Austrofred Pferdeleberkäse
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7076-0546-4
Verlag: Czernin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aufsätze & Reportagen
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-7076-0546-4
Verlag: Czernin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Austrofred, geboren 1970 in Steyr/OÖ, ledig, lebt und arbeitet in Wien und München. Mit seinen Austropop-Veredelungen der größten Hits der Rockgruppe Queen schrieb sich der gelernte Speditionskaufmann in die Geschichte der österreichischen Nachkriegskultur der Nullerjahre ein. Seither brilliert der Champion, wie ihn seine Fans liebevoll nennen, nicht nur als Rocksänger und Entertainer, sondern auch als Schauspieler, TV-Moderator und Food-Designer. Heute zählt Austrofred zu den wichtigsten Medienkünstlern Österreichs.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Vom Heiraten, von der Ehe
und von den vielfältigen Aufgaben eines Alleinunterhalters
im Rahmen einer Hochzeitsfeier
handelt die Insider-Reportage
QUATTRO STAGIONI
Normalerweise ist es ja so, dass das Gröbste schon vorbei ist, wenn ich am Tatort eintreffe, nämlich das sogenannte Jawort. Aber wie es in einem alten Alleinunterhalter-Sprichwort heißt: Nach dem Gig ist vor dem Gig. Jetzt fängt die Hochzeit erst richtig an! Und auch wenn untertags vielleicht alles voll in den Arsch gegangen ist, weil das Wetter nicht mitgespielt hat, der Bräutigam die Ringe versawelt hat oder der Ex-Haberer der Braut uneingeladenerweise aufgetaucht ist und jetzt am Kindertisch aufrührerische Reden schwingt – als Hochzeits-Entertainer kannst du immer noch alles herumreißen. Du allein hast es in der Hand, dass der Braut noch Jahre später die Freudentränen in die Augen schießen, wenn sie an diesen Tag zurückdenkt.
Ich darf mit gutem Gewissen behaupten, dass ich ein äußerst erfahrener Hochzeits-Entertainer bin, wahrscheinlich der erfahrenste überhaupt. Ich habe Hochzeitsgesellschaften in Österreich, Bayern und Baden-Württemberg unterhalten, eine in Budapest und mehrere in Istanbul. Silberne Hochzeiten, Goldene Hochzeiten, gleichgeschlechtliche Hochzeiten, geheime Hochzeiten; Bauern, Bäcker, Banker – alles. Auch Scheidungen natürlich. Dazu noch Taufen, Firmungen und Bar-Mizwas, und immer zur vollsten Zufriedenheit meiner Kundschaft.
Diese Zufriedenheit kommt von dem her, dass ich meine Aufgabe viel umfassender sehe als irgendein dahergerannter Falco-Imitator, der gschwind-gschwind zu einer lieblos eingelegten Playback-CD Jeanny1 und Out of the dark herunterdrückt, sich vom Brautvater gach sein Kuvert abholt und dann so schnell es geht wieder in seinen zusammengeschotterten VW Jetta steigt (den er pietätvollerweise immerhin ums Eck geparkt hat, weil so eine Rosthütte wäre einem Falco ja wirklich nicht angemessen). Ich dagegen sehe mich viel ganzheitlicher, als Zeremonienmeister, der direkt vom Pfarrer oder vom Standesbeamten die Aufgabe übernimmt, dass er die ganze Geschichte ein bisschen feierlich gestaltet. Also gehe ich mit gemessenem Schritt auf die Bühne, sage ein paar positive Worte, die den Bräutigam über den Verlust seiner Freiheit und seiner Finanzvollmacht hinwegtrösten – natürlich mit einem gewissen Humor, weil es kann dir heutzutage überall passieren, dass du eine feministische Tendenz im Publikum hast –, lege liebevoll meine Playback-CD ein und starte mit einem Klassiker des Austrian Wedding Songbook: Überdosis G’fühl von den STS. Das geht ganz tief hinein, da zieht es dem ganzen Saal eine Ganslhaut auf. Die Braut fühlt sich in ihrem innersten Wesen verstanden, dankbar schaut sie mir in die Augen.
1 Jeanny ist übrigens eine ziemliche Sau zum Singen. Das habe ich feststellen müssen, wie mich die originale Begleitband vom Falco eingeladen hat, dass ich diese Nummer im U4 zu seinem Todestag mit ihnen spiele. Große Ehre. Leider hat die Nummer aber einen einerseits genialen, andererseits extrem geschissenen Sprechtext, den sich kein normaler Mensch merken kann, weswegen ich mich textlich so vergagelt habe wie überhaupt noch nie in meinem Leben. Und das in einem mit Falco-Fans angefüllten U4, alle zwei Meter groß, wo ich mir schon gedacht habe, wenn ich jetzt nicht bald einmal eine Passage korrekt erwische, dann fassen mich die von der Bühne. Zum Glück hat der Stefan Weber von den Drahdiwaberl, der den Refrain gesungen hat, dann die Monitorbox vor seinen Füßen geschossen, weil er einen Kübel Urin ins Publikum schütten hat wollen und nicht genau getroffen hat. Das hat ein bisschen die Aufmerksamkeit von mir abgelenkt.
Als Musiker bei einer Hochzeit musst du nämlich immer auch ein Psychologe sein. Speziell die Braut braucht viel Unterstützung, weil es soll ja der schönste Tag in ihrem Leben sein, der Tag, an dem sie sich mit ihrem Traummann vereinigt. Und auch wenn man auf den ersten Blick glauben könnte, dass sich da mit einem Austrofred-Auftritt eh beide Wünsche gleichzeitig erfüllen, ist mit dem Traummann halt leider der Bräutigam gemeint. Und da stellen sich oft existenzielle Fragen: Passt der gewählte Partner wirklich zu mir, oder schmeiße ich mein Leben für einen Unwürdigen weg? Werde ich seine zusammengewachsenen Augenbrauen in zehn Jahren immer noch als „süß“ wahrnehmen? Und noch wichtiger: Ist dieser Arsch überhaupt zeugungsfähig?
Oft nehme ich mir die verzweifelte Frau zur Seite und erzähle ihr mein Gleichnis von der Pizza Quattro Stagioni, mit dem ich schon so vielen Menschen weitergeholfen habe. Ich kriege nämlich sehr viele Fanbriefe und -mails, und nicht immer wünschen sich die Menschen von mir nur ein Autogramm. Hin und wieder wendet sich auch wer mit einem Problem an mich. Mit diesen E-Mails beschäftige ich mich sehr lange, weil da schreiben Menschen, die mir ihr Herz öffnen, die mir ihre Sorgen anvertrauen und auf meinen Rat hoffen. Für diese Menschen nehme ich mir viel Zeit, oft sinniere ich ein ganzes Wochenende darüber, weil mit ein bisschen Blabla ist denen ja nicht geholfen. Am Montag kopiere ich ihnen dann mein Pizza-Gleichnis ins Antwortmail, weil das passt immer.
Dieses Gleichnis besagt, dass man sich nicht zu viele Gedanken machen soll über die Zukunft, weil es kommt ja eh sowieso, wie es kommt, und oft ganz anders als man vorher glaubt. Wie bei einer Pizza Quattro Stagioni weiß man im Leben nie, wie es weitergeht (sofern man die Augen zugebunden hat): mit einem mit Schinken belegten Stückl oder einem mit Champignons? Einem Stückl mit Käse? Mit Artischockenschas? Und auch wenn der Gatte mit seinem nicht wegdiskutierbaren Bauchansatz im akuten Moment vielleicht nicht so ausschaut wie der Top-Märchenprinz – wer weiß, vielleicht stellt er sich ja als robuste Love Machine und als liebevoller Kindsvater heraus? Als Koch oder zumindest als talentierte Küchenhilfe? Und falls er sich zu nichts dergleichen entwickelt – vielleicht steht er ja immerhin nicht allzu viel im Weg?
Ich gebe zu, mein Pizza-Gleichnis ist dem vom Forrest Gump, nach dem die Welt eine Bonbonniere ist, nicht ganz unähnlich. Aber ganz ehrlich: Natürlich kommt es viel besser, wenn man die Ehe mit etwas Italienischem vergleicht – vor allem wenn man eine so gute italienische Aussprache hat wie ich selber –, weil dann kann das die Braut viel leichter annehmen, indem es so romantisch klingt. Freilich, dass sich so manche Ehe nicht als Quattro Stagioni entpuppt, sondern eher als Quattro Formaggi, das sage ich in diesem Moment nicht dazu.
Spannend an solchen Hochzeits-Gigs ist, dass die Brautleute selber meistens gar nicht wissen, dass ich spiele, sondern dass ich ein Geschenk bin. Das heißt aber nicht, dass sie sich nicht darüber freuen – klar, in den meisten Fällen sind das ja Austrofred-Fans, die es gar nicht fassen können, dass der Champion jetzt bei ihnen auftritt, die sind überglücklich. Nur ein einziges Mal hat es diesbezüglich ein Missverständnis gegeben, wo dann die Braut hinausgerannt ist und geschrien hat: „Ihr seids so deppert, ich habe mir die Barbra Streisand gewünscht und nicht den scheiß Austrofred!“
Ich habe ihr dann nachgeschrien, dass sie eine primitive Funsn ist und dass sie sich die geschissene Barbra Streisand sowieso niemals leisten könnte – was ich im Nachhinein zutiefst bedauere, weil de facto bin ich ja selber ein riesiger Barbra-Streisand-Fan. Oft, wenn es mich nicht zusammenräumen freut, dann lege ich mir eine Streisand-Scheibe auf, und die motiviert mich dann derartig, dass ich voller Elan abwasche, kehre und staubsauge. Nach gerade einmal einer knappen Stunde ziehe ich mich wieder an und die ganze Wohnung ist tipptopp sauber.
Das Problem bei Überraschungsauftritten ist ganz einfach, dass mich die Beschenkten vor der Bescherung nicht sehen dürfen. Da kann es dann schon einmal sein, dass ich mich einen halben Tag zwischen Soundcheck und Auftritt im Getränkelager verstecken muss. Einmal habe ich in Graz bei der Hochzeit von zwei Rot-Kreuz-Mitarbeitern gespielt, und die Freunde von denen haben sich überlegt, dass es eigentlich ein super Gag wäre, wenn ich auf einer Tragbahre auf die Bühne getragen werde. Und wieso nicht? Der Kunde ist beim Austrofred immer König! Leider haben dann aber irgendwelche Leute – der Brautvater und ähnliche Hiasln – unangemeldet ein paar Reden einschieben müssen, während ich schon aufgebahrt auf der Bühne gelegen bin, unter der Lieblingsdecke der Braut versteckt – einem Pferdehaarwahnsinn, mit dem du sicher ohne Weiteres zum Nordpol fahren kannst –, und wie ich nach einer Dreiviertelstunde endlich aufspringen habe dürfen, war ich so düd in der Birne, dass es mich sofort wieder von der Bühne hinuntergewandelt hat. Es waren aber klarerweise sehr viele Sanitäter anwesend, und so habe ich, nachdem sie mir den Unterschenkel geschient haben, mit ein bisschen Verspätung dann doch noch einen super Gig hingelegt. Die Braut und ich haben das ganze Konzert über Tränen in den Augen gehabt. Sie vor Freude, ich wegen dem Sauerstoffmangel.
Den musikalischen Abschluss von einer Hochzeit bilden zwingend die Lieder Ganz in Weiß vom Roy Black, Perhaps Love vom Placido Domingo und Goodbye My Love, Goodbye vom Demis Roussos, oder zumindest zwei davon, das ist unverhandelbar. Hin und wieder habe ich Paare, die sagen, sie wollen keine solchen Schlager auf ihrer Hochzeit haben, weil sie sind moderne Leute. Sie hätten lieber, dass ich etwas von den Coldplay singe oder vom Grafen von Unheilig. Bei solchen Ideen muss ich dann immer mit...