E-Book, Deutsch, Band 2, 400 Seiten
Reihe: Iron Flowers
Banghart Iron Flowers 2 – Die Kriegerinnen
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7336-5081-0
Verlag: FISCHER Sauerländer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 400 Seiten
Reihe: Iron Flowers
ISBN: 978-3-7336-5081-0
Verlag: FISCHER Sauerländer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Als bekennender Fan der Serie »The 100« hat Tracy Banghart mit ihren E-Book-Serien »Rebel Wings« und »By Blood« irgendwann angefangen, selbst Stoffe mit starken Frauenfiguren zu erschaffen und so eine große Fangemeinde gewonnen. Sie wuchs in Maryland, USA auf, studierte in England Buchwissenschaften und lebt heute auf Hawaii.
Weitere Infos & Material
1 Serina
Mit jedem Atemzug schoss ein scharfer Schmerz durch Serina Tessaros gebrochene Rippe. Der kaum verheilte Schnitt an ihrem Arm brannte, die Schusswunde in ihrer Schulter pochte, und die Blutergüsse, die Kommandant Riccis Fäuste in seiner rasenden Wut hinterlassen hatten, taten immer noch weh. Genau genommen war es schwierig, eine Stelle zu finden, wo die Schmerzen heiß und hungrig an ihr zehrten.
Doch die größte Qual bereitete ihr die Erinnerung an Jacanas leblosen Körper, an Oracles blicklose Augen und an die unzähligen Frauen, die in der Schlacht mutig gekämpft und doch ihr Leben verloren hatten.
Sie hätte wissen müssen, dass Überleben hier auf dem Berg des Verderbens Schmerz bedeutete.
Schon seit sie diese Insel betreten hatte, seit sie in Ketten hierher geschleppt worden war, weil sie angeblich lesen konnte – ein Verbrechen, das ihre Schwester begangen hatte, nicht sie selbst –, war sie davon umgeben gewesen. Der Schmerz, den ihr die Eisenfesseln an ihren Handgelenken zufügten und den sie im Klagen ihrer Mitgefangenen hörte. Der Schmerz, den es ihr bereitete, sich vor Kommandant Ricci ausziehen und von ihm untersuchen lassen zu müssen. Und dann war da auch noch das unerträgliche Leid, das die Kämpfe mit sich gebracht hatten – zusehen zu müssen, wie sich die Frauen im Kampf um Rationen gegenseitig umbrachten. Zusehen zu müssen, wie ihre Freundin Petrel starb. Als Serina an der Reihe gewesen war zu kämpfen, war ihr klargeworden, dass sie dazu nicht imstande war. Sie hatte sich lieber ergeben, als Anika, ein Mädchen aus dem Hotel Misery, zu töten. Und auch für diese Entscheidung hatte sie mit Schmerz bezahlt. Verbannung, Angriffe und letztendlich gestern Abend Kommandant Riccis Rache. Er hatte sie gefangen genommen, auf die Bühne gezerrt und sie dann vor die Wahl gestellt, gegen welche der Frauen sie kämpfen würde.
Als Serina ihm die Stirn geboten und sich geweigert hatte, gegen irgendeine der Frauen zu kämpfen, als sie stattdessen herausgefordert hatte, gegen sie zu kämpfen, war sie fest davon ausgegangen, dass sie sterben würde.
Niemals hätte sie mit einer Rebellion gerechnet.
Doch Slash und die ganze Crew vom Hotel Misery hatten die Wachen angegriffen, Oracle und Ember hatten sich auf Kommandant Ricci gestürzt, und Serina hatte – im Gegensatz zu so vielen anderen – irgendwie die Nacht überlebt.
Jeder schmerzhafte Atemzug war ein Geschenk, das Oracle, Slash und all die anderen Frauen ihr gemacht hatten, indem sie die Wachen bekämpften statt einander. Während Serina das Blut vom Boden des Amphitheaters wischte, schwor sie sich eins: Sie würde nicht zulassen, dass sie umsonst gestorben waren. Und sie würde auch jene, die überlebt hatten, nicht enttäuschen.
Die ersten Sonnenstrahlen tanzten über die Insel wie Graces in goldenen Kleidern und sprenkelten jedes Blatt und jeden schroffen Felsen mit zarten Lichtmustern, während Serina und ihre Kameradinnen noch hart daran arbeiteten, jeden Hinweis auf das Gemetzel letzte Nacht zu tilgen. Die Leichen waren alle fort – die gefallenen Kriegerinnen waren dem Feuer des Vulkans und die Wachen den kalten Tiefen des Ozeans übergeben worden. Bald würden auch alle Blutspuren beseitigt sein.
Serina unterdrückte ein Stöhnen und richtete sich vorsichtig auf. Sonnenlicht wärmte ihr Gesicht. Neben ihr hievte Cliff einen Eimer mit rotgefärbtem Wasser hoch. Ihre breite, sonnengegerbte Stirn furchte sich – ob vor Konzentration oder Erschöpfung, konnte Serina nicht sagen. Die ältere Frau kümmerte sich um die Neulinge der Höhlencrew und war neben Oracle eine der Ersten, die Serina auf der Insel kennengelernt hatte.
Serina stockte der Atem. Sie erinnerte sich noch genau an jene Nacht – wie verängstigt sie gewesen war, schon bevor der Kampf losging und die Frauen sich gegenseitig umbrachten, um die Rationen für ihre Crew zu gewinnen. Wie allein sie sich gefühlt und wie sehr sie ihre Schwester vermisst hatte.
Daran hatte sich nichts geändert. Von Nomi getrennt zu sein schmerzte Serina noch viel mehr – und viel tiefer im Innern – als jede gebrochene Rippe oder Schussverletzung.
Cliff trug den Eimer zum Rand des halbzerstörten steinernen Amphitheaters, wo das gelbe Gras, die einzige Vegetation hier auf dem Berg des Verderbens, im Wind wogte. Eine andere Frau, gebeugt und sichtlich erschöpft von der Arbeit, sammelte die Stofffetzen auf, mit denen sie das Blut von den Steinen geschrubbt hatten. Serina wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
Serina brauchte einen Plan. Ihre Schwester saß in Bellaqua fest als eine der drei Graces des Thronerben. Vor gar nicht langer Zeit hatte sich Serina genau das gewünscht, was Nomi nun vergönnt war – ein Leben, erfüllt von Luxus und Schönheit, an der Seite des mächtigsten Mannes von ganz Viridia –, doch für ihre Schwester war dieses Leben ein ebenso schreckliches Gefängnis wie der Berg des Verderbens für sie. Und Serina war fest entschlossen, Nomi zu befreien.
Anika und Val erschienen am oberen Rand des Amphitheaters, mit einem rostigen Karren, auf dem sich einige Jutesäcke türmten; die Rationen, die Kommandant Ricci gehortet hatte. Als sie die Beute den Gang hinunter auf sie zuschoben, bildeten die Frauen hinter ihnen eine lange Schlange, vorbei an dem Vulkangestein, das sich über einen Bereich der Steinbänke ergossen hatte. Noch mehr kamen aus dem unteren Teil des Theaters herbei, wo eine Handvoll Frauen an der Mauer des Wachturms gelehnt hatte. Serina schätzte, dass noch etwa hundertfünfzig Frauen übrig und am Leben waren, vielleicht ein Dutzend mehr oder weniger. Und sie alle starrten die Jutesäcke hungrig an.
Val und Anika blieben stehen, als sie das Podest unten im Amphitheater erreichten.
Vals widerspenstige braune Haare kräuselten sich in alle Richtungen um sein braungebranntes Gesicht. Auf seinem Kiefer prangte ein dunkler Bluterguss, und sein Hals war mit Dreck beschmiert. Serina strahlte ihn dankbar an. Er hatte die Möglichkeit gehabt zu fliehen, sie zurückzulassen. Doch er hatte es nicht getan. Er war geblieben und hatte ihnen geholfen. Als er bemerkte, wie sie ihn ansah, entspannte er sich, und auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln.
»Wie sollen wir die zusätzlichen Rationen verteilen?«, fragte Anika. Das Sonnenlicht überzog ihre tiefbraune Haut mit einem goldenen Schimmer. Ihr eines Auge war zugeschwollen, und einige Strähnen hatten sich aus ihren straffen Zöpfen gelöst, doch sie strahlte noch das gleiche Selbstvertrauen – den gleichen Widerstandswillen – aus wie von dem Moment an, als sie auf die Insel gekommen waren.
Serina hatte ein Gerücht gehört, dass die Frauen im Hotel Misery Anika hatten Shade nennen wollen, sie sich jedoch geweigert hatte, auf irgendeinen anderen Namen als Anika zu hören, weil dieser das Einzige war, was sie von ihrer Mutter je bekommen hatte.
Es war Anika, der sich Serina ergeben hatte, anstatt sie zu töten, als sie an der Reihe waren zu kämpfen. Dieser Moment hatte all das hier ins Rollen gebracht und eine Zielscheibe auf Serinas Rücken hinterlassen. Wenn Kommandant Ricci sie nicht zu einem weiteren Kampf gezwungen hätte, wäre es vielleicht nie zu diesem Aufstand gekommen.
»Das Essen wird leichter gerecht zu verteilen sein, wenn wir alle in einem Camp bleiben«, sagte Serina. »Denkst du, das Hotel Misery wäre groß genug für uns alle?« Sie hatten bereits eine Art Lazarett in einem der alten Ballsäle im ersten Stockwerk eingerichtet.
Serina wäre froh, wenn sie nie wieder auch nur eine Nacht in dem Lavatunnel verbringen müsste, den ihre Crew ihr Zuhause genannt hatte. Oracle hatten der Schwefelgestank, der vom Krater ausströmte, und die Nähe zum aktiven Teil des Vulkans offenbar nicht gestört, aber für Serina hatte es sich immer angefühlt, als würde der Fels sie niederdrücken, und sie hatte nie vergessen können, dass der Tunnel von fließender Lava ausgehöhlt worden war … was ihr vor Augen führte, dass der Vulkan jederzeit aufs Neue würde ausbrechen können.
Anika sah zu den anderen Frauen aus ihrer Crew. Nach dem Kampf, in dem Slash gefallen war, hatte Anika die Rolle der Anführerin vom Hotel Misery übernommen und ihren Kameradinnen Befehle erteilt, während sie Val half, die fünf noch lebenden Wärter in die Zellen auf dem Wachgelände zu schaffen.
Schließlich wandte sie sich wieder Serina zu und nickte. »Wir haben genug Platz.«
»Wie können wir der Crew vom Hotel Misery trauen?«, fragte jemand. »Sie werden uns alle im Schlaf umbringen.«
Serina fand den Ursprung der Stimme in der Menge – eine Frau in den Zwanzigern mit langen weißblonden Haaren und einem verkniffenen, vor Wut geröteten Gesicht.
»Wie heißt du?« Serina spannte die Muskeln in ihren Beinen an, um nicht ins Wanken zu geraten. Sie war so müde.
»Fox«, fauchte die Frau. »Ich führe die Dschungelcrew an, jetzt, wo Venom tot ist.« Ihr grimmiger Blick richtete sich auf Anika. »Dank .«
»Venom hat auch viele von uns getötet«, erwiderte jemand anderes ebenso zornig. Lautes Stimmengewirr erhob sich, so beharrlich und wütend wie ein aufgescheuchter Wespenschwarm.
»Hey!«, rief Serina und hob die Hände, um für Ruhe zu sorgen. »Die Kämpfe wurden von Kommandant Ricci angeordnet, schon vergessen? Anika hat Venom nicht freiwillig getötet. Niemand von uns hat freiwillig getötet. Wir sind keine Feinde. Wir brauchen einander. Wir werden nur überleben, wenn wir zusammenarbeiten, wie wir es letzte Nacht getan haben.«
»Du denkst, wir werden...




