Allen | Eine Lady auf Abwegen | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 130 Seiten

Reihe: Digital Edition

Allen Eine Lady auf Abwegen


1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7337-2947-9
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 130 Seiten

Reihe: Digital Edition

ISBN: 978-3-7337-2947-9
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Nein und nochmals nein!' Lord Rhys Denham fällt aus allen Wolken: Nicht nur, dass Lady Thea ihn als Mann verkleidet zu später Stunde aufsucht - sie bittet ihn auch noch um einen Gefallen, der sie beide ihren Ruf kosten könnte! Wird Rhys es schaffen der ebenso temperamentvollen wie attraktiven Thea ihren Wunsch abzuschlagen?



Louise Allen lebt mit ihrem Mann - für sie das perfekte Vorbild für einen romantischen Helden - in einem Cottage im englischen Norfolk. Sie hat Geografie und Archäologie studiert, was ihr beim Schreiben ihrer historischen Liebesromane durchaus nützlich ist.

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1. KAPITEL

London, 3. Juni 1814

Die Uhr auf dem Kaminsims schlug viermal. Es war sinnlos, noch schlafen zu gehen. Abgesehen davon, war er betrunken, wenn auch leider nicht genug, um sich nicht zu fragen, was ihn auf die hirnrissige Idee dieser Reise gebracht hatte. Aber jeder würde denken, dass er nicht wusste, was er wollte, wenn er jetzt alles absagte.

„Stimmt ja auch“, teilte Rhys Denham dem struppigen, fuchsroten Kater mit, der ihn vom Kaminvorleger aus mit dem herablassendem Blick einer Herzoginwitwe beobachtete. „Dass ich nicht weiß, was ich eigentlich will.“

Bisher war der Mäusejäger noch nie aus der Küche nach oben gekommen, schon gar nicht in das Studierzimmer des dritten Earl of Palgrave. Es war unerhört. Vermutlich waren alle im Haus mit der bevorstehenden Abreise ihres Herrn zum Kontinent beschäftigt gewesen, sodass niemandem eine offene Tür an der Dienstbotentreppe aufgefallen war.

„Es schien mir ein guter Plan zu sein“, sagte Rhys laut. Der Brandy in seinem Glas schimmerte im Kerzenlicht. Er goss noch etwas nach und schüttete alles hinunter. „Ich bin betrunken wie seit Jahren nicht mehr.“ Nicht mehr, seit er eines Nachmittags mit der Erkenntnis aufgewacht war, dass Alkohol die Erinnerung an seinen katastrophalen Hochzeitstag nicht auszulöschen vermochte. Ebenso wenig würde davon sein Vertrauen in die Menschen wieder aufleben oder sein Glaube an die wahre Liebe.

Der Kater wandte seine Aufmerksamkeit nunmehr dem Teller mit den Resten von Fleisch, Käse und Brot zu, der neben der Karaffe stand. „Und du kannst aufhören, dir die Schnurrhaare zu lecken.“ Rhys griff nach dem Teller. „Ich brauche das jetzt mehr als du. In drei Stunden muss ich mehr oder weniger nüchtern sein.“ Dass er dieses Ziel erreichen würde, kam ihm selbst in seinem benebelten Zustand eher unwahrscheinlich vor.

„Du musst zugeben, dass ich einen Urlaub verdient habe. Mein Landbesitz ist in bester Ordnung, um meine Finanzen könnte es nicht besser bestellt sein, ich bin zutiefst gelangweilt von der Stadt und Bonaparte ist schon seit einem Monat auf Elba kaltgestellt“, teilte er dem Kater mit vollem Munde mit. „Denkst du etwa, ich bin zu alt für die Kavalierstour? Finde ich nicht. Mit achtundzwanzig weiß ich sogar alles besonders gut zu schätzen.“ Der Kater grinste höhnisch, hob ein Hinterbein und begann, sich an seinen intimsten Stellen zu lecken.

„Hör damit auf. Ein Gentleman tut so etwas nicht im Studierzimmer.“ Rhys warf dem Tier ein Stückchen Speck zu. „Aber ein ganzes Jahr? Was habe ich mir dabei gedacht?“ Selbstverständlich konnte er jederzeit zurückkommen, aber aus einer Laune heraus alles abzusagen, wäre kein verantwortungsvolles Verhalten. Es würde anderen Menschen Umstände bereiten und sie im Stich lassen. Rhys Denham verachtete Leute, die andere im Stich ließen.

„Nein, ich muss das jetzt durchstehen“, erklärte er dem Kater. „Der Szenenwechsel wird mir guttun, und dann finde ich auch irgendwann ein hübsches, bescheidenes, gut erzogenes und häusliches Mädchen mit gebärfreudigem Becken. Ich werde vor meinem dreißigsten Geburtstag verheiratet sein.“ Und mich zu Tode langweilen. Vor seinem inneren Auge sah er eine Reihe appetitlicher Frauen vorbeiziehen, die bisher verhindert hatten, dass er der Langeweile zum Opfer fiel. Sie hatten auf Treue keinen Wert gelegt, aber eine Ehefrau würde es tun. Rhys seufzte.

Die Freunde, die gemeinsam mit ihm im Club Abschied gefeiert hatten, waren alle verheiratet oder zumindest verlobt. Einige von ihnen hatten sogar schon Kinder. Und alle waren sich einig in ihrer Meinung über ihn: „Es wird Zeit, dass ein Schwerenöter wie du nicht nur am Käse knabbert, sondern einen großen Bissen davon nimmt und endlich selbst in die Falle geht, Denham.“

„Und warum ist das ein so verdammt deprimierender Gedanke?“

„Das kann ich nicht sagen, Mylord.“ Griffin stand in der Tür, sein Gesicht zeigte die ausdrucklose Maske, mit der er seine Missbilligung auszudrücken pflegte.

Rhys hievte sich aus dem Sessel. In seinem eigenen Hause durfte ein Mann doch wohl ein Glas zu viel trinken, verflucht noch mal. „Ich habe zu dem Kater gesprochen, Griffin.“

„Wenn Sie es sagen, Mylord.“

Rhys schaute zum Kaminvorleger. Das rötlichbraune Biest war verschwunden und hatte nur seinen Abdruck auf dem Stoff hinterlassen.

„Jemand möchte Sie sehen, Mylord.“ Das war wohl auch der Grund für seinen versteinerten Gesichtsausdruck.

„Wer ist es?“

„Eine junge Person, Mylord.“

„Ein Knabe? Ich bin nicht zu Ratespielchen aufgelegt, Griffin.“

„Wie Sie meinen, Mylord. Es scheint ein Knabe zu sein. Darüber hinaus möchte ich mich nicht festlegen.“

Scheint zu sein? Meint Griffin das, was ich befürchte? „Nun, wo ist … er?“ Sie?

„Im kleinen Empfangszimmer. Er kam zur Vordertür, weigerte sich, den Lieferanteneingang zu benutzen, und meinte, er sei sicher, dass Ihre Lordschaft ihn zu sehen wünschten.“

Rhys schaute blinzelnd zu der Karaffe. Wie viel hatte er getrunken, seit er von White’s zurück war? Ziemlich viel, das ja, aber trotzdem bildete er sich den leicht verzweifelt klingenden Ton in Griffins Stimme nicht ein. Dieser Mann wurde normalerweise mit allem fertig, ohne mit der Wimper zu zucken, ob es diebische Dienstboten waren oder porzellanwerfende ehemalige Mätressen.

Ein unbehagliches Gefühl beschlich ihn. Mätressen. Hatte Georgina den Abschied doch nicht so einfach hingenommen, wie es gestern den Anschein erweckt hatte? Rhys stand vom Sessel auf und zerrte sich das bereits gelockerte Tuch vom Hals, seinen Rock ließ er auf dem Sofa liegen. Lächerlich. Es stimmte zwar, dass er sein Vergnügen ohne emotionale Verstrickungen bevorzugte, aber er war kein Lord Byron, der ständig auf der Flucht war vor überreizten, als Knaben verkleideten Frauen. Er achtete darauf, sich nur an fest verheiratete Frauen oder Professionelle zu halten, die wussten, worum es ging. Auf keinen Fall suchte er die Gesellschaft alleinstehender Damen und schon gar von solchen, die sich als Männer verkleideten.

„Nun gut, dann schauen wir mal, wer dieser geheimnisvolle Knabe ist.“ Erstaunlicherweise gehorchten ihm seine Beine, wofür er dankbar war, als er Griffin leicht schwankend den Gang hinunterfolgte. Morgen früh – nein heute Morgen – würde er einen monumentalen Kater haben.

Griffin öffnete die Tür zu dem Raum für diejenigen Besucher, die nach seinen strengen Maßstäben nicht in den Chinesischen Salon gehörten. Die Person auf dem harten Stuhl an der hinteren Wand erhob sich. Sie war klein, gekleidet in den schlecht sitzenden Anzug eines Bürogehilfen, und hatte zwei Koffer zu ihren Füßen stehen. Ein zerbeulter Biberhut lag auf einem Stuhl.

Rhys blinzelte. So betrunken war er nun doch nicht. „Griffin, wenn das ein Knabe ist, dann sind Sie und ich Eunuchen am Hofe des Großen Khans.“

Die junge Frau in den Männerkleidern seufzte verzweifelt, stemmte die Fäuste in die runden Hüften, die ihr Geschlecht verrieten, und sagte: „Rhys Denham, du bist betrunken – gerade als ich mir sicher war, dass ich mich auf dich verlassen kann.“

Thea?

Lady Althea Curtiss, die Tochter des Earl of Wellingstone aus erster Ehe, eine unscheinbare kleine Göre, die ihm auf Schritt und Tritt gefolgt war, als er noch ein Junge gewesen war. Sie war ihm eine gute Freundin geworden, aber seit dem Tag, als seine Welt zerbrochen war, hatte er sie kaum gesehen. Doch hier stand sie nun am frühen Morgen, als Knabe verkleidet, in seinem Junggesellenhaushalt. Ein Skandal auf zwei Beinen – die Situation war so brenzlig, als hätte jemand eine rauchende Granate in den Raum geworfen. Fast hörte er die Lunte zischen.

Rhys war größer, als sie ihn in Erinnerung hatte, härter, männlicher, als er in Hemdsärmeln an der Tür auftauchte. Sein Kinn wies einen dunklen Bartschatten auf, die dunklen Haare, die er von seiner walisischen Mutter hatte, hingen ihm unordentlich in die blauen Augen. Alkohol und Schlafmangel hatten seinen Blick offenbar vernebelt. Ein gefährlicher Fremder. Doch dann fiel ihr wieder ein dass sie ihn seit sechs Jahren nicht mehr aus der Nähe gesehen hatte. Natürlich hatte er sich verändert.

„Thea?“ Er kam steifbeinig zu ihr herüber und packte sie an den Schultern. Sein Blick war wieder scharf, trotz des Brandys, den sie in seinem Atem riechen konnte. „Was zum … Was tust du hier? Und in diesen Kleidern?“ Er zog ihren mausbraunen Zopf aus dem Kragen ihrer Jacke. „Wen wolltest du damit täuschen, du kleiner Dummkopf? Bist du von zu Hause ausgerissen?“

Rhys presste ärgerlich die Lippen aufeinander. Thea trat zurück, um sich seinem Griff zu entwinden, aber ihre Knie schlotterten. „Ich bin so angezogen, weil diese Aufmachung in einer dunklen Postkutsche lüsterne Männer fernhält. Es ist mir klar, dass ich bei hellem Licht nicht als Knabe durchgehen würde. Und ich bin von zu Hause fortgegangen, nicht ausgerissen.“

Rhys bewegte die Lippen. Sie konnte sehen, dass er auf Walisisch bis zehn zählte. Als er noch ein Junge gewesen war, hatte er das schon getan, und sie hatte die Zahlen gelernt. Un, dau, tri

„Griffin, mehr Brandy. Tee und etwas zu essen für Lady Althea. Die selbstverständlich nicht hier ist.“

Thea ließ sich von ihm in das Studierzimmer führen. Rhys warf ihre Koffer auf den...



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