Barbujani | Die Erfindung der Rassen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Barbujani Die Erfindung der Rassen

Wissenschaft gegen Rassismus
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96428-104-3
Verlag: Verlagshaus Jacoby & Stuart
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wissenschaft gegen Rassismus

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-96428-104-3
Verlag: Verlagshaus Jacoby & Stuart
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Menschheit in Rassen einzuteilen, war eine Obsession der Wissenschaft im 19. Jahrhundert, die im frühen 20. Jahrhundert zu einer mächtigen Bewegung wurde: Politiker, die ihren Anhängern versprachen, dass sie einer höheren Rasse angehörten, hatten allzu oft Erfolg damit. Die Folgen der Rassenideologie waren schrecklich. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts hat die biologische Wissenschaft in ihrer modernsten Form, der Genetik, allen Rassentheorien endgültig den Boden unter den Füßen entzogen, doch immer wieder versuchen Vorkämpfer der Überlegenheit der 'weißen Rasse' - auch mit scheinbar wissenschaftlichen Argumenten -, rassistische Vorurteile zu schüren. Der prominente Genetiker Guido Barbujani zeigt in diesem Buch, wie mit den Mitteln der Vernunft gegen den tiefverwurzelten rassistischen Unfug argumentiert werden kann.

Guido Barbujani, geb. 1955 in Adria, ist ein renommierter italienischer Populationsgenetiker, der die bahnbrechende Arbeit von Luigi Cavalli-Sforza fortsetzt. Er hat für die State University of New York sowie Universitäten in Padua und Bologna gearbeitet und lehrt seit 1996 an der Universität von Ferrara. Er hat bereits mehrere populärwissenschaftliche Bücher veröffentlicht.
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Inhalt

Vorwort zur deutschsprachigen Ausgabe

1. Kapitel
Grenzziehungen
Worin wir uns fragen, ob es Menschenrassen gibt und was sie sein sollen

2. Kapitel
Menschenarten
Worin nachgewiesen wird, dass es nur eine einzige lebende menschliche Spezies gibt, wir aber Bekanntschaft mit verschiedenen ausgestorbenen
Menschenarten machen

3. Kapitel
Von der Schöpfung zum Humangenomprojekt
Worin wir im Schweinsgalopp durch die Geschichte der Evolutionsbiologie und Genetik eilen

4. Kapitel
Wovon wir reden, wenn wir von Rassen reden
Worin wir überlegen, was eine Rasse sein soll

5. Kapitel
Menschenkataloge
Worin wir feststellen, dass es nicht nur einen Katalog der Menschenrassen gibt, sondern viele, sogar sehr viele

6. Kapitel
Was uns die Gene sagen
Worin festgestellt wird, dass es in den Genen keine Rassen gibt

7. Kapitel
Modelle
Worin von drei Theorien zur Evolution der Menschheit die Rede ist

8. Kapitel
Was die Gene uns noch sagen
Worin endlich die DNA die Bühne betritt

9. Kapitel
Warum wir uns nur als Afrikaner bezeichnen können
Worin wir uns davon überzeugen, dass Afrika kein Kontinent ist wie alle anderen, und alte Knochen dabei helfen, alte Vorurteile zu widerlegen

10. Kapitel
Einer stand Schmiere
Worin wir Zeugen mehrerer Versuche werden, die Rassenidee wiederzubeleben

11. Kapitel
"Aber wenn die Neger so wären wie ich, würde ma n
sie doch Weisse nennen"
Worin wir uns mit dem gesunden Menschenverstand auseinandersetzen müssen

12. Kapitel
Wir sind alle verwandt und alle verschieden
Worin wir uns für die nächsten Folgen verabreden

Danksagung

Kleines Glossar


VORWORT
ZUR DEUTSCHSPRACHIGEN AUSGABE


Als 2006 die erste Ausgabe dieses Buches herauskam, war das Humangenomprojekt gerade abgeschlossen – was mit großem Pomp gefeiert wurde: Pressekonferenz im Weißen Haus, eröffnet von Präsident Bill Clinton, der britische Premierminister Tony Blair über Satellit zugeschaltet, und die Botschafter des Vereinigten Königreichs, Japans, Deutschlands und Frankreichs in Fleisch und Blut zugegen. Nach dreizehn Jahren Arbeit und 2,7 Milliarden ausgegebenen US-Dollars hatte ein Konsortium von 2800 Wissenschaftlern es geschafft, zum ersten Mal ein Genom, das heißt, die gesamte DNA eines Menschen, auszulesen. Genau genommen kein komplettes Genom, sondern nur 92 %. Doch auch so war das ein so gewaltiger Schritt nach vorne, dass jemand in der ersten Begeisterung mit der Erfindung des Rads verglich. »Früher dachten wir, unser Schicksal stehe in den Sternen. Jetzt wissen wir, dass unser Schicksal zum großen Teil in den Genen liegt«, erklärte etwas übertrieben – wie er das manchmal macht – der Medizinnobelpreisträger James Watson. Doch gut. Jetzt lag der Text, in dem laut Watson das Schicksal geschrieben steht, offen vor aller Augen und war gelesen worden.

Kurz, als erschien, kannten wir nur ein einziges menschliches Genom, inkomplett und mit einer ganzen Reihe von Fehlern, die mit den Jahren korrigiert werden sollten. Vor allem war es aber nur ein einziges, doch erst, wenn wir viele Menschen miteinander vergleichen, können wir versuchen zu verstehen, welche DNA-Fehler Diabetes, Krebs, Bluthochdruck, Parkinson, Alzheimer und so weiter verursachen. In den zwölf Jahren seitdem hat es einen verblüffenden technischen Fortschritt gegeben. Heute gibt es mehrere Tausend ausgelesene (der Terminus technicus ist »sequenzierte«) Genome, und viele davon sind veröffentlicht, zugänglich für jeden, der sie für wissenschaftliche Zwecke nutzen möchte. Die Zahl der Fehler beim Auslesen ist sehr zurückgegangen, die Kosten noch stärker: Es geht nicht mehr um Milliarden, sondern um weniger als eintausend Euro, und es sind nicht Heerscharen von Wissenschaftlern dabei am Werk, sondern inzwischen genügt ein einziger Techniker; und wenn man ein paar Wochen auf die Resultate warten muss, liegt dies nicht an der enormen Zahl nötiger chemischer Reaktionen und bioinformatischer Analysen, sondern daran, dass die gewaltigen Maschinerien, die die DNA auslesen, rund um die Uhr ausgelastet sind, sodass man schon ein wenig Schlange stehen muss. Kaum jemand hat vorausgesehen, wie schnell es gelingen würde, diese astromischen Zahlen von Daten zu produzieren.

Diese Wissensexplosion hat die Wissenschaft, mit der ich mich beschäftige, die Genetik, verändert. Für mehr als ein Jahrhundert mussten sich die Genetiker mit ganz wenigen Daten begnügen und haben, angefangen mit Gregor Mendel, ausgeklügelte Methoden und Kalküle entwickelt, um überhaupt etwas zu verstehen. Und plötzlich finden wir uns inmitten einer Orgie von DNA-Sequenzen wieder und haben gar nicht die Zeit, sie gründlich zu untersuchen, weil jede Woche neue publik werden. Ich habe ausgerechnet, dass in einer einzigen Ausgabe der Zeitschrift , der von März 2015, das isländische Team von Kári Stefánsson mehr genetische Daten publiziert hat als die Wissenschaftlergemeinde der ganzen Welt von Mendel bis zum Juni 2000. Das ist etwas über den Daumen gepeilt, doch wenn ich mich geirrt habe, dann nur um ein Weniges.

Heute versuchen wir Genetiker, uns in diesem Überfluss von Informationen zu orientieren, doch dieser ist auch ein Labyrinth, in dem wir hin- und hergerissen sind zwischen dem erregenden Gefühl, uns in einer Ausnahmesituation zu befinden (wegen der neuen Fragen, auf die wir versuchen können, Antworten zu geben), und einem Gefühl der Übersättigung (weil wir nicht die Zeit haben, alles Neue zu verdauen). Es ist noch zu früh, eine Bilanz zu ziehen. Ich würde aber sagen, dass einerseits Watsons Voraussagen sich nicht bewahrheitet haben: Heute kennen wir zwar seine gesamte DNA (ja, Watsons Genom, das 2008 sequenziert worden ist), doch wir sind nicht in der Lage, daraus auf sein Gewicht und seine Größe zu schließen, ganz zu schweigen von viel komplizierteren Dingen wie seinem Blutdruck, seinem Infarktrisiko oder – was das Komplizierteste ist – seine Intelligenz (für die es im Übrigen keine befriedigende Definition gibt).

Aber ich möchte andererseits auch nicht zu pessimistisch erscheinen. Genome lesen zu können, erst eines und dann viele weitere, ist und bleibt eine unverzichtbare Methode, um viele grundlegende Fragen der Biologie beantworten zu können. Zweifellos haben wir die Schwierigkeiten unterschätzt, und der eine oder die andere hat sich vorgemacht, die Interpretation der Daten könne leicht sein; doch jetzt wissen wir wenigstens, dass Genome allein nicht genügen und dass wir ordentlich nachdenken müssen, um etwas zu verstehen. Wir sind auf dem rechten Weg, aber wir haben noch nicht einmal die Hälfte der Strecke hinter uns.

Im Augenblick also verfügen wir über eine gigantische Fotografie – vielleicht wäre Mosaik die richtige Metapher – der genetischen Differenzen, die jeden von uns gegenüber seinen Mitmenschen zu einem anderen machen. Auch wenn es noch nicht die spektakulären Fortschritte in der Diagnose und der Verhütung von Krankheiten gibt, die sich manch einer erhofft hat, können wir viele andere Dinge mit einer Genauigkeit untersuchen, die vor zwölf Jahren noch unvorstellbar war: wie die Körperzellen funktionieren, wie sehr wir uns genetisch voneinander unterscheiden und durch welche Ereignisse diese Differenzen sich akkumuliert haben.

Vor Kurzem kam die Nachricht, dass man im Leipziger Max-Planck-Institut die DNA von Neandertalern in Nervenstammzellen einpflanzt, um herauszufinden, inwiefern die Entwicklung und das Funktionieren des Neandertaler-Gehirns von dem unseren abwich (, 11.5.2018). Für jemanden, der sich mit der Evolution beschäftigt, war das Manna vom Himmel und für einen, der Bücher über die menschliche Diversität schreibt, eine eindeutige Aufforderung, zu bleiben.

Das heißt, mit zwölf Jahren Abstand haben sich mehrere Teile dieses Buchs als veraltet erwiesen oder mussten entstaubt werden. Anfangs war ich etwas besorgt; nicht nur wegen der enormen Menge von Material, aus dem es auszuwählen galt und das sich oft nur schwer darstellen lässt, weil es technisch kompliziert ist. Vor allem aber war mir nicht klar, wie weit sich die Grundstruktur des Buchs erhalten ließe, die mir aus irgendeinem Grunde noch immer gut gefiel. Doch je weiter ich vorankam, desto deutlicher wurde mir, dass all diese Fortschritte nichts Wesentliches verändert hatten.

Im Großen und Ganzen können wir nur mit größerer Präzision vieles bestätigen, das wir bereits verstanden hatten. Es sind noch wichtige neue und zuweilen verblüffende Einzelheiten aufgetaucht (wer hätte zum Beispiel gedacht, dass die Europäer bis vor 7000 Jahren dunkelhäutig waren? Davon ist auf Seite 161 die Rede), und diese Einzelheiten haben sich in das Bild eingefügt, das in seinen Grundlinien jedoch dasselbe geblieben ist. Um es kurzzumachen: Es ist immer offensichtlicher geworden, dass der Begriff »Rasse« unnütz und schädlich ist, wenn wir die biologischen Grundlagen unserer Unterschiede verstehen wollen, denn die Menschheit besteht nicht aus biologisch unterschiedlichen Gruppen, wie wir sie bei anderen Arten als Rassen bezeichnen.

Erst als wir mit den unsinnigen Versuchen von Klassifikation nach Rassen aufgehört haben, konnten wir unsere Forschung auf das konzentrieren, was wirklich zählt – die Unterschiede zwischen Individuen und Populationen. Dabei setzen Letztere sich aus vielen Menschen mit unterschiedlicher DNA zusammen, die von immer wieder anderen Vorfahren auf uns gekommen ist.

Heute können wir in der DNA die Spuren der Wanderungen und des Austauschs nachverfolgen, die unser Genom im Laufe der Jahrtausende immer wieder neu gemischt haben und ihm das bunte Harlekinkostüm verliehen haben, das wir heute vor Augen haben. Ich musste keine der Kernaussagen des Buches ändern, wenngleich ich gemerkt habe, dass ich bei bestimmten Themen allzu sehr vereinfacht hatte (ich habe jetzt versucht, Abhilfe zu schaffen). Im Übrigen konnten wir vor zwölf Jahren vielfach nur Vermutungen anstellen, während wir heute präzise Nachweise führen können (was zu tun ich mich bemüht habe).

Doch als die erste Fassung dieses Buchs erschien, hoffte ich noch in frommer Einfalt, dass die Idee der Rasse in den kommenden Jahren in der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung immer unwichtiger würde. Ich behaupte nicht, dass ich rationale Gründe dafür hatte, doch ich hielt es für selbstverständlich. Ich habe mich geirrt, und heute muss ich mich fragen, warum, was der Grund für das ist, woran mich immer wieder mal jemand mit skeptischem Grinsen erinnert: Wieso gibt es eigentlich einen so großen Unterschied zwischen dem, was du über Rasse sagst, und dem, was die Leute...


Guido Barbujani, geb. 1955 in Adria, ist ein renommierter italienischer Populationsgenetiker, der die bahnbrechende Arbeit von Luigi Cavalli-Sforza fortsetzt. Er hat für die State University of New York sowie Universitäten in Padua und Bologna gearbeitet und lehrt seit 1996 an der Universität von Ferrara. Er hat bereits mehrere populärwissenschaftliche Bücher veröffentlicht.



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