E-Book, Deutsch, Band 1, 300 Seiten
Reihe: Edwina Teufel
Archan Die Schlange von Sirmione
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7099-8448-2
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Gardasee-Krimi
E-Book, Deutsch, Band 1, 300 Seiten
Reihe: Edwina Teufel
ISBN: 978-3-7099-8448-2
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Gardasee: Lago della morte? Eine Wiener Ermittlerin mit Biss soll eine Auszeit nehmen – und landet bei der italienischen Polizia.
Sind Zornnattern giftig?
Nein, aber Respekt sollte man ihnen aufgrund ihres temperamentvollen Verhaltens trotzdem entgegenbringen. Edwina Teufel ist eigentlich Chefinspektorin in Wien und durch ihren Biss absolut erfolgreich in der Verbrechensaufklärung. Dieser steht ihr – ebenso wie ihr hitziges Temperament – allerdings häufig im Weg, denn was sie gar nicht leiden kann, sind Gedankenlosigkeit und Nachlässigkeit. Gerechtes und sauberes Arbeiten ist ihr Credo. Und bei Schlampereien, die im schlimmsten Fall den Opfern oder deren Angehörigen schaden, droht der eine oder andere Wutausbruch im Bundeskriminalamt, weshalb Edwina von den Kolleg*innen gern "Zornnatter" genannt wird. Auf den Rat der Polizeitherapeutin hin nimmt sich Edwina schließlich ein Jahr Auszeit am Gardasee und möchte mit ihrem Toni das Dolce Vita genießen.
Sabbatical mit Todesfolge
Doch die eifrige Wiener Ermittlerin findet, dass es auch zu viel Far Niente gibt, und arbeitet ein paar Stunden in einem Fundbüro, um ihren Arbeitsdrang zu befriedigen. Als im Fundbüro eine Schlange abgegeben wird, ist das idyllische Leben in Bella Italia endgültig vorbei. Der Schlangenfinder wird am nächsten Morgen tot aufgefunden. Schnell spricht sich herum, dass es sich um den bekannten Eistüten-König von Sirmione handelt. Selbstverständlich heuert Edwina nun bei der Polizia an und mischt sich – ohne den Commissario Adriano Alceste immer in ihre Unternehmungen einzuweihen – tatkräftig in die Ermittlungen ein.
La vita è bella – oder la vita è pericolosa?
Isabella Archan nimmt uns mit an den Lago di Garda, aber sie geht nicht mit uns Pizzaessen und anschließend auf ein Glas Aperol Spritz mit Ausblick auf den See, während die Sonne romantisch in der Ferne untergeht. Nein, sie schleicht mit uns durch die Gassen von Sirmione und schickt uns zu einem Tortellinifestessen und einem Poesiewettbewerb, um eine*n Mörder*in zu finden. Schlagfertig, zielsicher und definitiv nicht auf den Mund gefallen: So mischt Edwina Teufel Sirmione auf!
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1
Edwina streckte sich und gähnte. Sie hatte schlecht geschlafen, der schrille Gesang der Grillen hatte sie wach gehalten. „Oberhalb von 23 Grad fangen sie an zu zirpen“, hatte Toni, ihr Lebensgefährte, erklärt. „Dabei sind es ausschließlich die Männchen, die diese Gesänge veranstalten. Natürlich, um sich interessant bei den Damen zu machen. Ich hätte dich auch besungen, wenn ich dich damit bezirzen hätte können.“ Er hatte sie geküsst, sich im Bett zur Seite gedreht und war eingeschlafen. Beneidenswerter Kerl. Auf vielen Ebenen. Jetzt und hier, im ufficio oggetti smarriti, einem kleinen Fundbüro in der Via Emilia, war es noch erstaunlich ruhig an diesem Samstag, dem ersten Tag im Juni. Wobei klein nur der Empfangs- und Kundenbereich im Souterrain war, in dem Edwina hinter dem Tresen saß und auf Suchende von Verlorenem wartete. Die Bezeichnung mochte Edwina, die Arbeit klang dabei geheimnisvoller, als sie in Wahrheit war. Nebenan folgte ein größerer Raum mit Regalen und den Fundsachen, nach den letzten Eingangsdaten geordnet. Ein paar Stufen weiter nach unten, schloss sich ein Keller an, in dem sich noch viel mehr Gegenstände türmten. Laut der Betreiberin Rosa Rinaldi war es eine Ansammlung aus längst vergangenen Zeiten. Edwinas Chefin war kein Mensch, der leicht loslassen konnte, wie sie selbst von sich sagte. Die Luft vor und hinter dem Tresen schmeckte nach Rauch, obwohl das einzige Fenster auf der Seite zur Straße hin offen stand und die leichten Vorhänge sich im Luftzug des warmen Windes bauschten. Edwina fragte sich, ob die alte Rosa hin und wieder heimlich paffte. Nicht ungefährlich bei all der Menge an Fundgegenständen. Was die Menschen, fast ausschließlich Touristen, alles verloren, aber auch abgaben, übte in der vierten Woche ihres freiwilligen Ferienjobs noch immer eine Faszination auf sie aus. Erst vor fünf Tagen hatte eine junge Mutter das Kuscheltier ihres Babys auf einer Toilette beim Windelwechseln liegen gelassen. Ein Einhorn mit Glitzerapplikationen. Tatsächlich hatte es jemand ins Fundbüro gebracht. Wenn Edwina länger allein im Laden war, begann sie manchmal einzelne Gegenstände zu inspizieren und sich Geschichten dazu auszudenken. Das Springmesser mit dem Holzgriff und dem eingeritzten Totenkopf zum Beispiel eignete sich perfekt für eine spannende Szenerie: Der Besitzer hatte es stets bei sich getragen, selbstbewusst mit dem Gedanken, sich verteidigen zu können gegen Leonardo, seinen Erzfeind. Bis zu dem Tag, an dem er es verloren hatte. Demselben Tag, an dem ihn ein Halbwüchsiger mit einem schlichten Küchenmesser bedroht hatte und er dem Dieb ohne Gegenwehr seine Geldbörse überlassen musste. Vielleicht sogar ein Segen, denn in einem Kampf wäre einer der beiden verletzt worden. Oder der grüne Filzhut mit den blauen Farbklecksen, der einem Kunstmaler gehören könnte, der kurz vor seinem Durchbruch stand. Ein Kichern stahl sich auf Edwinas Lippen. Die Fantastereien in ihrem Kopf halfen, die Zeit zu vertreiben. Obwohl sie keiner zwang, hier Dienst zu tun. Sie war von ihrem eigentlichen Beruf freigestellt, eine Auszeit, die sie dringend brauchte. Zumindest, wenn sie ihrer Ärztin Glauben schenken wollte. Was Edwina nicht tat. Die Therapeutin, Doktor Matschulla – „Nennen Sie mich gerne Claudia!“ –, hatte unrecht. Chefinspektorin Edwina Teufel war völlig entspannt, hier und heute sogar gelangweilt. Trotzdem hatte Edwina den Ratschlag befolgt, weil der Zusammenbruch keine Bagatelle gewesen war. Toni hatte sie gedrängt, ihn bei seinem nächsten Auftrag als Landschaftsgärtner zu begleiten. „Gardasee, ein halbes Jahr oder länger, Winnie. Sirmione. Dienstwohnung, Dienstwagen. Keine Frau der Welt könnte meine Einladung ablehnen.“ Nun, sie hatte es fast getan. Wenn ihr neben der Ärztin nicht auch der Vorgesetzte bei der Kriminalpolizei in Wien die Pause nahegelegt hätte. Als sie nach dem Gespräch mit ihm wieder in ihr Büro gewechselt war, hatte ein hastig geschriebenes Blatt Papier auf ihrem Schreibtisch gelegen: „Liebe Zornnatter Edwina, erhol dich endlich – Bussi!“ Sogar mit einem Herz versehen. Sie hatte gelacht, wohl wissend, wer ihr die Botschaft hatte zukommen lassen. Die Zornnatter – Edwina mochte ihren Spitznamen, den sie trug, weil sie, dem Reptil gleich, zubeißen und nicht mehr loslassen konnte, wenn sie ein Fall gepackt hatte. Über die Benennung war sie noch nie in Wut geraten. Die Tatortbilder zu der anderen Sache, wegen der sie zornig und unbeherrscht einen Computer zerlegte, hatte sie im Kopf weit nach hinten geschoben. „Chefinspektorin Edwina Teufel rastet aus“, die Schlagzeile hatte es sogar in die Presse geschafft. Jemand aus der Landespolizeidirektion in Wien hatte geplaudert. Das Geschehen hatte sie in „Edwinas Wutbuch“ schriftlich festgehalten und damit noch einmal Revue passieren lassen. Ebenfalls ein Ratschlag, oder mehr eine Anweisung von der gestrengen Doktor Claudia. Vorne war das Notizbuch rot, auf der Rückseite mit einer blauen Folie beklebt. Vom Groll zur Entspannung, sollte das wohl bedeuten. Edwina schwankte zwischen: es echt blöd bis ein bisserl hilfreich zu finden. Lieber hätte sie es mit erfundenen Storys gefüllt. Der nächste Eintrag ließ ohnehin auf sich warten, Edwinas Wutbuch hatte einen Stammplatz in der Umhängetasche und wurde seitdem nie mehr hervorgeholt. Dabei gab es noch genügend Episoden, die sie aufschreiben und analysieren sollte, mit all den Emotionen, die hochkommen mochten. Das Glöckchen an der Eingangstür riss sie aus ihren Gedanken. Jedes Mal, wenn der helle Ton erklang und einen Kunden ankündigte, musste Edwina an Weihnachten denken. Selbst heute, an einem 1. Juni, an dem sich die Temperaturen bereits hochsommerlich anfühlten. Mittags, wenn Rosa kam und sich Edwina ins Wochenende verabschiedete, würde der erste Weg sie an den Strand von Santa Maria di Lugana führen. Einmal im Lago schwimmen, bevor sie in ihr ebenfalls auf Zeit gemietetes Zuhause in San Martino della Battaglia marschierte. Sich in der Wohnung auf die Terrasse zu setzen und die schweren Beine hochzulegen, würde ein Genuss sein. Dazu, nicht vergessen, sich auf dem Heimweg ein Eis zu gönnen. Un gelato, diesmal einmal mehr die Kreation bacio, was Kuss bedeutete und Edwina an eine Praline erinnerte. Es war eine Mischung aus Schokolade und Haselnuss. Weich, cremig und jedes Mal ein Hochgenuss. Der Kunde räusperte sich. Er war an der offenen Tür stehen geblieben. Ein überdimensional großer Schattenriss zwischen dem Sonnenschein auf der Via Emilia und dem dunkleren Innenraum des Fundbüros. Seine Gesichtszüge konnte Edwina nicht erkennen. Der Umstand verursachte ihr eine leichte Gänsehaut, auch wenn sie in den Jahrzehnten ihrer Arbeit als Polizistin unvergleichbar schlimmere Begegnungen erlebt hatte. Doch es lag an dem Gegenstand in seiner linken Hand. Er hielt etwas fest, das auch eine Waffe sein könnte. Sie schüttelte innerlich den Kopf. So ein Quatsch. Wer würde ein kleines Fundbüro in einer ruhigen Wohnstraße überfallen? „Buongiorno!“, begrüßte sie den Neuankömmling und setzte ein halbes Lächeln auf. „Wunderschön heute, finden Sie nicht?“ Der Kunde machte die zwei Schritte die Treppe nach unten. Die Tür fiel ins Schloss, das Glöckchen kündigte die kommenden Weihnachtsfreuden zu Natale an. Edwinas Anspannung verlor sich im Lüftchen und segelte aus dem Fenster. Weitere vier Schritte und der Mann stand ihr gegenüber an der Theke. Er war groß, aber auch hager. Als hätte er über einen längeren Zeitraum gefastet, waren seine Wangen eingefallen. Sein Haar war von grauen Strähnen durchzogen, es war ungekämmt und stand in alle Richtungen ab. Sein Blick tastete Edwina ab. „Ist Rosa nicht da?“ Die Stimme klang, als hätte er lange nicht geredet. Ein Krächzen im Ton, ein Räuspern am Ende der Frage. „Rosa hat sich einen freien Samstag gegönnt. Ich vertrete sie. Edwina Teufel, zu Ihren Diensten. Verlorenes wiederzufinden, ist meine Passion, denn ich werde nicht bezahlt.“ Jedes Mal, wenn sie sich mit diesem Spruch, den sie sich bereits am ersten Tag ausgedacht hatte, vorstellte, musste sie ein Lachen unterdrücken. Die Idee, dass sich Edwina neben der Ruhe, die ihr rasch zu viel geworden war, tatkräftig beschäftigen sollte, war eine von Tonis besten gewesen. Er war die meisten Tage mit seinem Auftrag ausgelastet, die Bepflanzung im gesamten Hotelkomplex Astoria innen und außen am Rivoltella-Strand zu erneuern. Der Bereich der Vegetationstechnik, der Entwicklung und Realisation eines harmonischen Vegetationskonzepts, war sein Element. Deshalb konnte er sich nur peripher um seine Liebste, seine Winnie, kümmern. Nach dem Hotel stand ein zu begrünender Freizeitpark auf seiner beruflichen To-do-Liste. Dabei würde seine Zeit noch intensiver von Pflanzen und seiner Leidenschaft für sie eingenommen werden. „Allora! Was also haben Sie verloren, Signore?“, setzte Edwina nach. Sie schaffte es nicht, das R im Gaumen sinnlich zu rollen, wenn sie italienisch parlierte. Es hörte sich nach einer erlernten Fremdsprache an. Das stimmte zwar exakt, aber Edwina wäre nur zu gerne mit einer Einheimischen verwechselt worden. Wozu redete sie eigentlich auch mit Toni zu Hause meistens in dessen Heimatsprache? Der gebürtige Römer seinerseits liebte es zu „wienern“, wie er es nannte. Sollte jemand sich bei ihnen einschleichen und das Paar belauschen, hätte derjenige eine Mordsgaudi dabei gehabt. „Worum geht...