Awe / Fieberg / Pack | GEGEN UNENDLICH | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 252 Seiten

Awe / Fieberg / Pack GEGEN UNENDLICH

Phantastische Geschichten
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-95765-966-8
Verlag: p.machinery
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Phantastische Geschichten

E-Book, Deutsch, 252 Seiten

ISBN: 978-3-95765-966-8
Verlag: p.machinery
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Das Wissen ist endlich, die Fantasie nicht!' Unter diesem Motto wurden bislang zehn Ausgaben der E-Book-Reihe 'GEGEN UNENDLICH. Phantastische Geschichten' veröffentlicht. Eine Auswahl der besten liegt in diesem Band vor. In Science-Fiction und Fantastik wird das Undenkbare gedacht und wird das Unmögliche möglich. Dort, wo unser Wissen an eine Grenze stößt, macht uns die Fantasie den Weg frei, erweitert unsere Vorstellungswelten und bahnt Pfade durch neue Dimensionen. Zwanzig bekannte und weniger bekannte Autoren laden mit ihren Geschichten zu einer Entdeckungsreise in aufregend andere Regionen ein, in eine Welt hinter dieser Welt.

Das Herausgebertrio Awe, Fieberg & Pack treibt es schon seit Längerem auf dem Gebiet der Science-Fiction und Fantastik um: Michael J. Awe (geboren?1973), seine Erzählungen wurden in Magazinen und Anthologien veröffentlicht. Von seinem historischen Roman 'Der Neiding' erschienen unter dem Namen Michael Blasius sechs Bände, die Reihe wurde im März 2015 abgeschlossen. Andreas Fieberg (geboren?1964) verdient seine Brötchen als Mediengestalter und übt daneben gelegentlich verschiedene Redakteurs-, Herausgeber- und Lektoratstätigkeiten aus. 1992 'Der Traumprojektor. Skurrile Geschichten'. 1995 SFCD-Literaturpreis in der Kategorie 'Beste Kurzgeschichte'. 2013 Anthologie 'Abschied von Bleiwenheim' (als Hrsg.) bei p.machinery. Joachim Pack (geboren?1962) ist zuständig für die drastische Spielart der Science-Fiction, die keine Geschmacksgrenzen kennt und vor derbem Witz nicht zurückschreckt. Er hatte seine erste Veröffentlichung mit fünfzehn und ist seitdem nervös. Zu seinen Meriten zählt die Gründung und Mitherausgabe des SF-Magazins 'Centauri'. Verfügbarer Titel: 'Was mich nicht umbringt. Drehbuch einer Liebesgeschichte unter Irren' (E-Book).

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Weitere Infos & Material



Uwe Durst: Maleks Versteck
    Als sein Vater starb, war Thomas Malek dreißig Jahre alt. Er erbte das Lebensmittelgeschäft und blieb ohne Verwandtschaft auf der Welt zurück. Nur eine Vetterin war am Leben, Lidia Paulina, die gleichfalls ein Zwerg war, und sie heirateten einander. Paulina hatte schwarze Augen, trug ihr dunkles Haar fast immer zu einem Zopf geflochten und war, anders als die meisten Zwerge, durchaus nicht häßlich. Überdies läßt sich selbst in den Umarmungen einer winzigen Frau viel Vergnügen finden. Malek liebte Paulina. Wenn er nachts im Bett lag und auf ihren ruhigen Atem horchte, überkam ihn fast schmerzlich das Bewußtsein seines Glücks; und der Gedanke quälte ihn, daß es nicht von Dauer sein werde. Jede Lust, wußte der Händler, findet ihr Ende, und die Erinnerung an die verlorene Seligkeit gebärt die Pein. Das Glück ist für jedermann nur das Vorspiel der Marter. Doch um wieviel mehr bedrückt es eines Zwergen Kinderherz! Malek hütete seine Frau, die er am Tag nicht aus den Augen ließ; und ging er abends außer Haus, um sich zu betrinken – denn der Alkohol beschwichtigte seine Furcht –, band er sie mit einem Strick ans Bett, um ihr keine Gelegenheit zum Ehebruch zu geben. Solcherart hoffte er, der Vergänglichkeit des Glücks ein Schnippchen zu schlagen. Der Händler arbeitete fleißig, feilschte unbarmherzig, wenn er auf dem Großmarkt frische Lebensmittel erwarb, und sein Geschäft hatte viele treue Kunden, zumal sich diese bei jedem Besuch des Ladens der dreifachen Freude hingeben konnten, billig einzukaufen, mißgestalteten Menschen ein Auskommen zu geben und die eigentümliche und zum Lachen reizende Geschäftigkeit der Zwerge zu beobachten. Es versteht sich, daß der Laden für normal Gewachsene eingerichtet war; die Wohnung jedoch, die sich im ersten Stock befand und vom Laden aus über eine Wendeltreppe erreichen ließ, ähnelte einer Puppenstube. Niemals empfing das Ehepaar Besuch, denn es war dem Gatten zuwider, jemanden über die Bedingungen seines Daseins zu unterrichten. Weder hatte er die Absicht, sich zum Gespött der Leute zu machen noch Neider herbeizuziehen. Kein Schimmer seines Glücks sollte nach außen dringen, und da alle Frauen zur Geschwätzigkeit neigen, wurde er nicht müde, Paulina mit strengem Blick anzusehen und sich den Zeigefinger auf den Mund zu legen. Jahre vergingen auf diese Weise, und noch viele derartige Jahre wären gefolgt, hätte der Händler nicht eines Abends seinen Geldbeutel unter der Ladentheke vergessen. Er kam zurück, schloß das Geschäft auf, trat ein und erstarrte; denn aus der Wohnung war ein Schrei zu hören, der sich endlos wiederholte, als dränge ein Messer ein ums andere Mal in Paulinas Fleisch. Der Zwerg lauschte minutenlang. Dann verließ er das Geschäft, während die Schreie noch immer fortdauerten. Er schloß die Ladentür ab und ging davon, um, wie üblich, erst tief in der Nacht heimzukehren. Gegen Morgen ergriffen ihn Schüttelfrost und Fieber. Der Arzt trat an sein Bett, Malek glaubte zu erfrieren. Er sah, wie der Doktor die Stirn runzelte und Paulina beiseite nahm, und er hörte, daß der Mediziner leise mit ihr sprach. Er erkannte, daß es schlecht um ihn stand, und der Gedanke erbitterte ihn, als ein Gedemütigter aus dem Leben zu scheiden. »Lieber Gott«, flüsterte Malek, »laß mich gesund werden, damit ich mich rächen kann.« Er spitzte die Lippen, als beugte sich der Herr an seinen Mund, und er schmeichelte und bettelte, daß der Tod ihn verschonen möge. Über einen Monat dauerte die Krankheit; Maleks Augen glitzerten wie die eines Verrückten, und er sprach irr. Schließlich aber erholte er sich: das Fieber sank, die Wangen röteten sich neu; allein die Kälte verblieb, die in ihn eingedrungen war, und Malek begann, sich mit Schnäpsen zu wärmen, die er über den Tag hinweg in steigender Zahl zu sich nahm. Jeden Abend besuchte er die Kneipe, um Paulina zu entgehen, an der er häufig, nun, da er darauf achtete, einen schwachen, lauwarmen, faulig-süßlichen Geruch bemerkte, der seiner Aufmerksamkeit bislang entgangen war und auch dem Bettzeug anhaftete. Was soll ich jetzt tun? überlegte er. Sobald morgens der Wecker schellte, beschäftigte sich Malek mit dieser Frage; während des Tags dauerte die Grübelei fort, die nur durch die lästigen Gespräche mit Paulina oder der Kundschaft unterbrochen wurde; jeden Bissen, den er aß, begleiteten die gewagtesten Gedanken; und am Abend, wenn er sich betrunken die Bettdecke über die Schultern zog, folgten sie ihm hinein in seine Träume. Wie ungerecht, meinte er, war doch die Welt eingerichtet. Jedermann, der ein Verbrechen beging, konnte anschließend in eine andere Stadt oder ein fremdes Land flüchten. Er legte sich einen neuen Namen zu und falsche Papiere, änderte vielleicht seine Frisur oder ließ sich einen Bart wachsen, und schon war er im Getümmel der Menschen verschwunden. Nur ein Zwerg konnte sich nirgendwo verstecken, er blieb immer ein Zwerg, den man begaffte. Hing sein Steckbrief erst an allen Litfaßsäulen, dauerte es nicht lang, bis man den Verbrecher ergriff. Je eingehender Malek darüber nachdachte, desto hoffnungsloser erschien ihm seine Lage. Nicht nur war es ihm unmöglich, eine Untat zu verüben, wie er sie zu vollbringen wünschte. Es blieb ihm auch, sofern er sich einen kläglichen Rest seiner Würde bewahren wollte, nichts anderes übrig, als seine Frau gewähren zu lassen und sich unwissend zu stellen. Freilich konnte er plötzlich zur Tür hereinkommen und das unzüchtige Paar überraschen; doch der Gedanke war absurd, daß Paulina und ihr Liebhaber ihre Sünde darum bereuen und ihn um Verzeihung bitten würden. Weit eher lachten sie ihn aus. Es bestand sogar die Möglichkeit, daß sie ihr Liebesspiel fortsetzten, so als sei er gar nicht vorhanden oder unbedeutender als eine Spinne an der Wand. Die Vorstellung, wie sich Herrn Kakuschkes fettes Gesicht vor Gier entstellte, ließ Malek, der sehr bald herausgefunden hatte, wer der Liebhaber war, vor Abscheu erzittern: Hinter Mülltonnen versteckt, hatte er im Schutz der Dunkelheit auf ihn gewartet. Mit breitem Schritt stieg Kakuschke die Außentreppe hinauf, zog einen Schlüssel aus der Hosentasche und betrat die Wohnung, in der ihn Paulina, ans Bett gefesselt und liebestoll, erwartete. Wann und wie es ihr gelungen war, ihm den Schlüssel zu geben, blieb dem Zwerg ebenso ein Rätsel wie die Frage, auf welchem Wege das Verhältnis zwischen ihnen entstanden war. Kakuschke spießte Paulina auf wie ein Insekt; sie strahlte, alles Scheue und Furchtsame war aus ihrem Gesicht verschwunden. Ihr zarter Körper bäumte sich und streckte und verrenkte seine Glieder unter der Gewalt des Ungetüms. Malek brach in Tränen aus. Sein Kopf reichte kaum über den Tresen, er war betrunken und rief Unverständliches, um den Wirt zum Nachschenken aufzufordern. Die Eingangstür sprang auf, Kakuschke entleerte sich in Paulinas Leib, und eine schwangere Frau trat herein. Schon in der Tür erhob sie lautes Geschrei. »Dacht’ ich’s mir doch, daß ich dich hier finden werd’«, rief sie. »Du Lump! Du Taugenichts!« Der so Angeredete erhob sich schuldbewußt und nicht ohne Zeichen echter Furcht von seinem Stuhl. »Du Schwein!« brüllte die Frau. Sie durchquerte den Raum und packte den Sünder wie einen kleinen Jungen am linken Ohr. Offenbar verfügte sie über erstaunliche Kraft, denn sie riß ihren Mann halb zu Boden und zerrte ihn hinter sich her. »Dir werd’ ich helfen, unser Geld zu versaufen!« schrie sie, während er ihr winselnd zur Tür hinaus folgte. Die übrigen Gäste lachten schadenfroh. Malek hatte mit glasigem Blick die Szene beobachtet, und als die Frau, in deren Bauch ein ganzer Mensch sich verbarg, das Lokal verließ, fiel die Trunkenheit von ihm ab. Ein außergewöhnlicher Gedanke hatte sich seiner bemächtigt. Es war ihm, als hätte sich in seinem Geist eine versperrte Tür ruckartig geöffnet, durch die er in ein bisher unbekanntes Zimmer blickte. Er legte einen Geldschein auf den Tresen und ging; und während er nach Hause schlich, ersann er jenen Plan, der ein für allemal bewies, daß selbst im Herzen eines Zwergs genügend Raum für Ehrgefühl und Kühnheit zu finden ist. Am nächsten Tag mietete er in aller Heimlichkeit einen kleinen Lagerraum, an dessen Wände er mehrere große Spiegel hängte. Fortan übte er jeden Abend einige Stunden, bevor er sich in die Spelunke begab, um zu trinken und seinem Haar wie seiner Kleidung den Geruch von Zigarettenqualm und Bratfett zu verleihen. Paulina durfte nicht mißtrauisch werden. Malek stahl eines ihrer Kleider und ging nach der schaukelnden Art der Zwergin vor den Spiegeln auf und ab. Die größten Schwierigkeiten bereitete es ihm, die Stimme seiner Gattin und die Ängstlichkeit in ihren Augen nachzuahmen. Letzteres gelang ihm schließlich, indem er die Lider ein wenig zusammenkniff. In den Winkeln entstanden hierdurch dünne Fältchen, wie man sie auch bei Kurzsichtigen sieht; und er spannte die Muskeln hinter den Ohren an, was seine Züge feiner und weiblicher erscheinen ließ. Die Eheleute waren von gleicher Größe und Augenfarbe, und ob der Verwandtschaft ähnelten sich ihre Gesichter. Dennoch war ein volles Jahr vonnöten, bis sich Malek seiner Frau ganz bemächtigt hatte und es vermochte, sich in...



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