel mit meinen Fingern.

Der Stein ist warm, als mein Handy klingelt. Katharina oder Jana, denke ich, sie warten sicher schon. Eilig hole ich das Smartphone aus der kleinen Seitentasche meines Rucksacks.

»War ja klar«, murmele ich vor mich hin, weil das Klingeln natürlich genau dann aufhört, als ich das Gespräch annehmen möchte. Doch nur ein paar Sekunden später geht es von vorne los, und ich weiß, wer da anruft, bevor ich auf das Display schaue. Das kann nur Jana sein. Katharina hätte es nicht zweimal so kurz hintereinander versucht. Sie hätte gewartet, bis ich mich zurückmelde. Jana war schon immer die ungeduldigste von uns Schwestern.

»Ich stehe noch unten am Wasser, in zehn Minuten bin ich da«, sage ich.

»Okay, aber nicht trödeln, weil du irgendein besonders großes Stück Treibholz bergen und nach Hause schleppen musst.« Meine kleine Schwester legt eine bedeutungsvolle Pause ein. »Thea ist nämlich auch da. Und sie hat den angeblich besten Rührkuchen der Welt mitgebracht. Wenn du dich nicht beeilst, fangen wir ohne dich an und essen alles auf.«

Bei dem Gedanken an die lieben Menschen, die bei Oma auf mich warten, geht es mir sofort ein bisschen besser. »Zehn Minuten, länger brauch ich nicht.«

Ich lege auf und lasse das Handy in die Tasche meiner dicken Daunenjacke gleiten.

Große graue Schaumkronen zieren den Spülsaum, Steine und kleine Muscheln knirschen unter meinen Füßen. Ich gehe direkt am Wasser entlang, bis ich die Stelle erreiche, von der die schmale Treppe durch den Hain hinaufführt bis zum Garten meiner Oma, der hinter dem Haus liegt.

Die in die Erde eingearbeiteten Holzstufen habe ich gemeinsam mit meinen Schwestern im Sommer instand gesetzt. Das war längst überfällig gewesen, so wie viele weitere kleinere Ausbesserungsarbeiten im und am Haus. Oma hat uns allen einen gewaltigen Schrecken eingejagt, als sie vor zweieinhalb Jahren wegen eines Herzstillstandes ein paar Tage in einem künstlichen Koma lag. Und es hat uns bewusst gemacht, dass wir uns viel mehr um sie kümmern müssen. Sie ist zwar für ihre nun fünfundsiebzig Jahre sehr fit, schafft aber nicht mehr alles allein. Und das muss sie auch nicht, denn sie hat Katharina, Jana und mich.

Die Daunenjacke hält zwar Kälte und Wind hervorragend ab, aber bei Anstrengung heizt sie ordentlich auf. Ich gehe also langsam Stufe für Stufe nach oben. Gerade als ich am Gartentor ankomme, piept mein Handy und kündigt eine Nachricht an. Ich zögere einen Moment, bin jedoch zu neugierig, um sie nicht zu öffnen.

Jana hat mir ein Foto von der gedeckten Kaffeetafel geschickt, die mich gleich erwartet. In der Mitte des massiven Eichentisches zähle ich fünf verschiedene Kuchen. Meinen eigenen, den ich vor meinem Spaziergang schon bei Oma abgegeben habe, und vier weitere Backkunstwerke, die uns den Nachmittag versüßen werden. Für jede von uns einen Kuchen, denke ich schmunzelnd, das wird eine Schlemmerei. Da bemerke ich, dass Oma für sechs Personen gedeckt hat. Thea ist da, Omas Nachbarin und Freundin, das hat Jana eben schon erwähnt. Aber für wen ist der sechste Teller?

Vielleicht ist Opa Georg aus Kalifornien zurück, überlege ich, während ich durch den Garten gehe. Er ist zwar ein Mann und würde deswegen eigentlich nicht zu unserem jährlichen Ersten-Advents-Frauenkaffeeklatsch passen, aber für ihn würde ich freudig eine Ausnahme machen.

Dass meine Annahme falsch ist, stelle ich nur wenig später fest, als ich gegen die Terrassentür klopfe. Der ominöse Gast ist Omas Schwester, die winkend durch das Wohnzimmer herüberläuft und mich reinlässt.

»Pia, da bist du ja.«

»Hallo, Erika. Schön, dass du auch hier bist.« Ich drücke sie und deute mit dem Kopf auf den Tisch. »Wo sind sie denn alle?«

Erika lacht. »Wo schon? In der Küche natürlich. Deine Schwestern hocken vor dem Ofen und passen auf, dass die Haselnüsse beim Karamellisieren nicht verbrennen. Meine Schwester schlägt Sahne. Und Thea unterhält alle mit dem neuesten Tratsch der Insel.«

»Kommt mir irgendwie bekannt vor.«

»Ja, ist das nicht schön? Wie immer, wenn ihr alle zusammen seid.« Erika lächelt sanft. Sie hat einen Sohn und zwei Enkelsöhne, die sie sehr liebt, doch insgeheim hatte sie sich immer ein Mädchen gewünscht, wie sie uns mal augenzwinkernd erzählt hat. »Ich sag Bescheid, dass du da bist.«

»Ach was, ich komm direkt mit«, erwidere ich, doch Erika ist bereits auf dem Weg in die Küche.

Hier drinnen ist es muckelig warm. Im alten Kamin prasselt das Feuer, und es duftet nach harzigen Wacholderzweigen, die darin knisternd verbrennen. Ich stelle meinen Rucksack auf den Boden, ziehe Stiefel und Jacke aus, gehe ein paar Schritte durch das Wohnzimmer und halte meine Hände ganz nah an die türkisfarbenen Kaminkacheln, die schon über siebzig Jahre alt sind.

Da höre ich das Lachen meiner Schwestern und schließlich Jana rufen: »Karamellisieren im Backofen funktioniert, Pia! Komm mal gucken.«

Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. »Ja, gleich!«, rufe ich zurück. Erst einmal muss ich mich wenigstens für einen klitzekleinen Moment aufwärmen und den unbeschreiblich schönen Ausblick genießen, den man von hier hat.

Ich gehe zum Fenster, bringe mit meinen Fingern sanft das Windspiel zum Klingen, das vom Fenstersturz baumelt. Dann lasse ich meinen Blick zwischen den kahlen Buchen hindurch bis zum Meer schweifen, das heute stürmischer als sonst im steten Rhythmus auf das Ufer zurollt und sich wieder zurückzieht. Auch wenn ich es bei geschlossenem Fenster nicht hören kann, habe ich noch immer das beinahe musikalische Klickern der Steine in den Ohren, die in der Brandung tanzen.

Es dauert nicht lang, da höre ich Schritte und ein weiches »Pia …«. Katharina ist ins Wohnzimmer gekommen.

Ich drehe mich zu ihr um. »Hey.«

Schon steht sie neben mir und streicht mit der Hand über meinen Rücken. »Und, hat Paul sich gemeldet?«

»Ich habe ihn darum gebeten, es bleiben zu lassen. Diesmal hält er sich daran. Wir kommen sonst nie voneinander los.«

Meine Schwester legt ihren Arm um mich. »Sehr schlimm?«

»Ja.« Ich deute mit dem Kopf in Richtung des Fensters. »Weißt du, was verrückt ist? Wenn ich Paul von hier aus mit dem Boot auf Juist besuchen wollen würde, müsste ich einmal um Dänemark segeln.«

Warum musste ich mich auch ausgerechnet in einen...



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