E-Book, Deutsch, Band 67, 100 Seiten
Reihe: Irrlicht
Alexander Das mörderische Schachspiel
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95979-546-3
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Irrlicht 67 - Mystikroman
E-Book, Deutsch, Band 67, 100 Seiten
Reihe: Irrlicht
ISBN: 978-3-95979-546-3
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Schriftstellerin Anne Alexander ist als schöpferische und facettenreiche Romanautorin in sehr unterschiedlichen Genres und Serien hervorgetreten. Sie genießt unter Kennern einen exzellenten Ruf, den sie in Serien wie Der Arzt vom Tegernsee und Sophienlust erlangte und in Hunderten von Veröffentlichungen unter Beweis stellte. Auch im Bereich des Adelsromans und bei den Romantic Thrillern wie Irrlicht hat sie ihr herausragendes Können demonstriert. Besonders beeindruckend sind ihre nimmermüde Phantasie und die atmosphärische Weite ihres Schaffens.
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Melissa Clarke betrat das imposante Foyer des London-Hall-Hotels. Kurz schaute sie sich um, dann steuerte sie auf die Rezeption zu und nannte ihren Namen.
»Ich bin mit Mister Michel Adams verabredet«, sagte sie zum Portier. »Er erwartet mich um sechzehn Uhr.«
»Einen Moment bitte.« Der Portier griff nach dem Telefonhörer und wählte. »Sie möchten bitte nach oben kommen, Miß Clarke«, wandte er sich an die junge Frau, nachdem er mit dem Sekretär von Michel Adams gesprochen hatte. Er nannte ihr Stockwerk und die Nummer der Suite.
Melissa ging zum Aufzug. Sie versuchte sich einzureden, daß dies ein völlig normaler Auftrag war. Immerhin hatte sie es gelernt, wichtige Persönlichkeiten zu interviewen, und im Grunde genommen war nichts dabei. Bisher hatte es ihr immer Spaß gemacht, bis auf die wenigen Fälle, bei denen ihr der Partner nicht gerade sympathisch gewesen war. Aber sie gestand sich ein, daß dieser Auftrag anders war. Michel Adams führte ein sehr zurückgezogenes Leben. Den größten Teil des Jahres lebte er auf seiner Insel, die sich rund hundert Kilometer von Hawaii befand. Noch niemals war es einem Journalisten gelungen, Zutritt zu dieser Insel zu bekommen. Michel Adams grenzte sein Privatleben streng gegen die Außenwelt ab. Er galt als Sonderling, genauso wie sein Vater und sein Großvater es gewesen waren. Es hieß, daß er auf der Insel wie ein König herrschte.
Melissa nannte dem Liftboy das Stockwerk, in das sie wollte, dann lehnte sie sich gegen die Kabinenwand und versuchte sich zu sammeln. Michel Adams war eigens nach London gekommen, um eine Ausstellung surrealistischer Bilder im Somerset House zu eröffnen. Trotz seines zurückgezogenen Lebens kannte man ihn als großen Förderer unbekannter Maler.
Der Aufzug hielt im zehnten Stock des Hotels. Melissa Clarke atmete tief durch und trat in den breiten Korridor.
Wieder sagte sie sich, daß sie keinen Grund hatte, Angst zu haben. Warum sollte sie diesen Auftrag nicht mit derselben Bravour meistern, in der sie gewöhnlich an ihre Arbeit heranging? Als sie vor zwei Stunden in die Redaktion der Frauenzeitschrift gekommen war, für die sie arbeitete, wartete ihr Chef bereits auf sie. Er sagte ihr, daß er mit Michel Adams telefoniert habe und dieser mit einem Interview einverstanden wäre, aber nur unter der Bedingung, daß sie es führe.
Woher kennt er mich überhaupt? dachte sie jetzt. Gut, einige ihrer Artikel hatten allgemeine Beachtung gefunden, aber die meisten ihrer Kollegen besaßen mehr Erfahrung, arbeiteten weit länger bei der Zeitung als sie. Immerhin war sie erst vierundzwanzig und stand am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn.
Die Suite, die Michel Adams mit seinen Mitarbeitern bewohnte, lag im hinteren Teil des Korridors. Bevor sie auf den Klingelknopf drückte, schaute sie noch rasch in den Taschenspiegel, kämmte sich flüchtig ihre langen dunkelblonden Haare und zog sich etwas die Lippen nach. Dann atmete sie tief durch und läutete.
Gleich darauf wurde ihr von einem älteren Mann die Tür geöffnet. »Miß Clarke?« fragte er.
Melissa nickte. »Mister Adams erwartet mich.«
»Ja, ich weiß. Ich bin Ed Fellon, sein Privatsekretär.« Er bat sie Platz zu nehmen und verschwand durch eine schmale Tür, die in den Nebenraum führte.
Melissa mußte nicht lange warten. Schon zwei Minuten später kam der Sekretär zurück und begleitete sie in den Wohnraum der Suite. Vergeblich versuchte sie, das wilde Schlagen ihres Herzens zu beschwichtigen. Sie war so aufgeregt, als würde es sich um ihr erstes Interview handeln. Trotzdem gelang es ihr, kühl und beherrscht zu wirken, als Michel Adams, der am Schreibtisch gesessen hatte, ihr entgegenkam.
Melissa hatte erst zweimal ein Foto von ihm gesehen. Einmal vor einigen Jahren, als er bei der Einweihung eines Heimes für behinderte Kinder in New York von sich reden gemacht hatte, das andere Mal vor zehn Monaten nach dem Tode seiner Frau. Nun stellte sie fest, daß beide Fotos ihm nicht gerecht geworden waren. Er war viel größer und machte auf sie den Eindruck eines Mannes, der den größten Teil seiner Zeit dem Studium wissenschaftlicher Bü-cher widmete. Vor zwei Monaten war er fünfzig geworden, doch er wirkte wesentlich jünger. In seinen vollen schwarzen Haaren konnte sie kein Grau erkennen. Sein schmales Gesicht wies kaum eine Falte auf, und in seinen braunen Augen brannte ein geradezu jugendliches Feuer. Ja, vor allem seine Augen waren es, die sie beeindruckten. Sie hatte das Gefühl, als blicke er bis in die Tiefe ihrer Seele. Seltsamerweise war es ihr nicht einmal unangenehm.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Miß Clarke«, sagte er, als sie einander die Hand reichten. »Ich habe schon sehr viel von Ihnen gehört, das heißt gelesen.« Er lächelte ihr zu. »Als mich heute Ihr Chef anrief und um ein Interview bat, machte ich es deshalb zur Bedingung, daß er Sie zu mir schickt.«
»Danke, Mister Adams«, erwiderte Melissa und fügte etwas ironisch hinzu: »Ich weiß die Ehre zu schätzen. Schließlich gehören Sie nicht gerade zu den Leuten, die Journalisten bereitwillig Rede und Antwort stehen.«
»Nein, das kann man wirklich nicht von mir behaupten.« Michel Adams lachte. »Wahrscheinlich wissen Sie, wieviel Wert ich auf mein Privatleben lege. Für Leute, die ständig ans Licht der Öffentlichkeit streben, hatte ich noch nie etwas übrig. Für mich ist so etwas bisher nicht in Frage gekommen und wird es auch niemals kommen.«
»Das kann ich sehr gut verstehen, Mister Adams«, erwiderte Melissa. »Deshalb wundert es mich, daß Sie mit diesem Interview einverstanden sind.«
»Nur weil ich Ihre Artikel kenne und überzeugt davon bin, daß Sie nichts schreiben werden, was nicht der Wahrheit entspricht.« Er schaute ihr in die Augen. »Ich schätze Sie, Miß Clarke. Ich schätze Sie sogar sehr.«
»Sie können sich auf mich verlassen, Mister Adams.« Obwohl Melissa sich bemühte, es nicht zu zeigen, fühlte sie sich von seinen Worten geschmeichelt. »In erster Linie möchte ich natürlich viel über Ihre Insel wissen.« Sie lachte leise auf. »Wie Sie wissen, kursieren da mehrere Geschichten. Unter anderem wird behauptet, Sie würden Ihre Angestellten wie Sklaven halten.«
»Und das glauben Sie?«
»Nein, Mister Adams.« Melissa schüttelte den Kopf. »Ich weiß zwar, daß es selbst in unserem Jahrhundert noch Teile in der Welt gibt, in denen Sklavenhaltung gang und gäbe ist, aber Adams Island gehört schließlich zu den Vereinigten Staaten.«
»Setzen wir uns«, schlug Michel Adams vor. Er wandte sich an seinen Sekretär. »Bringen Sie bitte Wein, Mister Fellon.«
»Wie Sie wünschen, Mister Adams.« Der Sekretär ließ sie allein.
Es war ein ausgezeichneter Wein, den ihr Michel Adams kredenzte. Er erzählte, daß auf seiner Insel Weinbau betrieben wurde, allerdings nicht in großem Maß, sondern nur soviel, um den eigenen Bedarf zu decken. »Wenn ich mich im Ausland aufhalte, nehme ich stets einige Flaschen mit«, sagte er. »Vielleicht werden Sie über mich lachen, aber ich bin ein Mensch, der ungern seine Heimat verläßt. Wenn ich abends ein Gläschen Wein trinke, fühle ich mich, egal wo ich auch bin, gleich zu Hause.«
»Das kann ich sehr gut verstehen, Mister Adams«, erwiderte Melissa. »Bitte erzählen Sie mir ein wenig über die Insel.« Sie saßen sich gegenüber und die junge Journalistin empfand die Gesellschaft des geheimnisvollen Mannes als sehr wohltuend. Er verstand es, andere Menschen für sich einzunehmen. Er vermittelte ihr, daß sie zumindest im Augenblick die einzige Frau war, die ihn interessierte. Er sah sie fast ununterbrochen an, wandte nur selten den Blick. Jedes Wort, das er sagte, schien einzig und allein für sie bestimmt.
»Adams Island befindet sich rund hundert Kilometer von Hawaii entfernt«, erzählte er. »Aber das wird Ihnen ja bekannt sein. Es ist eine wunderschöne Insel. Mein Urgroßvater hat sie achtzehnhundertsechsundneunzig gekauft. Damals war sie unbewohnt. Er suchte nach einem Platz, an dem er sich von aller Welt zurückziehen konnte und baute ein kleineres Haus an der Südküste. Erst mein Großvater begann mit dem Bau des großen Hauses, und er war es auch, der dafür sorgte, daß ein Arzt, Lehrer für die Kinder der Angestellten und reichlich Personal auf die Insel kamen. Viele der Menschen, die heute auf Adams’ Island leben, sind dort geboren worden. Andere haben sich erst später entschlossen, mein Leben zu teilen. Weil ich sehr viel Personal habe, ist für keinen einzigen die Arbeit schwer. Im Grunde genommen könnte man sagen, wir sind fast so etwas wie eine große, glückliche Familie.«
»Und leben auch Ihre Verwandten auf Adams’ Island?«
»Ich bin der letzte Adams«, erwiderte Michel Adams. Er schenkte Wein nach. Sein Gesicht wurde düster. »Ich hatte immer die Hoffnung, meine Insel eines Tages meinem Sohn übergeben zu können. Leider bin ich bisher kinderlos geblieben....