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Althoff / Hopf / Burchartz | Die begleitende Psychotherapie der Bezugspersonen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 206 Seiten

Althoff / Hopf / Burchartz Die begleitende Psychotherapie der Bezugspersonen

Theorien, Modelle und Behandlungstechnik in der psychodynamischen Psychotherapie
erweiterte und überarbeitete Auflage
ISBN: 978-3-17-045018-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Theorien, Modelle und Behandlungstechnik in der psychodynamischen Psychotherapie

E-Book, Deutsch, 206 Seiten

ISBN: 978-3-17-045018-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Einbeziehung der Bezugspersonen ist in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie unerlässlich, da ein nachhaltiger Therapieerfolg ohne ihre Mitwirkung kaum möglich ist. Dieses Buch widmet sich den zentralen Aspekten der Elternarbeit und beleuchtet in der zweiten Auflage noch detaillierter, in welchem Umfang und mit welcher Intensität sie erfolgen sollte, welche Behandlungsziele verfolgt werden und welche Konzepte und Techniken sich bewährt haben. Es zeigt, wie sich die Arbeit mit Bezugspersonen über die verschiedenen Therapiephasen hinweg strukturieren lässt und welche Handlungsmöglichkeiten die Richtlinienpsychotherapie bietet. Zahlreiche praxisnahe Fallbeispiele - erweitert und ergänzt in der zweiten Auflage - zeigen auf, welche Strategien für eine erfolgreiche Zusammenarbeit entscheidend sind. Ein fundierter Leitfaden für alle, die in der psychodynamischen Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Dr. Marie-Luise Althoff ist Psychotherapeutin in eigener Praxis, Dozentin, Supervisorin und Lehranalytikerin an verschiedenen Instituten, Leiterin der Abteilung analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie des Lehrinstituts Bad Salzuflen.
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1 Therapeutische Arbeit mit Bezugspersonen – Einführung und historischer Überblick


Seit den Anfängen der Kindertherapie in den 1920-er Jahren hat es Überlegungen zur Elternarbeit gegeben. Diese bezogen sich damals gesellschaftsbedingt fast ausschließlich auf die Arbeit mit den (leiblichen) Müttern. Nach einer Darstellung der historischen Vorläufer der heutigen Konzepte werden diese auf ihre Aktualität hin untersucht. Gleichzeitig werden Gründe dafür benannt, warum es trotz der großen Bedeutung des Themas nur wenig Literatur dazu gibt und diesem Thema ein m.?E. zu geringer Teil der psychotherapeutischen Ausbildung gewidmet ist. Dieses Buch soll dazu beitragen, die Lücke zu schließen.

Die begleitende psychotherapeutische Arbeit mit den Bezugspersonen umfasst immerhin 25?–?35?% der therapeutischen Arbeit eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Hinzu kommt, dass die Organisation der Therapie sowie die Auseinandersetzung mit den Settings- bzw. Rahmenbedingungen – je jünger der Patient ist, umso mehr – zwischen Bezugspersonen und Therapeut ausgehandelt und vereinbart wird. Der Anteil an vorzeitig beendeten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapien, die von Seiten der Bezugspersonen abgebrochen werden, ist hoch; sei es, dass die Therapien gar nicht in Gang kommen, unerwartet abgebrochen werden oder ein vorzeitiges Ende finden. Insofern kommt diesem großen Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie der Stellenwert einer »conditio sine qua non« (notwendige Bedingung) zu – bei kurioserweise immer noch vorhandener Verleugnung der großen Bedeutung dieses Bereiches in Curricula und Lehrbüchern.

Vermutlich hat diese geringe Beachtung auch historische Gründe, denn der Stellenwert der begleitenden Arbeit mit den Eltern wurde in den Anfängen der Kinderanalyse als noch geringer erachtet. Erst recht wurde eine mögliche psychotherapeutische Bedeutung der Elternarbeit für die Eltern kaum reflektiert. Es gab folglich auch noch kein Bewusstsein für die Möglichkeiten und Notwendigkeiten der therapeutischen Einbeziehung von Eltern im Rahmen von begleitender Elternarbeit.

1.1 Die Bedeutung der Arbeit mit Bezugspersonen in den Anfängen der Kinderanalyse


Es ist bekannt, dass Sigmund Freud nicht mit Kindern gearbeitet hat. Patienten im Jugendlichenalter hat er im Rahmen der normalen analytischen Methode im dyadischen Setting behandelt. Eine Ausnahme bildet Freuds Darstellung der Behandlung eines fünfjährigen Kindes, die »Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben« (Freud, 1909). Der Patient ist allgemein bekannt geworden als der kleine Hans. Allerdings hat Freud im Fall des kleinen Hans' nur »ein einziges Mal in einem Gespräche mit dem Knaben persönlich eingegriffen« (Freud, 1909, S. 243) und ansonsten den Vater angeleitet. Er hat das Kind wohl mehrmals gesehen – es gibt ein Foto, das ihn auf Freuds Schoss sitzend zeigt –, beschränkte sich aber darauf, mit dem Vater zu diskutieren. Der Vater war von 1904?–?1909 Mitglied der Mittwochsgesellschaft, also ein Vertrauter Freuds. Er protokollierte seine Beobachtungen und Interventionen und besprach diese dann mit Freud. Über Gespräche mit der Mutter des Jungen gibt es keine Informationen. Freud schreibt, dass für die Eltern von Beginn der Erkrankung feststand, dass man »den Zugang zu seinen verdrängten Wünschen auf psychoanalytischem Wege suchen müsse« (Freud 1909, S. 351), damit sie selbst die Familiensituation besser verstehen und ihrem Kind helfen können. Ein solches Vorgehen könnte sicherlich noch heute, z.?B. bei einer kindlichen Neurose in statu nascendi, in Erwägung gezogen werden. Darüber hinaus ging es Freud bei dieser Behandlung vermutlich weniger um die Darstellung einer therapeutischen Behandlung, sondern vielmehr darum, seine Hypothesen über die infantile Sexualität an den Phantasien und Äußerungen von Hans zu belegen. Er schreibt in der Einleitung zur Falldarstellung:

»Der besondere Wert dieser Beobachtung ruht aber in Folgendem: Der Arzt, der einen erwachsenen Nervösen psychoanalytisch behandelt, gelangt durch seine Arbeit des schichtweisen Aufdeckens psychischer Bildungen schließlich zu gewissen Annahmen über die infantile Sexualität, in deren Komponenten er die Triebkräfte aller neurotischen Symptome des späteren Lebens gefunden zu haben glaubt« (Freud, 1909, S. 243).

Dennoch kommt diesem Fall eine große Bedeutung zu, bleibt »Der kleine Hans« doch die erste Darstellung einer kinderanalytischen Behandlung. Schon in dieser Behandlung wurden neben der sprachlichen Verständigung die Ausdrucksformen von Spielhandlungen, Zeichnungen und Träumen genutzt, um die Phantasien des Jungen zu verstehen und zu deuten. Bahnbrechend neu daran war, kindliche Gedanken und Phantasien überhaupt als bedeutungsvoll zu erachten und die Ermutigung Freuds an seine »Schüler und Freunde, Beobachtungen über das zumeist geschickt übersehene oder absichtlich verleugnete Sexualleben der Kinder« zu sammeln (Freud, 1909, S. 244).

1.1.1 Einbeziehung der Eltern als Co-Therapeuten


In dieser Fallgeschichte wird auch eine mögliche Form der Elternarbeit dargestellt, nämlich die Anleitung der Eltern darin, dem Kind bei der Lösung seiner Probleme zu helfen. Damit stand das Kind im Zentrum der Behandlung. Die Vater-Kind-Interaktion, geschweige denn die Mutter-Kind-Interaktion, war nicht Gegenstand des Gespräches von Sigmund Freud und dem Vater. In moderner Sprache könnte man sagen, der Vater nahm die Rolle eines Co-Therapeuten ein. Allerdings kann man entdecken, dass Freud eine der Begrenzungen des Einsatzes von Eltern als »Co-Therapeuten«, nämlich deren Verhaftung in einer übertriebenen Sorge um das Kind, erkannt hat, wenn er schreibt:

»Hätte ich allein die Verfügung darüber gehabt, so hätte ich's gewagt, dem Kinde auch noch die eine Aufklärung zu geben, welche ihm von seinen Eltern vorenthalten wurde. Ich hätte seine triebhaften Ahnungen bestätigt, indem ich ihm von der Existenz der Vagina und des Koitus erzählt hätte, so den ungelösten Rest um ein weiteres Stück verkleinert und seinem Fragedrang ein Ende gemacht. Ich bin überzeugt, er hätte weder die Liebe zur Mutter noch sein kindliches Wesen infolge dieser Aufklärungen verloren und hätte eingesehen, dass seine Beschäftigung mit diesen wichtigen, ja so imposanten Dingen nun ruhen muß, bis sich sein Wunsch, groß zu werden, erfüllt hat. Aber das pädagogische Experiment wurde nicht soweit geführt« (Freud, 1909, S. 375?f.).

Im Fall der 18-jährigen Dora hat Sigmund Freud den Behandlungsauftrag vom Vater entgegengenommen, den er zuvor behandelt hatte. Er hat nicht mit der Mutter gesprochen. Das Mädchen selbst war schon zwei Jahre zuvor als 16-jährige und dann wieder als 18-jährige nicht zur Behandlung motiviert: »Jeder Vorschlag, einen neuen Arzt zu konsultieren, erregte ihren Widerstand, und auch zu mir trieb sie erst das Machtwort des Vaters.« (Freud, 1905, S 177). Freud begann diese Behandlung also auf ausdrücklichen Wunsch des Vaters, ohne Einbeziehung der Mutter und gegen den Widerstand der Jugendlichen; ein aus heutiger Sicht fragwürdiges Vorgehen für eine Jugendlichenpsychotherapie.

1.1.2 Werbung um Geduld, Duldsamkeit und Informationen


Erst 10 Jahre später befasste sich Hermine Hug-Hellmuth systematisch mit der Analyse von Kindern und widmete sich auch als erste erklärtermaßen dem Thema der Elternarbeit (1920). In ihrer Arbeit betonte sie die erzieherischen und heilpädagogischen Aufgaben des Kinderanalytikers. Auch sie arbeitete nicht konfliktbezogen mit den Eltern, versuchte sie eher zurückzudrängen:

Eine »Schwierigkeit erwächst aus dem übereifrigen Bestreben der Eltern, die Analyse durch ihre Mithilfe zu fördern und zu beschleunigen. Zumindest die Mütter wollen fast insgesamt aktive Therapie betreiben. Es ist unendlich schwer, sie zu überzeugen, dass ihre Aufgabe auf einem anderen Felde liegt, dass sie die richtigen Helfer sind, wenn sie dem Kinde während der Behandlung das größtmögliche Ausmaß von Geduld und Duldsamkeit zuteil werden lassen« (Hug-Hellmuth, 1920, S. 24?f.).

Hug-Hellmuth fragte sich nicht, ob es möglicherweise ein berechtigtes Anliegen sei, »aktive Therapie« betreiben zu wollen. Sie reduzierte die Eltern auf den Status von Informanten, indem sie schrieb, dass es oft hilfreich sei, etwas von den Eltern über die schulische oder häusliche Situation, aber auch über die frühe Genese des Kindes zu erfahren.

»Trotz der Schwierigkeiten, die das Verhältnis zwischen Eltern und Analytiker sich nicht so freundlich gestalten lassen, als es im Interesse des Kindes gelegen wäre, ist auf den Kontakt nicht zu verzichten. Er ist eine berechtigte Forderung des Elternhauses und für die Behandlung zweckmäßig. Denn das Kind übergeht, ohne...


Dr. Marie-Luise Althoff ist Psychotherapeutin in eigener Praxis, Dozentin, Supervisorin und Lehranalytikerin an verschiedenen Instituten, Leiterin der Abteilung analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie des Lehrinstituts Bad Salzuflen.



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