Isabella von Ägypten, Fürst Ganzgott und Sänger Halbgott und mehr
E-Book, Deutsch, 540 Seiten
ISBN: 978-80-272-1301-6
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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Geschichte des ersten Bärnhäuters »Als Sigismund, der ungersche König von dem Türken geschlagen worden, ist ein deutscher Landsknecht aus der Schlacht in einen Wald entronnen: da er nun keinen Weg fand, keinen Herren, kein Geld hatte, an keinen Gott glaubte, so erschien ihm ein Geist und sagte ihm, wenn er ihm dienen wollte, so wollte er ihm Gelds genug geben und ihn selbst zu einem Herren machen. Der Landsknecht sagte: O ja, er sei es zufrieden. Nun wollte aber der Geist wissen, ob er wohl einen rechten Heldenmut habe, damit er sein Geld nicht umsonst ausgebe und führte ihn an das Lager einer Bärin, die Junge hatte, und als diese gegen sie ansprang, befahl er dem Landsknecht, ihr auf die Nase zu schießen. Der Landsknecht vollführte das treulich, schoß ihr in die Naselöcher zwei Posten hinein daß sie stürzte. Da solches geschehen war, fing der Geist an mit ihm zu unterhandlen: ›Zieh die Haut der Bärin dir ab, du wirst sie brauchen, gut für dich, daß du kein Loch hinein geschossen, denn soll ich dich reich machen, so mußt du mir sieben Jahre darin, als in meiner Livrei dienen, mußt in den sieben Jahren alle Nacht eine Stunde um Mitternacht bei meinem Schlosse Schildwach stehen, mußt in den sieben Jahren dir niemals Haar und Bart und Nägel, weder abschneiden noch reinigen, dich auch nie waschen, abreiben, abstäuben und einsalben; in den sieben Jahren sollst du bei Tage frei Licht, bei Nacht mit Abwechseln, Mondschein, Sternenschein und nichts haben, als guten Wein zum Trinken, Kommißbrot zum Essen; auch sollst du in der Zeit kein Vaterunser beten.‹ Der Landsknecht ging alles ein und sagte zum Geist: ›Alles was du mir zu unterlassen befiehlst, habe ich mein Lebtage nicht gern getan, weder Kämmen, Waschen noch Beten; was du mir zu tun befiehlst, soll mir bei einem guten Glase Wein nicht schwer werden.‹ Darauf zog er seine Bärenhaut über und der Geist führte ihn durch die Luft auf sein wüstes Schloß, das mitten im Meere liegt, woselbst er gleich seinen Dienst antrat. Sechs und ein halbes Jahr versah der Landsknecht in seiner Bärnhaut, wovon er den Namen des Bärnhäuters bekommen, seinen Wachtdienst; Haar und Bart waren ihm dermaßen gewachsen und verfilzt, daß er von Gottes Ebenbildlichkeit wenig mehr übrig behielt; Petersilie war ihm auf seiner Haut gewachsen, das sah gar erschrecklich aus.« – Mit einem Schauder sah Bella bei diesen Worten die Hirse auf dem Kopfe des Alrauns, der sehr wohlzufrieden sie durch die Finger gehen ließ, seiner Schönheit gegen den unsaubern Landsknecht gewiß. – »Als nun sechseinhalb Jahr um waren«, fuhr Braka fort, »trat der Geist zu ihm, freute sich über sein Ansehen, sagte ihm, er brauche ihn nicht mehr, er wolle ihn wieder unter Menschen bringen, doch mit der Bedingung, daß er sich noch ein halbes Jahr in dieser seiner Verwilderung unter ihnen sehen lasse, zugleich wolle er aber mit ihm abrechnen und ihm den verdienten Geldschatz überantworten, er möchte sich damit lustig machen, so gut er könnte. Dem Landsknecht war es doch lieb, wieder unter Menschen zu kommen, weil er das Sprechen fast verlernt hatte, er ließ sich vom Geist recht vergnügt übers Meer nach Deutschland führen, nach Graubünden, weil es dort in damaliger Zeit am schmutzigsten auf dem ganzen Erdboden war. Dennoch wollte ihn da kein Wirt aufnehmen, bis er eine Handvoll Dublonen und eine Handvoll Piaster einem ins Gesichte warf; der räumte ihm seine besten Zimmer ein, daß er die gewöhnlichen Gäste von dem Hause nicht zurückschrecken möchte. Als aber der Papst, der mit gemalten Bildern die ganze Christenheit regiert, durch Graubünden kam, von dem Conzilio nach Rom zurück zu reisen, da trat der Geist zu dem Bärnhäuter und malte sein Zimmer mit allen merkwürdigen Menschen der Welt, sowohl denen, die gelebt, als die künftig noch leben werden, wie den Antichristen und das Jüngste Gericht, worüber der Wirt sich nicht wenig verwunderte, aber dennoch den Bärnhäuter zwang, die Nacht, wo der Papst bei ihm einkehrte, seine Zimmer einzuräumen und im Schweinestall zu schlafen, den Papst aber legte er in das vom Bärnhäuter schön gemalte Zimmer. Als der Papst am andern Morgen aufwachte, war das erste, daß er sich nach dem wunderbaren Maler erkundigte, der das Zimmer so künstlich verziert habe. Der Wirt erzählte ihm, was er von ihm wußte und mußte ihn dann aus dem Schweinestall herauf kommen lassen. Der Papst aber grüßte ihn freundlich, fragte ihn, wer er wäre und der Landsknecht nannte sich Bärnhäuter; darauf fragte ihn der Papst, ob er diese herrlichen Bilder gemalt? ›Wer sonst‹, sprach der Bärnhäuter. Da rühmte ihn der Papst, als den ersten Maler der Welt und sagte ihm, er habe drei natürliche Töchter, die er sehr liebe, die älteste heiße Vergangenheit, die andre Gegenwart, die dritte Zukunft, wenn er ihm die so malen könnte, daß er wüßte, wie jede nach einer Reihe von Jahren aussähe, so wolle er ihm die zur Frau geben, welche ihm am besten gefalle. Der Bärnhäuter versprach alles in Hoffnung auf seinen Geist. Der Papst redete darauf weiter: ›Du könntest mir aber leicht einbilden, daß sie sich also verwandeln möchten und wenn es nicht zuträfe, hättest du doch inzwischen meiner Tochter Liebe genossen, darum stelle ich dich auf eine Probe. Ich zeige dir nur meine jüngste Tochter Zukunft und du mußt aus ihrem Anblicke die beiden älteren, Gegenwart und Vergangenheit malen, bestehst du diese, so ist das Mädchen dein, bestehst du sie nicht, so verfällt mir dein großes Vermögen, wovon mir der Wirt erzählt hat.‹ Bärnhäuter ging alles ein, lief neben dem Wagen des Papstes her und hielt ihn, wenn er umfallen wollte, und so kamen beide ohne Schaden nach Rom. Gleich am Abend stellte ihm der Papst seine Tochter Zukunft vor, die sehr schön war, aber zweierlei Farbe von Haaren auf ihrem Kopfe trug; Bärnhäuter verliebte sich gleich, sie aber entsetzte sich über seinen Anblick. Als sie fort war, rief er seinen Geist, der mit einem Farbetopfe und einem Pinsel geflogen kam und die Bilder der beiden ältern Schwestern sogleich anfertigte. Als Bärnhäuter das Bild der Gegenwart gemalt sah, vergaß er darüber der geliebten Zukunft und weinte, daß er diese nicht bekommen könnte. Der Geist tröstete ihn und sprach: in einem halben Jahre würde seine Braut dieser ähnlich und gleich sein, und so hätte er in diesem Bilde auch das vom Papste verlangte Bild, wie die Tochter in einer gewissen Zeit aussehen werde; in dem Bilde der Vergangenheit, werde er aber gleich sehen, wie die Gegenwart künftig aussehen müsse. – Der Geist malte dieses Bild der Vergangenheit und es gefiel dem Bärnhäuter nicht. Als dieser nun aber vom Geiste verlangte, er solle ihm das Bild der Vergangenheit malen, wie sie künftig aussehe, da wischte der Geist seinen Pinsel auf der Wand aus und sagte: ›Entweder so wie die Wolken, daß nichts zu erkennen, oder wie das Bild der Zukunft, das du im Herzen trägst, und das ich dir niemals gut genug malen würde!‹ Hier verschwand der Geist. Am Morgen zeigte der Bärnhäuter die Bilder dem Papst, der sehr nachdenklich dabei wurde, ihn umarmte und seiner jüngsten Tochter als Bräutigam vorstellte. Bärnhäuter war so voll Freude, daß er nicht sah, wie seine Braut weinte, als er seinen Ring, der auseinander geschroben werden konnte, mit ihr teilte, und ihr die Hälfte an den Finger steckte. Darauf nahm er Abschied, denn so hatte ihm der Geist in der Nacht befohlen, – ich hatte es zu erzählen vergessen – und ritt nach Deutschland zurück, um dort in Graubünden sein siebentes Jahr noch auszuwarten; dann ging er nach Baden ins Bad, wo er zu seiner Reinigung über ein halbes Jahr beständig im Wasser lag und mit groben Besen abgebürstet wurde; ein Dutzend Messer wurden stumpf, eh' ihm der Bart und das Haar abgeschoren waren. Als das beendigt, schaffte er sich die kostbarsten Kleider an und eilte zu seiner Geliebten zurück. – Diese war unterdessen in das Aussehen gerückt, was die Gegenwart damals hatte, sie war sehr schön, aber immer traurig weil sie sich vor ihrem Bräutigam fürchtete und weil sie von den Schwestern, die keinen Mann bekommen, beständig seinetwegen geneckt wurde. Eines Tages rief ein heller Trompetenschall alle drei Schwestern ans Fenster, es zog ein schöner fremder Ritter mit vielen Knechten in die Stadt, den sich die beiden ältesten sogleich zum Mann wünschten, und o Wunder, der Ritter hielt vor dem Hause still, ließ auch um Erlaubnis bitten, ihnen aufzuwarten. Sie bewilligten es gern und er gab sich für einen entfernten Verwandten von ihnen aus, der eine von ihnen zu heiraten begehre und sich deswegen durch einige Gaben empfehlen wolle. Die beiden Ältesten griffen begierig nach den Geschenken, die Jüngste aber blieb einsam wie ein Turteltäubchen; die beiden Ältesten bemühten sich um seine Gunst, sie gefielen ihm aber gar nicht mehr, die Gegenwart sah aus wie damals die Vergangenheit und die Vergangenheit hatte ein verwischtes Gesicht, wie eine Alabasterstatue, die lange unter der Traufe gestanden, die liebe Zukunft aber blühte in höchster Schönheit, ihre Haare glänzten in gleicher heller Farbe. Dennoch stellte er sich erst den beiden Älteren geneigt, um die Sinnesart der Jüngeren zu prüfen; als diese aber still und sittig blieb, während jene stolzierten, erklärte er sie für seine Braut, indem er ihr die andre Hälfte des Ringes am Finger anschraubte. Da war große Freude in der Verlassenen angezündet; der Papst erschien und segnete beide ein. Als aber die Brautleute zu Bette gebracht worden, ergriff die beiden älteren Schwestern eine Verzweifelung, daß sich die eine erhenkte und die andre in den Brunnen stürzte. In der Nacht trat der Geist, die beiden toten Mädchen im Arm, zum letztenmal zum Bärnhäuter und sagte: ›Du hast alles erfüllt, was du mir gesollt, ich bin im Vorteil, ich habe mir zwei,...