Archan | Helene geht baden | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 320 Seiten

Reihe: Willa Stark

Archan Helene geht baden

Kriminalroman
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95602-062-9
Verlag: CONTE-VERLAG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 1, 320 Seiten

Reihe: Willa Stark

ISBN: 978-3-95602-062-9
Verlag: CONTE-VERLAG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Es tut mir leid, Liebes«, flüstert er.
Sein Flüstern ist wie der Flügelschlag einer Libelle.
Das Blut ist der See, über den sie schwirrt.
»Es tut mir so unendlich leid.«
Er weiß, dass es keine Vollendung gibt.
Kein fertiges Bild.
Nur einen zu frühen Abschied.

Helene ist jung, Helene ist blond, Helene liebt baden. Jeden Abend entspannt sie sich im schaumigen Wasser. Danach kuschelt sie sich auf die Couch ihrer Kölner Singlewohnung.
Fritz ist alt, Fritz ist verwitwet, Fritz ist einsam. Abends sitzt er schuldbewusst mit seinem Fernglas am Fenster und beobachtet seine Nachbarn. Die Greise im Altenheim, den dicken auf seinem Trimm-Rad. Und Helene. Doch was er eines Abends sieht, lässt seine und Helenes Welt auseinanderbrechen.
Willa kommt aus Graz, Willa ist Polizistin und Willa ist hartnäckig. Deshalb ist sie bestens geeignet, das Danach für Helene erträglich zu machen und den Täter zu suchen. Aber Willa tappt im Dunkeln und Helene ertrinkt im Leben.

Archan Helene geht baden jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


I. Moni
II. Helene
III. August
IV. Regen


1 Sie sitzt auf einem Ast und versucht, mit Hilfe ihrer Gedanken den dünnen Zweig zu bewegen. Tatsächlich wippen die Blätter leicht auf und ab. Das könnte natürlich auch am Wind liegen. Moni ist zwar tot, aber nicht blöd. Überhaupt erstaunt es sie, dass sie immer noch so vernünftig denkt. Dass sie immer noch scherzen kann und dass sie immer noch Bedürfnisse verspürt. So wie jetzt das Bedürfnis zu wippen. Auf und Ab. Sie lächelt und fragt sich gleichzeitig, womit. Ihr Blick geht nach unten. Oh ja, sie fühlt ihren Blick, wie sie ihr Lächeln fühlt. Der Körper dazu mag fehlen, aber die Gefühle, die sinnlichen Wahrnehmungen sind intensiver als je zuvor. Auf dem Ast, der erste winzige, grüne Knospen hat, sitzt eine Amsel und pfeift. Einen einzigen Ton. Ist es ein Ton der Überraschung, weil der Vogel sie tatsächlich wahrnehmen kann? Ein Vogel, der ein Medium für Verstorbene ist? Esoterischer Unsinn oder neue Dimension? Vieles ist anders, seit sie ihren Körper verlassen hat. Es war zu viel. Zuviel Schmerz und Blut, zu viel Panik und Angst. Ganz abgesehen davon, dass sie in all der unendlich qualvoll und langsam verstreichenden Zeit nicht einmal ohnmächtig geworden war. Also raus und tschüs! Moni macht sich nichts vor. Sie hat ihren Körper nicht verlassen, um später wieder heimzukehren, um mit Blaulicht und Sirene ins Krankenhaus gebracht und dann wiederbelebt zu werden. Um von einem Tunnel zu erzählen und ihrem Vater, der sie abholen gekommen war, nur um sie dann doch wieder zurück in ihr, wenn wir ehrlich sind, doch etwas langweiliges Leben zu schicken. Sie dreht sich einmal im Kreis, die Amsel flattert erschrocken auf. Verschwindet im Grau des frühen Morgen. Die Sonne wird erst um kurz nach sieben aufgehen, noch liegt ein dunkler Schleier über dem Kölner Stadtwald. Aber sonnig soll es werden, Moni erinnert sich an die Wettervorschau. Tatsächlich hat sie noch den Wetterbericht gesehen, bevor es losging. Kein Mensch weit und breit. Auch kein Nichtmensch, kein schon Verstorbener. Papa kam mal wieder nicht. Hatte nicht nur Monis Einschulung und Brittas Kommunion und ersten Ball verschwitzt, sondern auch das Versterben seiner jüngeren Tochter nach seinem eigenen Herzanfall. Gab es dieses Wort? Versterben? Keine Möglichkeit ins Internet zu gehen. Kein Smartphone in der Zwischenwelt. Moni sieht etwas gelangweilt nach unten. Dort gibt es etwas, das noch aus Fleisch und Blut besteht. Zwar seelenlos, aber anwesend. Noch. Bevor die Zersetzung beginnt. Unter dem Baum, zum Teil unter dem untersten dicken Ast verborgen, liegt Monis Körper. Abgelegt wie ein Stück erlegtes Vieh. Unbedeckt. Vollkommen nackt. Seltsamerweise stört Moni die Nacktheit ihres früheren Seelenhauses nicht im Geringsten. Sie fühlt keine Verbindung mehr zu dieser fragilen Hülle. Eher neutral schaut sie darauf. Wenn sie sich die Schnittwunden und Verletzungen wegdenkt, ist es ein junger und schöner Körper gewesen. Gerne hätte sie ihn länger bewohnt. Sie fragt sich, wann die Fliegen und Käfer ihn finden und mit ihrem Frühstück beginnen werden. Sie hätte große Lust nach den Stadien einer Leiche zu googeln, aber das war vorbei. Oder würde es ein himmlisches Facebook mit einem Account für andere ruhelose Seelen geben? Oder inkarnierte man immer wieder und sie hockt hier im Baum auf einem Ast, um sich auf ein neues Leben als Ameise vorzubereiten. Wie hieß noch mal dieser Roman über genau eine solche Inkarnierung …? Nee, Inkarnation heißt das Wort richtig. Die Beine ihres Körpers liegen bis zum Knie im Wasser des Weihers. Sanfte kleine Wellen berühren ihre bleiche Haut. Moni sieht ihre rechte Wade, die einen schweren Bluterguss aufweist. Der Knochen vorne am Schienbein macht unter dem Knie einen Knick. Dort ist er gebrochen worden. Sie merkt, dass die Erinnerung an die Schmerzen wie weggeblasen ist. Ein weiterer Pluspunkt für das Leben als Untote. Quatsch, das klingt nach Zombie. Auf keinen Fall ist sie ein Zombie! Moni lässt den Ast los. Sie segelt nach unten und setzt sich neben ihren leblosen Körper. Es fühlt sich zumindest wie Sitzen an. Das gebrochene Schienbein, zwei ausgeschlagene Zähne, Blutergüsse im Gesicht und an den Oberarmen. Ein tiefer Schnitt im Fleisch ihrer Wange. Aber die Schnittwunden am Bauch sind am schlimmsten. Kreuz und quer wie ein blutiger Jägerzaun. Die Haut klafft auf und wirkt an den blutigen Rändern wie oft gelesene Buchseiten. Sie denkt an das Zimmer, in dem ihr Körper litt, tatsächlich ihr eigenes Schlafzimmer, in dem sie tausend und mehr Nächte geschlafen hatte, voller Vertrauen und Geborgenheit. Ihre vier Wände, die sie immer beschützt hatten, seit sie von zu Hause, von Mama, weggezogen war. Sie erinnert sich an die Blutlache, die unter ihrem Körper größer und größer wurde. Ein roter See, gebildet aus dem Wasserfall ihres eigenen Lebenssaftes. Sie erinnert sich an die Schreie, die, erstickt durch das Klebeband, ihren Kehlkopf und ihre Lunge wie einen Feuerball explodieren ließen. Richtig gestorben ist sie erst hier am Wasser. Hier erwachte ihre Seele ohne den Körper. Mit einer weichen Heiterkeit, einer luftigen Ausdehnung, die bald weit über den Horizont hinausreichen wird. Diese poetischen Sätze zu ihrem Tod hätte sie aufgeschrieben, sie gepostet, sie für andere sichtbar gemacht, sie eingeflochten in eine kleine Story, die man Wie ich mein junges Leben verlor hätte taufen können. Vielleicht hätte sie die gesamte Geschichte auch verkaufen können, wie viele ihrer kurzen und amüsanten Artikel in Zeitschriften und Anthologien. Diesmal eine Story von eurer Moni, grausamer und endgültiger als sonst. Ihre Hand- und Fußgelenke weisen tiefe rote Kerben von der Wäscheleine auf. Ihre rechte Schulter ist ein dicker Klumpen, sie hatte sie sich ausgerenkt, als sie sich vor Schmerzen aufbäumte und wie eine Wahnsinnige an den Wäscheleinenfesseln riss. An ihrer rechten Hand stehen der Zeige-, Mittel- und Ringfinger steil nach oben. Verbogen, gebrochen. Arme rechte Hand. Schreibhand. Kuss­hand. Liebeshand. Sie sucht wieder nach dem Gefühl zu diesen unvorstellbaren Schmerzen, findet aber nur trockenen Humor. Ob die Leute vom Bestattungsinstitut die Finger wieder nach unten biegen werden? Sie möchte nicht wie Quasimodo, der entstellte Glöckner, in ih­rem Sarg liegen. Schritte lassen sie aufhorchen. Jemand kommt. Jemand kommt auf sie zu. Moni steigt wieder nach oben, diesmal über den Ast, über den Baum hinaus. Die ersten Strahlen der kühlen Märzsonne tauchen am Horizont auf. Es muss kurz nach sieben sein. Der Himmel zeigt in seinem werdenden Blassblau einige weiße Wolken, die später einen kleinen schnellen Regenschauer bringen werden. Der Jogger biegt um die Kurve, vorne an der kleinen Brücke. Um diese Uhrzeit, an einem Samstagmorgen, ist er einer der ersten, die im Stadtwald unterwegs sind. Bald werden es mehr werden, Läufer, Leute mit Hunden, frühe Spaziergänger. Der Mann ist von etwas fülliger Statur, geschätzte vierzig Jahre alt und er keucht. Aus seinem Mund steigen bei jedem Ausatmen weiße Wolken auf, es ist noch ziemlich kalt Anfang März. Er trägt eine wollene Mütze auf dem Kopf und hat sich einen Schal um den Hals geschlungen. Dafür stecken seine Beine in einer kurzen und definitiv zu knappen Radlerhose. Wenn er Richtung und Tempo beibehält, wird er direkt an Monis Körper vorbeilaufen. Sein Blick ist nach unten auf den Weg gerichtet. Er nimmt seine Umgebung nicht wirklich wahr, konzentriert sich auf das Laufen, das Keuchen, vielleicht auch schon auf ein zunehmendes Seitenstechen. Plötzlich wünscht sich Moni, dass er den Kopf drehen und sie sehen soll. Wünscht sich wahrgenommen zu werden, mit einem Kopfnicken zur Kenntnis genommen, mit einem kleinen Seitenblick entdeckt. Sie stellt sich vor zu winken, albern, aber wer weiß? Ihr Herz klopft vor Aufregung … oder nein, sie fühlt ein körperloses Klopfen. Der Mann dreht seinen Kopf tatsächlich in dem Moment, als er am Ufer des Weihers an der großen Weide, deren Zweige bis ins Wasser hängen, vorbeiläuft. Er dreht seinen Kopf nach links, nimmt Monis Körper für Sekundenbruchteile ins Visier und läuft weiter. Einfach so. Zum ersten Mal lässt Monis gelassene Heiterkeit nach und wenn sie noch einen Atem und Stimmbänder gehabt hätte, hätte sie vor Enttäuschung tief geseufzt. Männer und ihre Art an den Dingen vorbeizuschauen, hindurchzublicken ohne wahrzunehmen, Anteil zu nehmen. Selbst als weibliches Geisterwesen seufzt sie über das andere Geschlecht. Und hofft doch auf einen weiteren Blick des Mannes. Immer noch. Hört das denn nie auf? Der Jogger bleibt abrupt stehen. Steht eine Minute reglos. Noch eine Minute. Dreht sich auf den Fersen herum. Kommt drei Schritte zurück. Noch mal drei. Bleibt wieder stehen. Starrt auf Monis Körper. Sein Herz pumpt Blut in seinen Kopf, sein Atem stößt Lokomotiv-Wölkchen aus. Aus Fassungslosigkeit wird Begreifen. Sein linkes Auge zuckt. Moni sinkt tiefer, hält einen Meter über der Szenerie an und wartet auf die Reaktion, die ihr nackter, geschundener...


Nach vielen Jahren als Schauspielerin an Staats- und Stadttheatern in Österreich, Deutschland und der Schweiz lebt Isabella Archan derzeit freiberuflich in Köln. Am Staatstheater in Saarbrücken war sie unter anderem als Gretchen in Faust 1 zu sehen. Seit einiger Zeit schreibt sie Theaterstücke, Kurzgeschichten und liefert mit Helene geht baden ihren ersten Kriminalroman. Neben eigenen Krimi-Theater-Abenden ist die gebürtige Grazerin immer wieder in verschiedenen Rollen im TV zu sehen, unter anderem im Tatort, der Lindenstraße und Diese Kaminskis.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.