Auga / Bruns / Harders | Das Geschlecht der Wissenschaften | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 337 Seiten

Auga / Bruns / Harders Das Geschlecht der Wissenschaften

Zur Geschichte von Akademikerinnen im 19. und 20. Jahrhundert

E-Book, Deutsch, 337 Seiten

ISBN: 978-3-593-40864-4
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Ist Geschlecht in der Wissenschaft heute ein Unterschied, der keinen Unterschied mehr macht? Die Autorinnen und Autoren werfen einen Blick auf die letzten hundert Jahre, in denen Frauen in der Wissenschaft tätig waren, und diskutieren den Zusammenhang von Wissenschaft, Macht und Geschlecht aus historischer, wissenschaftskritischer und geschlechtertheoretischer Perspektive.
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Weitere Infos & Material


1;Inhalt;6
2;Einleitung: Das Geschlecht der Wissenschaften – Ulrike Auga, Claudia Bruns, Levke Harders, Gabriele Jähnert, Katrin M. Kämpf;10
3;I. Wissen, Macht und Weiblichkeit;24
4;Die schlauen Frauen: Dignitas, Auctoritas, Nobilitas – Ist die Wissenschaft geschlechtsreif? – Friederike Hassauer;26
5;Vertreibt der weibliche Zugang zum Logos den Eros? – Zu einer erstaunlich aktuellen Debatte unter Studentinnen der 1920er Jahre – Claudia Bruns;44
6;»Merely Cultural«? Geschlechterforschung und Kulturkritik – Renate Hof;76
7;Interventionen in der Akademie: ›Gleichstellung‹ in der Wissenschaft im 21. Jahrhundert – Susanne Baer;92
8;II. Von Aufbruch und Ausschluss;112
9;Die erste Generation von Studentinnen und die Zulassung der »besseren Elemente« 1890–1914 – Patricia Mazón;114
10;Wissenschaft jenseits des Berufs –Teilhabe und Ausschluss am Beispiel der Germanistin Helene Herrmann – Alexandra Tischel;128
11;Schlaglichter auf eine frühe Journalistin und politische Lobbyistin: Else Frobenius (1875–1952) – Silke Helling;142
12;Der Übergang vom universitären Ausbildungs- ins Wissenschaftssystem – Das Beispiel der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin – Petra Hoffmann;158
13;Ausschluss und Aufbruch, transnational: Die Fluchthilfe der akademischen weiblichen Weltgemeinschaft, 1933–1945 – Christine von Oertzen;184
14;Studentin Helene Willfüer – Liebe und Arbeit in Zeiten der Beherrschtheit – Massimo Perinelli;204
15;III. Disziplinenspezifische Mechanismen von Hegemonie und Dissidenz;218
16;»Obrigkeit ist männlich« – Zur Systematik kultureller Suspendierung von Frauen in Treitschkes Vorlesungen über Politik – Falko Schnicke;220
17;Umstrittene Anerkennung: Habilitation und Geschlecht – Das Beispiel der Berliner Staatswissenschaften 1920–1933 – Christina Altenstraßer;238
18;Disziplin(ierung) und Geschlecht in den Geisteswissenschaften in den USA und Deutschland – Levke Harders;260
19;Von der weiblichen Lust am Studium der Theologie – Frauen Gestalten Geschichte – Rajah Scheepers;282
20;»Stiefschwestern« – Zum Verhältnis feministisch-theologischer Ansätze aus Ost- und Westdeutschland – Ulrike Auga;304
21;Autorinnen und Autoren;328
22;Personenverzeichnis;334


Schlaglichter auf eine frühe Journalistin und politische Lobbyistin: Else Frobenius (1875–1952) (S. 141-142)

Silke Helling

»Mit einem Kopfsprung stürzte ich mich in das mir völlig neue Leben der Studentin,«1 schrieb Else Frobenius in den Jahren 1943/44. Im Folgenden beleuchte ich die autobiographischen Konstruktionen der Publizistin Frobenius in den beiden Kategorien Geschlecht und Bildungspartizipation. Als Gasthörerin in Berlin studierte sie während der Phase des Übergangs zur Immatrikulationsberechtigung für Frauen in Preußen und steht exemplarisch für Studentinnen ihrer Zeit. Die der baltendeutschen Oberschicht entstammende Akteurin kann als Teil einer nationalistischen weiblichen Generationenkohorte von Antidemokratinnen der Weimarer Zeit verortet werden, die jüngst von Christiane Streubel ausführlich untersucht wurde: um 1870 geboren, zumeist evangelisch, bürgerlich und gebildet, institutionell dem Ring Nationaler Frauen oder anderen völkischen Gruppierungen nahe.2 Frobenius agierte im Radius von kolonialer Propaganda, vielfältiger politischer Lobbyarbeit sowie frauenspezifischer Themenfelder und gehörte zu den Pionierinnen im journalistischen Beruf. Sie ist als Protagonistin eines schwierigen, erst am Beginn der Aufarbeitung stehenden Kapitels deutscher Geschichte und Frauengeschichte einzuordnen.

Zuerst werde ich die Quellenlage skizzieren, die Biographie der Akteurin umreißen und mich dann ihrer Zeit an der Berliner Universität in den Jahren 1908 bis 1911 widmen. Wie ist sie in die Gruppe der Berliner Studentinnen einzuordnen? Wo lagen ihre inhaltlichen Schwerpunkte? Auf welchen Vorkenntnissen und welcher finanziellen Basis fußte ihre Ausbildung? Wie lernte und wohnte sie? Anschließend betrachte ich in einem zweiten Teil die Konturierungen bezüglich Geschlecht und Bildungspartizipation, die Frobenius in ihren autobiographischen Texten vornahm. Wie äußerte sie sich zu beiden Themenfeldern? Beschrieb sie Lehrende und Förderer? Verschwieg sie möglicherweise Kontakte zu jüdischen Menschen, auch aus dem Umfeld der Universität? Bezog sie Stellung zum geschlechterspezifisch segregierten Bildungszugang?

Quellensituation und Relevanz der Akteurin

Das sorgfältig gepflegte Privatarchiv der Publizistin mit Unterlagen aus 30 Berufsjahren, vielfältigen Korrespondenzen und einer Bibliothek von knapp 2.000 Bänden existiert nicht mehr, seit es 1943 bei einem Bombenangriff auf Berlin zerstört wurde.3 Als Ausgangspunkt meiner Untersuchungen diente die im Jahr 2005 durch Lora Wildenthal herausgegebene Publikation von Else Frobenius

Die Erinnerungen einer Journalistin. Zwischen Kaiserreich und Zweitem Weltkrieg, die auf einem rund 200 Seiten Maschinenschrift umfassenden Selbstzeugnis aus den Jahren 1943/44 basiert.4 In Ergänzung entdeckte ich ein unveröffentlichtes, bisher nicht vergleichend untersuchtes Manuskript im Umfang von 100 Seiten, das den Titel Der goldene Schlüssel. Erinnerungen einer alten Frau trägt. Diese überarbeitete Fassung von 1951 wurde von der Autorin in ihrem letzten Lebensjahr gekürzt, außerdem fügte sie »kleine, zeitbedingte Änderungen« ein.5 Geschrieben wurden beide Berichte für das Familienarchiv mit der ausdrücklichen Option einer weiteren Veröffentlichung. Gemeinsam ist den verschiedenen Versionen die strukturierte, chronologisch und thematisch geordnete Darstellung eines an journalistischer und politischer Arbeit, an geistigen Eindrücken und sozialen Kontakten reichen Lebens.

Frobenius schildert es mit überwiegend positiven Aspekten, mit Kontinuitätslinien und ohne selbstkritische Reflexionen als ein sinnhaftes und erfülltes Schicksal. Eine synoptische Auswertung der beiden Selbstzeugnisse, gefertigt vor und nach dem Ende der nationalsozialistischen Ära, zu deren überzeugten Wegbereiterinnen die Autorin gehörte, birgt das Potenzial, signifikante Veränderungen in der Selbstkonstruktion aufzuzeigen. Für den hier relevanten Ausschnitt der Studienjahre stellte ich allerdings grundsätzlich eine hohe Übereinstimmung der Schilderungen fest, weshalb ich überwiegend aus der publizierten Fassung zitiere.


Ulrike Auga, Claudia Bruns, Levke Harders und Gabriele Jähnert forschen und lehren im Bereich Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin und an der Universität Bielefeld.


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