E-Book, Deutsch, 401 Seiten
Bahrs / Matthiessen Gesundheitsfördernde Praxen
1. Auflage 2007
ISBN: 978-3-456-94454-8
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Die Chancen einer salutogenetischen Orientierung in der hausärztlichen Praxis
E-Book, Deutsch, 401 Seiten
ISBN: 978-3-456-94454-8
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Diese vom AOK-Bundesverband geförderte Studie bietet Einblicke in die konkrete hausärztliche Praxis. In interdisziplinären Qualitätszirkeln wurden Videoaufnahmen aus Sprechstundengesprächen von Hausärzten und Patientenvertretern diskutiert, unter Berücksichtigung biographischer und lebensweltlicher Aspekte analysiert sowie fallbezogen mit Ergebnissen von Arzt- und Patientenbefragungen zusammengeführt.Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen:Salutogenese - die Entstehung/Erhaltung von Gesundheit - ist ein lebenslanger Prozess, der vom Behandler unterstützt werden kann.Die Einzelfallperspektive zeigt, wie sehr Ärzte Beratungskompetenz brauchen, ein Verständnis lebensweltlicher und biographischer Zusammenhänge sowie die Fähigkeit, Krankheit und Gesundheit als Prozess zu begreifen.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizin, Gesundheitswesen Allgemeinmedizin, Familienmedizin
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizin, Gesundheitswesen Präventivmedizin, Gesundheitsförderung, Medizinisches Screening
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;7
2;Vorwort;12
3;1. Einleitung;16
3.1;1.1 Ausgangslage;16
3.2;1.2 Fragestellung des Projektes;18
3.3;1.3 Forschungskontext;22
3.4;1.4 Umsetzung der Fragestellung;25
3.5;1.5 Aufbau dieses Buches;26
4;2. Salutogenese und hausärztliches Handeln;28
4.1;2.1 Der salutogenetische Ansatz;28
4.2;2.2 Salutogenetische Orientierung und professionelles Handeln;36
4.3;2.3 Die Rolle des Hausarztes;41
4.4;2.4 Die Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ II und Asthma bronchiale;46
5;3. Krankheit, Gesundheit und Biographie;58
5.1;3.1 Einführung;58
5.2;3.2 Krankheit, Salutogenese und Lebenszyklus;60
5.3;3.3 Krankheit als biographische Anpassungsleistung;70
6;4. Methodisches Vorgehen und Analyseverfahren;78
6.1;4.1 Der videogestützte, interdisziplinäre Qualitätszirkel;78
6.2;4.2 Hermeneutische Fallanalysen und -vergleiche;85
6.3;4.3 Perspektiventriangulation und Evaluation;93
7;5. Verlauf und Ergebnisse der Qualitätszirkel- und Projektarbeit;100
7.1;5.1 Göttingen;101
7.2;5.2 Herdecke;107
7.3;5.3 Verlaufsbetrachtung der Qualitätszirkelarbeit am Beispiel des Göttinger Qualitätszirkel;115
7.4;5.4 Projektbegleitende Workshops;143
7.5;5.5 Der Arzt als Subjekt: Rekonstruktion der biographischen Prägung ärztlicher Handlungsstile;149
7.6;5.6 Evaluation;158
8;6. Disease Management Programme und Salutogenese;168
8.1;6.1 Die Ausgangslage zu Projektbeginn;168
8.2;6.2 Die Veränderung der Perspektive im Projektverlauf;173
9;7. Der Stellenwert des Einzelfalls: Fallanalyse Frau Klaus;178
9.1;7.1 Einleitung;178
9.2;7.2 Die Analyse der Konsultationen;180
9.3;7.3 Zur Biographie von Frau Klaus;194
9.4;7.4 Krankheit als Anpassungsleistung;216
9.5;7.5 Zusammenfassung;220
10;8. Hermeneutische Fallrekonstruktionen und Fallvergleiche;224
10.1;8.1 Einleitung;224
10.2;8.2 Kurzportraits von 11 Fallbeispielen;227
10.3;8.3 Vergleichende Untersuchung zu Lebenszyklus und Krankheit/Gesundheit;241
10.4;8.4 Fallbezogene Betrachtung von Krankheit als Anpassungsleistung;261
10.5;8.5 Fallübergreifende Betrachtung;283
11;9. Der Bilanzierungsdialog;296
11.1;9.1 Einleitung;296
11.2;9.2 Die Ausgangslage;297
11.3;9.3 Konzeptentwicklung und Erprobung;300
11.4;9.4 Vorschläge für die Umsetzung;311
12;10. Zusammenfassung der Ergebnisse und weiterführende Gedanken;316
12.1;10.1 Bausteine einer salutogenen Orientierung im ärztlichen Handeln und ihre Vermittlung;316
12.2;10.2 Kontextgebundenheit und Prozesshaftigkeit von Gesundheit und Krankheit;320
12.3;10.3 Angemessene Rahmenbedingungen der hausärztlichen Praxis;327
12.4;10.4 Die Evaluation der Zirkelarbeit;331
12.5;10.5 Ansätze für ein Fortbildungskonzept;332
13;11. Literaturverzeichnis;334
14;Anhang: Fallskizzen;346
5. Herr Fischer (S. 384-385)
Bei Herrn Fischer handelt es sich um einen Patienten, der nach eigener Einschätzung in seinem Leben bislang von schwerwiegenden Krankheiten verschont geblieben ist. Anfang 2003 war diese Sprechstundeninteraktion aufgezeichnet und für die Zirkelsitzung ausgewählt worden, weil die Herdecker Projektgruppe glaubte, es könne sich um einen Asthma-Patienten handeln. Der Patient hatte die Empfindung, dass er morgens nach dem Aufstehen und nach dem Essen kaum noch Luft bekam. Die Verdachtsdiagnose „Asthma" des behandelnden Arztes hatte sich dann jedoch nicht bestätigt. Wir verzichteten daher zunächst auch auf Interviews mit dem Patienten und dem Arzt. Dr. Starke (geb. 1959) ist Internist und betreibt seit mehreren Jahren eine Hausarztpraxis. Im Jahre 2004 wurde dieser Fall dann doch für ein Bilanzierungsgespräch ausgewählt und dieses im Zirkel diskutiert. Das Gespräch hatte also keine therapeutische Funktion, der Patient kam nicht, um sich behandeln zu lassen, sondern auf Bitten des Arztes.
Das Interview mit dem Patienten wurde erst nach diesem zweiten Gespräch durchgeführt.38 Dieser Fall unterscheidet sich von den anderen erheblich. Es handelt sich daher um einen Kontrastfall. Dieser Patient hatte zum Zeitpunkt des Bilanzierungsgespräches subjektiv eigentlich keinen stärkeren aktuellen Leidensdruck. Die Symptomatik hat er weiterhin, sie hat sich aber gebessert. Er hat kein Asthma. Arzt und Patient gingen davon aus, dass es sich hier nicht um eine schwerwiegende Erkrankung handele. Er hat zwar eine beginnende Arthrose in den Knien, bewältigt diese Situation aber weitgehend selbst durch Gymnastik. Wegen dieser Erkrankung wurde er von einem Orthopäden behandelt, nicht von Dr. Starke.
Erstes Sprechstundengespräch
Nach der Begrüßung fordert der Arzt den Patienten auf, darzustellen, weshalb er komme. Der Patient berichtet. Während des Berichtes regiert der Arzt häufig mit einem „ja" als Rezeptionssignal. Morgens, wenn er aufstehe, sagt der Patient, habe er das Gefühl, dass er kaum noch Luft bekomme. Er sei dann ausgesprochen kurzatmig. Nach dem Essen habe er dann das Gefühl, dass es ihm alles zuschnüre. Er versuche dann „anzustoßen", denke, es müsse Schleim kommen, aber es komme nichts. Er habe Brausetabletten verschrieben bekommen, die auch tagsüber helfen würden. Aber eigenartigerweise habe er dieses Phänomen, das ihn schon irgendwie beunruhige, nur morgens oder nach dem Essen.
Der Arzt sagt, er wolle gleich mal schauen, und arbeitet dann am Computer. Er fragt, ob man bei ihm schon von Asthma gesprochen habe, von der Schilderung her höre es sich so an, als wenn es auch etwas Asthmatisches sein könne. Da könnten die Bronchien morgens zu sein. Der Patient erwähnt das Wort Allergie (Äußerung kaum verständlich), woraufhin der Arzt nachfragt, ob bei ihm schon mal ein Allergietest gemacht worden sei, was der Patient verneint. Der Patient sagt, irgendwo beunruhige ihn das, weil er nicht richtig durchatmen könne, er sei ausgesprochen kurzatmig. Der Arzt schlägt dem Patienten vor, dass man, wenn er noch Zeit habe, gleich einen Allergietest machen könne. Außerdem schlägt er vor, einen Lungenfunktionstest zu machen. Er holt das Gerät und schlägt dem Patienten vor, es auszuprobieren.
Der Patient pustet hinein und der Arzt stellt fest, dass der Wert jetzt 650 betrage, was ganz in Ordnung sei. Nur wenn der Wert morgens um die 300 liege, stimme etwas nicht mit der Lungenfunktion. Er empfiehlt Herrn Fischer, diesen Wert in ein Heft einzutragen, und schlägt vor, jetzt nach vorne zu gehen, um den Allergietest zu machen. Der Patient erwähnt seine Tabletten und der Arzt erwidert, erst einmal müsse man die Diagnose haben. Man müsse feststellen, ob es Asthma oder etwas anderes sei.