Banda-Aaku / Wussow | Patchwork | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 220 Seiten

Reihe: Reihe für zeitgenössische afrikanische Literatur

Banda-Aaku / Wussow Patchwork


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-88423-467-9
Verlag: Das Wunderhorn
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 220 Seiten

Reihe: Reihe für zeitgenössische afrikanische Literatur

ISBN: 978-3-88423-467-9
Verlag: Das Wunderhorn
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Schlechter Samen« - so lautet die Stigmatisierung Pumpkins. Die uneheliche Geburt spaltet ihr Leben in zwei gegensätzliche Welten: Reichtum verkörpert der Vater Joseph Sakavungo, Unternehmer mit politischen Ambitionen; Verwahrlosung die Mutter, die an der unerfüllten Liebe zerbrach. Als 9-Jährige reagiert Pumpkin darauf mit Lügen und Verschwiegenheit. Sie ist in ständigem Staunen befangen: über menschliche Schwäche anderer wie über ihre eigene. Auch als der Vater sie zu sich holt, setzt sich das Versteckspiel fort. Sakavungos Promiskuität hinterlässt überall verbrannte Erde. Nur seine materielle Großzügigkeit und sein Schaffensdrang stiften so etwas wie Zusammenhalt. Das Schicksal dreier Generationen Frauen, ihrer Lieben und Entbehrungen, zeigt verkrustete Geschlechterrollen in einer zwischen Ambitionen und Krisenherden aufgeheizten wie lähmenden Atmosphäre im nachkolonialen Sambia. »Das ist genau das, was ich sehen will: Schriftsteller des gesamten afrikanischen Kontinents, die ihren Beitrag zu einer Bestimmung ihrer selbst leisten und uns und unsere Geschichten der Nachwelt eingravieren.« Chinua Achebe

Ellen Banda Aaku wurde 1965 in England geboren und wuchs in Sambia und anderen afrikanischen Ländern auf. Sie studierte öffentliche Verwaltung an der Universität Lusaka. Sie publizierte drei Jugendbücher und Gedichte. Mit Patchwork, ihrem ersten Buch für Erwachsene, erhielt sie 2010 den »Penguin Prize for African Writing«. Sie war 2012 auf der Shortlist des Commonwealth Writers'Prize. Ellen Banda Aaku lebt heute in London.

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1
Gestern hat Tata Ma ein Auto gekauft: einen knallroten Fiat 127 mit dem amtlichen Kennzeichen AAC 1951. Neunzehnhunderteinundfünfzig ist das Jahr, in dem sie geboren wurde. Heute Morgen springt das Auto nicht mehr an. »Nun komm schon«, Ma schlägt auf das Steuer ein, und ihre Armreifen und ihre ebenso riesigen Ohrreifen klimpern und klirren. Mwanza ist der Hausdiener von Wohnung 4, das ist die neben uns. Er steht auf dem Balkon und seine Zahnbürste ragt aus seinem Mundwinkel heraus wie eine Zigarre. Er diskutiert eifrig mit dem Hausmeister, der ist dünn wie eine Bohnenstange und sieht mit seinem kleinen Glatzkopf und seiner großen Brille aus wie ein Grashüpfer. Die beiden haben immer etwas zu diskutieren, heute sind es die Chancen eines afrikanischen Landes, die Fußballweltmeisterschaft zu gewinnen. Als sie bemerken, dass unser Auto nicht anspringt, kommen sie zu uns herüber und werfen einen Blick unter die Motorhaube. »Die Batterie ist kaputt, Madam«, sagt Mwanza. »Nicht die Batterie, der Anlasser«, sagt der Hausmeister und beginnt wortreich zu erklären, warum es nicht die Batterie sein kann. »Ist doch egal, ob es die Batterie oder der Anlasser ist. Wir müssen Madam anschieben, damit sie nicht zu spät zur Arbeit kommt.« Mwanza verstaut seine Zahnbürste in einer der Taschen seiner braunen Cordhose. »Madam, schalten Sie in den Leerlauf.« Mwanza hat die Statur eines Ringers, man sieht ihn ständig etwas essen und er stemmt Mauersteine, um Muskeln aufzubauen. Als er sich über das Auto beugt und es anschiebt, rollt es schon, bevor der Hausmeister mit anpacken kann. Ma lenkt das Auto aus der Auffahrt auf das Tor zu. Wir wohnen in Wohnung 3 im Tudu Court Komplex – zwei weiße eingeschossige Wohnblocks, die sich gegenüberstehen und von einer hohen Mauer und einem schwarzen Tor eingeschlossen werden. Beide Gebäude bestehen aus je vier Wohnungen. Vor jeder Wohnung gibt es einen Parkplatz und ein quadratisches Eckchen mit grünem Rasen, das so groß ist wie unser Wohnzimmerteppich. Nur dass unser Teppich ein tieferes Grün hat, mit gelbem Muster. Bee, das ist die Tochter des Hausmeisters, und Sonia, die wohnt in der 5, laufen mit dem Auto mit und winken mir zu. Das Auto rumpelt durch das Tor die Schotterstraße entlang und wird schließlich schneller und schneller. Ma drückt abwechselnd das Gaspedal durch oder nimmt den Fuß vom Gas, so wie Mwanza sie angewiesen hat. Die Anschieber beginnen zu laufen. »Los, los, los!«, rufen sie, während der Wagen an Geschwindigkeit zunimmt. Und als er schließlich davonzieht, trudeln sie aus, als seien sie Sprinter, die hinter der Ziellinie angekommen sind. »Ohhhhh« heult die Menge auf, als das Auto oben auf der Straße wieder stehen bleibt. Erneut drängeln sie, ihre Hände anzulegen und lachen und albern dabei herum. Sonia und Bee haben zu uns aufgeschlossen. Sie drücken ihre Nasen an das Autofenster und hauchen ihren Atem dagegen. Ich wünsche mir so, dass dieses blöde Auto endlich losfährt. Ma gibt auf; sie greift sich ihre Handtasche vom Rücksitz und steigt aus. Mwanza springt auf den Fahrersitz und drückt das Gaspedal mit seinem Fuß voll durch. Sein Atem, der nach hartgekochten Eiern riecht, überlagert den Duft von Mas Parfüm. Doch obwohl Mwanza das Gaspedal den ganzen Weg vom oberen Ende der Straße zurück zum Tudu Court energisch durchtritt, heult das Auto nur einmal kurz auf, stottert und bleibt schließlich stehen. »Pumpkin, mach das Fenster auf.« Bee stempelt ihren Handabdruck auf die Scheibe. Ich lasse mir nicht anmerken, wie peinlich mir das Ganze ist, und kurbele die Fensterscheibe herunter. »Wieso kaufen dein Tata deine Mutter ein Auto kaputt?«, flüstert Bee und entblößt dabei ihre kleinen Zähne, die wahllos in ihrem Mund zu stecken scheinen und aussehen wie einzelne Körner auf einem kleinen Maiskolben. »Hast du gestern nicht gesehen, wie gut er gefahren ist?«, entgegne ich, während ich mich nach vorn beuge und den Kopf aus dem Fenster halte. »Hast du nicht gesehen, wie ich gestern mit Ma und Tata mit dem Auto spazieren gefahren bin?« Das sage ich so laut wie möglich und hoffe, dass alle mich hören. Dann zische ich sie missbilligend durch die Zähne an. Sonia duckt sich weg, aber ich bin noch nicht fertig. »Ich gebe dir nichts von den Süßigkeiten ab, die Tata mir gestern mitgebracht hat«, sage ich. »Ich nur wollen fragen«, sagt Bee und langt in die Tasche ihrer Schuluniform. Die ist braun und hat einen knallgelben Kragen. Sie holt etwas Süßes heraus und fuchtelt damit vor mir herum. »Das sind doch nur die doofen Süßigkeiten vom Markt. Mein Vater hat mir welche aus London mitgebracht.« »Ich nur fragen, weil Auto neu. Aber kaputt.« »Du blöde Hausmeistertochter«, murmele ich vor mich hin, so, dass sie sieht, dass ich etwas gesagt habe, es aber nicht verstehen kann. »Waas?« Ich beschließe, sie zu ignorieren. Ich revanchiere mich schon noch, wenn sie am wenigsten damit rechnet. Immer stellt sie mir Fragen, die mich auf die Palme bringen, und ich weiß, dass sie das absichtlich macht. Samstag Nachmittag, als Tata zu Besuch war, fragte sie mich zum Beispiel, warum ich ihm so gar nicht ähnlich sehe. »Er schwarz wie Kohle und du hell wie Tee mit Milch«, sagte sie. Als ob alle Töchter ihren Vätern ähnelten. Selbst als ich ihr sagte, dass Tata und ich ähnlich sprächen und wir beide Linkshänder seien, meinte sie, dass das nichts beweisen würde, und fragte mich auch noch: »Wie kann erwachsener Mann sprechen wie kleines Mädchen?« Ich sagte ihr, dass Tata und ich beide lispeln. Sie verstand nicht, was Lispeln bedeutet, und ich erklärte ihr, dass Tata und ich beide beim Sprechen mit der Zunge die Zähne berühren und unsere Wörter so einen zischenden Klang bekommen. Bee fing an zu lachen und sagte, dass sie noch nie einen Erwachsenen getroffen habe, der sich beim Sprechen auf die Zunge beißt. Damit sie endlich aufhörte, behauptete ich ihr, dass sie nie einen Mann wie meinen Tata kennenlernen würde; jemanden, der so wichtig ist und so viel Geld hat. Mittlerweile ist eine heiße Diskussion darüber entbrannt, wie man das Auto endlich zum Fahren bringen könnte, doch keiner der Vorschläge hat bisher zum Erfolg geführt. »Mwanza, schieb doch das Auto einfach wieder zurück zur Wohnung. Ich komme zu spät zur Arbeit!«, ruft Ma wütend und schmeißt die Autotür zu. »Pumpkin, komm endlich, wir nehmen ein Taxi!« Sie klingt, als sei es meine Schuld, dass das Auto nicht anspringen will. Als wir zur Hauptstraße laufen, winken Bee und Sonia mir zu, doch ich ignoriere sie. Ich gehe hinter Ma her und nehme meine Füße bei jedem Schritt besonders hoch, damit meine schwarzen Schuhe und weißen Strümpfe nicht dreckig werden. Mas schwarzer Rock schwingt bei jedem Schritt hin und her. Unmittelbar über ihrer Ferse hat einer ihrer Strümpfe eine Laufmasche, aber ich entschließe mich, es ihr nicht zu sagen, denn wenn sie das sieht, müssen wir wieder umdrehen, damit sie ihre Strümpfe wechseln kann. Oder sie würde, falls sie kein neues Paar Strümpfe im Haus hat, die Laufmasche am oberen Ende mit Nagellack bestreichen, damit sie nicht weiter nach oben klettert. Als wir am oberen Ende unserer Straße ankommen biegen wir links in eine asphaltierte Straße ein, die schließlich in die Hauptverkehrsstraße des Stadtzentrums mündet. Es ist nur ein kurzer Weg, aber bevor wir dort sind, bleibt Ma im Schatten eines großen Mangobaums stehen und wischt mir mit einem Tuch den Glanz aus dem Gesicht und bittet mich dann, meine Schuhe zu putzen. Ein Mann sitzt auf einer leeren Kiste, legt seine Zeitung weg und beobachtet Ma von der Seite. Er fährt sich über die Lippen. »Hallo Süße«, sagt er, als Ma sich zurechtmacht. Sie wirft ihm einen Blick zu, der ihn gleich wieder zu seiner Zeitung greifen lässt. Wir gehen an einer Frau vorbei, auf deren Rücken auf halber Höhe ein Baby hängt. Sie ist damit beschäftigt, eigroße Teigbällchen in eine Wanne mit heißem Fett zu legen; sie zischen und wachsen sofort auf die Größe einer Orange. Mein Magen knurrt beim Duft der heißen Hefe und dem Anblick der goldbraunen Fitumbuwa, die in einer Kiste liegen, die mit fetttriefender Zeitung ausgelegt ist. Ich denke an das Rührei und die Tasse Kakao, die ich kalt auf dem Küchentisch zurückgelassen habe. Auf Mas hellbrauner Hand treten ihre Adern so deutlich hervor wie die Wurzeln eines Baumes gerade noch unterhalb der Erde. Sie ist wütend, und so behalte ich meinen Hunger für mich und hoffe, dass sie nicht hört, wie mein Magen...


Ellen Banda Aaku wurde 1965 in England geboren und wuchs in Sambia und anderen afrikanischen Ländern auf. Sie studierte öffentliche Verwaltung an der Universität Lusaka. Sie publizierte drei Jugendbücher und Gedichte. Mit Patchwork, ihrem ersten Buch für Erwachsene, erhielt sie 2010 den »Penguin Prize for African Writing«. Sie war 2012 auf der Shortlist des Commonwealth Writers'Prize. Ellen Banda Aaku lebt heute in London.



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