Buch, Deutsch, Band 18, 176 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 205 mm
Reihe: Caracol Prosa
Geschichten aus Irland
Buch, Deutsch, Band 18, 176 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 205 mm
Reihe: Caracol Prosa
ISBN: 978-3-907296-40-0
Verlag: Caracol Verlag der Autorinnen & Autoren
Ireland from the inside – und doch auch mit Schweizer Augen gesehen. Die Schriftstellerin Gabrielle Alioth, vor vierzig Jahren nach Irland ausgewandert, bietet uns eine spezielle Sicht auf Irland und die Iren. Kenntnisreich, einfühlsam, mit Humor schildert und kommentiert sie Geschichte, Mythen und Sagen sowie Erlebnisse aus ihrem Alltag auf der grünen Insel.
Wir hören von den erstaunlichen Wundern Feichíns, des Dorfheiligen von Alioths Wohnort an der Ostküste, der unter anderem Wasser bergaufwärts fliessen liess. In Textschleifen einiger Kapitel lässt die Autorin Figuren aus den irischen Sagen auftreten – Vergangenheit und Gegenwart spiegeln einander. Gross war in Irland seit je die Bedeutung von Viehherden: Kühne Kriegszüge und brutale Schlachten sagenhafter Helden galten dem Viehraub.
Die multiperspektivische Erzählung Ein sonniger Morgen im Mai vergegenwärtigt berührend den Höhepunkt der Grossen Hungersnot im Jahr 1847, ausgelöst durch Kartoffelfäule. Was in der Stadt Drogheda mit zwei Schiffsladungen von indischem Mais geschah, die der türkische Sultan Abdülmecid zur Milderung der Hungersnot nach Irland schickte, bleibt ungewiss.
Gabrielle Alioth gibt auch Einblick in ihren Alltag: der langwierige Umbau eines Hauses; Begegnungen am Strand Seapoint, wo sie täglich frühmorgens ihre Hunde spazieren führt; die gütige Post-Fee, die zu jedem Problem sagt «Leave it with me»; ein medizinischer Notfall kurz vor Weihnachten; das Begräbnis eines Nachbarn.
Manche Themen behandelt die Autorin in Form von amüsanten Kurzgeschichten. Der Polizeibeamte Brophy betreibt skurrile Fahndungen. An der Ostküste kommt Brophy dem verblüffenden Wohlstand einer eingeschworenen Dorfgemeinschaft auf die historische Spur. Zusammen mit seinem Kollegen O’Shea dehnt er in einem anderen Fall seine Fahndung bis nach Borneo aus.
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Treibgut
Ein Röhrenfernseher aus den Siebzigerjahren war das Bizarrste, was ich je an meinem Strand gefunden habe. Der Sturm der vorangegangenen Nacht musste ihn angespült haben. Da stand er, ein paar Meter vom Spülsaum entfernt, den Bildschirm erwartungsvoll auf die Dünen gerichtet, als wolle er einer unsichtbaren Zuschauerschaft von seiner Reise berichten. Vermutlich hatte er irgendwann in einer Stube gestanden, hatte Nachrichten, Seifenopern, Trickfilme, Romanzen und Tragödien ausgestrahlt, bis er zu flimmern begann, seine Röhre zerbrach oder er einfach durch ein flacheres Exemplar ersetzt wurde. Dann hat man ihn entsorgt, oder eben nicht, ihn über ein Kliff geworfen, wie den sterbenden Drachen in der Fantasy-Serie, ihn der Strömung eines Flusses übergeben, als wäre er ein toter Maharadscha in einer Hindi-Schnulze. Oder hat eine Überschwemmung ihn aus einem einstürzenden Haus ins Meer gespült, hat ein Tornado ihn wie Dorothy in die Luft gewirbelt und anstatt in Oz im Ozean abgesetzt?
Die Hunde beschnupperten ihn, doch er gab nichts preis, was ihre Neugier weckte, und sie wandten sich den Krebsen zu, die der Sturm auch angespült hatte. Ich berührte ihn. Er war kalt, echt, stumm, ein paar Tangfetzen klebten an seiner Rückseite. Einen Augenblick stellte ich mir vor, man könnte sie in einem Labor untersuchen lassen, herausfinden, woher sie stammten und damit etwas über seine Herkunft erfahren. Ich schaute zu viele Kriminalfilme. Der Fernseher, der am Tag darauf verschwunden war, behielt seine Geschichte für sich.