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E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Alexander Im Schattenkasten
1. Auflage 2017
ISBN: 978-87-11-62601-6
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
ISBN: 978-87-11-62601-6
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Es beginnt damit, das ein Kind entführt wird. Mr. Harrogate ist verzweifelt und aufgebracht. Vier Detektive der New Yorker Polizei sind daran gescheitert, ihm seinen Sohn wiederzubringen. Auch von Inspektor Bath, der nun mit der Sache betraut wird, hält Harrogate nicht viel: dieses schmächtige Bürschchen mit der großen Hornbrille und der gelben Gesichtsfarbe - ausgerechnet ein Japaner! Da wendet er sich lieber an den Detektiv Flannagan, auch wenn der als ausgemachter Säufer und unzuverlässiger Mensch gilt, der aufgrund seiner Mängel aus dem Polizeidienst entlassen wurde. Dennoch soll Flannagan ausgesprochen tüchtig sein. Aber kaum hat sich Flannagan des Falles angenommen, wird er auch schon heimtückisch vergiftet. Inspektor Bath wiederum kommt zu dem Schluss, dass die Spur zu dem entführten Jungen über den Verbrecherboss McGregor führen muss. Doch an diesen heranzukommen ist nicht ganz ungefährlich ... Mit 'Im Schattenkasten' ist Arno Alexander ein packender, höchst fantasievoller und ungewöhnlicher Kriminalroman gelungen, den der Leser und die Leserin, einmal angefangen, am liebsten nicht wieder aus der Hand legen will. Vor allem die Gestalt der schönen und mutigen Tamara Harrogate, der Schwester des Entführten, die eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung der Verbrechen spielt, macht die wie ein Wirbelwind vorbeisausenden Geschehnisse zu einem unvergesslichen Erlebnis.-
Arno Alexander ist das Pseudonym des deutschen Schriftstellers Arnold Alexander Benjamin (1902-1937). Der in Moskau geborene Autor veröffentlichte von 1929 bis zu seinem Tod rund zwanzig Romane, die unter anderem bei Goldmann in Leipzig und Münchmeyer in Dresden erschienen sind. Alexander schrieb vorwiegend Kriminalromane, aber auch utopisch-fantastische Romane ('Doktor X', 1929) und Frauenromane wie 'Fremder Mann an der richtigen Tür' (1936). Viele seiner Werke wurden nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufgelegt.
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II.
Eine halbe Stunde später verließ Mr. Harrogate das Gebäude des Polizeihauptquartiers. Sein Gesicht drückte deutlich erkennbar Unzufriedenheit aus, — noch mehr Unzufriedenheit als vor anderthalb Stunden, da er das Gebäude betreten hatte. Er ging an einen harrenden Wagen heran, öffnete den Schlag und nahm neben seiner Tochter Platz, die am Steuer saß. „East 23-rd Street?“ fragte sie kurz. Er nickte schweigend, und der Wagen setzte sich in Bewegung. In der East 23-rd Street wohnte der Privatdetektiv Flannagan. Ohne daß Harrogate seiner Tochter auch nur ein Wort über seine Unterredung mit dem Chefinspektor gesagt hatte, war zunächst doch alles Wichtige zwischen ihnen besprochen. Wenn der Vater zu Flannagan fuhr, bedeutete es, er sei mit dem Erfolg seiner Unterredung nicht zufrieden. Dasselbe sagten die senkrechten Falten auf seiner hohen Stirn. Wozu also Fragen stellen? „Tamara …“, begann Harrogate nach einer Weile, dann schwieg er wieder nachdenklich. Seine Tochter hieß tatsächlich Tamara. Den schweren Fehler, den er begangen, als er seinem ersten Kind diesen gar nicht amerikanischen Namen gab, konnte sich der Patriot Harrogate nie verzeihen. Er mußte verrückt gewesen sein — das war seine ehrliche Überzeugung bis auf den heutigen Tag. Es war eine Nottaufe gewesen — das Leben von Mutter und Kind schwebte tagelang in Gefahr —, und als der herbeigerufene Pfarrer im letzten Augenblick nach dem Namen fragte, den das Kind bekommen sollte, da stellte es sich heraus, daß Harrogate alle die schönen Namen, die er und seine Frau schon lange vorher ausgesucht, vergessen hatte, einfach vergessen! In seinem Schmerz und in seiner Angst fiel ihm nur der Name Tamara ein, der aus einem kürzlich gelesenen russischen Roman stammte. So kam es, daß die Tochter eines amerikanischen Patrioten einen ganz und gar nicht amerikanischen Namen erhielt. „Tamara!“ sagte Harrogate wieder, und dann erzählte er zornig von seiner Besprechung mit Lincoln und von deren geringen Erfolgen. „Einen Japaner!“ rief er endlich aus. „Ausgerechnet einen Japs hat er mir zugedacht! Wie findest du das?“ Tamara überholte erst einen Wagen und winkte freundlich einem Polizisten zu, der seine Hand nach dem Notizbuch ausgestreckt hatte und der daraufhin sofort seine böse Absicht aufgab, sie wegen zu schnellen Fahrens aufzuschreiben. Dann blickte sie schräg zu ihrem Vater auf. „Das ist natürlich schrecklich“, stellte sie fest. „Aber schließlich kann ein Japaner ganz tüchtig sein, und ein Mann, der zu der Erpresserbande Verbindung hat, eignet sich wohl am besten dazu, uns das Kind wiederzufinden.“ „Aber es ist dennoch schrecklich“, beharrte er. „Gewiß“, bestätigte sie freundlich, worauf er, zufrieden über die Übereinstimmung ihrer Meinungen, ein paarmal nickte. Der Wagen hielt. „Im fünften Stock muß es sein“, rief Tamara dem aussteigenden Vater nach. Dann machte sie sich daran, ihr Gesicht im Handspiegel zu betrachten und alle etwaigen Mängel zu verbessern. Es gab aber nichts zu verbessern, denn Tamara war sehr schön, allerdings nicht ganz nach dem amerikanischen Geschmack. Man hätte das blonde Mädchen mit den klugen, entschlossenen Gesichtszügen und den hellen, blauen Augen viel eher für eine Schwedin gehalten. Das Haus, in dem Flannagan wohnte, machte einen unfreundlichen, düsteren Eindruck. Zu Mr. Harrogates großem Mißvergnügen gab es hier nicht einmal einen Fahrstuhl. Ob er wollte oder nicht, er mußte sich an die saure und ungewohnte Arbeit machen, fünf Stockwerke hochzuklettern. Es war daher begreiflich, daß sich seine Stimmung keineswegs verbessert hatte, als er endlich schwer atmend mit der Faust gegen eine Tür hämmerte, denn es mangelte hier sogar eines Klingelknopfes. „Mr. Flannagan zu sprechen?“ herrschte er ein junges Mädchen an, das einen schauerlichen Eindruck auf ihn machte. Sie hatte die Tür geöffnet, stand da und starrte ihn an, als sei er ein Wesen aus einer anderen Welt. Er betrachtete sie prüfend, und seinen Blicken entging nichts: Weder ihr zerzaustes Haar, noch der gewöhnliche Gesichtsausdruck; auch nicht der zerrissene Rock und die ausgetretenen Hausschuhe. „Mr. Flannagan?“ fragte sie und sah ihn recht blöde an. „Mr. Flannagan — — —?“ „Natürlich Mr. Flannagan!“ sagte er böse. „Habe ich das nicht deutlich genug gesagt?“ Sie trat beiseite und machte eine hilflose Bewegung mit der Hand. Diese Bewegung konnte ebensogut eine Aufforderung näherzutreten sein, als auch der Ausdruck von Abwehr. Harrogate faßte es so auf, wie er es wollte und trat in den dunklen Vorraum ein. Jetzt vernahm er aus einem der Zimmer deutlich das Grölen und Kreischen von Stimmen, und bei diesen Lauten machte er unwillkürlich einen Schritt zurück. Dann aber dachte er an sein Kind und an alles, was er über die Fähigkeiten dieses Flannagan gehört hatte, und wandte sich heftig an das Mädchen: „Führen Sie mich zu Mr. Flannagan, Nun? Was stehen Sie da und stieren mich an? Nein, ein solches Dienstmädchen ist mir doch Zeit meines Lebens noch nicht vorgekommen.“ „Ich bin gar kein Dienstmädchen“, sagte das zaghafte junge Mädchen plötzlich sehr laut. „Nicht das Dienstmädchen?“ wiederholte er. „Sie sind nicht das Dienstmädchen von Mr. Flannagan?“ „O nein“, erwiderte sie. „Ich bin seine Braut.“ Harrogate schluckte ein paarmal, ehe er ein Wort hervorbringen konnte. „Alle guten Geister …“ murmelte er endlich erbittert. „Wo … wo ist Ihr … hm … Bräutigam?“ „Dort“, sagte sie und wies auf eine Tür. Harrogate klopfte entschlossen an und trat ein. Das, was et jetzt zu sehen bekam, hatte er noch nie gesehen. Er hätte ein ähnliches Bild in irgendeinem Film sehen können, aber Mr. Harrogate ging nie ins Kino. Drei, nein vier junge Männer saßen mehr liegend als sitzend um einen Tisch herum und spielten Karten. Das Zimmer war so vollgequalmt, daß man kaum zwei Schritte weit sehen konnte, und auf dem Tisch erschienen daher wie in fernem Nebel ganze Wälder von Flaschenköpfen. Auf dem Boden lagen zerbrochene Gläser in schmierigen, dunklen Pfützen. Die Männer selbst hatten die Röcke abgelegt und die Westen aufgeknöpft, so daß man ihre wenig sauberen Hemden sehen konnte. „Harrogate ist mein Name“, erklärte der Eingetretene. „Wer von Ihnen ist Mr. Flannagan?“ Einer der jungen Männer — vielleicht der wildeste von ihnen — hob bedeutsam den Zeigefinger. Eine deutlichere Antwort zu geben, schien er für überflüssig zu halten. „Also Sie — — —!“ sagte Harrogate und bohrte seinen Blick durch den Rauchnebel in den jungen Mann. Aber vergeblich suchte er in diesem Gesicht nach Spuren von dem vielgerühmten Geist; er sah das Gesicht eines Mannes, der dem Alkohol völlig verfallen schien. Alles in seinem nicht häßlichen Gesicht war unklar, verschwommen; nichts deutete auf Tatkraft oder Geist. Die hohe Stirn vielleicht? Ja, er schien wenigstens eine hohe Stirn zu haben, aber auch davon sah man nicht viel, da seine zerrauften, schwarzen Haare ihm tief ins Gesicht hingen. „Ich bin Harrogate“, sagte der Besucher nach einer Weile mit Nachdruck und schwieg erwartungsvoll. Die Lippen Flannagans verzogen sich zu einem Grinsen. „Ich bin Flannagan“, sagte er im selben Tonfall, mit derselben Miene wie Harrogate. Seine drei Freunde brachen in ein schallendes Gelächter aus, das aber unter Flannagans drohendem Blick sofort wieder verstummte. „Sie kennen mich nicht?“ fragte Harrogate ein wenig erstaunt. Er war tatsächlich eher erstaunt als verärgert darüber, daß ihn dieser junge Mann nicht zu kennen schien. „Ich kenne Ihre Gummifabrik“, erwiderte Flannagan ruhig. „Das genügt“, versetzte Harrogate und hatte nicht die geringste Lust, darüber nachzudenken, was Flannagan mit seinen letzten Worten eigentlich gemeint haben konnte. „Hauptsache ist, Sie wissen: Vor Ihnen steht ein Mann, der gut bezahlt, sehr gut bezahlt, wenn man ihm einen Dienst erweist.“ Flannagan schüttelte den Kopf. „Ich erweise keinerlei Dienste, niemandem!“ sagte er und wurde dabei etwas heftig. „Ich brauche Ihr Geld nicht, und ich denke auch nicht ans Arbeiten. Wenn Sie Ihren Sohn wiederhaben wollen, müssen Sie sich an andere wenden.“ „Wir werden uns schon einigen“, lautete die vorsichtige Antwort Harrogates. „Ich sehe, Sie wissen über meine Sache schon Bescheid. Das ist gut, das ist sehr gut! Das erleichtert den Fall, nicht wahr? Ich denke, auch Sie sind der Meinung, mein Sohn könne noch gerettet werden? Nicht wahr, Mr. Flannagan?“ „Ihren Sohn hat die McGregorsche Bande geraubt“, sagte Flannagan. „Ich verrate damit kein Geheimnis, denn das weiß sogar die Polizei. McGregor wollte von Ihnen ein Lösegeld von zweihunderttausend Dollar. Sie haben nicht gezahlt, sondern die Polizei verständigt. Dafür wird McGregor jetzt zur Strafe Ihren Jungen umbringen. So liegt der Fall. Und da ist gar nichts zu machen. Gar nichts.“ Von diesen bestimmten Äußerungen war Harrogate so niedergeschmettert, daß er sich auf den einzigen noch freien Stuhl niederließ, ungeachtet dessen, daß dieser Stuhl einen recht unsauberen Eindruck machte. „Aber … aber ich will doch jetzt zahlen“, stöhnte er. „Ich habe es den Kerlen geschrieben, mehrmals geschrieben …“ „Das nützt nun nichts mehr“, erklärte Flannagan erbarmungslos. „Was McGregor sagt, das tut er auch. Und er wird an Ihnen — wie man so sagt — ein Exempel statuieren, zur Warnung für alle anderen, die je noch Lust bekommen sollten, sich mit der Polizei in Verbindung zu...