E-Book, Deutsch, Band 1, 200 Seiten
Reihe: Gaslicht und Irrlicht
Autoren Schatten über Rainmoor-Castle
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98986-868-7
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gaslicht und Irrlicht 1 - Mystikroman
E-Book, Deutsch, Band 1, 200 Seiten
Reihe: Gaslicht und Irrlicht
ISBN: 978-3-98986-868-7
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In diesem spannenden Doppelband 'Gaslicht & Irrlicht' werden die Leser in eine Welt voller Geheimnisse und unheimlicher Legenden entführt. Gaslicht: Die Protagonistin wird in einen mysteriösen Fall verwickelt, der sie in die dunklen Schatten der Vergangenheit einer Stadt führt. Intrigen und unerwartete Wendungen zeichnen diese packende Erzählung aus, in der das Gaslicht mehr ist als nur eine Beleuchtung - es birgt auch gefährliche Geheimnisse. Irrlicht: Parallel dazu folgt die Geschichte von unheimlichen Lichtern, die Wanderer in die Irre führen. Ein unerklärliches Licht zieht die Protagonisten in ein Abenteuer, das sie an die Grenzen ihrer Vorstellungskraft bringt. Der Roman verwebt Mythos und Realität und hält die Leser bis zur letzten Seite in Atem. Gemeinsam bieten diese Erzählungen ein fesselndes Leseerlebnis, das die Themen von Schatten, Geheimnissen und übernatürlichen Phänomenen meisterhaft miteinander verknüpft. E-Book 1: Schatten über Rainmoor-Castle E-Book 2:
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Dorothy verdunkelte den Raum. Als sie zu Bett ging, hatte sie das unangenehme Gefühl, nicht allein in ihrem Schlafzimmer zu sein. Sie machte fröstelnd Licht, doch es war niemand da. Beruhigt löschte sie das Licht. Plötzlich strich ein eiskalter Hauch über ihr Gesicht. Es ist verrückt, dass ich mir das einbilde, dachte Dorothy, und sie zuckte unwillkürlich zusammen, als Jeffrey Mason, der nicht da war, sie berührte.
Bleich und hohlwangig saß Henry Mason in seinem zerschlissenen Sessel. Ihm war kalt. Das Feuer des offenen Kamins vermochte ihn nicht zu wärmen.
»Wir werden ihn verlieren«, raunte sein Sohn.
Masons Tochter schüttelte trotzig den Kopf. »Das dürfen wir nicht zulassen!«
»Merkst du denn nicht, dass ihm der Tod bereits aus den Augen sieht?«, fragte der Sohn.
»Wir müssen ihm helfen«, flüsterte die Tochter. »Wir haben kürzlich erst unsere Mutter verloren. Ich möchte nicht, dass uns nun auch Dad verlässt! Er braucht nicht von uns zu gehen. Sein Leben liegt in unserer Hand.«
Sie befanden sich im großen Salon eines düsteren alten Herrenhauses. Die Möbel waren schäbig, die Tapeten vergilbt. Niemand wischte den Staub weg, der auf allem lag. Und hier und dort zitterten die Netze von Spinnen im Luftzug. Der Sohn und die Tochter traten vor den alten Mann. Sein Blick war ins Feuer gerichtet. Er beobachtete den Tanz der Flammen und nahm die beiden nicht wahr.
»Vater!« Der Sohn berührte den kalten, knöchernen Handrücken des Mannes. »Dad!«
Langsam kam Leben in die alten Augen. Henry Mason hob den Kopf und sah seine Kinder an.
»Wie fühlst du dich heute, Dad?«, wollte die Tochter wissen.
»Elend«, kam es kraftlos über Masons Lippen. »Ich brauche …«
Der Sohn nickte. »Wir wissen, was du brauchst, Dad.«
»Warum verschafft ihr mir’s dann nicht?«
»Wir dürfen es nicht übertreiben«, entgegnete der Sohn. »Wir müssen vorsichtig sein.«
»Ihr habt doch nichts zu befürchten.«
»Denk an Mutters schreckliches Ende«, erinnerte der Sohn den alten Mann. Der sank erschöpft zurück, schloss die Augen und erweckte den Eindruck, als würde er nun sterben.
Die Tochter sah ihren Bruder ernst an und sagte dann fest zu ihrem Vater: »Wir werden für dich tun, was wir können, Dad.«
»Beeilt euch«, stöhnte Mason. »Mir bleibt nicht mehr viel Zeit.«
»Halte durch, Dad«, flüsterte die Tochter. »Wir werden dir helfen. Du kannst dich auf uns verlassen. Wir wissen, was wir dir schuldig sind. Ohne dich würde es uns nicht geben.«
Sie richtete sich auf, und eisige Kälte befand sich in ihrem Blick …
*
Die Pop-Gruppe nannte sich Night Drifters und bestand aus fünf Mitgliedern. Sie traten allabendlich in einem verrauchten Kellerlokal in Soho auf und träumten davon, eines Tages von einem bekannten Manager entdeckt und unter Vertrag genommen zu werden. Zurzeit war die Luft wesentlich besser. Es war Vormittag, und das Lokal war geschlossen. Die Band probte neue Songs. Carl Vernon, er spielte die Lead-Gitarre, hatte sie geschrieben. Sie feilten am Text, den Carls Schwester Dorothy singen sollte und der ihr noch nicht so ganz gefiel. Es war harte Arbeit, eine neue Nummer auf die Beine zu stellen, doch davon hatte das Publikum keine Ahnung.
Dorothy trat ans Mikrofon. Sie trug Jeans und einen überlangen Pullover. Am Abend würde sie ein heißes, eng anliegendes Glitzerkleid anziehen.
Sie war einundzwanzig und hatte das lange goldene Haar eines Engels. Brian Grenaway an den Drums war verliebt in sie, aber davon hatte sie keine Ahnung, und er hatte bisher noch nicht den Mut gefunden, es ihr zu gestehen.
»Seid ihr so weit?«, fragte Carl, während er sich die Gitarre umhängte.
Alle nickten.
»Dann mal los!«
Der unverwechselbare Sound der Night Drifters dröhnte im leeren Kellerlokal. Die Nummern waren so gut, dass sie sich eine Platzierung in den Charts verdient hätten, deshalb sagte Brian am Ende der Probe: »Wir sollten davon mal ein Demoband anfertigen und an BBC schicken.«
»Gute Idee, Brian«, stimmte Dorothy zu.
Er strahlte selig, wie immer, wenn sie seiner Meinung war.
»Wir werden das im Auge behalten«, meinte Carl und steckte seine Gitarre ab.
Auf einem Hocker lag eine Zeitung, die über das mysteriöse Verschwinden von Menschen berichtete.
Brian zeigte darauf. »Habt ihr das gelesen?«
Carl machte eine wegwerfende Handbewegung. »Eine aufgebauschte Sache.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach Brian.
»Es verschwinden jahraus, jahrein auf der ganzen Welt Menschen«, sagte Carl. »Einige tauchen nach kurzer Zeit wieder auf, andere bleiben für immer verschollen. Wenn Journalisten mal nicht wissen, was sie schreiben sollen, berichten sie eben darüber.«
»Oder über das Ungeheuer von Loch Ness«, grinste John Alcock, der Keyboarder.
»Genau«, nickte Carl.
»Ich sage euch, an dieser Geschichte ist mehr dran!«, behauptete Brian. Er hatte schwarze Lederhosen und ein gelbes T-Shirt an. Das dichte braune Haar hing ihm wirr in die Stirn.
»Wir müssen uns vorsehen, denn in London geht Unheimliches vor sich!«, sagte Morton Coldem, der Bassgitarrist, mit hohler Stimme.
Brian schien der Einzige zu sein, der den Bericht ernst nahm. Er zeigte auf die Fotos der Verschwundenen. »Alles junge Leute«, murmelte er. »Sie wurden bestimmt von jemandem geholt …«
»Ja, ja«, lachte Carl. »Geholt. Na klar. Von einem bösen Dämon – oder einem hungrigen Vampir. Ach, Brian, fall doch nicht immer auf den Blödsinn rein, den sich irgendein Schmierfink in der Saure-Gurken-Zeit aus dem Finger saugt.« Carl sprang von der Bühne. »Bis heute Abend, Freunde!«
»Essen wir zusammen?«, fragte Dorothy.
»Tut mir leid, Schwesterherz«, grinste Carl. »Ich hab schon eine Verabredung.«
Sie sah ihn enttäuscht an. »So? Mit wem denn?«
Carl lachte. »Darf ich nicht sagen.«
»Er trifft sich mit einer geheimnisvollen Schönen«, sagte Morton Coldem amüsiert. »Die werden wir nie kennenlernen, denn er möchte sie ganz für sich allein haben.«
»Wo hast du sie kennengelernt?«, wollte Dorothy wissen. Die Geheimniskrämerei ihres Bruders befremdete sie ein wenig. Er hatte bisher immer sehr offen über seine Eroberungen gesprochen. War es diesmal etwas Ernstes?
»Bei Tony«, antwortete Carl. »Wann?«
»Vor zwei Tagen.«
»Ist sie hübsch?«, wollte Dorothy wissen.
Carls Gesicht strahlte vor Begeisterung. »Sie ist bildschön.«
»Und wie heißt sie?«
»Kein Kommentar«, feixte Carl und ging.
»Ich gehe mit dir essen, wenn du möchtest«, sagte Brian.
»Also gut«, seufzte Dorothy. »Gehen wir.«
*
Sie konnten überall in der Stadt auftauchen. Man war nirgendwo vor ihnen sicher. Wachsam hielten sie Ausschau nach einem geeigneten Opfer.
Nicht jedes kam für sie infrage. Sie siebten gewissenhaft, sortierten sorgfältig aus und trennten gründlich die Spreu vom Weizen.
Das erforderte Zeit. Zeit, die sie eigentlich nicht hatten. Aber sie mussten sie sich nehmen, denn es hatte keinen Sinn, die falschen Opfer zu bringen.
Unerschrocken verfolgten sie ihr Ziel. Sie brauchten keine Angst zu haben, denn es gab kaum jemanden, der ihnen gefährlich werden konnte.
Sie liebten die Schwärze der Nacht, fühlten sich wohl im bleischweren Mantel der Dunkelheit, aber sie waren auch am Tag aktiv. Sie beobachteten, belauschten, umschlichen Menschen, die für sie möglicherweise infrage kämen, traten zum geeigneten Zeitpunkt an sie heran und versuchten ihr Vertrauen zu gewinnen.
Da sie harmlos aussahen, gelang ihnen das in den meisten Fällen mühelos. Niemand wusste von ihrem unsichtbaren Begleiter: dem nackten Grauen.
*
Sie trafen sich im Hyde Park. Jessica erlaubte Carl einen scheuen Begrüßungskuss. Ein hübsches Lächeln umspielte ihre vollen Lippen. Sie war leger gekleidet, und Carl fand, dass Jessica selbst in einem Jutesack umwerfend ausgesehen hätte.
Sie hatte Anmut und Grazie. Ihr halblanges honigfarbenes Haar umrahmte ein apartes Gesicht mit großen dunklen, ausdrucksstarken Augen.
»Probe erfolgreich beendet?«, erkundigte sie sich.
Er legte den Arm um ihre Taille, und sie gingen durch den Park. »Alles bestens erledigt«, sagte er zufrieden.
»Wann wird man die Night Drifters im Radio hören?«, erkundigte sich Jessica.
Carl zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Ich kann leider nicht in die Zukunft sehen.«
»Sei froh, dass du das nicht kannst.«
»Wieso? Manchmal wäre das doch ganz angenehm.«
»Die Zukunft hält nicht nur Erfreuliches bereit«, meinte Jessica.
Carl nickte. »Das ist leider wahr«, gab er ihr mit ernster Miene recht. Aber dann wurde er gleich wieder heiter. »Wer die Night Drifters hören möchte, muss sich vorläufig noch in das Lokal begeben, in dem sie auftreten. Wann gibst du uns mal die Ehre? Ein Besuch lohnt sich. Das sage ich nicht nur, weil ich zur Gruppe gehöre. Dieser Meinung sind auch viele andere. Seit wir da auftreten, ist der Laden Abend für Abend zufriedenstellend voll.«
»Was soll ich allein in dem Lokal?«
»Unsere Musik genießen.«
»Du stehst auf der Bühne und hast keine Zeit für mich«, meinte Jessica.
Carl lächelte sie an. »Wir machen auch mal Pause.«
Jessica schwieg.
»Ich würde dich gern mit meiner Schwester bekannt machen«, sagte Carl.
»Wir kennen uns erst seit zwei Tagen.«
»Na und? Dorothy ist ein nettes Mädchen. Du wirst sie ganz sicher mögen, und sie wird dich auch...




