E-Book, Deutsch, 296 Seiten
Arz Fettie macht 'ne Arschbombe
Neuerscheinung
ISBN: 978-3-940839-78-7
Verlag: Hirschkäfer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
und andere Geschichten von unterwegs
E-Book, Deutsch, 296 Seiten
ISBN: 978-3-940839-78-7
Verlag: Hirschkäfer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Martin Arz kennt man als Autor von Sachbüchern und Kriminalromanen; er ist begeisterter Reisender und hatte früher auf seiner Website seine Reiseberichte in gekürzter Form veröffentlicht. Im Netz sind die Geschichten jetzt nicht mehr zu finden, dafür hier erstmals eine Auswahl der besten Geschichten als Buch.
Autoren/Hrsg.
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Heißa Safari!
Kenia, 1998
Ein Nilpferd steht mitten in einer üppig grünen Wiese und guckt vor sich hin. So weit das Auge reicht – üppig grüne Savanne und mittendrin ein einsames Nilpferd. Das ist an und für sich nichts Ungewöhnliches mitten in einem afrikanischen Nationalpark. Doch dieses Nilpferd ist augenscheinlich mutterseelenallein. Kein anderes Tier weit und breit. Zugegeben, die Savanne links vom Nilpferd ist üppiger grün als der Rest. Joe, unser Guide, bringt den großen Jeep zum Stehen und wir dürfen aussteigen. Keine gefährlichen Raubtiere in Sicht. Wohl wissend, dass die meisten tödlichen Wildunfälle nicht mit Löwen passieren, sondern just eben mit Nilpferden, die erstaunlich schnell rennen können und über gewaltige Hauer verfügen, pirschen wir uns mit staksigen vorsichtigen Schritten etwas näher heran. Carlo bringt die Kamera in Anschlag, und ich werfe mich in Pose, denn das gibt ein sensationelles Foto: Ich vor einem einsamen Nilpferd mit nichts als Landschaft ringsum. Doch schneller als wir den Auslöser drücken können, macht es »platsch«, und es gibt nur noch nichts als Landschaft ringsum. Das üppige Grün links von dem monströsen Tier entpuppt sich als komplett zugewachsener See, in den das Hippo eben eingetaucht ist. Es bleibt verschwunden unter dem dichten Teppich aus Wasserpflanzen. Ein klein wenig enttäuscht steigen wir wieder ein. Nun soll es zum Camp gehen, denn wir sind eben erst angekommen, haben die erste Safarifahrt mit Gepäck auf dem Weg zum Camp absolviert.
Rückblende: Ein paar Wochen vorher fragte mich Carlo: »Hast du nicht mal Lust auf eine Safari? Ich habe nächsten Monat drei Tage Nairobi.«
Ähnliche Fragen war ich damals gewöhnt, denn damals führte ich das verwöhnte Luxusleben eines Lufthansa-Angehörigen. Carlo, Purser bei Lufthansa, also Kabinenchef von Beruf – und nicht »Perser«, wie einmal die Bild-Zeitung in einem Artikel über ihn schrieb –, hatte mich als Lebenspartner eingetragen, und so konnte ich die Vorzüge des spottbillig In-der-Weltgeschichte-Herumfliegens genießen.
Wollen wir mal ein wenig Neid generieren und Einblicke in das Luxusleben des Lufthansa-Angehörigen werfen, denn das lief dann in der Regel so:
Carlo: »Du, nächsten Monat habe ich einen Tag in Rom frei …«
Ich: »Koffer ist schon gepackt.«
Ich war noch nie zuvor in Rom gewesen. Und schon bummelten wir an einem milden Dezembertag durch die Ewige Stadt, Carlo verdiente sogar noch Geld dabei. Natürlich musste man sich aufgrund der meist sehr begrenzten Zeit mit dem Sightseeing beeilen. Doch das haben wir schnell perfektioniert. In Rom benötigten wir für Forum Romanum über die komplette Altstadt bis zu Spanischen Treppe keine zwölf Stunden, wir waren sogar noch im Petersdom sowie in den Vatikanischen Museen und haben im Caffè Greco einen Espresso zu Schockerpreisen getrunken. Im Eiltempo eroberte ich auf diese Weise Barcelona, Stockholm, Amsterdam, Budapest, San Francisco, Tel Aviv, Kapstadt, Jerusalem, New York und Bangkok. Ich gewöhnte mich so sehr an das schnelle Stadt-Checken, dass ich mich heute nach einem Tag Mega-Metropole in der Regel bereits zu langweilen beginne, weil nach acht Stunden schon alles besichtigt ist, auch wenn die Füße wunde, blutende Klumpen sind.
Als Lufthansa-Angehöriger, der gerne mal mitflog, wenn der Lufthansa-Angestellte »on duty« war, also auf Arbeit, gewöhnte ich mich leider auch schnell an Fünfsternehotels und Luxusherbergen mit üppigstem Frühstücksbuffet. Zahlen musste ich ohnehin nur mein Ticket, das mich teilweise nur 10 oder 20 Prozent vom regulären Preis kostete. Natürlich sind auch 300 Mark (damals gab es noch diese Währung, heute wären das rund 150 Euro) viel Geld, doch für einen Flug mit Businessclass-Upgrade nach Bangkok und drei Nächte im Kempinski (damals noch in der Sukhumvit Soi 11 – später abgebrannt und nie wieder aufgebaut) oder im Central Plaza (tolle Poollandschaft!) zahlt man das gerne. Da ich aber auch dieses Geld und noch ein bisschen mehr verdienen musste, konnte ich leider nicht so oft mit, wie ich wollte. Allein diese Einschränkung hätte sicher eine Runde Mitleid verdient. Mehr noch, denn nicht immer war mir das Glück hold. Gut, nach Kapstadt gings sogar First Class, aber mir steckt noch heute der Vierzehn-Stunden-Flug nach San Francisco in den Knochen, den ich in der Küche stehend verbringen musste. Nur für Start und Landung durfte ich in der Schlafkabine der Piloten sitzen. Den Rest der Zeit lümmelte ich in der Galley (so nennen wir Flieger die Küche) für die First herum. Musste Champagner schlürfen, Obstbrände verkosten, Kaviar testen, Krabben schlabbern und Pralinés knabbern. Denn die Stewardessen der First ließen alles, was sie den Gästen servieren sollten, von mir vorkosten. Hartes Schicksal. Vierzehn Stunden später landete ich sturzbesoffen, mit dicker Plauze und in selbige hineingestandenen Beinen in San Fran (sprich: Säänfrään, so nennt man heute San Francisco, nur Gestrige sagen noch Frisco).
Im Laufe der Jahre wurde ich wählerisch und flog z. B. nur noch nach Thailand mit, wenn es einwöchige Umläufe gab, d. h. die Crew eine Woche frei hatte. Dann konnten wir mal für ein paar Tage nach Phuket ins traumhafte Marina Cottage. Oder eben nach Kenia, wenn eine Safari winkte.
Fast die ganze Crew hat Angehörige dabei; Brüder, Schwestern, Väter (aber keine Mütter), Lebensgefährten jeden Geschlechts. Alle wollen Tiere schauen. Der Mann einer Stewardess hatte vorab per E-Mail für die gesamte Mannschaft eine Tour gebucht. Und so werden wir in aller Herrgottsfrühe eines schönen Septembermorgens vom Safari Park Hotel in Nairobi abgeholt und zu einem Hangar auf dem Flughafen gefahren, wo unsere Minimaschine wartet. Der Flieger Marke »Seelenverkäufer« setzt uns nach gut zwei Stunden Flug mitten in der Wildnis aus. Nur ein gelber Windsack, der an einer Stange befestigt munter im Mittagswind weht, kündet von menschlicher Zivilisation. Und die beiden Jeeps, die uns in Empfang nehmen. Eine menschliche Behausung ist weit und breit nicht in Sicht. Unser Fahrer heißt Joe, ein freundlicher kleiner Kerl.
Neben Carlo und mir steigen noch zwei Stewards, der prinzessinnenhafte Stefan und der kerlige Markus, sowie die Stewardess Giovanna mit ihrem italienischen Vater (der kein Wort Deutsch spricht) ein. Wir bleiben für die gesamte Safari eine Mannschaft.
Los gehts, die Geier warten schon. Genüsslich knabbern sie an einem Gnukadaver. Sie sind die ersten Tiere, die wir sehen. Noch vor dem Hippo in der grünen Seewiese. Nach dem Hippo ziehen an uns endlose Gnu- und Zebraherden vorbei. Massenwanderungen mitten durch den Masai Mara Nationalpark im Südwesten Kenias, der unmittelbar an den Serengeti-Park in Tansania grenzt. Wir haben eine günstige Safarizeit gewählt, denn im September wandern die großen Herden von hier nach da und von da nach dort. Endlose Ströme von Zebras und Gnus. Massen, Millionen, bis zum Horizont ein einziger Fluss aus Zebra- und Gnuleibern. Ab und an kommen wir an den Überresten von Raubtiergelagen vorbei. Mein Sammeltrieb juckt mir in den Fingern. Zu gerne würde ich den einen oder anderen Schädel mitnehmen. Leider hängt an den meisten noch zu viel Fleisch, und ich glaube nicht, dass ich im Camp Gelegenheit haben werde, die Schädel auszukochen. Bei einem zerlegten Zebra, durch dessen Überreste pietätlos die Spuren zahlloser Jeeps führen, hält Joe an. Zwischen den Hufen und der halben Karkasse findet er den bestens erhaltenen Schweif. Ein kurzes Stück schwarz-weiß gestreifter Schwanz mit dicker schwarzer Quaste.
»Guter Fliegenwedel«, grinst Joe, fächelt sich mit dem Stück toten Tiers Luft zu und steigt wieder in den Wagen.
Die Sau! Wie ich ihn beneide!
Im Governor’s Camp, unserer Safari-Station, kommen wir dann doch noch zu unserem Foto mit Hippo. Denn vor dem Haupthaus liegt ein mächtiger Nilpferdschädel bleich in der Sonne. Wir hocken uns gleich fotogen daneben.
Unsere Unterkünfte im Governor’s Camp sind komfortable Zelte, die sich in einer Flussschleife aneinanderkuscheln. Der Fluss bildet eine natürliche Barriere zur wilden Savanne, nur von einer Seite kann man das Camp auf dem Landweg betreten. Gleich vor unserem Zelt befindet sich ein hölzernes Absperrgitter, und dahinter geht es mehrere Meter steil bergab. Unten rauscht der Fluss, darin tollen jede Menge Nilpferde. Gut, dass die nicht klettern können. Die Zelte im Camp sind geräumig. Zwei Betten, Schreibtisch und Schrank. Dazu eine gemauerte Open-Air-Dusche im hinteren Teil. Richtig romantisch. Richtig Tania-Blixen-mäßig.
Nach dem Mittagessen geht es los zur ersten richtigen Safari. Und kaum haben wir das Camp verlassen, stolpern wir über die ersten Löwen. Ehrlich gesagt stolpern wir nicht, zahllose andere Jeeps, darunter ein japanisches Fernsehteam, weisen uns den Weg. Die Fahrer der unterschiedlichen Camps verständigen sich per Walkie-Talkie über lohnenswerte Ziele. Das kleine Löwenrudel bietet tourismusgerecht alles, was die Fotoapparate begehren: Ein abgenagtes Gnuskelett, einen prächtigen Pascha, der döst und herzhaft gähnt, ein paar wachsam umherschleichende Löwinnen und zahlreiche putzige Babylöwen, die drollig herumtapsen und Adoptionsgelüste bei uns wecken.
Nach und nach verstreuen sich die Jeeps wieder. Nur das TV-Team bleibt, vermutlich froh, endlich in Ruhe drehen zu können. Wir düsen quer durch die Landschaft. Eigentlich sollten sich die Führer an die ausgefahrenen Pisten halten, doch Joe will uns was bieten und schürt querfeldein. Wir kommen an Dörfern vorbei, Grals, die von hohen Dornenhecken umgeben sind. Wir genießen Landschaft, Landschaft, Landschaft. Traumhafte Weiten, die man nicht vergisst. Gelegentlich sehen wir ein paar Kinder auf einsamer Flur. Sie winken uns zu. Haben...