E-Book, Deutsch, Band 10, 381 Seiten
Reihe: Kommissarin Pia Korittki
Almstädt Ostseefeuer
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7325-0646-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Pia Korittkis zehnter Fall
E-Book, Deutsch, Band 10, 381 Seiten
Reihe: Kommissarin Pia Korittki
ISBN: 978-3-7325-0646-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
'Nicht alle beten, die in die Kirche gehen.' Deutsches Sprichwort Der Pastor eines Ostseedorfes wird tot in der Sakristei aufgefunden - ermordet. Kommissarin Pia Korittki und ihr Team vom K1 in Lübeck übernehmen die Ermittlungen. Doch der Fall gestaltet sich schwierig, denn der Pastor scheint keine Feinde gehabt zu haben. Erst als ein zweiter Mord geschieht, beginnen die Fassaden zu bröckeln. Pia, die privat um das Sorgerecht für ihren Sohn Felix fürchten muss, kämpft plötzlich an allen Fronten. Denn im Dorf beginnt ein alter Aberglaube wieder aufzuleben: Es heißt, der Tod holt immer drei ... Ein neuer Fall für Kommissarin Pia Korittki - Der zehnte Band der erfolgreichen Krimi-Reihe von Bestsellerautorin Eva Almstädt!
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1. Kapitel
Im Pfarrhaus hatte niemand bemerkt, dass sie gegangen war. Katharina Stöver fuhr an dem Wall mit den Heckenrosen entlang, der zu den vier Strandhäusern führte. Der Dünengürtel zeichnete sich als helleres Band gegen den Nachthimmel ab. Jenseits der Dünen erstreckte sich die Ostsee. Hinter sich wusste Katharina die vertrauten Wiesen und Felder, ihr Dorf und noch mehr Wiesen und Felder, bis Schleswig-Holstein im Westen wieder in der Nordsee versank. Sie bog auf den Parkplatz ein. Wie erwartet stand nur der Mietwagen dort, mit dem Adrian hier angekommen war. Die anderen Strandhütten waren um diese Jahreszeit sicherlich unbewohnt. Katharina Stöver stieg aus. Sie musste einen Aufschrei unterdrücken, als das Licht des Dahmeshöveder Leuchtturms über sie hinwegstreifte. Was tat sie hier? War das nicht vollkommen verrückt? Doch Matthias würde bis spät in die Nacht in seinem Arbeitszimmer sitzen, ihre Zwillinge pubertierten vor sich hin, und ihr erwachsener Sohn Gregor war mit seinen Gedanken sowieso überall, nur nicht in seinem Elternhaus. Wen interessierte es noch, ob sie mit Migräne im Bett lag, wenn kein Essen zu kochen und aufzutischen, keine Wäsche zu bügeln, kein Fahrdienst zu leisten war? Sie zog den Reißverschluss ihrer Jacke zu und schlug den Weg zu den Strandhäusern ein. Katharina hatte nicht erwartet, dass es so dunkel sein würde. Umso intensiver roch sie das Meer, verrottende Algen und das Dünengras, das im Wind raschelte. Links tauchte nun der Umriss der ersten Strandhütte auf. Rechts, weit hinten in den Dünen, sah sie den Lichtschein eines Feuers. Das kam ihr seltsam vor. Waren das Jugendliche, die an der Ostsee zusammen trinken und grillen wollten? Oder ein Obdachloser, der sich aufwärmte? Nein, der würde nicht den weiten Weg hier herauskommen, es sei denn, er hatte vor, in einem der Sommerhäuser Unterschlupf zu finden. Also hatte Adrian sich ein Feuerchen gemacht? In den Dünen ein Feuer zu entzünden war verboten. Wie typisch für Adrian, sich nicht daran zu halten. Da war er ja schon. Ihr Herz klopfte schneller. Katharina wollte ihm zuwinken, doch ihr Arm sank wieder herab. War er das wirklich? Die Bewegungen des Menschen am Feuer hatten etwas … Verstohlenes. Als schaute er sich nervös über die Schulter. Hatte er sie gesehen? Und wenn es jemand anders war, wo war dann Adrian? Die Strandhütten oberhalb des Weges sahen allesamt dunkel und verlassen aus. Auch der Pfad zum Strand hinunter war menschenleer gewesen. Sie war allein – und das da vorn war nicht Adrian. Der Fremde verharrte, als hätte er sie bemerkt. Einen Moment stand er reglos vor dem zuckenden Lichtschein. Sie hielt die Luft an. Erst sah es so aus, als käme er auf sie zu, doch dann ging er zielstrebig in Richtung Leuchtturm davon. Katharina hörte jenseits der Strandhäuser einen Motor aufheulen. Ein tiefes, unregelmäßiges Blubbern, das schwächer wurde und sich in der Ferne verlor. Sie löste sich aus ihrer Erstarrung, um nach dem Feuer zu sehen. Als sie näher kam, stutzte sie. Es roch angebrannt und auch nach Grillfleisch. Katharina schluckte, weil sie noch nichts zum Abendbrot gegessen hatte. Also waren es doch Jugendliche gewesen? Und da lag etwas vor dem Feuer. War das ein Mensch? Katharina lief hin und beugte sich zu dem reglosen Mann hinunter. Er trug einen Ledermantel, eine Wollmütze, Stiefel. Es war Adrian. Und er rührte sich nicht. Sein Gesicht schien im Licht der Flammen zu glühen. Er hatte die Augen geschlossen, doch die Lider zuckten. Sie sprach ihn an, fasste ihn an der Schulter, rüttelte ihn, aber er reagierte nicht. Sein Körper war warm, schwer und reglos. Wenn er so nah am Feuer liegen blieb, würde er Verbrennungen oder zumindest einen Kreislaufzusammenbruch erleiden. Sie packte ihn an Oberarm und Hüfte und rollte ihn ein Stück von den Flammen weg. Als sie weit genug vom Feuer entfernt waren, sank Katharina auf die Knie und rüttelte ihn. »Wach auf, Adrian! Sag doch was! Irgendwas!« Er stöhnte. Was war los mit ihm? War Adrian gestürzt, oder hatte er zu viel getrunken? Katharina strich ihm über die Wange. Er stöhnte wieder und versuchte, ihr etwas zu sagen. Sie roch Alkohol in seinem Atem. »Ganz ruhig, Adrian«, murmelte sie. »Ich bin ja da.« Sie streichelte sein Gesicht. Ihre rechte Hand glitt höher, bis an den Rand der Wollmütze. Sie fühlte, dass ihre Finger nass wurden. Hastig hielt sie sie in den Lichtschein des Feuers. Sie waren klebrig, klebrig von Blut. Und da war noch etwas im Feuer: Unverkennbar lag mitten in der Glut ein Pferdekopf. Der untere Teil, Maul und Nüstern, war verkohlt. Das Tier schien die langen Zähne zu blecken. Darüber sah sie einen Streifen Fleisch und Gewebe, schmorende Haut und glimmendes Fell, über das die Flammen züngelten. Die Augenhöhlen dampften. Daher rührten dieser fettige Rauch und der Gestank. Ihr wurde übel. Wie hatte sie bei dem Geruch nur ans Grillen denken können? Es war kurz nach dreiundzwanzig Uhr, als es an der Tür klingelte. Pia Korittki, Kriminaloberkommissarin bei der Bezirkskriminalinspektion Lübeck, erwartete keinen Besuch. Ihr Freund Lars war bei seinen Eltern in Bremen und wollte dort auch übernachten. Sie hatte ihn quasi fortgeschickt, weil sie die letzten Dinge in ihrer alten Wohnung lieber allein zusammenpacken wollte. Der Umzug in die neue Wohnung an der Adlerstraße stand unmittelbar bevor. Genervt und leicht beunruhigt betätigte sie den Schalter der Gegensprechanlage. »Pia? Entschuldige die Störung, ich wollte nur rasch schon mal Felix’ Buggy holen«, hörte sie Hinnerks Stimme. »Hi, Hinnerk. Wollt ihr den wirklich haben? Den braucht er doch kaum noch.« »Mascha meint, sie hätte ihn übers Wochenende lieber dabei.« Pia drückte auf den Türöffner und ließ Hinnerk ins Haus. Er war der Vater ihres Sohnes, und das kommende Wochenende würde Felix bei ihm verbringen. Sie hatten sich schon vor Felix’ Geburt getrennt, und Hinnerk kümmerte sich jedes zweite Wochenende um den Jungen. Pia wollte das »Buggy-Thema« nicht über die Sprechanlage mit ihm diskutieren. Sie wollte jetzt eigentlich gar nicht diskutieren. Morgen früh kam der Umzugswagen, und sie lag nicht gerade gut in der Zeit. »Meinst du nicht, dass du es uns überlassen solltest, ob Felix den Buggy braucht oder nicht?«, fragte Hinnerk, kaum dass er in der Wohnung stand. »Wieso glaubst du eigentlich immer, dass nur du weißt, was er braucht und was nicht?« Pia hob abwehrend die Hände. »Kein Problem. Entscheidet ihr. Ich freu mich nur, wenn Felix gern läuft und sich bewegt und nicht die ganze Zeit reglos im Buggy sitzt.« »Ach, soll das heißen, wir achten nicht auf genügend Bewegung?« Sie hatte keinen Nerv auf diese albernen Streitereien. »Wenn du willst, nimm den Buggy gern mit. Er steht allerdings schon im Keller der neuen Wohnung. Ich war froh über jedes Teil, das ich vorab rüberschaffen konnte.« Sie hielt einen Schlüsselbund mit drei Schlüsseln daran hoch. »Was? Mist!« »Sorry. Aber da du schon mal hier bist … Magst du einen Moment mit in die Küche kommen, Hinnerk? Ich würde gern noch etwas mit dir besprechen.« Es war eine der wenigen Gelegenheiten, wo Felix mal nicht anwesend war. Kritische Themen in seiner Gegenwart anzusprechen war mittlerweile unmöglich, denn mit über zwei Jahren verstand er natürlich schon viel mehr, als er selbst ausdrücken konnte. »Mascha wartet.« »Im Auto?« »Nein, zu Hause.« Pia atmete tief durch. Sie musste einfach noch mal mit ihm reden. Zur Not eben hier im Flur. Sie konnte nicht tatenlos zusehen, wie Hinnerk und sie in einen Rechtsstreit hineingerieten, unter dem Felix wohl am meisten leiden würde. »Es geht um das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Müssen wir das wirklich auf dem Rechtsweg durchkämpfen? Ich finde, wir sollten wenigstens noch einmal versuchen, uns einvernehmlich zu einigen, schon um Felix’ willen.« »Gern. Dann übertrag es mir einfach!« Pia zuckte zurück. »Und was würdest du dann tun?« Hinnerks Gesicht wurde ausdruckslos. »Dann kann Felix dauerhaft bei Mascha und mir wohnen, und du hättest ihn an jedem zweiten Wochenende.« »Niemals«, entfuhr es Pia, und sie biss sich auf die Unterlippe. »Tut mir leid, Pia. So sieht es nun mal aus. Du weißt, dass ich mit deiner Arbeit und der Art, wie du sie alleinerziehend mit einem Kind vereinbarst, ganz grundsätzlich ein Problem habe.« Er nahm Pia den Schlüsselbund für ihre neue Wohnung aus der Hand und wandte sich zur Tür. »Das Thema könnte schon längst durch sein. Vielleicht hättest du dann ja gar nicht umziehen müssen.« Er ließ den Blick spöttisch durch die kleine Dachwohnung gleiten. »Ich weiß ja, dass du das im Grunde gar nicht willst.« »Natürlich will ich«, antwortete sie. »Ich werfe dir die Schlüssel nachher in den Briefkasten.« Hinnerk schloss nachdrücklich hinter sich die Tür. Pia ertappte sich bei einem Kraftausdruck, der ihre ganze Hilflosigkeit zum Ausdruck brachte. Immerhin hatte Felix das nicht gehört. Nach einer Weile konnte Adrian sich aufsetzen. Katharina gab ihm ihr Halstuch, das er sich gegen die Wunde presste. Er wollte partout keinen Rettungswagen und keinen Arzt. Stattdessen musste sie ihm nach ein paar Minuten helfen, langsam aufzustehen. Halb stützend, halb schleppend brachte sie ihn zurück zu der Strandhütte. Katharina musterte das alte Holzhaus. Es war kein sicherer Ort. Sogar ein Kind könnte hier einbrechen. Was, wenn der Mann, den sie gesehen hatte, später in der Nacht wiederkam? Ihr war auch nicht wohl bei dem Gedanken, Adrian allein in der Hütte zurückzulassen, selbst wenn niemand versuchen würde, hier einzudringen. Wer sollte...