E-Book, Deutsch, 699 Seiten
Anlauff / Hirschmann / Martini Kommissar Samtpfote: Drei Katzen-Krimis in einem eBook
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96655-068-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
"Kater Toni löst den Fall" von Ferry Hirschmann, "Katzengold" von C. M. Anlauff, "Meisterdetektiv auf leisen Pfoten" von Christiane Martini
E-Book, Deutsch, 699 Seiten
ISBN: 978-3-96655-068-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Nach ihrer Ausbildung zur Buchhändlerin studierte C. M. Anlauff Archäologie, Geschichte und Literaturwissenschaft in Berlin und Potsdam. 2005 erschien ihr Debüt, seitdem veröffentlichte sie neben Romanen auch Hörspiele und ein Theaterstück. Für ihren ersten Krimi 'Katzengold' wurde sie 2010 mit dem Deutschen Katzenkrimipreis ausgezeichnet. C. M. Anlauff lebt in Potsdam.
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Toni und die Nelken-Frau
Das Schnarren des Weckers riss mich aus wohligen Träumen. Es war sieben Uhr früh an einem Mittwoch im Spätsommer. Mittwochs ist Wochenmarkt in Sineu, und das heißt für mich, den Reiseleiter Julian Kramer, 35: raus aus den Federn, die Reisegruppe mit dem Bus von den Hotels abholen und in das Städtchen in der Mitte Mallorcas fahren. Schirm keinesfalls vergessen, damit die Leute auch immer sehen, wem sie folgen müssen.
Aber ich schaffte es nicht, um diese gottlose Zeit die kuschelwarmen Kissen zu verlassen. Toni, mein roter Kater, wusste das, wir waren schließlich ein eingespieltes Team. Er sprang auf mein Bett und begann sofort mit seiner bewährten Aufweck-Massage, indem er durch die Steppdecke hindurch mit seinen beiden Vorderpfoten meine Füße bearbeitete. Links, rechts, links, rechts, ähnlich wie ein Bäcker seinen Brotteig knetet. Er kam dabei richtig ins Schnaufen. Als er, sichtlich erschöpft, aufgab, übernahm Milli, mein schwarzes Katzenmädchen. Bei ihr ist es mehr ein sanftes Streicheln. Leider zieht sie dabei ihre Krallen nicht ein und verheddert sich jedes Mal in irgendwelchen Textilien, am häufigsten in Strickzeug. Spielte aber keine Rolle, denn ich war jetzt ohnehin schon wach.
Ich stand auf, suchte nach meiner Brille, machte einige Kniebeugen und Liegestütz, ein wenig Schattenboxen, trank einen hastigen Kaffee mit viel Milch und wenig Zucker, aß eine Banane und rief: »Toni, Milli, auf geht’s!«
Toni, der mir vor sieben Jahren zugelaufen war und einen höheren IQ hatte als so mancher Politiker, egal welcher Nation, sprang sofort in den bereit gehaltenen Rucksack, der eigentlich mehr eine oben offene Tasche war, aber wie ein Rucksack getragen werden konnte. Milli, die ich aus einer Mülltonne gerettet hatte, als sie gerade ein paar Tage alt war, bekräftigte ihre Ablehnung, indem sie sich auf meinem Bett lang ausstreckte und mir den Rücken zukehrte.
Ich holte mein Pendel hervor und stellte an mein Unterbewusstsein die Frage, ob ich Milli allein lassen könne. Das Pendel schwang nach rechts im Uhrzeigersinn, also konnte ich meine kapriziöse Katzendame getrost zu Hause zurücklassen.
Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, auch bei ganz banalen Fragen des Alltags mein Pendel zurate zu ziehen. Ich habe mir damit schon so manche Fehlentscheidung erspart. Meine Oma Agathe, die Mutter meiner Mutter, hatte mir diese Fertigkeit beigebracht, als ich noch in die Volksschule ging. Sie war und ist immer noch eine weise Frau, die von den Dorfbewohnern in schwierigen Lebenssituationen befragt wird. Doch bevor sie Rat erteilt, lässt sie zuerst ihr Pendel schwingen. Ich bin ihr heute dankbar für diese Lebenshilfe. Seit Kindertagen benütze ich das Pendel so selbstverständlich wie Kamm oder Zahnbürste.
Ich denke mir manchmal: Würden doch unsere sogenannten Entscheidungsträger in sich hineinhören und öfter mal ein Pendel befragen, bevor sie ihre Beschlüsse fassen, dann wäre unsere Welt zweifellos ein paradiesähnlicher Planet. Ich kenne Ärzte, die bei ihren Diagnosen zusätzlich ein Pendel oder eine Rute befragen. Sie gehören zu den beliebtesten und erfolgreichsten ihrer Zunft.
»Okay, dann eben nicht«, sagte ich zu Milli, »Madame sind wieder mal unpässlich. Na schön, dann wünsche ich noch einen schönen Tag. Wasser ist auf dem Balkon, und Trockenfutter steht daneben.«
Das weiß ich doch, Mensch, dachte Milli mit geschlossenen Augen. Es geht mir wirklich nicht gut. Die Sardinen gestern Abend dürften nicht ganz koscher gewesen sein. Hättest du vorher auch mit deinem Pendel austesten können. Und bei dieser Hitze in einen Rucksack gepfercht, die vielen Menschen, der Lärm. Dazu noch Toni, der immer herumstrampelt, damit er die beste Aussicht hat. Nein, vielen Dank, nicht mit mir! Da mache ich es mir lieber auf der Liege am Balkon bequem und lasse mir die frische Brise vom Meer um die Nase wehen. – Die Menschen haben ja keine Ahnung, was wir Katzen wirklich mögen.
Milli drehte sich auf die andere Seite. Aber ich will mich ja nicht beklagen, überlegte sie weiter, mit unserem Julian haben wir eindeutig den Jackpot gewonnen. Wenn man so hört, was andere Artgenossen mit ihren Besitzern mitmachen, gerade hier auf der Insel! Oh mein Gott, man könnte wirklich manchmal an der Menschheit verzweifeln.
Ich nahm es Milli nicht übel, dass sie zu Hause bleiben wollte. Am liebsten hätte ich mich zu ihr gelegt. Ich kann mir ein Leben ohne meine beiden samtpfotigen Wohngenossen nicht mehr vorstellen. Wenn ich einmal mies gelaunt bin oder mich einsam fühle, dann braucht mich Toni nur mit seinen gelbgrün strahlenden Scheinwerferaugen anzuschauen, die mich fragen: ›Was soll das, Mensch? Reiß dich zusammen. Es geht dir gut, du hast doch uns!‹ Die Augen einer Katze sind Fenster, die uns in eine andere Welt blicken lassen, heißt es in einem irischen Sprichwort. Ich kann das bestätigen und ergänzen. Dieser kurze Blick gibt uns eine Ahnung davon, wie vollkommen unsere Welt sein könnte, wenn sie von Katzen und nicht von Menschen beherrscht wäre.
Und wenn dann noch Milli auf meinen Schoß springt und sich schnurrend zusammenrollt, ist meine Welt wieder in Ordnung. Allein durch die Anwesenheit meiner beiden Katzen. Kein Wunder, dass diese besondere Spezies vor 5000 Jahren von den alten Ägyptern den Göttern gleichgestellt war. Bastet hieß die Katzengöttin, sie war die Tochter des Sonnengottes Ra.
Ich streichelte Milli noch einmal mit den Fingerspitzen über den Rücken. Sie tat so, als würde sie schlafen, aber ein kleines Lächeln auf ihrem Mäulchen und ein Zucken ihrer Schwanzspitze verrieten, dass sie noch wach war.
Ich hatte meine Gruppe, durchwegs Deutsche mittleren Alters, ausnahmsweise rasch beisammen. Meinem spanischen Fahrer Pedro, der seinen Job gleichmütig wie ein Roboter mit Schnurrbart verrichtete, gab ich das Zeichen zur Abfahrt, dann griff ich zum Mikrofon neben dem Beifahrersitz, begrüßte die Leute und erklärte ihnen, was ich schon im Schlaf aufsagen konnte.
»Die mittelalterliche Stadt Sineu liegt genau im Herzen Mallorcas. Wir haben hier den einzigen echten Bauernmarkt auf der Insel, ganz ohne Touristennepp.« Beifall kam auf, ehe ich fortfuhr. »Unter König Jaume II. war Sineu sogar Residenzstadt. Beachten Sie bitte, meine Herrschaften, die Kirche Mare de Déu dels Àngels mit der breiten Freitreppe und dem freistehenden Glockenturm. Die Statue des geflügelten Löwen von Sineu wurde allerdings erst 1945 errichtet, zu einer Zeit also …«
Toni in seinem Rucksack stöhnte innerlich. Oh nein, nicht schon wieder diese alte Leier! Interessiert doch kein Schwein. Die Leute wollen Sobrasada kaufen, diese fette, scharf gewürzte Wurst, und Ensaimada, den schlabberigen Kuchen, sie wollen bunte kitschige Wandteller nach Gelsenkirchen mitnehmen und süßen grünen Kräuterlikör probieren, aber sie wollen auf keinen Fall deine stinklangweiligen historischen Vorträge anhören. Wenn ich ihm das nur irgendwie schonend beibringen könnte. Aber wie kann eine Katze, sei sie auch noch so schlau, einem Menschen etwas beibringen? – Hm, eine gute Frage. Ich glaube, dass niemand eine Katze wirklich verstehen kann, es sei denn, er wird selbst eine. Die Menschen sagen, man könne uns Katzen nicht abrichten. Richtig. Umgekehrt klappt es besser, jedenfalls bei unserem Julian. Aber der ist ja auch etwas Besonderes. Er wird zwar nie auf mein Kommando durch einen Feuerreifen springen oder Männchen machen, aber er tut zumindest meistens das, was Milli und ich von ihm wollen. Ganz unbewusst natürlich. Er würde es nie zugeben, dass er – wie sagt man? – nach unserer Pfeife tanzt. Nicht immer, aber immer öfter. Es hat eine Weile gedauert, bis wir ihn endlich so weit hatten.
Einmal – ich erinnere mich genau – hatte er unsere Fütterung vergessen. Unser lautes Miauen hielt er für ein Zeichen guter Laune. Also versuchte ich es mit Pantomime. Ich schleppte mich mit scheinbar letzter Kraft zum Kühlschrank und streckte alle viere von mir. Milli machte es genauso. Da lagen wir, zwei arme Katzen kurz vor dem Verhungern.
Unser Herrchen sah es, erschrak und eilte herbei. »Was ist denn los mit euch?«, rief er entsetzt. Ich deutete mit der rechten Pfote auf den Kühlschrank und ließ mich erneut kraftlos zur Seite fallen.
»Oh mein Gott, ich habe euer Frühstück vergessen!«
Unser Herrchen öffnete sofort zwei Dosen mit leckerer Fischpastete, entschuldigte sich und gab jedem von uns eine doppelte Portion. Von dem Tag an vergaß er nie wieder, uns zu füttern, und zwar pünktlich, so wie wir Katzen es lieben. Nicht umsonst heißt es: Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal.
Ich sah, wie Toni seinen Kopf aus dem Rucksack streckte. Er schien sich nicht besonders wohlzufühlen. Ich wusste, dass er Busfahrten nicht gut vertrug, und war daher froh, als wir uns dem Parkplatz in der Nähe des Marktes näherten.
Die Leute wunderten sich manchmal, dass ich immer eine meiner Katzen, manchmal auch beide, auf meine Sightseeing-Touren mitnahm. Ich fühle mich wohler, wenn sie bei mir sind; außerdem hatte ich gemerkt, dass die Touristen mehr Trinkgeld gaben, das ich stets meinem stoischen Fahrer Pedro überließ. Sie fanden die Kätzchen putzig. Jeder wollte sie streicheln, was Toni allerdings nicht besonders mag. Milli ist da toleranter, sie liebt sanfte Berührungen.
Ich hatte immer eine Flasche Wasser dabei. Auch jetzt schlabberte Toni ausgiebig aus der Plastikschale, die ich ihm hinhielt. Er hatte die Gewohnheit, immer erst eine Pfote in das Wasser zu halten, bevor er trank, als ob er die Temperatur prüfen wollte. Ich dachte: Jedem Tierchen sein...




