E-Book, Deutsch, Band 328, 100 Seiten
Reihe: Die großen Western
Barner Kalter Stahl - Heißes Blut
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-98757-613-3
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die großen Western 328
E-Book, Deutsch, Band 328, 100 Seiten
Reihe: Die großen Western
ISBN: 978-3-98757-613-3
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Er ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde quasi als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Sein überragendes Werk beläuft sich auf 764 im Martin Kelter Verlag erschienene Titel. Seine Leser schwärmen von Romanen wie Torlans letzter Ritt, Sturm über Montana und ganz besonders Revolver-Jane. Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. So unterschiedliche Romanreihen wie U. S. Marines und Dominique, beide von ihm allein geschrieben, beweisen die Vielseitigkeit dieses großen, ungewöhnlichen Schriftstellers.
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Der Mann war tot. Er lag unterhalb des Steilhanges auf dem Rücken zwischen mehreren größeren Felsbrocken. Seine Jacke war aufgerissen worden, selbst sein Hemd hatte man aus der Hose gezerrt. Und sein Gesicht war ein einziger Blutfleck.
»Hinterkopf«, sagte Bolton im Tonfall eines Mannes, der einmal Sanitäter gewesen war und sich seitdem einbildete, von Medizin mehr als ein Doc zu verstehen. »Genau in den Hinterkopf, wette ich. Das arme Schwein!«
Kelley wurde schlecht. Er hatte einen Logenplatz. Jedenfalls bezeichnete Bolton den Platz auf dem Sitz der Stagecoach als Logenplatz, weil man von oben alles besonders prächtig sah. Und darum sah Kelley auch den Mann so gut, wenn auch nicht vollständig.
Endlich sah Kelley zur Seite. Sein nächster Blick fiel auf das Maultier und den Packsattel. Der schwere Leinentuchpacken war aufgerissen worden. Am Boden lagen ein paar Hemden, Wollsocken, ein Paar Schaftstiefel und eine Zeitung. Das Handwerkszeug war verrutscht. Die Spitzhacke, der Fäustel, der Steinmeißel und die Schaufel hingen schief vom Packsattel herunter.
»Ein Schuß nur«, sagte Bolton, der immer alles besser wußte. »Ein Gewehrschuß. Der Kerl hat alles durchwühlt und das arme Schwein ausgeraubt, bis auf das Hemd, Sauerei.«
Der Mann lag da, die Fliegen summten, Kelley war schlecht – und auf den Bauch des Toten schien die Sonne.
»Halt an«, knurrte Gibbons in diesem Moment aus der Kutsche. Bolton war langsam gefahren, weniger als Schrittempo, und die drei Mann in der Transportkutsche hatten sofort ihre Gewehre hochgenommen. »Halt mal an, Bolton!«
»In Ordnung«, erwiderte Bolton. »Aber wozu? Der arme Sack ist tot, dem kannst du doch nicht mehr helfen, Gibbons.«
»Das sehe ich selbst«, murrte Gibbons. Er sprach nie wie ein normaler Mensch, er knurrte nur Befehle, und er litt auch an Einbildung wie Bolton, denn er hatte sieben Mann unter sich. »Diggans, steig aus und sichere nach rechts.«
Diggans, ein hagerer Mann mit einem hervortretenden Adamsapfel, schwieg manchmal zwei Tage. Er war klapperdürr, fraß jedoch für sieben Mann, wenn man ihn ließ, nahm aber nicht zu. Es war, als versackten seine gewaltigen Freßportionen in einen klaftertiefen Brunnen.
»Da ist nichts«, sagte Diggans mürrisch. Er hatte Hunger und seit ei-
ner Stunde nichts mehr gegessen. »Sieht doch ein Blinder, daß da nichts ist.«
»Du sollst sichern«, fauchte Gibbons. »Raus mit dir, halte die Felsen im Auge.«
»Da kann gar nichts sein, Floyd«, meldete sich Van Delft mit seiner mickrigen Stimme. »Ist doch klar, was passiert ist, oder? Der arme Hund ist von Westen gekommen und an den Felsen dort vorn vorbeigeritten. Hinter den Felsen hat jemand gehalten und ihn angerufen. Und als der arme Hund da unten nicht hielt, hat der Kerl geschossen und ihn in den Hinterkopf getroffen. Der arme Hund fiel aus dem Sattel seines Gaules den Hang herunter.«
»Und wo ist der Gaul?« fragte Gibbons auf seine rauhe Weise. »Wie, sieht jemand den Gaul? Bolton, mach die Augen auf, du siehst und weißt doch sonst alles!«
Boltan hatte die Leinen festgebunden und das Gewehr in der Faust. Er stand auf und sah sich um. Sein Blick fiel auf das Stück Sandfläche neben den Felstrümmern da unten, und er sah zwei Pferdespuren.
»Der Kerl hat den Gaul mitgenommen, verdammt«, stellte er fest. »Ich seh die Hufeindrücke. Er ist nach Süden abgetrailt, der Strolch.«
»Aha«, antwortete Gibbons, als wäre er jetzt klüger. »Das habe ich mir gleich gedacht. Diggans, was machst du?«
Diggans sicherte, starrte Löcher in die Luft und verzog die Lippen seiner gewaltigen Futterluke verächtlich.
»Nichts.«
»Geh zu den Felsen und sieh hinter ihnen nach, Diggans.«
»Warum?« fragte Diggans noch mürrischer als vorher.
»Du verdammter Freßsack«, fluchte Gibbons, »weil dort jemand sein könnte.«
»Ist niemand«, sagte Diggans, zu faul, um ein Wort mehr zu sagen.
»Gehst du jetzt?«
Diggans gab ihm keine Antwort. Er ging los, legte die dreißig Schritt bis zu den Felsen zurück, verschwand hinter ihnen und tauchte wieder auf.
»Nichts!«
Über sein hageres Gesicht huschte ein spöttisches Lächeln. Gibbons sah es und biß sich auf die Lippen. Neben Gibbons grinste Van Delft unverschämt.
»Du bist auch dreimalklug, was?« fauchte Gibbons giftig. »Ich habe die Verantwortung, oder?«
»Die hast du«, bestätigte Van Delft. Er war klein, mager, säbelbeinig und hatte abstehende Ohren, mit denen er sogar wackeln konnte. Manche Leute nannten ihn einen Gift-zwerg, aber nie so, daß er es hören konnte. Van Delft hatte für seine Kleinheit mächtig lange Arme. Vielleicht war er darum so schnell mit dem Colt. Er pügelte sich niemals, er ließ sich auf keine Schlägerei ein und erledigte seinen Ärger immer mit dem Colt.
Diggans war in Wirklichkeit weder schläfrig noch faul. Wenn er sich auch mit der Langsamkeit eines Mannes bewegte, dessen verhungert wirkendes Knochengestell Ähnlichkeit mit einem Gerippe besaß, das bei einer zu heftigen Bewegung auseinanderfallen könnte – Diggans war mit dem Gewehr nicht zu schlagen. Er konnte im Bruchteil einer Sekunde seine Schläfrigkeit abwerfen, um dann zu dem zu werden, was er wirklich war: ein eiskalter Revolvermann.
Nicht anders war es mit Floyd Gibbons. Der Mann wirkte auf die ersten drei Blicke gemütlich, dick, zufrieden und satt. Man konnte ihn für einen Handelsvertreter halten, der gern ein Mädchen in sie rückwärtigen Rundungen kniff, gutes Essen liebte und gern in eine Flasche oder ein Bierglas sah.
In Wirklichkeit hatte Gibbons elf Männer getötet, und sein treuherziger Blick aus blauen Augen konnte in Sekundenschnelle kalt wie Gletscher-eis werden.
»Ja, die habe ich«, sagte Gibbons finster. »Das ist eine Scheißhitze – das ist ein Scheißtag!«
Er hatte manchmal derartige Stim- mungen, wenn er schwitzte. Und er schwitzte jetzt.
»Ich wette, der da unten war mal Prospektor«, sagte Bolton nasal. »Er muß was in seinen Sachen gehabt haben, das der gemeine Hundesohn, der ihm eine Kugel in den Hinterkopf blies, haben wollte. He, hast du was, Kelley?«
Kelley würgte laut, schüttelte aber den Kopf. Er hatte gar nicht fahren sollen, aber Boltons Partner Nat Fleisher war krank geworden, und so hatten sie ihn bestimmt, obgleich er sonst nur Fracht fuhr.
»Was du nicht alles weißt?« wunderte sich Gibbons. Er mußte seine Wut an jemand auslassen, weil er zu genau wußte, daß Diggans und Van Delft ihn für übertrieben vorsichtig hielten und sich über ihn lustig machten. »Du hörst noch mal die Flöhe husten, du Idiot! Ich sehe mal nach, verstanden?«
Diggans legte seinen Totenschädel schief und blinzelte. Ein Zeichen, daß er nicht dafür war, mit einem Toten die Zeit zu vergeuden. Van Delft räusperte sich, um dann mit seiner Fistelstimme zu krächzen:
»Das ist gegen die Vorschrift, Floyd!«
Floyd Gibbons holte tief Luft, starrte Van Delft finster an und knurrte:
»Scheißvorschrift, Scheißkerl!«
»Wer?« fragte Van Delft und schwenkte sein Gewehr wie absichtslos, bis die Mündung auf Gibbons’ Bauch zeigte.
»Du«, sagte Gibbons. »Wer sonst?«
»Das dachte ich schon«, antwortete Van Delft. »Frag mich nicht, was du bist.«
»Dein Boß.«
»Ehrlich?« höhnte Van Delft.
»Du größenwahnsinniger Schweißfußindianer.«
»Du mickriger Gartenzwerg.«
Gibbons kümmerte sich nicht um das Gewehr Van Delfts und stieg aus. Es gab Tage, an denen Gibbons und Van Delft sich gegenseitig unausgesetzt beschimpften. Von keinem anderen Mann hätte sich Van Delft einen Gartenzwerg nennen lassen, Gibbons erlaubte er das, weil sie sich meist ohne viel Worte verstanden und jeder die Härte und Schnelligkeit des anderen respektierte. Sie wußten, daß sie sich brauchten, aber sie hatten ihren Spaß daran, so zu tun, als wären sie sich spinnefeind.
Gibbons verließ die Stagecoach. Es gab die Vorschrift, die Kutsche niemals zu verlassen und sich um nichts zu kümmern, was jenseits oder diesseits der Route geschah, die sie zu fahren hatten.
Der Mann unten war jedoch so tot, daß er harmloser als ein Kiesel war, über den Gibbons hätte stolpern können. Gibbons lockerte seinen Colt, ehe er den Hang herabstieg, sah sich noch einmal nach Bolton um und erkannte, wie schlecht es Kelley geworden war.
»Wenn dir schlecht ist, dann kotz dich aus«, sagte er zu dem jungen Verlegenheitsfahrer. »Dir ist doch schlecht?«
Kelley war den rauhen Frachtfahrerton gewohnt, so rauh aber hatte er sich diese Männer nicht vorgestellt. Er zuckte zusammen und biß die Zähne aufeinander.
Gibbons hatte den Toten erreicht. Er blieb stehen, sah auf ihn hinunter und fühlte sich irgendwie unbehaglich.
»Was ist?« fragte Bolton von oben.
»Nichts, er ist mausetot«, knurrte. Gibbons. »Er muß was im Rockfutter eingenäht haben, der Hundesohn hat ihm das Futter herausgerissen und…«
Als er abrupt schwieg, beugte sich Bolton vor und reckte den Hals.
»Ist was, Floyd?«
»Eine silberne Taschenzwiebel«, erwiderte Gibbons. Die Uhr lag zerschmettert an dem einen Stein, die Feder sah spiralförmig aus dem Gehäuse, Glassplitter lagen herum, und Gibbons bückte sich, um zu sehen, um welche Zeit die Uhr stehengeblieben war, denn das Zifferblatt schien nichts abbekommen zu haben. »Das muß ein Strolch gewesen sein. Er hat die Uhr am Stein zerschmissen, der Satansbraten. Man sollte diese Kerle…«
Er hatte sich gebückt, nahm die Uhr auf und sagte dann kein Wort mehr.
Als er sich bückte, verdeckte er Bolton die Sicht...