Balnat / Kaltz | Genus und Geschlecht in europäischen Sprachen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Englisch, Band 6, 468 Seiten

Reihe: Sprachvergleich

Balnat / Kaltz Genus und Geschlecht in europäischen Sprachen

Geschichte und Gegenwart
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-381-12303-2
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Geschichte und Gegenwart

E-Book, Englisch, Band 6, 468 Seiten

Reihe: Sprachvergleich

ISBN: 978-3-381-12303-2
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Über einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch wird in Deutschland nun schon seit über 40 Jahren diskutiert. In Folge der Verbreitung gegenderter Formen (Wählende) und grascher Sonderzeichen (Dozent*in) ist der Ton der Debatte deutlich rauer geworden; die beiden ,Lager' stehen sich inzwischen nahezu unversöhnlich gegenüber und reden nicht selten aneinander vorbei. Dieser Sammelband vereint Beiträge zu elf europäischen Sprachen, in denen sprachgeschichtliche Aspekte und die gegenwärtige Debatte so wertneutral wie möglich und unter Vermeidung von Polemik behandelt werden. Ziel des Bandes ist es, Denkanstöße zum komplexen Verhältnis zwischen Genus und Geschlecht zu bieten und auf diese Weise zu einer gelasseneren und respektvolleren Debatte beizutragen. Einen Einstieg in das Thema bietet der erste Beitrag zum Gendern in der Antike; es folgen Untersuchungen zu den Sprachen Deutsch, Englisch, Niederländisch, Norwegisch, Schwedisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Russisch, Tschechisch und Finnisch.

Vincent Balnat lehrt seit 2009 deutsche Sprachwissenschaft und Grammatik am Département d'allemand der Université de Strasbourg. Seine Forschungsschwerpunkte sind die gegenwärtige Entwicklung der Lexik im Deutschen und Französischen, die Deonomastik und die Geschichte der Germanistik im Elsass. Barbara Kaltz lehrte bis 2010 Deutsche Sprache und Sprachwissenschaft an der Université de Provence (Aix-en-Provence). Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte der Sprachwissenschaft und des Fremdsprachenunterrichts.

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Vorwort der Herausgeber
„Hat es sich bald ausgegendert?“ So lautet der Titel eines ausführlichen Berichts zur gegenwärtigen Lage der Debatte um die geschlechter- bzw. gendergerechte Sprachverwendung (‚Gendern‘) im SPIEGEL-Magazin vom 28. Juli 2024 (Maxwill/Mingels 2024). Die beiden Verfasser kommen zu dem Schluss, dass sich in Deutschland allmählich ein geschlechtsneutraler Sprachgebrauch durchsetzt, der Gebrauch von Sonderzeichen zurückgeht und das geschlechtsübergreifende Maskulinum deutlich weniger verwendet wird. Dass angesichts dieser Entwicklungen ein baldiges Ende der Genderdebatte in Sicht sein könnte, halten wir allerdings für mehr als fraglich. In Deutschland wird nun seit mehr als vier Jahrzehnten über eine geschlechtergerechte Sprachverwendung diskutiert, und die Debatte hat sich in den letzten Jahren zunehmend verschärft. Umstritten sind nicht nur die Verwendung des Maskulinums zur Bezeichnung von Frauen bzw. geschlechtsgemischten Gruppen und der Einsatz nicht lexikalisierter genderneutral verwendeter Partizipialkonstruktionen (Radfahrende für Radfahrer, Wählende für Wähler). Vor allem über die Sonderzeichen im Wortinneren (Genderstern, Doppelpunkt, Schrägstrich, Unterstrich) sind lebhafte Kontroversen entbrannt; deren Gebrauch hat sich inzwischen nicht nur an Universitäten und Schulen, sondern auch in den Medien, im Internet und in der Verwaltung verbreitet. Wie in der Diskussion anderer gesellschaftlich und politisch relevanter Themen (Klimawandel, Zuwanderung, Impfpflicht, Krieg in der Ukraine …) ist in den letzten Jahren auch in der Genderdebatte der Ton deutlich rauer geworden. Die Argumentation von Gegnern und Befürwortern ist vielfach ideologisch überfrachtet, und es mangelt auf beiden Seiten an Bereitschaft, der Gegenseite erst einmal zuzuhören und sich ernsthaft mit ihren Argumenten auseinanderzusetzen. Manche Vertreter einer gendergerechten Sprache werfen ihren Kontrahenten Unwissen, mangelnde Empathie und eine insgesamt ‚rückständige‘ Haltung vor, die u. a. darauf zurückzuführen sei, dass die „alten weißen Männer“ „auf dem Sockel [ihr]er Privilegien hocken und niemandem wirklich zuhören, außer anderen alten weißen Männern“ (Park 2017). Gegner des Genderns sprechen von „Sprach- und Kulturverfall“ und warnen vor dem „Gender-Wahn“ und einer „Sprachpolizei“, die keine Mittel scheue, ihren eigenen Sprachgebrauch der gesamten Sprachgemeinschaft von „oben“ aufzudrängen. Auffallend ist der häufige Rekurs auf die Kriegsmetaphorik auf beiden Seiten: In diesem „Kulturkampf um die deutsche Sprache“ (Bohr et al. 2021), scherzhaft auch „Star Wars“ (Ritter 2023) oder „Krieg der Stern*innen“ (Bender/Eppelsheim 2021) genannt, stehen eine „Gender-Front“ und eine „Anti-Gender-Front“ einander gegenüber und werfen sich gegenseitig ideologische Verblendung vor. Über Anti-Gender-Bürgerinitiativen wird in den Medien derzeit öfter berichtet, so über die Hamburger Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ (2023), auf die Genderbefürworter übrigens mit der Initiative „Die Mitgemeinten“ reagiert haben (Pommerenke/Scheper 2023; Fromm 2023). Diese Spaltung ist auch in der politischen Debatte greifbar. Während die Grünen, die Linke und, etwas zurückhaltender, auch die SPD dem Gendern grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberstehen, setzen sich AfD, CDU/CSU und FDP vor allem für das Verbot von Genderzeichen in Verwaltung und Bildung ein. In mehreren Bundesländern (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Bayern; vgl. Maxwill/Mingels 2024: 35) ist deren Gebrauch an Schulen inzwischen untersagt. Zur Begründung dieser Verbote wird von Politikern gern auf die Stellungnahmen des (übernationalen) Rats für deutsche Rechtschreibung verwiesen. Tatsächlich äußert sich der Rechtschreibrat eher ausgewogen zum Gendern; so heißt es in der Stellungnahme im Anschluss an die Sitzung vom 15.12.2023, dass „allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll“ und dass diese „gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe […] nicht mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden kann“. An den Schulen wird allmählich deutlich, dass das Genderverbot in der Praxis nur schwer durchzusetzen ist; die Lage in den Hochschulen, an denen Persönlichkeitsrechte und Wissenschaftsfreiheit zentrale Werte sind (vgl. Breyton 2023), ist durch eine „allgemeine Rechtsunsicherheit“ gekennzeichnet (Thiel 2023). Wie die Journalistin Lara Ritter zutreffend bemerkt, ist die Polarisierung der Debatte auf verschiedene Auffassungen von Sprache zurückzuführen: Dass es bei diesem Hin und Her blieb, lag daran, dass beide Seiten zwar von derselben Sache sprachen (der Sprache!), aber etwas anderes meinten: Die eine Seite ein Machtinstrument, die andere Seite ein nützliches Alltagswerkzeug. Dementsprechend befand erstere Seite das Schulterzucken letzterer für maximal ignorant, letztere die Forderungen ersterer für maximal nervig. Und weil beide davon ausgingen, dass beide dasselbe meinten, gab es noch weniger Verständnis für die jeweils andere Seite. Vorwürfe der „Gewaltausübung“ und „Diskriminierung“ wurden gegen Vorwürfe des „Zwangs“ in Stellung gebracht. (Ritter 2023) Angesichts dieser verfahrenen Situation ist es an der Zeit, sich ernsthaft um einen Dialog zu bemühen, in dem auch altbekannte Argumente – einschließlich der eigenen – hinterfragt werden müssen. Unser Sammelband soll einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass das komplexe Verhältnis von Genus und Geschlecht in der Sprache endlich mit mehr Distanz und weniger Voreingenommenheit in den Blick genommen wird. In den neunzehn Beiträgen in- und ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden der gegenwärtige Umgang mit dem geschlechtergerechten Sprachgebrauch und die sprach- und kulturgeschichtliche Entwicklung des Phänomens in elf ausgewählten Sprachen Europas untersucht. Die germanischen Sprachen sind mit dem Deutschen (in Deutschland, Österreich und der Schweiz), Englischen, Niederländischen, Norwegischen und Schwedischen vertreten, die romanischen mit Französisch, Italienisch und Spanisch, die slawischen mit Russisch und Tschechisch, und mit dem Finnischen ist auch eine nicht-indoeuropäische Sprache berücksichtigt. Dieser sprachübergreifende Ansatz ist im Übrigen nicht neu; bereits vor vierzig Jahren erschien der Sammelband Sprachwandel und feministische Sprachpolitik: Internationale Perspektiven (Hellinger 1985), in dem „unter feministisch-linguistischer Perspektive“ (1985: 3) sieben europäische Sprachen (Deutsch, Niederländisch, Dänisch, Norwegisch, Spanisch, Italienisch und Griechisch) beleuchtet werden. Weiter verfolgt wurde dieser Ansatz in dem vierbändigen Werk Gender Across Languages: The Linguistic Representation of Women and Men (Hellinger/Bußmann 2001–2015); in den – sämtlich englischsprachigen – Beiträgen werden sprachsystematische Aspekte und soziokulturelle Faktoren für nicht weniger als 42 Sprachen behandelt. Der Schwerpunkt beider Publikationen liegt auf der Beschreibung der damaligen Sprach(gebrauchs)zustände. Wir haben alle Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bands darum gebeten, die Thematik so wertfrei und unvoreingenommen wie möglich zu behandeln und von polemischen Aussagen und persönlichen Stellungnahmen abzusehen; ob und ggf. in welcher Form sie in ihren Beiträgen ‚gendern‘ wollten, blieb ihnen überlassen. Neben international auf dem Gebiet der Genderlinguistik ausgewiesenen Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sind auch Nachwuchswissenschaftler vertreten; ihre Mitwirkung war uns angesichts der gerade für die jüngeren Generationen großen Bedeutung des Themas ein besonderes Anliegen. Einen lehrreichen Einstieg in die Thematik des Sammelbands bietet der Beitrag „Vor 2500 Jahren: Gendern, das ‚generische Maskulinum‘ und die Entdeckung des grammatischen Geschlechts“, der den Lesern und Leserinnen vor Augen führt, dass diese Fragen mitnichten so „neu“ sind, wie viele meinen. Es folgen Beiträge zur sprachgeschichtlichen Dimension und zum gegenwärtigen Umgang mit dem Gendern in den ausgewählten europäischen Sprachen; im Fall des Deutschen, Französischen, Englischen und Spanischen sind diese Aspekte in separaten Beiträgen dargestellt; für die anderen Sprachen ist die Gewichtung der beiden Dimensionen unterschiedlich ausgefallen. Um die Behandlung des Themas durch unsere Beiträgerinnen und Beiträger nicht über Gebühr einzuschränken und unterschiedliche Forschungstraditionen nicht von vornherein auszuschließen, wurde bewusst kein theoretischer Rahmen vorgegeben. Bei der redaktionellen Bearbeitung der einzelnen Artikel wurde jedoch auf eine gewisse konzeptuelle Vereinheitlichung geachtet, speziell im Hinblick auf die grundlegende Unterscheidung von biologischem (Sexus), grammatischem (Genus) und sozialem Geschlecht (Gender). Wir haben uns dafür entschieden, sämtliche Aufsätze (mit Ausnahme derjenigen zum Englischen und Norwegischen) in deutscher Sprache zu veröffentlichen; damit soll auch ein (bescheidener) Beitrag zum Erhalt des Deutschen als Wissenschaftssprache geleistet werden. Alle in anderen Sprachen verfassten Aufsätze wurden ins Deutsche übersetzt: Die Übersetzung des sprachgeschichtlichen Beitrags zum Französischen, der beiden Aufsätze zum Spanischen und des...



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