Althans | Das maskierte Begehren | Buch | 978-3-593-37992-0 | sack.de

Buch, Deutsch, 258 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 217 mm, Gewicht: 335 g

Althans

Das maskierte Begehren

Frauen zwischen Sozialarbeit und Management

Buch, Deutsch, 258 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 217 mm, Gewicht: 335 g

ISBN: 978-3-593-37992-0
Verlag: Campus Verlag GmbH


Seit der PISA-Studie wird über die Effektivität von Bildungseinrichtungen heftig gestritten. Ausgehend von dieser aktuellen 'Qualitätsdebatte ' unternimmt Birgit Althans eine Reise zu Sozialreform und Managementlehre in Deutschland und den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Am Beispiel der Sozialreformerinnen Alice Salomon, Jane Addams und Mary Parker Follett zeigt sie, dass Sozialarbeit und Managementlehre sich parallel entwickelten und Frauen dabei einen großen Einfluss hatten. Viele ihrer Denkansätze finden sich in den aktuellen sozialpädagogischen und ökonomischen Diskursen wieder. Es ist das maskierte Begehren der Frauen, so die These, und ihre Inszenierung des eigenen Handelns, was beide Sphären verbindet.
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Inhalt
1 Einleitung
1.1 Gibt es ein weibliches Begehren in der Pädagogik oder Was will das Weib in der Erziehungswissenschaft?
De-Naturalisierungsversuche
1.2 Überblick über den Forschungsstand
2 Zum Begriff des Begehrens
2.1 Die Ambivalenz des Begriffs
Kants Klassifikation des Begehrens
Hegels Begriff des Begehrens: Der Kampf um Anerkennung - Inszenierung eines Bildungsromans
Die Anerkennung des Begehrens in der Psychoanalyse
2.2 Die Maskierung des weiblichen Begehrens in der Erziehung
Der pädagogische Eros: das Begehren zu bilden und zum Schönen zu erziehen
Rousseau über die Anfechtungen des weiblichen Begehrens und die Erziehung zur wahren, zweiten Natur
Johann Heinrich Pestalozzi: Das Naturverhältnis zwischen Mutter und Kind und die Regulierung der menschlichen Begierden
Hermann Nohl und die leidenschaftliche pädagogische Beziehung
2.3 Entfaltung des maskierten weiblichen Begehrens in der Organisation der Sozialen Arbeit
Das Konzept der Maskerade der Weiblichkeit und der Diskurs der geistigen Mütterlichkeit
Verschränkungen des Begehrens: die Bedürfnisse der anderen Frauen und das Begehren der höheren Töchter nach dem Zugang zum Wissen
3 Die Abenteuer des Sozialen
3.1 Wechselwirkungen und Wahlverwandtschaften:
Die Stadt und die Frauen zwischen Roman und Soziologie
Simmel und Park: Die moderne Großstadt als performativer Raum
Simmels Berlin: Wechselwirkung zwischen Geld, Begehren und Fremden
Der Moloch Chicago: Robert E. Parks und Jane Addams' "Bühnen der Großstadt"
… und die Berliner Flaneure der Großstadt: Walter Benjamin, Siegfried Kracauer und Alexander Döblin
Simmel und die Frauen der Moderne - Fragen nach der weiblichen Kultur
Das weibliche Ideal der sozialen Bildung im Roman - Goethes "Wilhelm Meister" und "Die Wahlverwandtschaften"
3.2 Die theatrale Inszenierung von Frauenbewegung, Sozialreform und Management
Die Damen aus Boston - Die Bedeutung der weiblichen Stimme
Performative Wirkungen: Das Streben nach dem Guten und der Habitus der Sozialreformerin
Die Performance: Verena Tarrant und die Sache der Frauen als hysterischer Rapport
Struggles of desire: Die gute Sache und das individuelle Glück in der heterosexuellen Matrix
"The other voice" und die Ambivalenz des weiblichen Begehrens als Diskursprodukt
F. W. Taylor: Die theatrale Inszenierung des Managements Frederick Winslow Taylor: Das Geld, die Verschwendung der Arbeitskraft und die Mittel des Spiels
Arbeit als Spiel - das "gewöhnliche Leben" als "uneigentliches Leben"
Taylors Performance als Arbeiter - Mimikry versus Mimesis
Die Arbeiterschaft als Spielverderber - das Differential Rate System als Einladung zum Spiel des Managements
Taylors Geschichte vom Roheisenverlader Schmidt - von Mädchenspielen und Vaudevilleperformances
Frank Bunker Gilbreth und die spielerische Demonstration der angewandten Bewegungsstudien im Film
Bewegungsstudien - das Spiel, das aus Faulheit geboren wurde
Bewegungsrationalisierung als performative Pädagogik: Gilbreth'sche home stories in der "Wochenschau" als Vorläufer des Slapsticks
Einflüsse des Management-Diskurses auf das kulturelle Imaginäre
3.3 Der Pragmatismus: Die theoretische Rahmung der theatralen Inszenierung von Sozialreform und Management-Diskurs
Peirce und James und die Auflösung des Bewusstseins: Wahrheit als Prozess
Der Pragmatismus und die performative Pädagogik der Sozialreform: Jane Addams, George Herbert Mead und John Dewey
4 Transformationen: Von der sozialen Arbeit zur Reformance und zum Management als Creative Experience
4.1 Alice Salomon: die Ökonomin des Sozialen und die deutsche Tradition
Learning by doing: Wechselwirkungen zwischen subjektiver und objektiver Notwendigkeit der sozialen Arbeit
Modellierung einer öffentlichen Person - performative Pädagogik der öffentlichen Rede und der Gemeinschaft
Die soziale Frage als Frauenfrage: Weibliche Performance und Maskierung in der deutschen Nationalökonomie um 1900
Performative Wirkungen: Alices Salomons Formung eines professionellen Habitus der Sozialen Arbeit
4.2 Jane Addams: Das Soziale als Reformance
Chicagoer Gegebenheiten: "Subjective necessity" und "objective value of a settlement" - Jane Addams Formulierung und Ausformung ihres Begehrens
Kreative Beziehungen: Das Settlement, die Erziehung zur Demokratie und die Pragmatisten
Die amerikanische Ökonomie der Jahrhundertwende: Corporate Capitalism, Consumer Society und The New Women
Jane Addams' Hull-House als Re-formance
Jane Addams' Bezug zur Arbeitswelt
4.3 In terms of desire: Mary Parker Follett und die soziale Arbeit als Lehrgut für Management und Organisationstheorie
Werdegang: die Suche nach dem Begehren und die performative Wirkung der Rede
The New State - die Bedeutung der Sozialen Arbeit und der Nachbarschaftshilfe für eine Theorie des Sozialen
Management als kreative Erfahrung - Mary Parker Folletts ungewöhnlicher Zugang zur Welt des Business
Unfold the Whole Field of Desire - Mary Parker Folletts Begriff des Begehrens und ihre konstruktive Konfliktlösung
Schlussbetrachtung: Die maskierte Autorin
5 Resümee und Ausblick: Maskierte Autorinnen und ihr Einfluss auf Sozialpädagogik und Management
6 Literatur


1 Einleitung
1.1 Gibt es ein weibliches Begehren in der Pädagogik oder Was will das Weib in der Erziehungswissenschaft?

De-Naturalisierungsversuche

Diese Arbeit stellt sich zum Beginn des 21. Jahrhundert dieselbe Frage, die Freud Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive der von ihm begründeten Psychoanalyse formulierte: "Was will das Weib?" mit dem Zusatz "in der Erziehungswissenschaft?". Ausgangspunkt dieser Frage ist die Irritation, die sich beim Blick in einführende Grundlagentexte der Erziehungswissenschaft angesichts des hohen Frauenanteils im erziehungswissenschaftlichen Studium und pädagogischer Praxis einstellt. Denn im Gegensatz dazu präsentieren sich das pädagogische Verhältnis, genauer die Träger pädagogischer Tätigkeit Ende des 20. Jahrhunderts, nach wie vor männlich konnotiert: "Der Erzieher", "der Lehrer" und "der Sozial- und Erwachsenenpädagoge" belehren und erziehen ihre ebenso männlich konzipierte Klientel: Neben dem noch geschlechtsneutralen Kind erwarten "der Schüler", "der Jugendliche" und "der Erwachsene" ihre pädagogische Unterweisung (Lenzen 1997). Der sonst als geschlechtsneutral etablierte maskuline Artikel wirkt in diesem Kontext provozierend. Er provoziert Fragen nach der Selbstwahrnehmung der Disziplin, nach ihrer symbolischen Ordnung und den ihr inhärenten Geschlechterverhältnissen sowie nach dem professionellen Habitus, den sie reproduziert. Immerhin gilt die Lehrertätigkeit seit Ende des 19. Jahrhundert als feminisierte Profession (Lenzen 1985, 2000; Jacobi 2004), wobei ihr aufgrund dieser Tendenz - die "Feminisierung der Pädagogik" und die "Feminisierung des erziehungswissenschaftlichen Diskurses" (Lenzen 2000) - im 20. Jahrhundert eine Qualitätsminderung unterstellt wird.
Die Irritation verstärkt sich beim Blick in die disziplingeschichtlichen Publikationen der Sozialpädagogik, der Teildisziplin der Erziehungsgeschichte, die ihre Entstehung als Profession zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem nicht geringen Teil der engen Verknüpfung der sozialen Frage mit der Frauenfrage im politischen Diskurs verdankt. In den Publikationen, die das ausgehende 20. Jahrhundert in Deutschland gewissermaßen posthum zum "Sozialpädagogischen Jahrhundert" deklarieren (Rauschenbach 1999) und die "Klassiker der Sozialpädagogik" nominieren (Niemeyer 1998), tauchen die Namen von Gertrud Bäumer oder Alice Salomon, die zu ihrer Zeit den Diskurs der sozialen Arbeit in der öffentlichen Wahrnehmung dominierten, das Feld der sozialpädagogischen Tätigkeit definierten (Bäumer) und die Professionalisierung der sozialen Arbeit initiierten (Salomon), bestenfalls am Rande auf - wenn beispielsweise ihre Nichtberücksichtigung gerechtfertigt werden muss.
Nun ließe sich dieser Widerspruch zwischen Disziplingeschichte und Diskursgeschichte wieder einmal mit Foucault als subversive Kraft des Diskurses deuten, als Unruhe seitens der Disziplin, "angesichts dessen, was der Diskurs in seiner materiellen Wirklichkeit als gesprochenes oder geschriebenes Ding ist" (Foucault 1991, 10), worauf die Disziplin mit Gruppierung und Verknappung der Diskurse reagiert und so "einen Bereich von Gegenständen, ein Bündel von Methoden, ein Korpus von als wahr angesehenen Sätzen, ein Spiel von Regeln und Definitionen, von Techniken und Instrumenten" schafft. Dass dem tatsächlich so ist, belegt die hitzige Debatte um Sinn und Funktion von Klassikern in der (Sozial-)Pädagogik, die ausgelöst wurde durch Michael Winklers simple Frage, ob die Sozialpädagogik denn Klassiker habe. Hinter dieser Frage verbarg sich die vorsichtig formulierte These, "[…] dass der ungesicherte Status der Sozialpädagogik als wissenschaftlicher Disziplin und als Profession zumindest auch mit dem Fehlen von Klassikern zu tun hat; ihr gebrochenes Verhältnis zu sich selbst, ihr Mangel an Selbstvertrauen gründen in dem Fehlen einer verbindlichen, vielleicht sogar dogmatisierten Tradition, die als Hintergrundwissen wie als soziales Symbol gleichermaßen dient. Genauer: Das Dilemma der Sozialpädagogik besteht darin, dass sie sich ihrer Klassiker nicht bewusst ist - und nicht bewusst werden will; sie leidet an einem Mangel historisch begründeten und durch Referenztexte gesicherten Selbstverständnis". (Winkler 1993, 172).


Birgit Althans, PD Dr. phil., ist Dozentin am Institut für Allgemeine Pädagogik sowie im SFB 'Kulturen des Performativen ' der FU Berlin. Von ihr erschien 2000 bei Campus Der Klatsch, die Frauen und das Sprechen bei der Arbeit.


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