E-Book, Deutsch, Band 1, 298 Seiten
Reihe: Mayfaran
Augstein / Ulrich Mayfaran und die verlorenen Drachen
2. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7597-1131-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 1, 298 Seiten
Reihe: Mayfaran
ISBN: 978-3-7597-1131-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Wumms und Aua! Wie jetzt, Drachen?!? Ihrem Lehrer ist wohl ein Buch auf den Kopf gefallen, denkt Mayfaran - oder warum sonst behauptet er, ein verschollener Drachenforscher zu sein? Doch schon bald lässt May ihr Zuhause hinter sich, um nach den sagenumwitterten Geschöpfen zu suchen. Zu dumm nur, dass sich diese vor den Menschen verstecken und finstere Gestalten May und ihren Freunden nachjagen. Ein von der Künstlerin Tanja Ulrich farbenprächtig illustrierter Lesespaß ab 9 Jahren.
Ute Augstein wurde in Bad Lauterberg geboren und lebt mit ihrer Familie in Goslar. Im geheimnisvollen Harz aufgewachsen, begleiten sie Märchen und Mythen seit ihrer Kindheit. Sie übersetzt Romane aus dem Englischen und schreibt Bücher für Erwachsene und Kinder. Mit Maluna Mondschein würde sie gerne mal einen Tee trinken und mit Hobbits und Zwergen nach Drachengold suchen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Neue Gefahren, alte Bündnisse
Wenn May etwas gelernt hatte, dann eines: König Mark nie zu stören, wenn er gerade einen seiner berüchtigten Wutanfälle durchlebte. Kurz nachdem Ramarona bewusstlos geworden und eine Dienerin verständigt worden war, die sich um sie kümmerte, begann Mark damit, alle Schlossbewohner aufzuschrecken. Überall stöberte er herum, durchwühlte alte Akten, piesackte jeden, der ihm begegnete, mit unangenehmen Fragen, richtete in der Bibliothek eine unsägliche Unordnung an, sagte alle Audienzen ab und vergaß sogar zu essen. Erst gegen Sonnenuntergang, als die Leuchter ihr behagliches Licht verbreiteten, beruhigte Mark sich ein wenig und biss mürrisch in eine Scheibe Bratenfleisch, die ihm von seiner besorgten Köchin aufgedrängt worden war. Indessen war Smeex seinem Gebieter auf Schritt und Tritt gefolgt und führte nebenbei alle anstehenden Aufgaben aus oder beauftragte andere mit deren Ausführung. Wie durch ein Wunder fühlte sich keiner der zurückgewiesenen Audienzsuchenden vor den Kopf gestoßen, größere diplomatische Katastrophen unterblieben, und der König konnte – wenn auch mit knapper Not – erfolgreich davon abgehalten werden, spontan in den Krieg gegen seinen Erzfeind Thoronwald zu ziehen. »Dieser Schurke! Dieses bärtige Ungeheuer! Hat es schon ewig auf mein Reich abgesehen! Dieser …« König Mark erging sich in derart unflätigen Beschimpfungen über den Landesnachbarn, dass Smeex inbrünstig hoffte, die Gesandten Thoronwalds wären mit Schwerhörigkeit geschlagen. Zu gerne hätte May Mäuschen gespielt, musste sich aber mit bruchstückhaften Andeutungen zufriedengeben. Nach dem Abendbrot, das sie gemeinsam mit der Köchin einnahm, ging sie in die Bibliotheksräume, in denen der Unterricht normalerweise stattfand. Sie erhoffte sich, aufschlussreichere Informationen von ihrem Lehrer zu erhalten. Und tatsächlich, vor dem Kachelofen – offenes Feuer war in der Gegenwart alter Schriften nämlich strikt verpönt – saß Foliantes mit einem kleinen Buch vor der Brust, die Augen halb geschlossen. »Foliantes, Foliantes!«, rief May aufgeregt, und der Bibliothekar schreckte hoch. »Was ist? Greifen sie an? Löscht ihre Feuer«, fragte er schlaftrunken. Verständnislos sah May ihn an. »Wie? Oh, entschuldige bitte, ich wollte dich nicht wecken. Aber niemand will mir erzählen, was eigentlich los ist. Rama hat sich seit heute Morgen in ihrem Zimmer eingeschlossen und will mich nicht sehen. Vater wütet in dem Schloss herum und beschimpft seine Berater. Und überhaupt machen alle ein Gesicht, als hätten sie Zahnweh!« »Tja, mein Kind, leider ist das hier viel schlimmer als ein weher Zahn.« Foliantes streckte sich und setzte sich aufrecht hin. »Du weißt doch bestimmt noch, was wir in Geschichte besprochen haben, oder?« Verlegen sah May auf den Boden. »Tja, also, ich habe mir nicht alles gemerkt …« »Nein, das hätte mich auch gewundert. Aber an die Sache mit den alten Bündnissen erinnerst du dich wahrscheinlich? May nickte. »Ja, früher haben die Bunten Länder lange Zeit Krieg gegeneinander geführt. Frieden war nicht in Sicht, und die Völker wurden von viel Elend heimgesucht. Dann hat man das Bündnisrecht ausgearbeitet, und alles war gut.« Foliantes seufzte. »Nun, eine ziemlich knappe Darstellung der umfänglichen historischen Ereignisse, aber im Kern trifft sie zu. Wir sprechen von einem wohlüberlegten System unzähliger Bündnisse, das seitdem die ehemals verfeindeten Länder miteinander verbindet. Es verpflichtet die Unterzeichnenden, einander im Falle einer Bedrohung beizustehen. Damit niemand auf den Gedanken kam, das Recht zu brechen, hat man die jeweils erstgeborenen Kinder der Herrschenden miteinander vermählt. Oder sie mussten, wenn das nicht ging, eine Ehe mit dem König oder der Königin des anderen Landes eingehen.« »Das klingt kompliziert«, meinte May und zog einen Hocker an den Ofen. »Sind solche Ehen denn oft geschlossen worden?« Foliantes nickte. »Zu Beginn schon. Man wollte sichergehen, dass niemand den Frieden bricht, weswegen in der Anfangszeit zahlreiche Bündnisse auf diese Weise besiegelt wurden. Irgendwann sind die Feindschaften allmählich zum Erliegen gekommen, weswegen man sich immer seltener auf diese Verträge berufen hat. Zwar hat man sie aufbewahrt und ihren Inhalt an die nachfolgenden Generationen weitergegeben, aber für eine sehr lange Zeit sind sie nahezu in Vergessenheit geraten.« Mit großen Augen sah May ihren Lehrer an. »Du meinst, dieser unfreundliche Bote hat heute die Nachricht überbracht, dass Thoronwald dieses Recht einfordert? Er möchte meine Schwester zur Frau, weil er keinen Sohn hat, mit dem er sie verheiraten kann?« Sie konnte selbst kaum glauben, was sie da sagte, so ungeheuerlich klang es. »Ja, weil unseren Ländern Gefahr droht. Du kennst ja die Geschichten von den Menschen jenseits der Grenzen, die immer wieder plündernd einfallen und sich niederlassen. Im Augenblick ist Thoronwalds Reich stark davon betroffen, doch ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir Ähnliches zu befürchten haben. Thoronwalds Recht auf Unterstützung durch deinen Vater ist unumstößlich.« May dachte an ihre Schwester. »Rama tut mir leid. Kein Wunder, dass sie so traurig ist und nicht mit mir sprechen will. Was ist Thoronwald denn für ein Mensch? Hast du ihn schon einmal gesehen?« Bedauernd hob Foliantes die Hände. »Da muss ich dich enttäuschen. Ich weiß nicht, wie er aussieht, kenne nur die Geschichten über ihn. Ziemlich oft komme ich ja auch nicht fort von hier, hm? Wer schickt schon einen Bibliothekar auf die Reise in fremde Länder oder nimmt ihn gar zu wichtigen Treffen mit? Nein, nein, da werden Krieger, Händler, Abgesandte gebraucht.« Entgegen seiner Gewohnheit klang er mit einem Mal verbittert. Verwundert sah May ihn von der Seite an. »Ich wusste gar nicht, dass du gerne reisen würdest. Eigentlich dachte ich immer, dass du auf Karpanhöh glücklich bist.« »Glücklich bin ich auch. Es ist eine große Ehre, die Töchter des Königs zu unterrichten. Es macht auch viel Freude. Aber weißt du, nicht alle aus meiner Familie sind so bodenständig und vernünftig wie ich. Einige von ihnen waren echte Abenteurer, wissbegierige Gelehrte auf der Suche nach Wissen und Reichtum. Nicht, dass es sich für sie jemals ausgezahlt hätte …« »So?« Mays Neugierde war geweckt. Sie hätte Foliantes‘ Familiengeschichte nie für derart spannend gehalten. »Solange ich mich erinnern kann, arbeitest du für meinen Vater. Bist du vorher auch weit gereist?« Foliantes schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe meiner Mutter am Totenbett versprechen müssen, die Universitas zu besuchen und einen ordentlichen Beruf zu ergreifen. Ein verlorener Sohn genügte ihr, zumindest den zweiten wollte sie gut versorgt wissen.« »Du hast einen Bruder? Warum hast du nie von ihm erzählt?« May versuchte sich jemanden vorzustellen, der wie Foliantes aussah und gleichzeitig ein Abenteurer war. Es wollte ihr nicht so recht gelingen. Ihr Lehrer war groß, schlaksig und kurzsichtig. Wollte er etwas lesen, beugte er sich so dicht über das Schriftstück, dass er es fast mit der Nase berührte. Schrieb er etwas auf, dann in großer Schrift, damit er die Buchstaben lesen konnte. Seine blonden Haare waren sorgfältig nach hinten gekämmt, sein Kinnbart ordentlich gestutzt, und ständig umgab ihn der Geruch schwarzer Tinte und alten Papiers. Meist war er ein geduldiger und ruhiger Lehrer und wirkte zufrieden mit seiner Anstellung bei König Mark – beinahe so, als ob er sich niemals etwas anderes gewünscht hätte. Foliantes räusperte sich. »Ich rede auch nicht gerne von ihm. Außerdem kenne ich ihn ja kaum. Als unsere Mutter starb, war er bereits seit Jahren verschollen. Nur gelegentlich bekamen wir über einen Händler, der zufälligerweise an unserem Dorf vorbeikam, eine kurze Nachricht von ihm. Aber nie hat er ein Sterbenswörtchen darüber verloren, wo er war oder was er tat. Kein sehr zuverlässiger Mensch, wie du sehen kannst und bestimmt kein rechter Umgang für eine Prinzessin.« Zwar sah May das anders, schwieg jedoch, um ihren Lehrer nicht zu verärgern. Stattdessen versuchte sie es mit einer unverfänglichen Frage. »Was für ein Buch liest du da? Ist es für den Unterricht?« »Nein, ganz bestimmt nicht. Es ist nur unnützer Kram.« »Was denn?« »Nun, da du vorher wahrscheinlich keine Ruhe gibst, kann ich es dir ja auch sagen: Es ist das Tagebuch meines Großvaters mütterlicherseits. Er war ein, ähm, sagen wir mal ungewöhnlicher Forscher mit einem ungewöhnlichen Forschungsgegenstand. Die Hälfte von dem, was er schreibt, ist vermutlich...