Akerlof / Shiller | Animal Spirits | Buch | 978-3-593-38937-0 | sack.de

Buch, Deutsch, 300 Seiten, GB, Format (B × H): 140 mm x 215 mm

Akerlof / Shiller

Animal Spirits

Wie die Wirtschaft wirklich funktioniert:

Buch, Deutsch, 300 Seiten, GB, Format (B × H): 140 mm x 215 mm

ISBN: 978-3-593-38937-0
Verlag: Campus


Viel zu lange hat die Ökonomie einen der wichtigsten Faktoren im wirtschaftlichen Agieren von Menschen vernachlässigt: die Animal Spirits, also die nicht-rationalen Aspekte unseres Handelns. Ein großer Fehler, sagen George A. Akerlof und Robert J. Shiller, dessen Folgen wir in der Wirtschaftskrise täglich neu zu spüren bekommen. Sie fordern, das Verhalten des Menschen in der Wirtschaft wieder stärker zu berücksichtigen, anstatt sich auf reinen Marktglauben zu konzentrieren. Dieses Buch ist das Ergebnis ihrer langjährigen Forschungsarbeit. Es zeigt uns, wie erfolgreiches ökonomisches Denken und Handeln in der Zukunft aussehen muss.
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Inhalt

Vorwort

Danksagung

Einleitung

Teil I: Eine Theorie der Animal Spirits

1.Vertrauen und Vertrauensmultiplikatoren
2.Fairness
3.Korruption und Arglist
4.Geldillusion
5.Geschichten

Teil II: Acht Fragen - acht Antworten

6.Warum Volkswirtschaften in Depressionen geraten
7.Warum Zentralbanken Einfluss auf die Wirtschaft haben
Nachtrag: Die gegenwärtige Krise und Maßnahmen zu ihrer Überwindung
8.Warum manche Menschen keinen Job finden
9.Warum es langfristig gesehen entweder mehr Inflation oder mehr Arbeitslose gibt
10.Warum unsere Sparentscheidungen willkürlich sind
11.Warum die Preise an den Finanzmärkten und die privaten Investitionen so stark schwanken
12.Warum die Immobilienmärkte zyklischen Ausschlägen unterliegen
13.Warum sich Armut im Kreis von Minderheiten besonders hartnäckig hält
14.Ausklang

Anmerkungen

Quellenverzeichnis


Vorwort

Es gibt zuweilen verräterische Momente im Leben. In Henry James' Roman Die goldene Schale genügt der amerikanischen Erbin ein einziger Blick, um ihren Verdacht bestätigt zu finden: Ihr Ehemann und die Frau seines Vaters sind tatsächlich ein Paar.1 Für die Weltwirtschaft war der 19. September 2008 ein solcher besonderer Augenblick. Der US-Kongress hatte seine Zustimmung zu dem 700 Milliarden US-Dollar schweren Rettungsplan verweigert, den Finanzminister Henry Paulson vorgeschlagen hatte (gleichwohl besann er sich später eines Besseren). Der Dow-Jones-Aktienmarktindex fiel um 778 Punkte. Überall auf der Welt gingen die Börsenkurse auf Talfahrt. Plötzlich rückte das, was zuvor lediglich als weit entfernte Möglichkeit erschienen war - eine Wiederkehr der Großen Depression -, in greifbare Nähe.2
Die Große Depression der 1930er Jahre war die Tragödie des 20. Jahrhunderts. Sie brachte der ganzen Welt massenhafte Arbeitslosigkeit. Allein das wäre schon schlimm genug gewesen, doch darüber hinaus führte das von ihr erzeugte Machtvakuum in den Zweiten Weltkrieg. Diesen Krieg bezahlten mehr als 50 Millionen Menschen mit ihrem Leben.3
Eine Wiederkehr der Großen Depression ist heute denkbar, denn in den letzten Jahren sind die Ökonomen, die Regierungen und die breite Öffentlichkeit selbstzufrieden geworden. Sie haben die Lehren vergessen, die aus den Ereignissen der 1930er Jahre gezogen wurden. In den damaligen harten Zeiten erfuhr die Welt auf schmerzliche Weise, wie die Wirtschaft wirklich funktioniert. Wir lernten überdies die angemessene Rolle des Staates in einer widerstandsfähigen kapitalistischen Wirtschaft kennen. Dieses Buch bringt diese Lektionen wieder in Erinnerung und versieht sie mit einem modernen Anstrich. Um zu verstehen, wie die moderne Weltwirtschaft in die Sackgasse geraten ist, müssen wir unser Wissen erneuern. Noch wichtiger aber sind diese Lektionen, weil wir herausfinden müssen, was das Gebot der Stunde ist.
Im Jahr 1936, inmitten der Großen Depression, veröffentlichte John Maynard Keynes sein Meisterwerk, die Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes. Darin beschrieb er, wie vertrauenswürdige Regierungen wie die britische oder die US-amerikanische Kredite aufnehmen, das geliehene Geld ausgeben und auf diese Weise Arbeitslose wieder in Lohn und Brot bringen könnten. Dieses Konzept wurde zur Zeit der Großen Depression selbst nie systematisch in die Tat umgesetzt. Erst später, als die lähmende Krankheit überwunden war, kam die Politik in den Genuss klarer Leitlinien vonseiten der Wirtschaftstheorie. Zuvor wurstelten sich die Regierenden durch, so gut es eben ging. So machten sich zum Beispiel sowohl Herbert Hoover als auch Franklin Roosevelt für kreditfinanzierte Ausgaben der Regierung stark. Obwohl sie sich ihrer Sache durchaus nicht sicher waren, taten sie doch im Großen und Ganzen intuitiv das Richtige, und die Maßnahmen, die sie veranlassten, gingen überwiegend in die gewünschte Richtung. Da sie jedoch keine klare Vorstellung davon hatten, was sie tun sollten, fehlte es ihnen an dem Vertrauen, das sie brauchten, um mit der nötigen Konsequenz zu handeln.
Als später im Zweiten Weltkrieg die streitenden Parteien der Vorstellung von Keynes folgten und Kredite aufnahmen, um ihre Rüstungsausgaben zu finanzieren, verschwand die Arbeitslosigkeit tatsächlich. In den 1940er Jahren wurde Keynes' Rezept zum Standard, und in den USA (sowie mit großer zeitlicher Verzögerung auch in Deutschland; Anm. d. Übers.) wurde es sogar gesetzlich verankert. Der Employment Act von 1946 (in Deutschland das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967; Anm. d. Übers.) verpflichtete die zentrale Regierung auf das Ziel der Vollbeschäftigung.
Auf die Bekämpfung von Rezessionen gerichtete keynesianische Grundsätze der Fiskal- und Geldpolitik fanden Eingang in das Denken von Ökonomen und Politikern, Theoretikern und Teilen der Öffentlichkeit. Selbst Milton Friedman wurde in seinen späteren Jahren mit den Worten zitiert "Nun sind wir alle Keynesianer", obgleich er sich dagegen verwahrte, dass seine Aussage aus dem Zusammenhang gerissen wurde.4 Und im Großen und Ganzen hat keynesianische Konjunktursteuerung auch funktioniert. Sicherlich gab es Höhen und Tiefen der Wirtschaftsentwicklung in der Zeit nach Keynes. Sicherlich auch gab es große Umbrüche wie in Japan ab dem Ende der 1990er Jahre, in Indonesien nach 1998 oder in Argentinien nach 2001. Doch wenn wir die Weltwirtschaft aus der Vogelperspektive betrachten, drängt sich der Eindruck auf, dass die gesamte Nachkriegszeit in ökonomischer Hinsicht eine einzige großartige Erfolgsgeschichte war und immer noch ist. Mehr und mehr Länder sind dem Ziel der Vollbeschäftigung zumindest nahegekommen. Und nun, da Indien und China ihre sozialistischen Temperamente gezügelt haben, wächst und gedeiht die Wirtschaft auch in diesen so bevölkerungsreichen Ländern.
Jenseits des praktischen Nutzens der Staatsverschuldung zur Überwindung von Konjunktureinbrüchen birgt die Allgemeine Theorie aber noch eine andere, weit grundsätzlichere Botschaft, die allerdings unbeachtet blieb. Diese Botschaft beruht auf Keynes' tiefgründiger Analyse des Wirtschaftsablaufs und der Bedeutung des Staates für die wirtschaftliche Entwicklung. Im Jahr 1936, dem Jahr des Erscheinens der Allgemeinen Theorie, herrschten in der Wirtschaftstheorie verschiedene Strömungen vor. Auf der einen Seite standen jene, die meinten, die traditionelle Theorie aus der Zeit vor Keynes spiegle das richtige Verständnis von der Wirtschaft wider. Diese alte ("klassische") Wirtschaftstheorie besagt, dass freie, von staatlichen Eingriffen unbeeinflusste Märkte von einer "unsichtbaren Hand" geleitet werden und quasi wie von selbst Vollbeschäftigung herbeiführen. In ihrer einfachsten Form lautet die Logik der klassischen Theorie folgendermaßen: Wenn ein Arbeitsloser bereit ist, zu einem Lohn zu arbeiten, der geringer ist als der Wert seines Beitrags zur Produktion, kann ein Unternehmer seinen Gewinn steigern, indem er diesen Arbeitslosen anstellt. Die Klassiker drangen stets auf ausgeglichene Haushalte und ein Minimum an staatlicher Regulierung der Wirtschaftstätigkeit. Den entgegengesetzten Pol des Spektrums der wirtschaftstheoretischen Denkschulen bildeten die Sozialisten. In deren Augen bestand die einzige Möglichkeit zur Überwindung der Arbeitslosigkeit in den 1930er Jahren darin, die Unternehmen zu verstaatlichen. Der Staat würde die Arbeitslosigkeit beseitigen, indem er selber die Menschen von der Straße holte.
Keynes selbst vertrat einen gemäßigten Ansatz. Ihm zufolge wird die Wirtschaft nicht allein von rationalen Akteuren beherrscht, die (wie gelenkt von der "unsichtbaren Hand" der klassischen Theorie) jeden Tausch vornehmen, der beiden Partnern ökonomische Vorteile verschafft. Keynes räumte sehr wohl ein, dass ökonomisches Handeln großenteils von rationalen ökonomischen Motiven bestimmt wird, setzte dem aber entgegen, dass es häufig von Instinkten beeinflusst wird, den von ihm so genannten Animal Spirits. Der Mensch verfolgt nicht allein ökonomische Ziele. Und auch dann, wenn er seine ökonomischen Interessen im Auge hat, handelt er nicht immer rational. Nach Keynes' Auffassung sind die Animal Spirits die wichtigste Ursache für Schwankungen der Konjunktur und für unfreiwillige Arbeitslosigkeit.
Wenn wir also die Wirtschaft verstehen wollen, müssen wir herausfinden, auf welche Weise sie von den Animal Spirits beeinflusst wird. Während Adam Smiths unsichtbare Hand den Kerngedanken der klassischen Wirtschaftstheorie bildet, sind Keynes' Animal Spirits der Kerngedanke eines abweichenden Modells der Wirtschaft - eines Modells, das die fundamentale Instabilität kapitalistischer Wirtschaftssysteme zu erklären vermag.
Der von Keynes konstatierte Zusammenhang zwischen den Animal Spirits und der Wirtschaftsaktivität führt uns zur Frage nach der wirtschaftspolitischen Rolle des Staates. Keynes' Auffassung hierzu ähnelt sehr stark dem, was Eltern in der gängigen Ratgeberliteratur lesen können.5 Dort heißt es auf der einen Seite, dass wir uns davor hüten sollten, unserem Nachwuchs gegenüber allzu autoritär aufzutreten. Andernfalls würden die Kinder zwar vordergründig gehorchen, doch später, als Teenager, begännen sie zu rebellieren. Auf der anderen Seite werden wir ermahnt, nicht allzu viel zu erlauben. Auch wenn wir diesen Rat missachteten, brächten wir das Wohl unserer Kinder in Gefahr. Sie lernten dann nämlich nicht, ihrem eigenen Handeln angemessene Grenzen zu setzen, das heißt, sich selbst zu disziplinieren. Als Nächstes erfahren wir in den Büchern für Eltern dann, dass sachgerechte Kindererziehung bedeute, einen Mittelweg zwischen den beiden genannten Extremen zu wählen. Die Rolle der Eltern bestehe darin, die Grenzen für das Kind so zu setzen, dass es seine Animal Spirits im Zaum halten könne. Diese Schranken müssten andererseits dem Kind noch genügend Freiraum für Kreativität und selbstständiges Lernen bieten. Kurz und gut: Aufgabe der Eltern sei es, ein glückliches Zuhause zu schaffen, das dem Kind Freiheit gibt, es aber zugleich vor seinen Animal Spirits schützt.
Dieses glückliche Zuhause entspricht genau Keynes' Standpunkt in Bezug auf die angemessene Rolle des Staates - dem wir uns im Übrigen anschließen. Die traditionelle Wirtschaftstheorie hat sehr richtig erkannt, dass kapitalistische Gesellschaften ungemein kreativ sein können. Diesen Zusammenhang sollte der Staat möglichst nicht antasten. Auf der anderen Seite neigen kapitalistische Volkswirtschaften, die sich selbst überlassen bleiben, zu Exzessen. Das können wir heute mit unseren eigenen Augen sehen. Es kommt zu Manien. Die Manien wiederum münden in Ausbrüche von Panik.6 Es entsteht Arbeitslosigkeit. Die Leute geben zu viel Geld für Konsumgüter aus und sparen zu wenig. Minderheiten werden diskriminiert und verlieren den Anschluss. Immobilienpreise, Aktienkurse und der Ölpreis schießen in die Höhe und stürzen dann wieder ab. Die angemessene Rolle des Staates besteht analog zu jener des mustergültigen Elternteils darin, einen Rahmen zu setzen. Dieser Rahmen sollte Raum für die dem Kapitalismus eigene Kreativität gewähren. Er sollte aber auch den Exzessen entgegenwirken, die durch unsere Animal Spirits hervorgerufen werden.
Da wir von Exzessen sprechen, sei angemerkt, dass George W. Bush eine scharfsinnige Erklärung der gegenwärtigen Wirtschaftskrise lieferte, indem er sagte, die Wall Street habe zu viel getrunken. Doch wie kam es überhaupt so weit, und weshalb ließ unsere Regierung es zu, dass sie sich betrank, und saß untätig daneben? Um diese Frage zu beantworten, benötigen wir eine Theorie der Wirtschaft und ihrer Funktionsweise. Letztlich finden wir die Antwort in den Vereinfachungen, denen die Allgemeine Theorie in den Jahren unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung sowie in verstärktem Umfang in den 1960er und 1970er Jahren unterworfen war.
Diejenigen, die Keynes' Allgemeine Theorie nach ihrem Erscheinen weiterentwickelten, entfernten daraus fast gänzlich die Animal Spirits - die nichtökonomischen Motive und die irrationalen Verhaltensmuster des Menschen -, die den Kern von Keynes' Erklärung der Großen Depression bildeten. Auf der Ebene des kleinsten gemeinsamen Nenners entstand eine Theorie, die die Unterschiede zwischen der Allgemeinen Theorie und den Standardaussagen der Klassik so weit einebnete, dass kaum noch Raum für instinktives Handeln übrig blieb. In der klassischen Theorie kommen Animal Spirits nicht vor. Menschliches Handeln speist sich allein aus ökonomischen Motiven und rationalen Überlegungen.
Keynes' Anhänger akzeptierten diese "Banalität" (so wie Hyman Minsky sie beschrieben hatte) aus zwei guten Gründen.7 Erstens grassierte die Depression, und sie strebten danach, die Gemeinde der Ökonomen schnellstmöglich zu bekehren und zu Anhängern der Botschaft des Keynesianismus zu machen, was die therapeutische Rolle der Fiskalpolitik betraf. Die Zahl der Überläufer würde umso größer sein, je enger der Keynesianismus an die vorherrschende Theorie heranrückte. Und zweitens wurden die Ökonomen jener Zeit durch die Banalisierung der neuen Theorie in die Lage versetzt, ihren Gehalt mithilfe der althergebrachten Begrifflichkeiten zu verstehen.
Doch diese kurzfristig angelegte Lösung hatte langfristige Folgen. Zwar setzte sich die verwässerte Ausgabe der Allgemeinen Theorie in den 1950er und 1960er Jahren praktisch überall durch. Doch sie bot Angriffsflächen. Im Lauf der 1970er Jahre bildete sich eine neue makroökonomische Denkschule heraus, die sogenannte Neuklassik. Deren Gegenentwurf beruhte auf der These, dass die wenigen im keynesianischen Denken verbliebenen Animal Spirits derart nebensächlich seien, dass sie letztlich für die Wirtschaft überhaupt keine Rolle spielten. In ihren Augen war die ursprüngliche Keynes'sche Theorie nicht stark genug verwässert worden. Die Neuklassiker, die bald die zentrale Schule der modernen Makroökonomik bildeten, waren der Meinung, dass instinktives menschliches Handeln aus der Wirtschaftstheorie komplett ausgeblendet werden sollte. Auf diese Weise wurde die klassische Theorie aus der Zeit vor Keynes, in der unfreiwillige Arbeitslosigkeit logisch unmöglich ist, rehabilitiert - ein Umstand, der einer gewissen Ironie nicht entbehrt. Die Animal Spirits waren im Mülleimer der Geistesgeschichte gelandet.
Die neuklassische Sichtweise der Wirtschaft wurde von den Ökonomen in die Denkfabriken, an die politischen Eliten und an die Intellektuellen weitergegeben, um schließlich ihren Weg in die Massenmedien zu finden. Sie wurde zu einem politischen Glaubenssatz stilisiert: "Ich bin ein Anhänger freier Märkte." Im Einklang damit steht die Verpönung staatlicher Eingriffe in eigennütziges privates Handeln. Die Wirtschaftspolitik machte sich diese Sicht rund um den Globus zu Eigen. In England wurde sie in die Form des Thatcherismus gekleidet, in den Vereinigten Staaten bildeten sich die Reaganomics heraus. Von diesen beiden angelsächsischen Ländern ausgehend, verbreitete sich die Ideologie freier Märkte überall auf der Welt.
Die fürsorgliche wich einer permissiven Rolle des Staates. Heute, drei Jahrzehnte nachdem Margaret Thatcher und Ronald Reagan in ihre Ämter gewählt wurden, werden wir uns der Probleme gewahr, die daraus erwachsen können. Den Exzessen an der Wall Street wurden keine Schranken gesetzt. Die Börsianer tranken sich in einen besinnungslosen Rausch. Und die Welt muss nun die Konsequenzen tragen.
Viel Zeit ist vergangen, seit wir die Möglichkeiten des Staates entdeckt haben, rationale ebenso wie irrationale Schocks aufzufangen, denen kapitalistische Wirtschaftssysteme gemeinhin ausgesetzt sind. Doch in dem Maße, wie das Erbe von Keynes und die wirtschaftspolitische Rolle des Staates in Zweifel gezogen wurden, haben auch die Schutzvorrichtungen gelitten, die aufgrund der Erfahrung der Großen Depression entwickelt worden waren. Daher stehen wir vor der Notwendigkeit, uns ein neues Verständnis der Funktionsweise kapitalistischer Wirtschaftssysteme zu erschließen - unter Berücksichtigung der Erkenntnis, dass Menschen nicht allein aus rationalen ökonomischen Beweggründen handeln, sondern auch aufgrund von wie auch immer gearteten instinktiven Impulsen.
In diesem Buch wollen wir also, ausgehend von den Ergebnissen des aufstrebenden Forschungszweigs der verhaltenswissenschaftlichen Wirtschaftstheorie oder Behavioral Economics, ein realistisches Bild des Wirtschaftsablaufs zeichnen. Wir wollen dabei berücksichtigen, dass die Akteure menschliche Wesen sind, die sich von nur allzu menschlichen Animal Spirits leiten lassen. Außerdem erklären wir, inwiefern mangelndes Wissen über die grundlegende Funktionsweise der Wirtschaft zum gegenwärtigen weltweiten Desaster geführt hat - zum Zusammenbruch der Kreditmärkte und im Zuge dessen auch zur Gefahr eines Kollapses der Realwirtschaft.
Wir sind heute, nach mehr als 70 Jahren sozialwissenschaftlicher Forschung, in einer günstigeren Ausgangsposition als die frühen Keynesianer. Deshalb können wir die makroökonomische Rolle instinktgesteuerten Verhaltens in einer Weise ausleuchten, die unseren geistigen Ahnen noch versagt blieb. Und da wir die Bedeutung der Animal Spirits anerkennen und ihnen in unserer Theorie eine zentrale Stellung einräumen, anstatt sie unter den Teppich zu kehren, kann unsere Theorie auch gegen Angriffe bestehen.
Eine Erneuerung der Wirtschaftstheorie erweist sich insbesondere angesichts der gegenwärtigen Rezession als notwendig. Immerhin müssen unsere Politiker wissen, was sie tun sollen. Doch auch die Leute mit den richtigen Intuitionen wie US-Zentralbankchef Ben Bernanke brauchen eine bessere Theorie. Nur dann, wenn sie sich auf dem Boden eines klaren theoretischen Verständnisses und logisch schlüssiger Begründungen wissen, werden sie den Mut aufbringen, ihre instinktiv als richtig erkannte Politik konsequent zu verfolgen.


Shiller, Robert J.
Robert J. Shiller ist Ökonomieprofessor in Yale. Bei Campus erschienen von ihm bislang »Irrationaler Überschwang« (2000) und »Die neue Finanzordnung« (2003).

Akerlof, George A.
George A. Akerlof ist Professor für Wirtschaftswissenschaften in Berkeley und erhielt 2001 den Wirtschaftsnobelpreis, zusammen mit Joseph E. Stiglitz und Michael Spence.

George A. Akerlof ist Professor für Wirtschaftswissenschaften in Berkeley und erhielt 2001 den Wirtschaftsnobelpreis, zusammen mit Joseph E. Stiglitz und Michael Spence. Robert J. Shiller ist Ökonomieprofessor in Yale. Bei Campus erschienen von ihm bislang 'Irrationaler Überschwang' (2000) und 'Die neue Finanzordnung' (2003).


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