Anfuso / Zownir | Pommerenke | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 408 Seiten

Anfuso / Zownir Pommerenke

Ein True-Crime-Roman
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-95988-089-3
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ein True-Crime-Roman

E-Book, Deutsch, 408 Seiten

ISBN: 978-3-95988-089-3
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ein auf vielen Ebenen packender Psycho-Thriller, der das traditionelle True-Crime-Genre auf faszinierende Weise erweitert - filmisch erzählt, hochspannend und extrem fesselnd. Er war »das Ungeheuer vom Schwarzwald«: Der Serienmörder Heinrich Pommerenke (1937 - 2008) versetzte im Jahr 1959 eine ganze Region in Angst und Schrecken und beging eine unvergleichliche Serie von mehr als sechzig Überfällen, Gewaltverbrechen, Vergewaltigungen und Morden. Anfang unseres Jahrtausends besucht die junge Journalistin Billie den Verbrecher mehrfach im Gefängnis, weil sie seine Biografie schreiben möchte. Das Ungeheuer ist nun ein alter Mann, aber noch immer ein Meister darin, Menschen zu manipulieren ... Während der Beschäftigung mit Pommerenke und seinen Verbrechen driftet Billie tatsächlich immer weiter in eine Wahnwelt ab. Ihre Recherchen werden zunehmend atemloser, die grausamen Taten und die Überführung des Mörders Teil ihrer Realität. Das Leben des Serienmörders setzt sich langsam zusammen, das von Billie zerfällt. »Gewalt ist toxisch, der Umgang mit Monstrositäten lebensgefährlich. Zownir & Anfuso erzählen meisterhaft von einer jungen Frau, die sich radikal diesem Risiko aussetzt.« Thomas Wörtche

Nico Anfuso, geboren 1969, aufgewachsen in einem griechisch-italienischen Elternhaus, lebt seit Ende der Achtzigerjahre in Berlin. Ausbildungen unter anderem zur Kauffrau für audiovisuelle Medien und Produzentin/Produktionsleiterin. Sie arbeitet als Autorin, Interviewerin sowie Produzentin von Filmen und Hörbüchern. Miron Zownir wurde 1953 in Karlsruhe als Sohn deutsch-ukrainischer Eltern geboren. Seit Mitte der Siebzigerjahre lebt und arbeitet er als Fotograf, Regisseur und Autor unter anderem in Berlin, New York, Los Angeles, London und Moskau. Seine existentialistischen Schwarz-Weiß-Fotografien wurden in zahlreichen Fotobüchern und Ausstellungen präsentiert. Miron Zownir ist Autor von Kriminalromanen, Kurzgeschichten und Gedichten.

Anfuso / Zownir Pommerenke jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1
Auf dem Weg nach Venedig verwandelte ein heftiger Gewittersturm die Autostrada in wenigen Minuten in ein reißendes Flussbett und brachte die labile Elektronik des altersschwachen Citroën GX zum Stillstand. Ein letztes Flackern und Zucken, dann versagte die Lichtanlage. Branco hatte gerade noch Zeit, das dunkle Auto auf den rechten Fahrstreifen zu steuern. Er konnte kaum etwas erkennen, der Regen peitschte über die Windschutzscheibe, die ausgeleierten Scheibenwischer sackten kraftlos herunter. Branco schlug wütend gegen das stumme Radio, Billie stemmte ihre nackten Füße gegen das Armaturenbrett. »Du fährst zu schnell, Schatz«, sagte sie mit ruhiger Stimme. »Du verlierst die Kontrolle.« »Ich hab einen beschissenen Laster am Arsch.« »Dann lass ihn überholen.« »Der Geisteskranke will einfach nicht!« »Fahr rechts ran.« »Es gibt keinen Haltestreifen.« Branco zerrte entnervt den Rückspiegel vor seine Augen. »Er hat die Fernlichter an, der Scheißtyp will uns fertigmachen.« Er ließ sich für ein paar Sekunden von den Scheinwerfern hinter sich blenden, dann drehte er den Rückspiegel zur Seite und drückte aufs Gas. »Du fährst zu schnell, Branco.« »Hör auf zu nerven, Billie. Wenn ich langsamer fahre, macht uns der Laster platt.« »Du siehst doch überhaupt nichts mehr.« »Ich kann aber nicht langsamer fahren, verdammt!« Das Auto schlitterte fast aus der Kurve. Branco bremste abrupt ab, riss das Lenkrad nach links und beschleunigte wieder. Der Regen hatte die Fahrbahn schlüpfrig gemacht, und ein scharfer Wind rüttelte den Citroën kräftig durch. Ein Alfa Romeo raste so dicht an ihnen vorbei, dass Branco die Luft wegblieb. Die Dunkelheit vor seinen Augen wurde zu einer blinden, undurchdringlichen Mauer. Ein Crash, und alles wäre vorbei, bevor es begonnen hätte. Die Fernlichter eines weiteren Rasers explodierten vor seinen Augen wie Lasergeschosse und rissen ihn aus der Trance. Brancos rechter Fuß zuckte unentschlossen zwischen Bremse und Gaspedal, aber kurz bevor er die Stoßstange eines Anhängers rammte, der aus dem Nichts vor ihm auftauchte, fand er endlich in den richtigen Groove und entspannte sich etwas. »Ich weiß, ich fahr zu dicht auf …«, brummte Branco. Er erwartete einen Einwand von Billie, aber sie erwiderte nichts. Sie spielte nur abwesend an ihren nackten Zehen herum. Billie war alles andere als eine ängstliche, leicht einzuschüchternde Frau. Sie hatte in ihren sechsundzwanzig Jahren schon mehr erlebt, als ihr lieb sein konnte. Wobei ihr offenes, liebenswertes Gesicht mit den dunklen Augen und den schwarzen, glatten Haaren keine Spuren ihrer Vergangenheit zeigte. Sie wirkte noch immer jugendlich frisch, nur die Ernsthaftigkeit ihrer Züge gab ihr eine von Geheimnissen umwitterte Aura, die auf Distanz hielt. »Ich glaube, wir sind ihn los«, sagte Billie. Der Abstand zu dem Lkw hinter ihnen hatte sich sichtlich vergrößert. Die unmittelbare Gefahr war vorerst gebannt. »Ja, ich habe ihn abgehängt«, sagte Branco. Er fummelte eine Zigarette aus seiner Jacke und steckte sie an. Billie begann, leise eine Ballade zu summen, brach mitten in der traurigsten Stelle ab und starrte melancholisch in den prasselnden Regen hinaus. Irgendwo da draußen zogen sich Kilometer um Kilometer trostlose Sümpfe und Wälder dahin, die überhaupt nicht zu ihrer Vorstellung von Italien passten. Die wenigen Reklame- und Hinweisschilder blieben ohne Licht anonyme Flächen, die sich wie Sekundenblenden vor die Pupillen schoben, verschwanden, sich im Gedächtnis verloren und mit Millionen anderer Eindrücke das Unterbewusstsein mit wertlosen Informationen verstopften. Branco hielt die Augen stur auf die Rücklichter des Anhängers geheftet. Die Vorstellung, anzuhalten, ging ihm gegen den Strich, aber weiterfahren war zu gefährlich. An der nächsten Ausfahrt fuhr er ab und suchte nach einem Fixpunkt. Doch nirgendwo brannte ein Licht. Vor ihnen lag völlige Dunkelheit. Er fuhr im Schritttempo weiter, ohne etwas sehen zu können. »Woran orientierst du dich eigentlich?« »An nichts, ich bin kein Insekt.« »Warum hältst du nicht an, und wir versuchen, zu Fuß weiterzukommen?« »Das ist doch absurd.« Grade wollte er trotzdem anhalten, als er die erste beleuchtete Straßenlampe bemerkte. Dann eine zweite, und nach der dritten lenkte er das Auto auf einen verödeten Parkplatz und stellte den Motor ab. »Geschafft«, stöhnte Branco erleichtert. Er lehnte sich erschöpft in den Sitz zurück. Er hätte Billie gern umarmt, doch er wollte, dass die Initiative von ihr ausging. Er hatte sie verdammt clever aus einer brenzligen Situation herausmanövriert. »Unsere erste Nacht in den Flitterwochen, Baby.« »Willkommen in Bella Italia«, erwiderte Billie. »Ich könnte jetzt eine dicke Tüte vertragen.« »Ich dreh uns eine.« Branco stieg aus und versuchte, die Ritzen der Türen mit Tape abzukleben. Er schaffte es nicht und kam komplett durchnässt in den Wagen zurück. Durch die rechte Vordertür tropfte immer noch Wasser. »Verdammte Scheiße«, fluchte Branco. Er trocknete sich mit ein paar Papiertüchern die Haare ab und zog lange am Joint. Dann versuchte er vergeblich, die Vordersitze in die Horizontale zu drehen, aber die Schrauben saßen fest. Umständlich stiegen Branco und Billie auf den Rücksitz, und er begann, an ihr herumzufummeln. »Ich habe mich noch nicht mal gewaschen«, sagte Billie ruhig. Branco nahm seine Finger von ihrem Schlüpfer. »Willst du im Regen duschen?« »Lass uns Hände waschen und Zähne putzen.« »Meinetwegen«, sagte Branco. Er fühlte sich nun auch etwas schmuddelig, obwohl ihm das eben noch nichts ausgemacht hatte. Nach der Katzenwäsche fühlte sich Billie ein wenig bereiter. Branco hatte sich etwas abgekühlt und versuchte, wieder in Stimmung zu kommen. Das monotone Geräusch des Regens und die stickige Enge im Wagen machten die Sache nicht leichter. Er zog die Hose bis zu den Knöcheln herunter, versuchte, sie über die Schuhe zu zerren, blieb hängen und fluchte. »Lass dir doch Zeit«, sagte Billie. Sie zog sich den Schlüpfer aus, während er sich ungeduldig die Schuhe von den Füßen streifte. Dann biss er zärtlich in ihren Nacken und leckte an ihren Ohren herum. Er brauchte ungewöhnlich lange, bis er in sie eindringen konn­te, ­verlor ein wenig an Steifheit und begann, sich Sorgen zu machen. Seine Bewegungen wurden verkrampfter, und er bemerkte, wie er immer mehr aus dem Rhythmus kam. Aber Billies entspannte Art, sich auf ihn einzustellen, gab ihm schließlich die Zuversicht, in ihrer ersten Honeymoon-Nacht nicht zu versagen. Er wurde endlich richtig scharf und kam schneller zum Höhepunkt, als er beabsichtigt hatte.­ Er hätte sie gern noch einmal gehabt und zum Orgasmus gebracht, aber Billie gab ihm sanft zu verstehen, dass sie zu müde war. Sie wischte sich ab und zog den Schlüpfer an. Branco beugte sich über den Vordersitz und startete den Motor. »Immer noch kein Licht«, knurrte er. »Wir müssen auf den Morgen warten.« »Kein Problem«, gähnte Billie. Branco stellte den Motor ab. »Aber morgen nehmen wir uns das beste Hotel in Venedig.« »Klar«, sagte Billie. Sie lachte, obwohl sie wusste, dass sie sich ein Zimmer der gehobenen Klasse nicht leisten konnten. Jedes Zimmer mit Bad und Blick auf einen Kanal hätte sie glücklich gemacht. Sie war wie ein Kind. Während Billie ohne Probleme einschlafen konnte, suchte Branco auf den unbequemen Vordersitzen nach der richtigen Lage. Er stieß mit seinem rechten Knie gegen das Lenkrad und unterdrückte einen Fluch, um Billie nicht aufzuwecken. Dann stopfte er seine feuchte Jacke in die Ritze zwischen den Sitzen, zog seine Füße zu sich heran, um sie trocken zu halten und starrte frustriert in den Regen hinaus.   Am nächsten Morgen nahmen sie das erste Hotel auf dem Weg nach Venedig. Es war ein kleines, schmuckloses Zimmer mit einem Kruzifix an der Wand und zwei einzelnen Betten, die Branco zusammenrückte. Billie ging summend ins Badezimmer, und Branco folgte ihr. »Geile Titten«, schwärmte er, als sie sich auszog. »Danke.« »Und erst dieser göttliche Arsch. Zum Reinbeißen.« »Du musst dich noch etwas gedulden, Schatz.« »Das Zimmer hat weder ein Radio noch ein Fernsehgerät«, sagte Branco, das Thema wechselnd. »Macht doch nichts. Oder?« »Ich weiß, ich habe dir versprochen, mein iPhone nicht einzuschalten …« »Ist schon okay.« »Ganz ohne News geht einfach nicht.« »Kein Problem, Schatz.« Billie stellte sich unter die Dusche. Sie ließ das warme Wasser über sich rieseln und fühlte sich herrlich erschöpft. Sie hatten ein sauberes Bett, würden sich lieben, schlafen, vielleicht noch einmal lieben, eine Kleinigkeit essen, auf dem Festland kurz vor Venedig parken, das Centro Storico mit einem Boot anlaufen und von dort mit einer Gondel zu ihrem Traumhotel gleiten. Die 5. Symphonie von Mahler hören. Venedig erleben. Obwohl sie vor seinen stinkenden, rattenverseuchten Kanälen einen ganz schönen Bammel hatte. Romantische Vorstellungen hielten nicht immer der Wirklichkeit stand, aber Billie war nie pessimistisch. Am Ende siegte stets die Hoffnung. Als sie mit einem dicken Frottierhandtuch über den...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.