E-Book, Deutsch, Band 29, 1000 Seiten
Reihe: Sophienlust
Autoren E-Book 291-300
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-98757-409-2
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sophienlust Staffel 29 - Familienroman
E-Book, Deutsch, Band 29, 1000 Seiten
Reihe: Sophienlust
ISBN: 978-3-98757-409-2
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. E-Book 1: Aus der Bahn geworfen E-Book 2: Johanna, der Sündenbock E-Book 3: Plötzlich war Holger allein E-Book 4: Am Ende siegt die Liebe E-Book 5: Elternlos - und doch geliebt E-Book 6: Sie waren der Tante lästig E-Book 7: Auf Malta entschied sich ihr Schicksal E-Book 8: Für sie ist die Welt nicht mehr heil E-Book 9: Babsis Geburtstagswunsch E-Book 10: Ein Unfall und seine Folgen
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»Wenn ich erst wieder bei meiner Mama bin, darf ich alles tun, was ich möchte«, prahlte Juana Behrmann, ein dunkelblondes Mädchen mit lebhaften blauen Augen. Die langen Haare hingen ihr seidenweich über die schmalen Schultern. Ein glückliches Lächeln lag um ihre Lippen, als sie an die Mutter dachte.
»Wann fährst du denn zu deiner Mama?« fragte Heidi Holsten, das jüngste der Sophienluster Dauerkinder, interessiert. Heidi war noch sehr klein gewesen, als sie ihre Eltern verloren hatte. Sie konnte sich kaum noch an ihre Mutter erinnern. Obwohl es in Sophienlust sehr schön war, beneidete sie manchmal die Kinder, die noch eine Mutter und einen Vater hatten.
»In den Ferien«, sagte Juana. Sie wies zum Himmel. »Schau, jetzt scheint wieder die Sonne!« Sie öffnete den Reißverschluß ihrer Windjacke und fuhr mit dem Finger in die Halsöffnung des roten Rollkragenpullovers. »Ob es in diesem Jahr einmal richtig Sommer sein wird? Wetten, daß es schon morgen wieder regnet?«
»So einen verregneten Sommer hatten wir noch nie«, klagte Vicky Langenbach. Sie setzte sich auf die Schaukel und ließ die Beine baumeln.
»In Spanien ist es immer schön«, sagte Juana sehnsüchtig. »Den ganzen Tag scheint die Sonne. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie schön heiß es dort ist.«
»Zuviel Sonne ist auch nicht gut«, antwortete Vicky. »Meine Lehrerin war letztes Jahr in Spanien. Sie hat uns erzählt, daß sich die Leute dort manchmal nach Regen sehnen. Im Süden sollen die Flüsse den ganzen Sommer über ausgetrocknet sein.«
»Trotzdem ist es schöner als hier«, behauptete Juana. »Wenn ich bei meiner Mama bin, dann machen wir immer Ausflüge. Meine Mama kauft mir auch alles, was ich mir wünsche. Und abends darf ich ganz lange aufbleiben. Manchmal fahren wir auch ans Meer. Und dann baue ich mit Tomas und Mercedes riesige Sandburgen.« Sie zeigte mit ihren Händen eine gewaltige Sandburg.
»Ein Mercedes kann doch keine Sandburg bauen«, protestierte Heidi. Sie tippte sich unmißverständlich an die Stirn. »Du spinnst, Juana!«
»Du schwindelst!« schränkte Vicky ein.
»Ich meine doch nicht ein Auto«, sagte Juana. »Mercedes ist meine Schwester. Sie ist vier Jahre alt. Drei Jahre jünger als ich.«
»Haben deine Eltern deine Schwester wirklich nach einem Auto genannt?« Vicky wollte es nicht glauben. »So etwas Komisches habe ich noch nie gehört«, sagte sie und sprang von der Schaukel.
»In Spanien ist Mercedes ein Mädchenname«, erklärte Juana. »Es gibt dort viele Mädchen, die so heißen. Außerdem ist der Vater meiner Schwester nicht mein Vati. Meine Mama hat sich scheiden lassen und noch einmal geheiratet.«
»Ich frage Tante Ma, ob Mercedes wirklich ein Name ist!« rief Heidi. Sie rannte quer über den Spielplatz davon.
»Es ist ein Name!« schrie Juana erbost, weil man ihr nicht glauben wollte.
»Tante Ma hat ein Buch, in dem steht, was die Namen bedeuten«, verriet Vicky der kleinen Juana, die erst seit vierzehn Tagen in Sophienlust lebte. »Komm, wir fragen sie, was Mercedes bedeutet!« Sie faßte nach der Hand der Siebenjährigen.
Heidi war natürlich eher im Empfangszimmer als Juana und Vicky. Ungeachtet der Tatsache, daß die Heimleiterin telefonierte, rief sie bereits an der Tür. »Juana sagt, Mercedes ist ein Name. Sie spinnt, nicht wahr, Tante Ma?«
»Moment bitte«, bat Frau Rennert ihren Gesprächspartner. Sie verdeckte die Sprechmuschel mit der Hand und wandte sich an Heidi: »Setz dich einen Augenblick, Heidi. Ich bin gleich fertig.«
»Bitte, sag mir nur, ob…«
»Heidi!« mahnte Frau Rennert. Sie nahm die Hand von der Muschel und sagte: »Entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung, Herr Sander!«
Heidi öffnete erneut den Mund, aber ein Blick von Frau Rennert ließ sie verstummen. Still setzte sie sich in einen Sessel und hörte desinteressiert zu. Als Juana und Vicky ins Zimmer polterten, legte sie einen Finger auf die Lippen und zeigte zum Telefon. »Wir müssen warten«, flüsterte sie. Es klang vorwurfsvoll.
Kaum hatte Frau Rennert den Hörer aufgelegt, bestürmten die Kinder sie. Schließlich hielt sie sich die Ohren zu. »Einer nach dem anderen bitte! Heidi war zuerst hier, also wird sie anfangen!« Sie lächelte der Fünfjährigen zu.
»Juana sagt, ihre Schwester heißt Mercedes«, erzählte Heidi. »Ist das wirklich ein Name? Juana schwindelt doch, nicht wahr? Ein Mercedes ist ein großes Auto.«
»Ja, in Spanien ist Mercedes ein Mädchenname«, bestätigte Frau Rennert. Sie sah Juana an. »Sogar ein sehr häufiger Mädchenname. Er hat mit der deutschen Automarke überhaupt nichts zu tun.«
»Seht ihr, was habe ich euch gesagt!« triumphierend nickte Juana.
»Du hast doch ein Buch über die Bedeutung der Namen, Tante Ma«, sagte Vicky. »Schau mal nach, was darin über Mercedes steht. Bitte!« setzte sie hinzu.
»Bestimmt etwas ganz Schönes«, meinte Juana. Sie liebte ihre Geschwister über alles.
»Na, dann wollen wir mal sehen!« Frau Rennert griff in die Schreibtischschublade und nahm ein dickes Taschenbuch heraus. Sie schlug es unter ›M‹ auf, fuhr mit dem Zeigefinger an den Namen entlang. »Melinda, Meline, Melitta, Melusine«, las sie vor. »Ah, da haben wir’s!« Sie hob kurz den Kopf an. »Der Name Mercedes kommt von einem spanischen Marienfest, das am 24. September gefeiert wird.«
»Oh, ich weiß!« rief Juana aufgeregt. »Das Fest heißt: Maria de Mercede redemptionis captivorum. Meine Schwester hat auch am 24. September Geburtstag.«
»Haben bei euch alle Feste so lange Namen?« fragte Vicky beeindruckt. »Wie kann man das nur aussprechen! Da bricht man sich ja die Zunge ab.«
»Viele Feste haben lange Namen«, erklärte Juana bereitwillig, »aber die meisten kenne ich nicht. Spanisch ist ganz leicht. Wenn ich bei meiner Mama bin, spreche ich immer Spanisch. Tomas und Mercedes können überhaupt nicht Deutsch, und meine Mama sagt, sie habe es wieder verlernt.«
»Ich kann nur Deutsch!« Heidi zog eine Schnute.
»Wenn ich nächstes Jahr ins Gymnasium komme, lerne ich Englisch«, sagte Vicky stolz. »Angelika kann es schon.«
»Pünktchen auch, und noch viel besser«, meinte Heidi. »Wenn ich in die Schule komme, dann lerne ich gleich andere Sprachen.« Sie sah Juana an. »Auch Spanisch!«
»Wenn du willst, kannst du bei mir Spanisch lernen«, bot Juana zuvorkommend an. »Und du auch, Vicky!«
»O ja«, rief Heidi aus. »Fang gleich an, ja?«
»Vielleicht will noch jemand Spanisch lernen«, meinte Vicky. »Ich laufe und frage die anderen.«
»Bevor ihr euren Spanischkurs beginnt, denkt daran, in zehn Minuten gibt es Essen«, meinte Frau Rennert. Sie wußte aus Erfahrung, daß die Begeisterung der Kinder nicht lange anhalten würde. Vor einiger Zeit hatten sie eine kleine Französin in Sophienlust gehabt.
Alle Kinder hatten plötzlich Französisch lernen wollen, aber schon bald hatte sich ihr Eifer gelegt. »Ihr könntet euch schon die Hände waschen«, schlug sie vor.
Die Kinder gingen zur Tür. »Was heißt auf Wiedersehen auf spanisch, Juana?« fragte Heidi beim Hinausgehen.
»Hasta la vista!«
»Hasta Vista, Tante Ma!« schrie Heidi. »Hasta vista!«
»Hasta la vista«, verbesserte Juana.
»Hasta la vista! Hasta vista!« schrie Heidi unbeirrt und stürmte in die Halle.
*
Hastig räumte Dorit Reichelt ihre kleine Wohnung auf. Zu dumm, daß sie am Morgen verschlafen hatte. Gewöhnlich brachte sie die Wohnung noch vor ihrer Fahrt zur Schule in Ordnung, aber an diesem Morgen hatte es nur noch zu einer Tasse Kaffee gereicht.
Dorit blickte auf die Uhr. Hoffentlich kam Dieter nicht pünktlich. Aber dieser Wunsch war eigentlich Illusion. Dieter war die Pünktlichkeit in Person. Er war sehr korrekt, überkorrekt, wie sie sich oft sagte.
Dorit zog die Tischdecke glatt und stellte die Vase mit den Nelken in die Mitte des Tisches. Die Nelken hatte sie auf dem Nachhauseweg gekauft. Sie wußte, Dieter liebte Blumen. Seine Eltern besaßen eine Gärtnerei in Fornbach, einem Nachbarort von Maibach. Er selbst arbeitete bei der Maibacher Kreissparkasse.
Erleichtert stellte Dorit fest, daß Dieter ausnahmsweise einmal nicht pünktlich zu sein schien. Rasch ging sie ins Schlafzimmer und zog sich um. Noch vor einer Woche hatte sie sich geschworen, Dieter Hilbrecht nie wiederzusehen, und nun stand sie vor dem Spiegel und machte sich für ihn schön.
Es war eine furchtbare Woche gewesen. Sie liebte Dieter, und trotzdem hatte sie wegen einer Kleinigkeit mit ihm gestritten. Was erst wie eine geringfügige Meinungsverschiedenheit ausgesehen hatte, war plötzlich zu einem handfesten Krach geworden. Eine Woche lang hatten sie nicht miteinander gesprochen. Dorit hatte sogar eine Kollegin zur Bank geschickt, als sie einen Scheck hatte einlösen müssen, nur um Dieter nicht zu sehen. Und nun hatte er sie heute morgen in der großen Pause angerufen. Ihr erster Impuls war gewesen, den Hörer aufzulegen, aber das hatte sie nicht fertiggebracht.
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen als sie ihre langen blonden Haare zu der Frisur aufsteckte, die Dieter so an ihr liebte. Sie trug die Haare lieber offen, aber Dieter mochte das nicht. Vorsichtig steckte sie eine Klammer fest. Jetzt noch etwas Rouge und etwas Parfüm, und Dieter konnte kommen.
Doch Dieter kam nicht!
Es wurde halb drei, es wurde drei! Unruhig ging Dorit in ihrem Wohnzimmer auf und ab. Immer wieder trat sie auf den kleinen Balkon hinaus und blickte auf die Straße hinab. Hatte Dieter am Nachmittag doch keinen Urlaub erhalten? Sie schüttelte den Kopf. In diesem Fall hätte er sie verständigt. Hatte er es sich anders überlegt? Dorit verwarf auch diesen...




