Abrahams Warum denken wehtun kann
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8387-5337-9
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
und andere unfassbare Erkenntnisse der Wissenschaft
E-Book, Deutsch, 446 Seiten
ISBN: 978-3-8387-5337-9
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Welches ist der mathematisch beste Weg, um ein Schinkensandwich durchzuschneiden? Kann man mit dem rechten oder dem linken Ohr besser Lügen erkennen? Und wie wirken sich Mobiltelefone auf Kaninchensex aus? Marc Abrahams hat die bizarrsten, brillantesten und lustigsten Studien aus der internationalen Forschung zusammengetragen. Sein humorvoller Rundgang durch die Welt der Wissenschaft und ihre seltsamsten Entdeckungen begeistert mit typisch britischem Witz - und schenkt einen neuen Blick auf ganz alltägliche Dinge.
Weitere Infos & Material
Eins
Seltsam im Kopf
In Kürze »Die Persönlichkeit meiner Großmutter: Eine posthume Bestimmung respektive Bewertung« von Frederick L. Coolidge (erschienen im Journal of Clinical Geropsychology, 1999) Dies und mehr finden Sie in diesem Kapitel: Denken als Gefahr in medizinischer Hinsicht • Sichten haariger Köpfe in Freizeitparks • Sich langweilen für Seine Majestät • Weiterspielen, während man beobachtet wird • Hirnschaden für besseres Wetten • Schönheit abtasten auf Intelligenz • Brain und Head • Ein Alias für Körperhaar • Beten bis an den Rand des Wahnsinns Ihr Geist könnte Sie töten
Wie gefährlich ist es eigentlich zu denken? Die Frage hat Gewicht, weil es für manche Leute wirklich gefährlich ist, ja geradezu lebensbedrohlich – in körperlicher Hinsicht. Diese Frage berührt aber auch eine andere, die scheinbar nichts damit zu hat: Ist es für Studenten gefährlich, einen Taschenrechner zu benutzen, anstatt kopfzurechnen? 1991 veröffentlichten Forscher im japanischen Osaka einen Bericht mit dem Titel »Durch Rechnen mit einem ›Soroban‹, einem japanischen traditionellen Rechenbrett, hervorgerufene Reflexepilepsie«. (Das deutsche Wort für Soroban ist »Abakus«). Der Bericht beschreibt einen bedauernswerten jungen Mann, der »1980 aufs College kam, wo er einem Musikklub angehörte und sich als Drummer betätigte. Nach sechs Monaten spürte er eine starke psychische Anspannung während des Trommelns und besonders auch, wenn er Noten aufschreiben musste, während er die auf Band aufgenommene Musik hörte«. Die Situation verschlimmerte sich. Noten aufzuschreiben löste den ganzen Körper betreffende tonisch-klonische Krämpfe aus. Der Mann litt wahrlich für seine Musik. In seinem letzten Jahr an der Universität entdeckte er, dass das Rechnen auf einem Abakus das gleiche Problem verursachte, nur noch heftiger. Er benutzte deshalb keinen Abakus mehr und suchte Ärzte auf. Fachärzte haben andere solcher Fälle gesehen und darüber berichtet. Beachten Sie den auf verstörende Weise nachdenklich machenden Aufsatz mit dem Titel »Durch Denken ausgelöste Anfälle«. Der Bericht wurde von A.J. Wilkins und drei Kollegen an der University of Essex in den Annals of Neurology 1982 veröffentlicht. Die Forscher beschrieben einen Mann, der Krämpfe bekam, wenn er bestimmte Arten des Kopfrechnens betrieb. Es handelte sich hier um reines Kopfrechnen, ohne durch einen Abakus oder ein anderes mechanisches oder elektronisches Gerät verursachte Komplikationen. Die Addition im Kopf schien für diesen Mann recht unbedenklich, desgleichen die Subtraktion. Aber immer, wenn er versuchte, im Kopf zu multiplizieren, löste dies Krämpfe aus. Dividieren war ebenso gefährlich. Andere aktenkundige Fälle deuten an, dass die Subtraktion nicht immer so ungefährlich ist, wie es scheint, wenigstens nicht für jeden. Auch die Addition nicht. Mathematik und Komposition sind nicht die einzigen riskanten mentalen Tätigkeiten. Ein Team am St Thomas’ Hospital in London dokumentierte die Notlage von siebzehn Personen, die genau aufpassen mussten, was sie beobachteten. Bei ihnen konnte der Akt des Lesens Anfälle auslösen. Zeitungen sind also gefährlich. Bücher sind gefährlich. Gefahrenquellen lauern überall. Es gibt auch Menschen, für die der Akt des Schreibens gefährlich ist. Im Lesen, Schreiben, Rechnen und anderen Arten des Denkens lauern also echte Gefahren. Sie sind aber äußerst selten. Wenigstens sagen die Ärzte, dass sie das glauben. Daten durchkämmen
Clarence Robbins und Marjorie Gene Robbins besuchten Freizeitparks in der Hoffnung, eine gute repräsentative Mischung von Fremden mit Kopfhaar vorzufinden. Dann verfassten sie »Haarlänge in Freizeitparks in Florida: Eine Approximation der Haarlänge in den Vereinigten Staaten von Amerika«. Die Untersuchung verrät, wie Robbins und Robbins ihre Daten sammelten, sie auswerteten und die Strähnen hochrechneten, um ein neues Verständnis von Amerika zu gewinnen. Zur Zeit ihrer Untersuchung waren Robbins und Robbins die führenden Forscher bei Clarence Robbins Technical Consulting, einer Denkfabrik in ihrem Wohnort Clermont, Florida. Clermont ist nur eine kurze Autofahrt von vier großen Freizeitparks entfernt – Epcot, Universal Studios, Magic Kingdom und MGM Studios. Für die Besuche in diesen Parks setzten sich die Forscher ein einfaches, klares Ziel: »Daten zum Prozentsatz von Personen in den Vereinigten Staaten mit unterschiedlichen Kopfhaarlängen zu erhalten«. Das Ziel war nicht so leicht zu erreichen. Robbins und Robbins hielten es für klug, den Freizeitparks zwei zusätzliche Besuche abzustatten, eigens um Fragen hinsichtlich der Genauigkeit zu beantworten. Der erste Extrabesuch diente dem Ziel, zu »bestimmen, ob Frisuren unsere Schätzungen zu den Längen freihängenden Haares stören oder beeinträchtigen könnten oder nicht«. Dies ließ sich mühelos statistisch abgleichen. Der andere Besuch hatte die Aufgabe, zu »bestimmen, ob Kopfbedeckungen« – womit sie Mützen, Hüte und Schals meinten – die Schätzungen verzerrten oder nicht. Sie entschieden erfreulicherweise, dass Kopfbedeckungen keine derartigen Probleme verursachen würden. Robbins und Robbins konnten natürlich nicht garantieren, dass ihre haarige Stichprobe die gesamte amerikanische Bevölkerung repräsentierte. Aber die Abhandlung verrät, wie sie ihr Bestes versuchten: »Im Bestreben, zu ermitteln, wie diese Bevölkerungsgruppe sich zur amerikanischen Bevölkerung generell verhält, wurden mehrere Telefonate mit der Walt Disney Corporation geführt, auch mit ihrer Abteilung für Marktforschung. Die Angesprochenen weigerten sich, hilfreiche Auskünfte zu geben, indem sie darauf hinwiesen, dass ihre Daten und Ergebnisse geschützt seien.« Die Robbins-Robbins-Studie legt, obwohl vom Wesen her fachspezifisch, Fakten vor, die auch für Laien erhellend sein mögen: »Eine Frau, die in Epcot beobachtet wurde, hatte Haare, die mehrere Zentimeter über ihr Gesäß reichten. Sie war in ein hautenges Kostüm gekleidet, genauso wie zwei junge Männer, die sie kurz nach einer Disney-Vorführung begleiteten. Sie hatte lockiges blondes Haar und schien Mitte bis Ende zwanzig zu sein. Diese Frau war höchstwahrscheinlich eine Angestellte von Disney, eingestellt wegen ihrer langen Haare, denn wir beobachteten sie einmal vorher in einer Disney-Vorführung, wo sie als Rapunzel auftrat.« Der im Journal of Cosmetic Science erschienene Bericht schließt mit einer zwingenden Zusammenfassung: »Durch Beobachtung des Haars von 24 300 Erwachsenen in Freizeitparks in Zentralflorida zu angegebenen Daten von Januar bis Mai 2001 und Schätzung der Haarlänge bezüglich spezifischer anatomischer Positionen schließen wir, dass rund 13% der amerikanischen erwachsenen Bevölkerung derzeit das Haar schulterlang oder länger, etwa 2,4% das Haar über die Schulterblätter oder länger, ungefähr 0,3% das Haar hüftlang oder länger und nur 0,017% das Haar gesäßlang oder länger tragen. Haar, das beträchtlich länger als gesäßlang war, wurde in dieser Bevölkerungsgruppe nicht beobachtet.« Wahrheit, von der Seite betrachtet
Auf welcher Seite liegt die Wahrheit? Nach einer in der Zeitschrift Neuropsychologia 1993 veröffentlichten Untersuchung ist es die linke. Das linke Ohr, besagt diese Studie, kann besser als das rechte die Wahrheit erkennen. Ein bisschen besser. Bei den meisten Leuten. Manchmal. Das Experiment unter dem Namen »Hemisphärische Asymmetrie für die akustische Erkennung wahrer und falscher Aussagen« wurde von Franco Fabbro und seinem Team an der Universität Triest durchgeführt. 24 Männer und 24 Frauen setzten Kopfhörer auf, dann folgten (vermutlich) diese Anweisungen: »In den Kopfhörern werden Sie Sätze hören, gesprochen von vier Personen, die Sie nicht kennen. Es gibt zwei Typen von Sätzen – ›Dies ist ein angenehmes Foto‹ und ›Dies ist ein unangenehmes Foto‹. Während die vier Personen diese Sätze sprachen, blickten sie auf Fotos, die sie vorher als angenehm oder unangenehm beurteilt hatten. Manchmal sagen sie die Wahrheit. Manchmal lügen sie. Nachdem Sie einen Satz gehört haben, müssen Sie entscheiden, ob Sie glauben, die Sprecher sagen die Wahrheit oder lügen.« Die Wirkung ist subtil. Nach den Daten erkennt der Wahrheitsdetektor des linken Ohres nicht besonders gut Lügen von Frauen. Er funktioniert, in dem Maß, wie er funktioniert, nur, wenn ein Mann lügt. Selbst dann erkennt er aber nur 63% der wahren Aussagen als wahr. Fabbro und seine Kollegen waren von den zwei Gehirnhälften fasziniert. Die eine wird für geschickter als die andere im Umgang mit Emotionen gehalten. »Die meisten Menschen erleben einen Anstieg an emotionalem Stress, wenn sie lügen«, besagte die Studie. Auch diese Theorie ist subtil. Fabbro und seine Kollegen drücken es so aus: »Da in menschlichen Kulturen das Lügen vorwiegend auf der verbalen Ebene stattfindet, ist es vernünftig, mit einer stärkeren Tendenz zu rechnen, jene Art von Information als falsch zu betrachten, die durch verbale Systeme übermittelt und verarbeitet wird. Aus demselben Grund ist es vernünftig, mit einer stärkeren Tendenz zu rechnen, diejenige Information für wahr zu halten, die durch nicht-verbale Systeme verarbeitet wird.« Ein anderes Experiment, das über ein Jahrzehnt früher an der McGill University in Montreal, Kanada, durchgeführt wurde, suchte nach etwas weniger Subtilem. Und fand es. Walter W. Surwillo berichtete über alles in seiner Studie »Ohr-Asymmetrie im Hörverhalten am Telefon«, die in der Zeitschrift...