E-Book, Deutsch, Band 3, 464 Seiten
Reihe: Call of Crows
Aiken Call of Crows - Enthüllt
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-492-97800-2
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 3, 464 Seiten
Reihe: Call of Crows
ISBN: 978-3-492-97800-2
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
G. A. Aiken ist New-York-Times-Bestsellerautorin. Sie lebt an der Westküste der USA und genießt dort das sonnige Wetter, das gute Essen und die Aussicht auf attraktive Strandbesucher. Ihre erfolgreichen Erotic-Fantasy-Reihen um die Drachenwandler, »Lions«, »Tigers«, »Honey Badgers«, »Wolf Diaries«, »Call of Crows« und die »Blacksmith Queen« erscheinen alle im Piper Verlag.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
»Warum bist du nicht tot?«
Während Erin Amsel langsam erwachte und ihr Kopf, ihr Gesicht und ihr Hals dabei an den Stellen pochten, auf die wiederholt eingeschlagen worden war, begriff sie, dass sie die Situation erheblich schneller hätte erfassen müssen, als man ihr diese Frage ursprünglich früher am Abend entgegengeschleudert hatte.
Vor allem, da es keine gewöhnliche Frage war, definitiv nicht die Art von Anmache, die man in einem heißen Club in L. A. zu hören bekam. Aber sie war beschäftigt gewesen. Hatte etwas getan, das sie wahrscheinlich nicht hätte tun sollen. Pech nur, dass es nun für Reue zu spät war. Da sie in der zweiten Sitzreihe eines großen SUV saß, je einen großen Mann links und rechts neben sich. Drei Männer in der Reihe hinter ihr. Und zwei vorn.
Sie konnte beinahe hören, wie ihr Vater sie scherzhaft ermahnte: »Du passt nie richtig auf!«
Und sie hatte nicht aufgepasst. Dass ein x-beliebiger Mann sie angesprochen hatte, war in jedem Club oder jeder Bar das Gleiche. Einem Stück Fleisch hinterherzujagen, das sie vögeln konnten, war eben das, was Männer so taten. Also hatte sie nicht wirklich auf seine tatsächliche Frage geachtet. Sie hatte nur gewusst, dass er ihr im Weg stand. Den Weg zu ihrem Zielobjekt blockiert hatte.
Denn während alle anderen in dem überteuerten Schuppen dabei gewesen waren, zu trinken, high zu werden und gesehen zu werden – in der Hoffnung, ein Foto von sich in eine Klatschzeitung zu bekommen oder die Aufmerksamkeit eines Talentscouts zu erregen –, hatte Erin ein ganz konkretes Ziel gehabt: zu beweisen, dass die Frau, auf die sie einen genaueren Blick zu werfen versuchte, die Hohepriesterin einer Göttin war, die vorhatte die Welt zu zerstören. Das Wikinger-Ende aller Tage herbeizuführen – Ragnarök. Die Göttin Gullveig.
Als Erin und ihre Schwestern das erste Mal mit Gullveig zu tun gehabt hatten, waren sie in dem Glauben gewesen, sie daran gehindert zu haben, diese Welt zu betreten. Sie hatten sich geirrt.
Bei ihrer zweiten Begegnung waren sie gezwungen gewesen, sie in irgendeine ferne Existenzebene zu stoßen, nur um Zeit für einen Plan zu schinden, wie sie sie endgültig loswerden konnten.
Dieses bevorstehende dritte Mal … würde das letzte Mal sein.
Ganz gleich, wie alles ausging.
Auch jetzt arbeiteten ihre Schwestern daran, Ragnarök zu verhindern.
Ihre Schwestern. Die mächtigen Crows. Der menschliche Kriegerinnen-Clan der Göttin Skuld. Schon vor den Tagen, da Wikinger Europa von ihren Langbooten aus terrorisierten, hatte Skuld unter den Sterbenden die ausgewählt, die sie für würdig befand, in ihrem Namen zu kämpfen. Sie wählte nicht nur aus reinem nordischen Geblüt aus, so wie die anderen Götter es taten. Nein. Sie wählte unter denen aus, die in Ketten an die nördlichen Gestade verschleppt worden waren. Immer Frauen. Immer Sklavinnen. Und immer zornerfüllt.
Jetzt, in diesen Tagen und diesem Zeitalter, wählte Skuld unter den Nachfahrinnen dieser Frauen. Oder unter denen, die in dieser Zeit misshandelt wurden.
Nach ihrem Tod gab sie ihnen eine Wahlmöglichkeit. Zu dem Gott zu gehen, den anzubeten sie erzogen worden waren, oder sich ihr anzuschließen. Eine Chance auf ein zweites Leben zu bekommen und eine Gelegenheit, all diesen Zorn und dieses Verlangen nach Rache, das sie in ihren Seelen speicherten, zu benutzen, um Ragnarök zu verhindern.
Es gab jene, die sich weigerten, das Angebot anzunehmen, aber viele andere taten es. Und diese Frauen waren nun Erins Crow-Schwestern.
Frauen, für die sie lebte und starb, und die im Moment keine Ahnung hatten, dass Erin in üblen Schwierigkeiten steckte.
Es war ihre eigene Schuld. In den Wochen, seit sie Gullveig aus ihrer Welt gestoßen hatten, war Erin klar geworden, dass es irgendwo in Los Angeles eine Priesterin gab, die das verrückte Miststück anbetete. Es musste eine geben. Gullveig zehrte wie alle Götter und Göttinnen von der Huldigung durch Menschen.
Während also der Rest der Crow-Schwestern und die Mitglieder der anderen Wikinger-Clans – die Neun, wie sie genannt wurden – verzweifelt nach einem Weg suchten, Gullveig aufzuhalten, stellte Erin ihre eigenen Nachforschungen an. Sie las jedes billige Klatschblättchen. Vertiefte sich in jede Website, die Tratsch verbreitete. Lauschte dem unablässigen Geplapper ihrer Crow-Schwestern, die davon träumten, eines Tages ein »Star« zu sein. Sie hörte zu und sie recherchierte, und sie war davon besessen, bis nur noch eine infrage kam.
Jourdan Ambrosio.
Als heißestes »It-Girl« an beiden Küsten und in Europa war Jourdan der Inbegriff des »Megastars für nichts und wieder nichts«.
Sie war attraktiv – obwohl es schwer zu erkennen war mit all dem Make-up, das sie trug, ganz gleich zu welcher Uhrzeit, wo sie gerade war oder was sie tat – Single, reich und mit jeder Menge berühmter Freunde gesegnet. Ihr Vater war ein berühmt-berüchtigter italienischer Regisseur, dessen Werke einmal zu Erins Rausschmiss aus einem Filmkurs am College geführt hatten, weil sie den Großteil der anfänglichen Filmvorführung damit verbracht hatte, sich über ihn lustig zu machen. Der Mann war affektiert – ihr Film-Professor hätte damit einfach klarkommen müssen.
Jetzt tat seine Tochter, statt Schauspielerin zu werden wie ihre gleichermaßen berühmte belgische Mutter, oder Regisseurin wie ihr Vater und ihr älterer Halbbruder, nichts als für alle anderen »den Stil vorzugeben« und Unmengen von Geld auszugeben.
Als Erin sie entdeckte, saß sie in der VIP-Lounge des Clubs, mit obszönen Mengen an Gold- und Diamantenschmuck behängt und umringt von verzweifelten Speichelleckern.
Wenn sie nicht bereits Gullveigs Priesterin war – ein Name, der sich mit »goldenes Getränk«, »goldene Macht« oder »goldene Trance« übersetzen ließ, je nachdem, wo man nachlas – sollte sie es unbedingt werden. Sie war alles, was Gullveig zu lieben schien. Schönheit und Geschmacklosigkeit in einem einzigen schlanken, sexy Paket.
Am Ende war Erin sich so sicher gewesen, dass sie in Bezug auf Ambrosio recht hatte, so besessen … dass ihr der muskulöse Mann, der sie anmachte, gar nicht richtig aufgefallen war.
Natürlich hatte er sie nicht wirklich angemacht. Eine Frau anzumachen bedeutete nämlich normalerweise nicht, sie zu fragen, warum sie nicht tot sei.
Jetzt saß Erin hier in der Falle, ihre Handgelenke mit Kabelbindern gefesselt, ihr Körper pochte von der Prügel, die sie bezogen hatte, als man sie mit Gewalt in den SUV verfrachtet hatte. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, aber sie bogen jetzt auf eine unbefestigte Straße ab.
Nein, das konnte nichts Gutes bedeuten.
Die Kombination von unbefestigten Straßen und Frauen, mit Kabelbindern gefesselt, ging nie gut aus.
Der SUV hielt an und die Männer stiegen aus und zogen Erin mit sich. Sie wehrte sich, versuchte, sich loszureißen, aber zwei der Männer hielten sie mühelos fest.
Also stieß sie, wie sie es bei jenem ersten Mal vor all den Jahren getan hatte, den Ellbogen nach oben und nach hinten. Nur dass sie dem Mann diesmal nicht nur die Nase brach – sie zertrümmerte ihm das Gesicht und schlug ihm Nase und Wangenknochen ein.
Blut spritzte Erin ins Gesicht, und das war der Moment, in dem es ihr wieder einfiel. Das war der Moment, in dem ihr klar wurde: Dies war keine Neuauflage des letzten Mals, als sie getötet worden war. Das ging gar nicht. Sie war nicht dieselbe Frau, die damals gefangen genommen worden war.
Sie war nicht mehr das Großmaul aus Staten Island und die Tätowiererin, die den Mafiosi auf den Schlips getreten war. Die den ach so Erin-typischen Fehler gemacht hatte, mit den Bundesbehörden zu reden, als wäre das kein großes Ding. Denn sie war doch bloß eine Tätowiererin gewesen. Ein Niemand. Und Erin hatte das auch weiterhin geglaubt – zumindest unbewusst –, bis zu dem Tag, an dem diese Mafiosi ihr das Gehirn aus dem Kopf gepustet hatten.
Aber jetzt war sie eine Crow, ein Mitglied der neun anerkannten menschlichen Clans, die die nordischen Götter in dieser Existenzebene repräsentierten.
Sie hatte gegen Wikinger gekämpft, gegen Dämonen und gegen Helheims Aasfresser. Odin hatte sie angebaggert und Thor hatte sie angegriffen. Einmal hatte Idun einen ganzen Korb ihrer goldenen Äpfel nach ihr geworfen, und ein andermal hatte Bragi – der Gott der Poesie und der Eloquenz – sie als eine »verkorkste kleine Fotze« bezeichnet, der er mit seiner »Harfe gern mal den Hintern versohlt« hätte.
Und nach alledem hatte eines überdauert: sie. Erin Amsel hatte alles überlebt. Also würde sie irgendwelchem Gangsterpack wohl kaum erlauben …
Eine Kugel schlug in Erins Stirn ein und sie fiel rückwärts auf den harten Boden.
Stieg Engstrom dachte, sein Freund und Raven-Bruder Vig Rundstöm wäre einfach ein Arschloch gewesen, als er darauf bestanden hatte, dass Stieg »heute Nacht auf Erin Amsel aufpassen« solle. »Stell fest, wohin sie geht. Was sie tut. Pass auf, dass sie nicht in Schwierigkeiten gerät.«
Er hatte wirklich gedacht, Vig führe sich bloß wie ein gewaltiges Arschloch auf. Warum sonst zwang er von allen Menschen im Universum ausgerechnet Stieg dazu, Erin »ich bringe jeden auf die Palme!« Amsel durch Los Angeles...




