Arndt | Rassistisches Erbe | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 224 Seiten, EPUB

Reihe: Duden - Sachbuch

Arndt Rassistisches Erbe

Wie wir mit der kolonialen Vergangenheit unserer Sprache umgehen
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-411-91423-4
Verlag: Duden ein Imprint von Cornelsen Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie wir mit der kolonialen Vergangenheit unserer Sprache umgehen

E-Book, Deutsch, 224 Seiten, EPUB

Reihe: Duden - Sachbuch

ISBN: 978-3-411-91423-4
Verlag: Duden ein Imprint von Cornelsen Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Bei der aufgeheizten politischen Debatte um sprachliche Grenzen und diskriminierende Wortverwendungen, stellt sich die Frage, welche Wörter man benutzen darf. Wo liegen beispielsweise die Unterschiede zwischen "Farbiger" und "Person of Color"? Wie problematisch ist das Wort "entdecken"? Dieses Buch liefert erstaunliche Begriffsgeschichten und erläutert, wie manche Wörter der deutschen Sprache an überkommenes Denken aus der Kolonialzeit anknüpfen.
Die Kulturwissenschaftlerin Susan Arndt setzt sich entlang konkreter Wörter mit dem kolonialen Erbe in unserer Sprache auseinander. Manche, etwa „Tropenmedizin", dürften dabei überraschen. Darüber hinaus diskutiert sie die Zusammenhänge zwischen Sprache und Macht und zwischen Rassismus und Kolonialismus. Sie zeigt dabei, welche Möglichkeiten wir haben, mit den kolonialen Vergangenheit in unserer Sprache umzugehen und wie neuere Begriffe und neue Begriffsverwendungen, wie "Indigene Menschen" oder "weiß" sich etablieren und versuchen Alternativen zu liefern.

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RASSISMUS ALS IDEOLOGISCHES SCHWERT VON KOLONIALISMUS
Alle Weißen hatten über Jahrhunderte hinweg von Kolonialismus profitiert – und zwar unabhängig davon, ob sie nun in den kolonisierten Gebieten oder in den europäischen Ländern lebten. Die dafür aufgewandte Gewalt sollte nicht nur moralisch aushaltbar sein, sondern sich auch noch richtig anfühlen. Diesem Zweck dienten Bullen, Dekrete und Gesetze, und zwar in Wechselwirkung mit Moralvorstellungen, Wissen und Erzählungen. Um das zu erwirken, erfanden Weiße ‚Menschenrassen‘. Dies war das Fundament, um White Supremacy, die weiße Vorherrschaft, zu errichten. Insofern diese auf dem Postulat aufbaut, dass Weiße die überlegene Norm sind, bot Kolonialismus neben ökonomischen Profiten damit auch Macht und Selbstwertpotenzierung feil. Diese Prozesse sind im Folgenden nachzuzeichnen. Dabei werden grundlegende und sich kontinuierlich zeigende Muster ebenso ergründet wie deren modifizierende Umsetzungen im Laufe der Jahrhunderte – und zwar bis in die Gegenwart hinein. Othering: Norm, Normalität und das entsprechende ‚Andere‘
Zur Geschichte der Menschheit gehört es, dass sich Kulturen, Gesellschaften oder Gruppen voneinander abgrenzen – nach außen und innen. Dabei wird von einer als Normalität gesetzten Norm ausgegangen. Diese aber ergibt nur in der Absetzung von ‚Anderen‘ Sinn. Das wird durch den Begriff Othering zusammengefasst. Im Wortkern steckt das englische Wort other, also ‚andere‘. Der Suffix -ing betont das Prozesshafte. Das Othering erzeugt ‚Andere‘ und damit auch die eine Norm und Normalität. Das funktioniert nur durch Macht und entsprechende Herrschaftsstrukturen, die so gebaut sind, dass sie jene bevorteilen, die als Norm gesetzt werden. ‚Rassentheorien‘ und die Kartierung körperlicher Unterschiede
Im Falle des Kolonialismus musste das Othering auf die Formel hinauslaufen, dass Europa allen anderen überlegen war. Zu diesem Zweck kristallisierte sich ab dem 15. Jh. eine erste Idee von ‚Rasse‘ heraus: Körperliche Unterschiede wurden zu vermeintlich naturgegebenen Bündeln zusammengeschnürt. Dazu wurden Farben und Formen von Haut, Haar oder Gesicht sowie Schädeln und Knochen sowie die Konsistenz von Blut instrumentalisiert. Dieser Mixtur von Körpermerkmalen wurden dann kulturelle, mentale oder intellektuelle Charakteristika zugewiesen. Dabei wurde verabsolutiert, verallgemeinert und gewertet – und zwar um (kulturelle, mentale oder religiöse) Hierarchien zu bauen. Dabei musste immer der weißen Zielsetzung entsprochen werden, ‚Weiße‘ als vermeintlich allen anderen ‚Rassen‘ überlegen zu deklarieren.37 Dafür wurden Konstrukte um ‚Natur‘ versus ‚Kultur‘, ‚Vernunft‘ versus ‚Emotion‘ sowie ‚gute‘ versus ‚böse‘ Menschen auf oder in den Leib geschrieben. ‚Natur‘ versus ‚Kultur‘, ‚Vernunft‘ versus ‚Emotion‘, ‚gut‘ versus ‚böse‘
Für der Ausformung der Idee von ‚Rasse‘ war die Gegenüberstellung von ‚Kultur‘ und ‚Natur‘ zentral. Dabei war in Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit die Weltsicht der „Chain of being“, also der ‚Großen Kette des Seins‘, federführend. An deren niedrigster Stelle standen Mineralien, dann Pflanzen und Tiere, gefolgt von Menschen und göttlichen Würdeträger*innen. Der (christliche) Gott stand an der Spitze dieser Pyramide.38 Rassismus benutzte diese Hierarchisierung, um Menschen entlang von ‚Rasse‘ voneinander zu unterscheiden: Es gäbe Menschen, die Tieren und damit der ‚Natur‘ nahe stünden, sowie jene, die eher dem Göttlichen und der ‚Kultur‘ entsprächen. Aus diesem Zirkelschluss heraus setzten Weiße sich als überlegene ‚Kultur‘ und jene, die sie als ‚Andere‘ konstruierten, als ‚Natur‘. Das Wort Kolonialismus ist aus ebendieser Logik heraus gestrickt.39 Zunächst im Sinne einer ‚landwirtschaftlichen Nutzbarmachung von Natur‘ gemeint, wurde es auch zum Kodex des antik-römischen Imperialismus sowie der europäischen Kolonisierung der Welt. Dabei wurde die Urbarmachung von Land und Menschen in kolonialistischer Perspektive zusammengeführt, während die dort lebenden Menschen der (‚unberührten‘, will sagen ‚unkultivierten‘) ‚Natur‘ einverleibt wurden. Über diese Tricktäuschung wurde die kolonisierten Welten als ‚unbewohnte‘ oder zumindest ‚unkultivierte‘, ‚ungestaltete‘ ‚Natur‘ gesetzt, die darauf harre, ‚kultiviert‘ zu werden. Im Kern ging es darum, Kolonisierten das Menschsein – die Wertigkeit, die das Menschsein mit sich bringt – mehr oder weniger komplett abzusprechen. Entsprechend spricht Hegel etwa davon, dass in Afrika „[d]ie Wertlosigkeit der Menschen … ins Unglaubliche“ gehe.40 Diese Entmenschlichung der Kolonisierten wurde bis dahin ausgereizt, dass sie als Tiere oder tiernah beschrieben wurden.41 Dies bot den Rahmen dafür, zu erklären, dass BIPoC keinen Anspruch auf Menschenrechte hätten und dass Schwarze von ‚Natur‘ aus dazu bestimmt seien, als Versklavte zu leben.42 Diese Rhetorik setzte sich in der Unterstellung fort, dass Kolonisierte selbst gar keine Achtung des Menschseins kennen würden. Zu diesem Zweck machten Weiße aus ihnen die „Quintessenz des Bösen“, wie der postkoloniale Theoretiker Frantz Fanon diese Rhetorik später beschreiben wird: Alles, was Kolonisierte berührten, werde „zerstört“; alles „was mit Ästhetik oder Moral zu tun hat“, werde „deformiert und verunstaltet“.43 Dabei war ‚Kannibalismus‘ eine der stärksten dämonisierenden Zuschreibungen. Denn wer Menschen isst, könne kein Mensch sein. Exotisierung zieht die gleiche Aussage andersherum auf. Menschen werden als naturverbunden idealisiert, wodurch ihnen abgesprochen wird, Teil von ‚Kultur‘ sein zu können. Die binäre Setzung von ‚Kultur‘ versus ‚Natur‘ wurde wiederum mit einer Gegenüberstellung von Vernunft und Emotion verbunden. Das spielte bereits bei Aristoteles eine zentrale Rolle, wurde aber insbesondere in der für die Säkularisierung stehende Aufklärung zum Herzstück des Rassismus. Ihre hehren Ideale um Freiheit, Gleichheit und ‚Brüderlichkeit‘ wurden an die Fähigkeit zu Fortschritt und Vernunft geheftet und diese wiederum als Privileg weißer Männer gesetzt. Nur wer ‚Kultur‘ sei, sei vollumfänglich befähigt zur Vernunft. Menschen, welche naturnah seien, seien dies jedoch nicht, sondern stattdessen emotionsgesteuert. Daraus folgte der rassistische Zirkelschluss, dass ‚Kultur-Menschen‘ als vernunftbegabte Subjekte berechtigt, ja, verpflichtet seien, ‚Natur-Menschen‘ (als Objekte) zu ‚zähmen‘ (also zu ‚missionieren‘ und/oder zu ‚zivilisieren‘) – will sagen, zu kolonisieren. Deswegen sei es gerecht, dass Weiße über BIPoC samt ihrer Ressourcen herrschen und dass allein ‚weiße Männer‘ einen Anspruch auf Freiheit und bürgerliche Rechte hätten. Zu Beginn des 19. Jh. behauptet auch Hegel, dass Kolonisierte in der ‚Natur‘-Vorvergangenheit ‚westlicher Zivilisationen‘ lebten. Über ‚Afrika‘ schreibt er in seinen Betrachtungen der Weltgeschichte wenig – und zwar begründet damit, dass es hier weder historischen Wandel noch gesellschaftliche Dynamik gäbe. „Wie wir [also: ‚wir Weißen‘, Anmerkung SuA] sie [die Afrikaner*innen, Anmerkung SuA] heute sehen, so sind sie immer gewesen … Afrika … ist kein geschichtlicher Weltteil, er hat keine Bewegung und Entwicklung aufzuweisen.“ Dabei fasst Hegel ‚Afrika‘ als einen geografischen Raum, bei dem er kurzerhand den Norden des Kontinentes auslagert – ihn also „der asiatischen und europäischen Welt“ einverleibt. Im Ergebnis des zurechtgeschnittenen Puzzles behauptet er: „Was wir eigentlich unter Afrika verstehen, das ist das Geschichtslose und Unaufgeschlossene, das noch ganz im natürlichen Geiste befangen ist, und das hier bloß an der Schwelle der Weltgeschichte vorgeführt werden musste.“44 Und weil es in der Geschichte Afrikas keine Dynamik gegeben habe, so Hegels Logik, sei es von Stagnation geprägt. Diese Abwesenheit von Fortschritt oder, je nach Jahrhundert, Modernisierung wird ähnlich anderen kolonialen Räumen zugeschrieben. Daraus wiederum wird die Behauptung abgeleitet,...


Susan Arndt (*1967) ist Professorin für Englische Literaturwissenschaft und Anglophone Literaturen an der Universität Bayreuth. In ihren Veröffentlichungen zu Rassismus, Sexismus und Kolonialismus gelingt es ihr, die komplexen Hintergründe der aktuellen Debatten nachvollziehbar zu beleuchten und daraus Empfehlungen abzuleiten.



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