E-Book, Deutsch, 360 Seiten
Reihe: Zeitgeschichte
Stationen der Einheit
E-Book, Deutsch, 360 Seiten
Reihe: Zeitgeschichte
ISBN: 978-3-86284-449-4
Verlag: Links, Christoph, Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Durch eine knappe Faktendarstellung werden die damaligen Ereignisse noch einmal lebendig und ihrer Dramatik nachvollziehbar. Neben historischen Originaldokumenten stützen sich die Autoren auf eine Fülle von Zeitzeugenbefragungen.
Autoren/Hrsg.
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März 1990
Sonntag, 18. März
Die CDU ist bei den ersten demokratischen Wahlen in der DDR seit 40 Jahren mit 40,6 Prozent der Stimmen der eindeutige Sieger. In zwölf von 15 Bezirken landet die Union auf dem ersten Platz. Die SPD gelangt mit 21,8 Prozent abgeschlagen auf Platz zwei. Die PDS erzielt 16,3 Prozent. In Ost-Berlin erreicht sie ihr bestes Ergebnis mit fast 30 Prozent. Die Bürgerrechtsgruppierungen, deren Vertreter die populären Sprecher der Volksbewegung in den Wochen der Wende waren, landen weit abgeschlagen: Bündnis 90 erreicht 2,9 Prozent der Stimmen, die Grünen und der Unabhängige Frauenverband zusammen 1,9 Prozent. Willy Brandt meint zum Wahlausgang, da sei die deutsche Einheit „rasch und ohne Wenn und Aber“ gewählt worden. „Ich hoffe, daß wir schon im Sommer mit richtigem Geld reisen können“, erklärt der CDU-Spitzenkandidat Lothar de Maizière in der Wahlnacht. Wolfgang Ullmann von Demokratie Jetzt ist bitter enttäuscht. Der Schriftsteller Stefan Heym kommentiert das Wahlergebnis im DDR-Fernsehen mit den Worten: „Es wird keine DDR mehr geben. Sie wird nichts sein als eine Fußnote in der Weltgeschichte.“ Otto Schily (SPD, ehemals Grüner) hält eine exotische Frucht vor die Fernsehkamera: Die Leute in der DDR hätten „Banane“ gewählt. Oskar Lafontaine (SPD) macht für die Wahlniederlage seiner Partei die Lust der Dresdener und Leipziger auf „Kohl und Kohle“ verantwortlich. Montag, 19. März
Das Ergebnis der Volkskammerwahl bezeichnet der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Tyll Necker, als einen Vertrauensbeweis in die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik. Er fordert die künftige DDR-Regierung auf, unzureichende Regelungen wie das Joint-venture-Gesetz zu korrigieren und Gesetze wie das Gewerkschaftsgesetz abzuschaffen. Angesichts des zunehmenden Tempos des Zusammenwachsens der beiden deutschen Staaten spricht sich der geschäftsführende Vorstand der Gewerkschaft Öffentliche Dienste dafür aus, den Prozeß der direkten Vereinigung mit den jeweiligen Partnergewerkschaften im DGB zu beschleunigen, um den Aktionen der Unternehmer nicht hilflos gegenüberzustehen. Dienstag, 20. März
Das Präsidium der CDU der DDR lädt die Sozialdemokraten zu Gesprächen über eine Große Koalition ein, ungeachtet dessen, daß die SPD sich bis dato weigert, mit der CDU zu kooperieren. Die SPD-Fraktion wählt auf ihrer konstituierenden Sitzung Ibrahim Böhme bei nur einer Gegenstimme sowie fünf Enthaltungen zu ihrem Vorsitzenden. Die Entscheidung über Ja oder Nein zu einer Beteiligung an der Allianz-Regierung muß jedoch vertagt werden. SPD-Vorstand und Parteirat empfehlen der Fraktion, konstruktiv in der Opposition zu arbeiten. Nur so könnten die sozialen Belange der DDR-Bürger vertreten und der Vereinigungsprozeß verantwortlich gefördert werden. Die Vorsitzenden der im Bund Freier Demokraten zusammengeschlossenen Parteien – LDPD, FDP und DFP – verständigen sich auf ihre Vereinigung. Als neuer gemeinsamer Name ist vorgesehen Freie Demokratische Partei – Die Liberalen. Unter dieser Bezeichnung wollen sie bereits an den Koalitionsverhandlungen teilnehmen. Der Konsistorialpräsident der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Manfred Stolpe, der von einigen Medien als neuer DDR-Ministerpräsident gehandelt wird, weist dies zurück. Er wäre nur in einer „Notsituation“ bereit, in ein Kabinett einzutreten, sagt Stolpe in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung. Diese Situation sei aber nur dann gegeben, wenn sich sonst kein Kandidat finden würde, was er aber nicht sehe. Die deutsche Währungsunion mit Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft soll nach Bonner Vorstellungen bis zur parlamentarischen Sommerpause unter Dach und Fach sein. Das Bundeskabinett hat sich auf die Einführung der D-Mark in der DDR bis zu diesem Zeitpunkt eingerichtet, erklärt Bundesfinanzminister Waigel vor der Presse. Zurückhaltender äußert sich dagegen Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl, für den noch viele „praktische Fragen zu klären“ sind. Für einen zügigen Abschluß der Wirtschafts- und Währungsunion „möglichst zum Sommer“ spricht sich auch der Präsident des bundesdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Helmut Geiger, aus. Die DDR-Wirtschaft halte den jetzigen Schwebezustand nicht mehr lange aus. Nachdrücklich befürwortet er eine Umwandlung der Sparguthaben in der DDR im Verhältnis 1:1 mit einer stufenweisen Freigabe. Die Bundesregierung beschließt die Abschaffung des Notaufnahmeverfahrens für Übersiedler aus der DDR zum 1. Juli. Damit soll die Massenabwanderung gestoppt werden. Die ersatzlose Aufhebung des Aufnahmeverfahrens bedeutet für die Übersiedler aus der DDR, daß keine 200 D-Mark Überbrückungsgeld mehr gezahlt und kein zinsloses Einrichtungsdarlehen gewährt werden, daß die zentrale Registrierung und die Verteilung auf die Bundesländer entfallen. Damit sind Übersiedler solchen Bundesbürgern gleichgestellt, für die als Obdachlose die Kommunen zuständig sind. Mittwoch, 21. März
Die Vorsitzenden der in der Allianz für Deutschland vertretenen Parteien CDU, DSU und DA, de Maizière, Ebeling und Eppelmann, treffen sich in Bonn mit Kanzler Kohl und Bundesfinanzminister Waigel, um Grundsatzfragen der künftigen DDR-Regierungspolitik und der geplanten Währungsunion abzustimmen. Bündnis 90, Grüne Partei und Unabhängiger Frauenverband kommen überein, in der Volkskammer eine gemeinsame Fraktion zu bilden. Donnerstag, 22. März
Die neu gewählte DDR-Volkskammer soll nach dem Willen der SPD in ihrer ersten Sitzung eine Garantieerklärung zum Bestand der polnischen Westgrenze abgeben. Einen entsprechenden Beschluß faßt die SPD-Fraktion. Die Volkskammerfraktion Bündnis 90/Grüne fordert die Sicherheitsüberprüfung aller 400 Abgeordneten. Konrad Weiß, Vertreter der neugebildeten Fraktion von Bündnis 90, Grüner Partei und Frauenverband, erklärt: „Wenn sich beispielsweise jetzt bei der Überprüfung herausstellen sollte, daß eine hohe Prozentzahl der gewählten Abgeordneten stasibelastet ist, würde ich dafür plädieren, daß es zu Neuwahlen kommt. Ganz persönlich meine ich, wenn das zehn Prozent der Abgeordneten sein sollten, halte ich das Parlament nicht für legitimiert. Dann müßte man Neuwahlen ausschreiben und bis dahin den Runden Tisch wieder arbeiten lassen.“ Freitag, 23. März
Der Vorsitzende der CDU, Lothar de Maizière, erklärt öffentlich, daß er Ministerpräsident werden will. Gegenüber der SPD erneuert er das Angebot zu einer gemeinsamen Regierungskoalition unter seiner Führung. Bürger der DDR dürfen nach einer Verfügung der Bundesbank in Frankfurt / Main ab sofort frei verfügbare Geschäftskonten bei Banken in der Bundesrepublik eröffnen. Über diese Konten können insbesondere die Zahlungen in freier Währung im Zusammenhang mit Waren- und Dienstleistungs- sowie sonstigen genehmigten Transaktionen, zum Beispiel Transithandelsgeschäf- ten, abgewickelt werden. Samstag/ Sonntag, 24./ 25. März
SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine erklärt in Bonn, er wolle einer Regierungsbeteiligung der DDR-SPD nicht im Wege stehen. Eine künftige Regierung der DDR werde auch mit Beteiligung der SPD die Versprechen einklagen, die Bundeskanzler Kohl im Wahlkampf abgegeben habe. Die Vorbereitungen für die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion von BRD und DDR seien so weit gediehen, daß mit einem Stichtag für das Inkrafttreten um den 1. Juli zu rechnen sei. Das berichtet die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf interne Beratungen von Bundeskanzler Helmut Kohl und Finanzminister Theo Waigel mit den Vorsitzenden der DDR-Parteien CDU, DSU und DA unmittelbar nach der Volkskammerwahl in Bonn. Danach seien mit Industrie und Handel der BRD stillschweigend Vorsorgemaßnahmen getroffen worden, damit ab 1. Juli in der DDR für D-Mark alles gekauft werden könne, was auch in der Bundesrepublik erhältlich sei. Bei den Beratungen im Kanzleramt ist der Zeitung zufolge eine Art Fahrplan für den schnellsten Weg zu einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion verabredet worden. Montag, 26. März
Der Partei- und Fraktionsvorsitzende der DDR-SPD, Ibrahim Böhme, wird seine Parteiämter und sein Volkskammermandat ruhen lassen, bis die gegen ihn vom „Spiegel“ erhobenen Vorwürfe einer Informantentätigkeit für den ehemaligen Staatssicherheitsdienst geklärt sind. Böhme, dem inzwischen von...